Agrippa von Nettesheim, eigentlich Heinrich Cornelius (1486 – 1535)
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Deutscher Philosoph, Theologe und Arzt, der als rastloser Wanderer in Deutschland, Frankreich und England ein abenteuerliches und lebensgefährliches Dasein führte. Agrippa bekämpfte die scholastische Wissenschaft. Bereits als 24-jähriger schrieb er sein Lebenswerk »De occulta philosophia« (Die geheime Philosophie), eine Zusammenfassung all dessen, was aus der antiken Magie über das Römische Reich in das christianisierte Europa gekommen war. Ihm ging es darum, die wahre Magie, die aufgrund Scharlatanerie bei der Kirche und allen ernsthaft Denkenden in Verruf geraten war, in Schutz zu nehmen. War er doch überzeugt, dass jenseits von Verstand und Sinneswahrnehmung ein Reich der Erleuchtung existiert, das für gewöhnliches Denken unerreichbar ist. Seine magischen Schriften sind wichtige Dokumente unserer Geistesgeschichte. Vieles von dem, was heutzutage in Psychologie und Parapsychologie wissenschaftlich erforscht wird (Psychosomatik, Suggestion, Hypnose, Telepathie, Hellsehen etc) ist bei ihm bereits vorgezeichnet. Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon |
Inhaltsverzeichnis
Von den göttlichen Emanationen, welche die Hebräer den Zahlen . . .
Von den göttlichen Namen und ihrer Macht und Kraft
Die Kenntnis des wahren Gottes ist für den Magier notwendig
Von dem wahren christlichen Glauben in Hinsicht Gottes und der allerheiligsten Dreieinigkeit
Zahlenmystik
Von den Zahlen, Ihrer Macht und ihren Kräften
Welch große Kräfte die Zahlen sowohl in natürlichen als übernatürlichen Dingen besitzen
Von der Einheit der Zahl Eins und ihrer Leiter (2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, über 12)
Die
Kenntnis des wahren Gottes ist für den Magier notwendig
Aller Dinge Sein und Wirken hängt von Gott, dem Allerhöchsten, dem
Schöpfer von allem ab; sodann auch von den übrigen himmlischen Wesen,
denen gleichfalls die Macht des Bildens. und Schaffens verliehen wurde, aber
nicht prinzipiell, sondern als Werkzeugen in der Kraft des ersten Schöpfers:
denn aller Dinge Ursprung ist die erste Ursache; was aber von den sekundären
Ursachen hervorgebracht wird, das wird eigentlich ebenfalls von ersten Ursache
hervorgebracht, denn diese ist ja auch die Erzeugerin der sekundären, welch
letztere man auch Untergottheiten nannte. Jeder Magier muss nun sowohl
Gott selbst, den Schöpfer aller Dinge und die erste Ursache, als die übrigen
Götter (Untergottheiten) oder himmlischen Wesen (von uns die sekundären
Ursachen genannt) kennen und wissen, wie ein jedes dieser Wesen seiner Stellung
gemäß zu verehren ist. Denn wer die Götter anruft, ohne einem
jeden die ihm zukommenden Ehrenbezeugungen zu erweisen oder ihm das, was seines
Amtes ist, richtig zuzuteilen, wird ihrer Gegenwart sich nicht erfreuen und
die gewünschten Wirkungen nicht erlangen; gerade wie bei einem musikalischen
Instrumente die ganze Harmonie verloren geht, wenn eine Saite reißt. S.364
Von
dem wahren christlichen Glauben in Hinsicht Gottes und der allerheiligsten Dreieinigkeit
Die Lehrer der Kirche und alle rechtgläubigen Christen bekennen sich zu
dem Glauben, dass nur ein einiger wahrer, unerschaffener, unermesslicher,
allmächtiger, ewiger Gott sei, Vater, Sohn und heiliger Geist, drei Personen,
gleich ewig, jedoch von einerlei Wesen und Substanz und durchaus einfacher Natur.
Dies ist der allgemeine Glaube, dies die orthodoxe Religion, dies die christliche
Wahrheit, dass wir einen Gott in der Dreieinigkeit und die Dreieinigkeit
in der Einheit verehren und weder die Personen vermengen noch die Substanz trennen.
Der Vater hat von Ewigkeit den Sohn gezeugt, ihm sein Wesen verliehen und es
nichtsdestoweniger behalten. Der Sohn hat bei seiner Geburt das Wesen des Vaters erhalten, jedoch nicht die eigene Person des Vaters angenommen, noch hat der
Vater sie auf den Sohn übertragen: denn es sind beide eines und desselben
Wesens, aber verschiedene Personen. Obwohl der Sohn gleich ewig wie der Vater
ist, aus dem Wesen des Vaters in Ewigkeit erzeugt, so wurde er nichtsdestoweniger
aus dem Wesen der Jungfrau in der Zeit geboren und sein Namen JESUS genannt:
ein vollkommener Gott und vollkommener Mensch, aus einer vernünftigen Seele
und menschlichem Fleische bestehend, dem nichts Menschliches abging, außer
der Sünde. Wir müssen daher glauben, daß unser Herr Jesus Christus,
der Sohn Gottes, Gott und Mensch ist: Eine Person, zwei Naturen. Von Ewigkeit
her erzeugt ist er Gott ohne Mutter; in der Zeit ist er als Mensch ohne Vater
geboren von einer vor und nach der Geburt unbefleckten Jungfrau; er hat gelitten
und ist am Kreuze gestorben, aber am Kreuze hat er das Leben wieder gebracht
und durch den Tod den Tod vernichtet; er ist begraben worden und ist hinabgestiegen
zur Hölle, von wo er die Seelen der Väter herausgeführt hat;
am dritten Tage ist er durch eigene Kraft auferstanden, ist gen Himmel ausgefahren,
hat seinen Geist, den Tröster, geschickt und wird wiederkommen, zu richten
die Lebendigen und die Toten. Bei seiner Wiederkunft werden alle Menschen auferstehen
in ihrem Fleische und Rechenschaft ablegen von ihren Handlungen. Dies ist der
wahre Glaube; wer sich nicht zu ihm bekennt oder daran der darf auch nicht auf
das ewige Leben und die ewige Seligkeit hoffen.
Von
den göttlichen Emanationen, welche die Hebräer den Zahlen . . .
Obgleich Gott bei der Dreieinigkeit der Personen durchaus Eines Wesens ist,
so zweifeln wir doch nicht, daß in ihm mannigfache Mächte enthalten
sind, die wie Strahlen von ihm ausgehen und die von den heidnischen Philosophen
Götter, von den Lehrern der Hebräer Zahlen, von uns aber Attribute
genannt werden, wie z.B. die Weisheit, welche Orpheus Pallas, die Einsicht, welche er Merkur, die Erzeugung der Form, die er Saturn,
die Schöpfungskraft, die er Neptun, die verborgene Natur der Dinge, die
er Juno, die Liebe, die er Venus, das lichte Leben, das er Sonne oder Apollo,
die Ordnung der ganzen Welt, die er Pan nennt. Die Seele aber, wie sie das Untere
erzeugt, das Obere betrachtet, und sich in sich selbst zurückzieht, besingt
er unter dem dreifachen Namen Meer, Neptun und Ozean und dergleichen mehr. An
einer andern Stelle sagt er:
Jupiter und Pluto, Phöbus, Dionysus ist Eines.
Ganz ähnlich singt Valerius Soranus:
Jupiter ist der allmächtige Herr der Gesetze, und
Vater
Wie auch Mutter der Götter, er ist die einige Gottheit.
So verehrten jene weisen Theologen der Heiden unter verschiedenen Namen und
Wesen, auch unter verschiedenem Geschlechte den einigen Gott. Die schwachen
und mühebeladenen Sterblichen, sagt Plinius,
haben ihn, eingedenk ihrer Gebrechlichkeit, geteilt, damit jeder verehren könnte,
wessen er am meisten bedürfte. So verehrten die, welche der Treue bedurften,
den Jupiter, welchen Vorsicht nötig war, den Apollo, welche Weisheit verlangten,
die Minerva, und bei andern Bedürfnissen rief man wieder unter anderen
Namen die Gottheit an. Aus der Mannigfaltigkeit der Gaben entsprang daher jene
Mannigfaltigkeit der himmlischen Mächte. Gott aber ist eins und von ihm
kommt alles her. Apulejus sagt daher in
seiner an Faustinus gerichteten Schrift
von der Welt: Obgleich
ein Gott ist, so wird doch dasselbe Wesen mit mehreren Namen benannt, wegen
der Menge der Erscheinungen, durch deren Verschiedenheit es vielgestaltig wird.
Marcus Varro sagt in seinem Buche
von der Verehrung der Götter: Wie
alle Seelen sich auf eine, die Weltseele oder die Seele des Universums, zurückführen
lassen, so kann man alle Götter auf den einzigen Jupiter zurückführen,
der als derselbe Gott unter den Namen verschiedener himmlischer Mächte
verehrt wird. Wer die Hymnen des Orpheus und der alten Magier richtig verstehen will, muß daher die sinnlichen
Eigenschaften auf dem Wege der geheimeren Analogie vollkommen zu vergeistigen
wissen. Er wird sich dann überzeugen, daß dieselben von den kabalistischen
Geheimnissen und den orthodoxen Traditionen durchaus nicht verschieden sind.
Was z.B. Orpheus Kureten und unverletzte
Götter nennt, heißt Dionysius Mächte, und die Kabalisten teilen dieselben der Sephirah Pachad, d.i. der
göttlichen Furcht zu; das Ensoph der Kabala heißt bei Orpheus
die Nacht; der Typhon des Orpheus ist
der Samael der Kabalisten.
Die der göttlichen Dinge am meisten kundigen Kabalisten der Hebräer
haben zehn göttliche Hauptnamen oder Mächte,
oder Glieder Gottes angenommen, die durch zehn Zahlen,
welche sie Sephiroth nennen, wie durch Gewänder oder Werkzeuge oder Vorbilder
des Archetypus in alles Erschaffene einfließen, durch jedes einzelne Obere
bis zum Unteren, jedoch in einer bestimmten Ordnung. Denn zuerst und zunächst
fließen sie in die neun Ordnungen der Engel und den Chor der seligen Seelen
ein, und durch diese in die himmlischen Sphären, in die Planeten und die
Menschen, von denen hierauf die einzelnen Dinge Gedeihen und Kraft empfangen.
Der erste Name davon ist
Eheie, der Name der göttlichen Wesenheit. Seine Sephira heißt Kether, welches Krone oder Diadem bedeutet
und die Einfachheit des göttlichen Wesens bezeichnet; sie heißt auch,
was kein Auge gesehen hat, und wird Gott dem Vater zugeteilt. Sie
fließt durch die Ordnung der Seraphim, oder wie die Hebräer sie nennen, Chajoth hakkodesch, d.h. Tiere der Heiligkeit,
und hierauf durch das erste Bewegliche (Primum mobile)
ein und verleiht allen Dingen ihr Dasein, das Universum seinem ganzen
Umfange nach bis zum Mittelpunkte erfüllend. Ihre Intelligenz
heißt Metatron, d.i. Fürst der Angesichter. Sein Amt ist es,
andere vor das Antlitz des Herrn zu führen und durch ihn hat der Herr zu Moses geredet. —
Der zweite Name ist
Jod oder das mit Jod verbundene Tetragrammaton. Seine Sephirah heißt Chochmah, d.i. Weisheit; sie bedeutet
die Göttlichkeit der Ideen, sowie den Erstgebornen, und wird dem Sohne
zugeteilt. Sie fließt durch die Ordnung der Cherubim, oder wie die Hebräer
sie nennen, der Ophanim, d.i. der Formen oder Räder ein und hierauf in
den Sternenhimmel, wo sie ebenso viele Figuren bildet, als sie Ideen in sich
enthält, und das Chaos der Kreaturen durch die Intelligenz Raziel ordnet,
die dem Adam vorgesetzt war. —
Der dritte Name heißt Tetragrammaton
Elohim; seine Sephirah wird Binah,
d.h. Klugheit oder Einsicht genannt und bedeutet die Nachlassung und Ruhe, das
Jubiläum, die bußfertige Bekehrung, die große Posaune, die
Erlösung der Welt und das Leben der zukünftigen Zeit. Sie wird dem
heiligen Geiste zugeeignet und durch die Ordnung der Throne oder nach hebräischer
Ausdrucksweise der Aralim, d.h. der großen, mächtigen und starken
Engel, und hierauf durch die Sphäre des Saturn einfließend, verleiht
sie der flüssigen Materie eine Form. Ihre Intelligenz Zaphkiel war dem
Noah vorgesetzt und eine andere Intelligenz Jophiel dem Sem. Dies sind die drei höchsten und obersten Sephiroth, gleichsam die Throne
der göttlichen Personen, auf deren Befehl alles geschieht und durch die
übrigen sieben vollzogen wird, welche deshalb die Zahlen des Werkes genannt
werden. —
Der vierte Name nun ist El,
dessen Sephirah Chesed, d.i. Milde oder
Güte heißt und Gnade, Barmherzigkeit, Sanftmut, Hoheit, Herrschaft
und rechte Hand bedeutet. Sie fließt durch die Ordnung der Herrschaften,
oder wie die Hebräer sagen, der Chaschmalim, ein und hierauf durch die
Sphäre des Jupiter, und bildet die Gestalten der Körper, sowie sie
allen Sanftmut und friedfertige Gerechtigkeit verleiht. Ihre Intelligenz Zadkiel
war dem Abraham vorgesetzt. —
Der fünfte Name ist Elohim
gibbor, d.h. starker Gott, der die Sünden der Gottlosen bestraft.
Seine Sephirah heißt Geburah, Macht,
Strenge, Stärke, Gericht, die durch Niederlagen und Kriege straft; sie
wird dem Richterstuhle Gottes, seinem Gürtel, Schwert und linken Arme zugeeignet,
und heißt auch Pachad oder Furcht.
Sie fließt durch die Ordnung der Gewalten oder, wie die Hebräer sie
nennen, der Seraphim und hierauf durch die Sphäre des Mars ein, dem die
Stärke, der Krieg und die Drangsale zugehören; sie bringt die Elemente
hervor und ihre Intelligenz Camael war dem Simson
vorgesetzt. —
Der sechste Name ist Eloha,
oder der vierbuchstabige Name, verbunden mit Vedaath.
Seine Sephirah heißt Tiphereth, d.i. Zierde, Schönheit, Ruhm, Freude;
sie bedeutet das Holz des Lebens und fließt durch die Ordnung der Kräfte
oder Malachim, d.h. Engel, in die Sphäre der Sonne ein, der sie Klarheit
und Leben verleiht. Sie bringt sodann die Metalle hervor und ihre Intelligenz
Raphael war dem Isaak und dem jüngeren Tobias
vorgesetzt, sowie der Engel Peliel dem Jacob. —
Der siebente Name ist Tetragrammaton
Zebaoth oder Adonai Zebaoth,
d.i. Gott der Heerscharen. Seine Sephirah heißt
Nezach, d.h. Triumph und Sieg; es wird ihr die rechte Säule
zugeschrieben und sie bedeutet die Ewigkeit und die Gerechtigkeit des rächenden
Gottes. Durch die Ordnung der Fürstentümer, oder wie die Hebräer
sie nennen, der Elohim, d.i. der Götter, fließt sie in die Sphäre
der Venus ein und verleiht Eifer und Liebe zur Gerechtigkeit, sowie sie ferner
die Vegetabilien hervorbringt. Ihre Intelligenz Haniel und der Engel Cerviel
waren dem David vorgesetzt. —
Der achte Name heißt Elohim
Zebaoth, was auch Gott der Heerscharen bedeutet, doch nicht des
Krieges und der Gerechtigkeit, sondern der Frömmigkeit und Eintracht. Beide
Namen, dieser und der vorhergehende, haben nämlich ihr Heer. Die Sephirah
des letzteren heißt Hod, welches
Lob, Preis, Schmuck und Glanz bedeutet. Es wird ihr die linke Säule zugeschrieben,
und durch die Ordnung der Erzengel, oder der Bene elohim, d.h. Söhne der
Götter, in die Sphäre des Merkur einfließend, verleiht sie Zierde
und Harmonie und bringt die Tiere hervor; ihre Intelligenz ist Michael, der
dem Salomo vorgesetzt war. —
Der neunte Name heißt Sadai,
d.i. der Allmächtige und allem Genügende, sowie Elchai, d.i. der lebendige
Gott. Seine Sephirah ist Jesod, d.h. die
Grundlage, das Fundament; sie bezeichnet das gute Verständnis, den Bund,
die Erlösung und die Ruhe. Durch die Ordnung der Engel, oder wie die Hebräer
sagen, der Cherubim, in die Sphäre des Mondes einfließend, leitet
sie das Wachstum und die Abnahme aller Dinge, trägt für die Genien
und Wächter der Menschen Sorge und verteilt dieselben. Ihre Intelligenz
Gabriel war dem Joseph, Josua und Daniel vorgesetzt. —
Der zehnte Name ist Adonai
melech, d.i. Herr und König. Seine Sephirah heißt
Malchuth, Reich und Herrschaft, und bedeutet die Kirche, den Tempel
Gottes und die Türe; sie fließt durch die animastische, d.h. durch
die Ordnung der seligen Seelen ein, die von den Hebräern Issim, oder Edle,
Heroen und Fürsten genannt werden. Diese, die niedriger sind als die Hierarchien,
flößen den Menschenkindern wunderbare Kenntnis der Dinge und Fleiß
ein, sowie sie ihnen auch die Gabe der Weissagung verleihen. Ihr Vorsteher ist
die Seele des Messias oder wie andere sagen, die Intelligenz Metatron, welche
die erste Kreatur oder die Weltseele heißt und dem Moses
vorgesetzt war.
Von
den göttlichen Namen und ihrer Macht und Kraft
Obgleich Gott vollkommen eins ist, so hat er doch verschiedene Namen, die aber
nicht verschiedene Wesenheiten oder Gottheiten desselben ausdrücken, sondern
gewisse Eigenschaften, die von ihm ausgehen. Durch diese Namen fließen
wie durch Kanäle uns und den übrigen Geschöpfen viele Wohltaten
und verschiedene Gaben zu. Zehn solcher Namen, die auch Hieronymus
an Marcella aufzählt, haben wir oben
beschrieben. Dionysius hat fünfundvierzig
Namen, sowohl von Gott dem Vater, als von Christus zusammengestellt. Die hebräischen
Kabalisten leiten aus einem gewissen Texte, der sich im 2. Buch Mosis befindet,
zweiundsiebenzig, sowohl englische als göttliche Namen ab, welche sie den
Namen von zweiundsiebenzig Buchstaben und Schemhamphoras, d.h. den geoffenbarten
Namen nennen. Andere gehen noch weiter und glauben, in jeder einzelnen Schriftstelle
ebenso viele göttliche Namen zu finden, so daß deren Zahl und Bedeutung
uns völlig unbekannt sind.
Aus: Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, Die
magischen Werke [De occulta philosophia], S.364, 370-376
Fourier Verlag , Wiesbaden
Zahlenmystik
Von den
Zahlen, Ihrer Macht und ihren Kräften
Severinus Boetius sagt: Alles von Anbeginn der
Dinge Erschaffene scheint nach Zahlenverhältnissen geformt, die als ein
Vorbild in dem Geiste des Schöpfers lagen. In ihnen haben die verschiedenen
Elemente ihren Grund; der Wechsel der Zeiten, die Bewegungen der Gestirne, die
Umdrehung des Himmels, kurz der Stand aller Dinge besteht durch die Verbindung
der Zahlen. Es wohnen deshalb den Zahlen große und erhabene Kräfte
inne, und da schon in den natürlichen Dingen so viele und so große
Kräfte verborgen sind, die sich durch ihre Wirkungen offenbaren, so darf
man sich nicht wundern, daß in den Zahlen noch weit größere,
verborgenere, erstaunlichere und wirksamere liegen, da ja die Zahlen an sich
formaler, vollkommener, im Himmlischen begründet, nicht aus verschiedenen
Substanzen gemischt sind und in der nächsten und einfachsten Beziehung
zu den Ideen der göttlichen Vernunft stehen, von denen sie ihre wirksamsten
Kräfte erhalten. Deshalb vermögen auch zur Erlangung dämonischer
und göttlicher Gaben die Zahlen so Vieles, gleich wie bei natürlichen
Dingen die Versetzung ihrer elementarischen Eigenschaften zur Hervorbringung
von etwas elementarischem Vieles vermag. Alles, was ist
und wird, besteht durch bestimmte Zahlen und erhält von ihnen seine Kraft. Die Zeit besteht aus der Zahl und jede Bewegung und Handlung, und alles, was
der Zeit und der Bewegung unterworfen ist; auch die Harmonie und die Stimme
erhalten durch Zahlen und ihr Verhältnis Kraft und Beistand, und die aus
Zahlen hervorgegangenen Verhältnisse bilden durch Linien und Punkte Charaktere
und Figuren. Diese sind aber für magische Operationen sehr geeignet, indem
sie vermöge ihrer Formbarkeit mit dem Höchsten wie mit dem Niedrigsten
in Zusammenhang gebracht werden können. Endlich sind alle Arten der natürlichen
Dinge wie der übernatürlichen an bestimmte Zahlen gebunden, weshalb
Pythagoras sich zu dem Ausspruche veranlaßt fand, die
Zahl sei es, wodurch alles bestehe, und die den einzelnen Dingen ihre besonderen
Kräfte verleihe; und Proklus sagt: die Zahl existiert immer,
jedoch als eine andere in der Stimme und als eine andere in ihrem Verhältnis,
als eine andere in der Seele und Vernunft und als eine andere in göttlichen
Dingen. Plato aber, sowie Themistius, Boethius und Averroes
der Babylonier erheben die Zahlen so sehr, daß sie glauben, es könne
niemand ohne dieselben richtig philosophieren. Darunter verstehen sie aber nur
die reine und formale Zahl, nicht die materielle, geschriebene oder ausgesprochene,
also nicht die Zahl der Kaufleute, mit welch letzterer die Pythagoräer
und Akademiker, sowie Augustinus nichts
zu schaffen haben wollen. Sie beschäftigen sich bloß mit dem aus
der ersteren hervorgehenden Verhältnisse, welches sie die natürliche,
formale und reine Zahl nennen, aus der allein die großen Geheimnisse hervorgehen
sowohl in natürlichen als in himmlischen und göttlichen Dingen. Sie
führt zunächst zu der Kunst der natürlichen Weissagung, und selbst
der Abt Joachim ist zu seinen Prophezeiungen auf keinem anderen Wege gelangt,
als durch die Zahlen.
Welch
große Kräfte die Zahlen sowohl in natürlichen als übernatürlichen
Dingen besitzen
Daß in den Zahlen eine wunderbare Kraft und Wirksamkeit sowohl zum Guten
als zum Bösen verborgen liege, darüber sind nicht nur die ausgezeichnetsten
Philosophen einverstanden, sondern auch die Lehrer der katholischen Kirche,
wie z.B. Hieronymus, Augustinus, Origenes, Ambrosius,
Gregorius von Nazianz, Athanasius, Basilius, Hilarius, Rabanus, Beda und
viele andere. So behauptet Hilarius in seinen Kommentaren über die Psalmen,
die siebenzig Ältesten haben die Psalmen nach der Wirksamkeit der Zahlen
geordnet. Auch der berühmte Lehrer Rabanus hat über die Kräfte
der Zahlen ein besonderes Buch geschrieben. Welche Kräfte dieselben aber
in der Natur besitzen, erhellt z.B. aus dem PentaphylIon oder Fünffingerkraute,
welches vermöge der Zahl Fünf dem Gift widersteht, böse Geister
vertreibt, Versöhnung befördert; täglich zweimal ein Blatt davon
im Wein genommen, heut das andertägige, drei Blätter das dreitägige,
vier das viertägige Fieber. So heilen vier Körner von der Sonnenwende
(Heliotropium), im Getränke genommen, das viertägige, drei aber das
dreitägige Fieber. Auf ähnliche Weise soll das Eisenkraut (Verbena)
bei Fiebern Hilfe bringen, wenn es bei dreitägigen Fiebern am dritten,
bei viertägigen am vierten Stengelknoten abgehauen wird. Wird die Schlange
einmal mit einem Spieße durchstochen, so kommt sie um; geschieht es aber
zweimal, so genest sie wieder. Dies und vieles andere der Art kann man bei verschiedenen
Autoren bestätigt finden. Der Grund solcher Erscheinungen aber ist in dem
Wechselverhältnis der verschiedenen Zahlen zu suchen. So ist es auch eine
wunderbare, an der Zahl Sieben gemachte Erfahrung, daß immer das siebente
männliche Kind, ohne daß ein Mädchen dazwischen hineingeboren
wurde, die Kraft besitzt, durch bloße Berührung oder durch das Wort
Kropfe zu vertreiben. Auf ähnliche Weise soll die siebente Tochter wunderbare
Hilfe bei Geburten bringen können, wovon aber gewiß nicht die natürliche
Zahl, sondern nur das formale Verhältnis, das in der Zahl liegt, der Grund
ist. Wir müssen daher wiederholt an das oben Gesagte erinnern, daß
nämlich diese Kräfte nicht in den Wort- oder Handelszahlen liegen,
sondern daß die Geheimnisse Gottes und der Natur in den reinen, formalen
und natürlichen Zahlen enthalten sind. Wer nun aber die Wortzahlen und
die natürlichen mit den göttlichen zu verbinden und in Einklang zu
bringen weiß, der kann durch die Zahlen Wunderbares bewirken und auch
erfahren. Die Pythagoräer versicherten, daß sie durch die Zahlen
der Namen vieles vorauszusagen imstande seien, und wenn nicht wirklich ein großes
Geheimnis in denselben verborgen wäre, so würde Johannes in der Apokalypse
nicht gesagt haben: Wer Verstand hat, der überlege die Zahl des Tieres,
denn es ist eines Menschen Zahl. Diese Berechnungsweise steht bei den Hebräem
und Kabbalisten in hohem Ansehen, wie wir weiter unten zeigen werden. Vor allem
aber ist hier zu bemerken, daß die einfachen Zahlen
die göttlichen Dinge bezeichnen, die Zehner die himmlischen, die
Hunderter die irdischen, die Tausender das, was der zukünftigen Zeit angehört.
Da ferner die Geistesteile wegen ihrer Identität (der Gleichheit unter
sich) oder wegen der Gleichheit ihrer Erscheinungen nach arithmetischen Verhältnissen
verbunden sind, der Körper dagegen, dessen Teile von verschiedener Größe
sind, nach geometrischen Verhältnissen zusammengesetzt ist, die
lebenden Geschöpfe selbst aber aus beiden, nämlich aus Seele und Körper,
nach den Regeln der Harmonie bestehen, so folgt hieraus, daß die Zahlen
vorzugsweise auf die Seele die Figuren auf den Körper, beide zusammen auf
das ganze lebende Wesen einzuwirken vermögen.
Von
der Einheit der Zahl Eins und ihrer Leiter
Wir wollen nun von den Zahlen im Besonderen sprechen; da aber die
Zahl nichts anderes ist als eine Wiederholung der Einheit, so haben wir
zuerst diese zu betrachten. Die Einheit durchdringt vollständig
jede Zahl; sie ist aller Zahlen gemeinschaftliches Maß, Quelle und Ursprung,
Sie enthält jede Zahl in sich vereint, schließt jede Vielheit aus,
ist immer dieselbe und unveränderlich; weshalb sie auch mit sich selbst
multipliziert nur sich selbst zum Produkt hat; sie ist, selbst ohne alle Teile,
teilbar, wird aber durch Teilung nicht in Teile zerlegt, sondern multipliziert,
d.h. in Einheiten; jedoch ist keine von diesen Einheiten größer oder
kleiner als die ganze Einheit und jeder kleine Teil ist die ganze Einheit. Sie
wird daher nicht mit ihren Teilen, sondern mit sich selbst multipliziert. Es
haben daher einige dieselbe Eintracht, andere Frömmigkeit, noch andere
Freundschaft genannt, weil sie sich nicht in Teile zerlegen läßt.
Martianus behauptet nach einem Ausspruche des Aristoteles, sie sei auch Cupido
genannt worden, weil sie immer nur eins sei, immer gesucht werden wolle, und
nichts außer sich habe, sondern jede Erhöhung oder Verbindung ausschließend
ihre Glut auf sich selbst lenke. Die Einheit ist daher
aller Dinge Anfang und Ende; sie selbst aber hat weder Anfang noch Ende, denn
nichts ist vor Eins, nichts nach Eins. Eins ist der Anfang aller Dinge und alle
Dinge reichen bis zu Eins; über Eins hinaus gibt es nichts, und alles,
was ist, strebt nach der Einheit, denn alles ist von der Einheit ausgegangen
und muß deshalb, um zu sein, notwendig an der Einheit teilhaben,
und gleichwie alle Dinge von der Einheit in die Vielheit ausgegangen sind, so
müssen auch alle, welche zu der Einheit, von der sie ausgingen, zurückgehen
wollen, notwendig die Vielheit ablegen. Die Einheit bezieht
sich daher auf den höchsten Gott. der, selbst eins und unzählbar,
doch Unzähliges aus sich hervorbringt und in sich enthält. Es ist Ein Gott, Eine Welt Eines Gottes, Einer Welt Eine Sonne, auch nur Ein
Phönix in der Welt, Eine Königin bei den Bienen, Ein Leiter der Herde;
Einem Führer folgen die Kraniche und noch viele andere Tiere verehren die
Einheit. Unter den Gliedern des Körpers ist Eines das vornehmste, von welchem
die übrigen regiert werden, sei dies Eine nun das Haupt, oder wie andere
wollen, das Herz. Ein Element ist das siegreiche und alles durchdringende, das
Feuer. Ein Ding ist von Gott geschaffen, der Inbegriff alles Wunderbaren, auf
Erden wie im Himmel befindlich, seinem Wesen nach dem Tier-, Pflanzen- und Mineralreiche
angehörig, überall zu finden, nur von sehr wenigen gekannt, von keinem
mit seinem wahren Namen benannt, aber in unzählige Bilder und Rätsel
verhüllt, und ohne das weder die Alchemie noch die natürliche Magie
ihren Zweck vollständig erreichen können. Von Einem Menschen, Adam,
stammen wir alle ab; von diesem Einen sind wir alle dem Tode hingegeben, durch
Einen Jesus Christus sind wir wiedergeboren, und wie Paulus sagt: Ein Herr,
Ein Glaube, Eine Taufe, Ein Gott und Vater Aller, Ein
Mittler zwischen Gott und den Menschen; Ein höchster Schöpfer,
der über Alle, durch Alles und in uns Allen ist. Ein Gott Vater, von dem
Alles und wir in ihm; Ein Gott Jesus Christus, der durch Alles und wir durch
ihn; Ein Gott heiliger Geist, in welchem Alles und wir in ihm.
Von
der Zahl Zwei und ihrer Leiter
Zwei ist die erste Zahl, weil es die erste Mehrheit ist,
die durch keine andere Zahl gemessen werden kann als durch die Einheit, das
für alle Zahlen gemeinschaftliche Maß. Die Zahl Zwei ist aus keinen
Zahlen zusammengesetzt, sondern besteht nur aus zwei koordinierten Einheiten;
auch heißt sie nicht eine zusammengesetzte Zahl, sondern richtiger eine
nicht zusammengesetzte. Die Zahl Drei wird indes die erste unzusammengesetzte
genannt; der Zweier aber ist der erste Sprößling der Einheit, ihre
erste Erzeugung. Daher heißt die Zahl Zwei auch Genesis und Juno; aus
ihr geht, wie man annimmt, die Verkörperung hervor, sie ist die Erscheinung
der ersten Bewegung und die erste Form der Gleichheit. Als Zahl der ersten Gleichheit,
der Endpunkte und des Zwischenraums, ist sie auch das Symbol der Gerechtigkeit
und deren wahrer Ausdruck, indem sie sich gleichen Gewichtes auf beiden Seiten
erfreut. Auch heißt sie die Zahl der Wissenschaft, des Gedächtnisses
und des Lichtes, sowie die Zahl des Menschen, der sonst auch die kleine Welt
genannt wird. Ferner nennt man sie die Zahl der christlichen Liebe und gegenseitigen
Zuneigung, der Heiraten und des geselligen Lebens, wie der Herr gesagt hat:
Es werden Zwei in Einem Fleische sein, und wie im Prediger Salomo geschrieben
steht: So ist es ja besser, Zwei denn Eins, denn sie genießen doch ihrer
Arbeit wohl. Fällt ihrer einer, so hilft ihm sein Geselle auf. Wehe dem,
der allein ist; wenn er füllt, so ist kein anderer da, der ihm aufhelfe.
Auch wenn Zwei beieinander liegen, wärmen sie sich; wie kann ein Einzelner
warm werden? [...]
Ferner wird die Zahl Zwei die Mitte zwischen Gutem und Bösem, als an beiden
teilhabend, ferner der Anfang der Teilung, der Vielheit
und der Unterscheidung genannt; auch bezeichnet sie die Materie. Bisweilen
nennt man sie auch die Zahl der Zwietracht und Verwirrung, des Unglücks
und der Unreinheit, weshalb der heilige Hieronymus in seiner Schrift gegen Jovianus
sagt: es sei deswegen am zweiten Schöpfungstage nicht gesagt: Und Gott
sahe, daß es gut war, weil die Zahl Zwei eine böse sei. Aus einem
gleichen Grunde befahl Gott, daß alle unreinen Tiere zu Zwei in die Arche
aufgenommen werden sollten, weil der Zweier, wie bereits gesagt wurde, eine
Zahl der Unreinheit ist. Bei den Auspizien ist es eine sehr unglückliche
Zahl, besonders, wenn die Dinge, von denen man die Vorbedeutung nimmt, dem Saturn
oder Mars angehören, denn diese beiden Planeten werden von den Astrologen
als unglückliche betrachtet Ferner soll auch die Zweiheit Nachtgespenster,
Schreckbilder und Beschädigung von Seiten böser Geister für die
bei Nacht Reisender herbeiführen. Pythagoras lehrte, wie Eusebius berichtet,
die Einheit sei Gott und das Gute, die Zweiheit aber der böse Dämon
und da Übel, worin die Vielheit der Materie begriffen ist, weshalb die
Pythagoraer sagen, die Zweiheit sei keine Zahl, sondern sozusagen eine Verwirrung
der Einheit. Plutarch schreibt, die Pythagoräer nennen die Einheit Apollo,
die Zweiheit Streit und Frechheit, die Dreiheit Gerechtigkeit, als die höchste
Vollkommenheit. Doch fehlt es auch der Zweiheit nicht an vielen Mysterien. Zwei
Gesetztafeln erhielt Moses auf Sinai, zwei Cherubim blickten auf den Gnadenstuhl,
zwei träufelnde Ölbäume sah Zacharias, zwei Naturen, die göttliche
und menschliche, sind in Christus; von zwei Seiten zeigte sich Gott dem Moses,
nämlich von vorn und vom Rücken; zwei sind der Testamente, zwei Gebote
der christlichen Liebe, zwei höchste Würden, zwei erste Völker,
zwei Gattungen von Geistern, gute und böse, zwei vernünftige Geschöpfe,
Engel und Menschenseele, zwei große Himmelslichter, zwei Sonnenwenden,
zwei Tag- und Nachtgleichen, zwei Pole, zwei Elemente, welche die lebende Seele
hervorbringen, Erde und Wasser.
Von
der Zahl Drei und ihrer Leiter
Die Zahl Drei ist die erste unzusammengesetzte Zahl, die
heilige Zahl, die Zahl der Vollkommenheit, die mächtigste Zahl, denn drei
Personen sind in Gott, drei sind der theologischen Tugenden in der Religion. Daher kommt es, daß bei den Zeremonien der Götter und der Religion
diese Zahl von der größten Bedeutung ist, wie denn auch ihres Einflusses
wegen Gebete und Libationen (Trankopfer) dreimal wiederholt werden. Virgil singt
deshalb:
— — Ungerades erfreuet die Gottheit.
[...]
Nach Plinius war es Sitte, bei jeder Arznei dreimal unter Aussprechung eines
Wunsches auszuspucken, um dadurch die Wirkung des Heilmittels zu kräftigen.
Die Dreiheit ist durch die dreifache Zunahme, in die Länge,
Breite und Tiefe, über welche hinaus es keine weitere Ausdehnung mehr gibt,
vollkommen, weshalb sie auch die erste Kubikzahl heißt. Zu einem
Kubikkörper und einer Kubikzahl kann nichts hinzugefügt werden. Aristoteles
nennt deshalb zu Anfang seiner Schrift über den Himmel die Dreiheit das
Gesetz, nach welchem alles geordnet ist. In der Dreiheit ist alles Körperliche
und Geistige enthalten, nämlich nach Anfang, Mitte und Ende. Durch die
Zahl Drei besteht die Welt, wie Trismegistus sagt, durch das Schicksal (Heimarmene),
die Notwendigkeit und die Ordnung, d.h. durch die Verkettung der Ursachen, welche
die meisten Schicksal nennen, durch die Gelangung zur Geburt und durch die gehörige
Verteilung des Geborenen. Jedes Zeitmaß wird durch die Dreiheit begrenzt,
nämlich durch die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft; ebenso
jede Größe, durch Linie, Fläche und Körper.
Drei Dimensionen hat jeder Körper, Länge, Breite und Dicke. Drei Akkorde
enthält die Harmonie, die Oktave, Quinte und Terz. Dreierlei Seelen gibt
es, vegetierende, fühlende und vernünftige.
Schon von Gott ist dem Propheten zufolge die Welt nach
der Dreiheit geordnet, nämlich nach Zahl, Maß und Gewicht, und es
ist solche den Urformen zu Grunde gelegt, wie die Zahl Zwei der Materie und
die Einheit Gott, dem Schöpfer, angehört. Auf gleiche Weise
stellen die Magier drei Fürsten der Welt auf, den Oromasis, Meiris und
Araminis, d.h. Gott, die Vernunft und den Geist. Nach der kubischen Dreiheit
werden die drei Enneaden (Neunheiten) der erschaffenen Dinge eingeteilt, nämlich
die der überhimmlischen in neun Ordnungen der Intelligenzen, die der himmlischen
in neun Kreise, die der irdischen in neun Gattungen des Erzeugbaren und Verweslichen.
In der kubischen Dreiheit, nämlich in sieben und zwanzig, sind ferner,
wie Plato und Proklus dies ausführlich erörtern, alle musikalischen
Verhältnisse enthalten; der Dreizahl selbst entspricht in der Harmonie
die Quinte. In der geistigen Welt gibt es drei Rangordnungen der Engel. Dreifach
sind die Geisteskräfte vernünftiger Wesen: Gedächtnis, Verstand
und Wille. Drei sind der Grade der Seligen: Märtyrer, Bekenner und Unschuldige.
Drei sind der Quaternionen der Himmelszeichen: fixe, bewegliche und gemeinschaftliche;
ebenso ihrer Häuser, nämlich die der Hinmmelsecken, des Aufgangs und
des Untergangs. Auch hat jedes Himmelszeichen drei Gesichter, drei Dekane und
drei Herren über jede Triplizität. Drei von den Planeten sind glückliche;
drei Grazien gibt es unter den Göttinnen; drei Parzen, drei Richter, drei
Furien und einen dreiköpfigen Hund in der Unterwelt. So lesen wir auch
von einer dreifachen Hekate, von drei Gesichtern der jungfräulichen Diana.
Drei Personen sind in der Gottheit; drei Zeiten gibt es, die der Natur, des
Gesetzes und der Gnade; ebenso drei theologische Tugenden, Glaube, Liebe und
Hoffnung. Drei Tage war Jonas im Bauch des Fisches, drei Tage Christus im Grabe.
Von der Zahl
Vier und ihrer Leiter
Die Zahl Vier nennen die Pythagoräer Tetractys und
stellen sie, was ihre Kräfte anbelangt, allen Zahlen voran, indem sie die
Grundlage und Wurzel aller übrigen Zahlen ist, weshalb auch alle Grundlagen
sowohl bei künstlichen als natürlichen und göttlichen Dingen
Quadrate sind, wie wir weiter unten zeigen werden. Sie bedeutet Festigkeit
und diese wird daher durch eine viereckige Figur bezeichnet. Die Vierheit ist
das erste Quadrat, das aus zwei Verhältnissen besteht, deren erstes das
von eins zu zwei, das zweite von zwei zu vier ist; sie entsteht durch gedoppeltes
Vorschreiten und Verhältnis, nämlich von eins zu eins, und von zwei
zu zwei, bei der Einheit anfangend und mit der Vierheit schließend. Diese
beiden Verhältnisse unterscheiden sich dadurch, daß sie arithmetisch
betrachtet einander ungleich, geometrisch aber einander gleich sind. Das Quadrat
wird Gott dem Vater zugeschrieben, ja es umfaßt auch das Mysterium der
ganzen Dreieinigkeit; denn durch das erste einfache Verhältnis von eins
zu eins wird die Einheit des väterlichen Wesens angedeutet, aus welchem
dem Vater gleich der Sohn hervorgeht; durch das zweite auch einfache Verhältnis,
von zwei zu zwei, wird das zweite Vorschreiten, nämlich von Vater und Sohn
zum heiligen Geiste bezeichnet, und wie durch das erste Vorschreiten der Sohn
vom Vater, so wird durch das zweite der heilige Geist, jenen beiden gleich,
erzeugt. Deshalb enthält auch der hocherhabene Name
Gottes und der heiligen Dreieinigkeit vier Buchstaben (Tetragrammaton), nämlich
Jod, He und Vau, He, wobei der Hauchlaut He das Ausgehen des heiligen Geistes
von beiden, Vater und Sohn, bedeutet. Das doppelte He schließt beide Silben,
sowie den ganzen Namen. Einige behaupten, daß man diesen Namen
Jova ausspreche, woher jener heidnische Jovis, den die Alten auch mit vier Ohren
abbildeten. Die Vierzahl ist also die Quelle und der Inbegriff der ganzen Gottheit.
Die Pythagoräer nennen sie auch die ewige Quelle der Natur, denn vier Stufen
sind an der Leite der Natur, nämlich Sein, Leben, Fühlen und Denken.
Auch gibt es in der Natur vier Bewegungen, nämlich eine aufsteigende, absteigende,
vorrückende und kreisförmige. Vier sind der Himmelsgegenden, Morgen,
Abend, Mittag und Mitternacht. Vier Elemente gibt es unter dem Himmel, Feuer,
Luft, Wasser und Erde; nach diesen am Himmel vier Triplizitäten, unter
dem Himmel vier erste Eigenschaften, kalt, warm, trocken, feucht, und durch
diese vier Säftemischungen oder Temperamente, das sanguinische, phlegmatische,
cholerische und melancholische. Das Jahr wird in vier Zeiten geteilt, Frühling,
Sommer, Herbst und Winter; desgleichen die Luft in vier Hauptwinde: Ost-, West-,
Süd- und Nordwind. Vier Flüsse hat das Paradies und ebensoviel die
Unterwelt.
Außerdem erfüllt die Vierheit jede Wissenschaft; sie bestimmt durch
vier Ausdrücke alles Fortschreiten der einfachen Zahlen, nämlich durch
1 + 2 + 3 + 4, welche den Zehner bilden. Auch alle Unterschiede der Zahlen faßt
sie in sich, indem sie die erste gerade und die erste
ungerade Zahl enthält. In der Musik gehört ihr das Diatessaron
oder die Quarte, desgleichen das Tetrachord und das Diagramma des Pythagoras,
wodurch dieser zuerst die Grundsätze der Harmonie erfand. Innerhalb der
Grenzen der Vierzahl liegen nämlich alle Akkorde, als Sekunde, Terz, Quart,
Diapason, Diapente, Diatessaron usw.
Auch die ganze Mathematik beruht auf vier Grundbestimmungen, nämlich dem
Punkt, der Linie, der Fläche und der Tiefe; auf ebensovielen beruht auch
die ganze Natur, auf der Substanz (Stoff), der Qualität (Beschaffenheit),
der Quantität (Menge) und der Bewegung. Auch die ganze Physik ist in der
Vierzahl enthalten, als Samenkraft, Erzeugungsprozeß, Formengestaltung
und zusammengesetzter Körper. Ebenso hat die Metaphysik vier Grundbegriffe,
nämlich Sein, Wesenheit, Kraft und Tätigkeit. Die Moral umfaßt
vier Tugenden, Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigkeit.
Ferner erstreckt sich die Vierzahl auf die Gerechtigkeit, weshalb es ein vierfaches
Gesetz gibt: das der Vorsehung, von Gott; das des Schicksals, von der Weltseele;
das der Natur, vom Himmel; das der Klugheit, vom Menschen ausgehend. Auch vier
Grundlagen zur Beurteilung des Bestehenden gibt es, nämlich Verstand, Gelehrsamkeit,
Vermutung, Gefühl. Eine große, ja die größte Kraft wird
der Vierzahl auch bei den Mysterien zugeschrieben; deshalb schwuren die Pythagoräer
bei ihr, als dem Höchsten, was Treu und Glauben begründet.
Man nannte dies den Pythagoräischen Eid, wie er in folgenden Versen
ausgedrückt ist:
Der heiligen Vier schwör‘ ich mit lauterem
Sinne,
bei der Quelle der ew‘gen Natur und der Mutter der Seele.
Vier Flüsse gibt es im Paradiese, vier Evangelien, von ebensovielen Evangelisten
verfaßt, sind in der ganzen Kirche allgemein genommen. Mit vier Buchstaben
schrieben die Hebräer den höchsten Namen Gottes.
Auch die Ägypter, Araber, Perser, Magier, Mohammedaner, kriechen, Etrurier
und Lateiner schreiben den Namen Gottes nur alt vier Buchstaben, nämlich
Theut, Alin, Sire, Orsi, Abgdi, esar, Deus. Ähnlich pflegten die Lakedämonier
ihren höchsten Gott Jupiter mit vier Ohren abzubilden. Nach der Orphischen
Götterlehre fährt Neptun mit einem Viergespann. Auch gibt es vier
Arten göttlicher Begeisterung, die von einzelnen Gottheiten ausgehen, nämlich
von den Musen, von Bacchus, Apollo und Venus. Vier Tiere sah der Prophet Ezechiel
am Flusse Chobar und vier Cherubim auf vier Rädern. Bei Daniel steigen
vier große Tiere von dem Meere herauf, und es streiten die vier Winde.
Desgleichen stehen in der Offenbarung vier Tiere, voll Augen vorne und hinten,
um den Thron Gottes, und vier Engel, denen es gegeben ist, die Erde und das
Meer zu beschädigen, stehen auf den vier Ecken der Erde und halten die
vier Winde, auf daß kein Wind über die Erde blase, noch über
das Meer, noch über irgendeinen Baum.
Von
der Zahl Fünf und ihrer Leiter
Die Zahl Fünf ist von nicht geringer Kraft; denn
sie besteht aus der ersten geraden und der ersten ungeraden, gleichsam aus einer
weiblichen und einer männlichen; die ungerade Zahl ist nämlich männlich
und die gerade weiblich, weshalb die Arithmetiker jene den Vater, diese aber
die Mutter nennen. Die Zahl Fünf besitzt daher eine große Vollkommenheit
und Kraft, welche aus der Vermischung dieser Zahlen entspringt; auch ist sie
gerade die Mitte von der allgemeinen Zahl, nämlich von Zehn, denn wenn
man die Zahlen zu beiden Seiten des Fünfers miteinander verbindet, wie
Neun mit Eins, Acht mit Zwei, Sieben mit Drei, Sechs mit Vier, so entsteht immer
die Zahl Zehn und der vollkommene, gleichweit entfernte Mittelpunkt ist stets
die Zahl Fünf. Bei den Pythagoräern heißt sie
deshalb die Zahl der Ehe, wie auch die der Gerechtigkeit, weil sie die Zahl
Zehn durch das Gleichgewicht bildet. Fünf sind der Sinne des Menschen:
Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack und Gefühl; fünf Seelenvermögen
gibt es: das belebende, das empfindende, das begehrende, das erregende und das
vernünftige; fünf Finger sind an der Hand; fünf Wandelsterne
am Himmel und denselben gemäß fünffache Grenzscheiden in jedem
Himmelszeichen. In den Elementen gibt es fünf Gattungen von gemischten
Körpern, nämlich Steine, Metalle, Pflanzen, Tierpflanzen (Zoophyten)
und Tiere, und von letzteren gibt es wieder ebensoviele Gattungen, nämlich
Menschen, vierfüßige, kriechende, schwimmende und fliegende Tiere.
Auch gibt es fünf Arten, nach welchen von Gott alles erschaffen wird, nämlich
das Wesen, die Gleichheit, die Verschiedenheit, die Empfindung und die Bewegung.
Die Schwalbe brütet nur fünf Junge aus, welche sie mit großer
Unparteilichkeit ernährt, indem sie bei dem ältesten anfängt
und so der Reihe nach fortfährt. Eine große Kraft besitzt ferner
diese Zahl bei den Sühnungen, denn bei heiligen Dingen vertreibt sie die
bösen Geister, bei natürlichen schützt sie gegen die Gifte. Sie
heißt auch die Zahl der Glückseligkeit und der Gnade, und ist das Siegel des heiligen Geistes, das alles verknüpfende
Band und die Zahl des Kreuzes, auch durch die Hauptwunden Christi, deren Narben
er noch an seinem verklärten Körper bewahrte, vor allen ausgezeichnet.
Die heidnischen Philosophen haben sie dem Merkur geweiht und ihre Kraft um so
viel höher geachtet als die der Vierzahl, insoweit das Belebte das Leblose
übertrifft. In dieser Zahl fand Vater Noah Gnade bei Gott und wurde in
der Sündflut am Leben erhalten. In der Kraft dieser Zahl zeugte der bereits
hundert Jahre alte Abraham mit seinem neunzigjährigen und unfruchtbaren
Weibe Sarah — gegen die gewöhnliche Ordnung der Natur — einen
Sohn, der zu einem großen Volke heranwuchs. Zur Zeit der Gnade wird der
Name der göttlichen Allmacht mit fünf Buchstaben angerufen; zur Zeit
der Natur geschah dies mit drei Buchstaben zur Zeit der Gnade wurde der Name
Gottes in fünf Buchstaben geoffenbart, Jhesu, dessen Mysterium nicht geringer
ist wenn man ihn mit drei Buchstaben ausdrückt.
Von
der Zahl Sechs und ihrer Leiter
Sechs ist die Zahl der Vollkommenheit, denn sie ist in
der ganzen Reihe der Zahlen von Eins bis Zehn ihrer Natur nach die Vollkommenste.
Sie allein ist so vollkommen, daß sie sich immer aus Zusammenzählung
ihrer Teile ergibt, ohne das etwas fehlte, oder etwas zu viel wäre. Denn
wenn ihre Teile, nämlich die Hälfte, der dritte und der sechste Teil
d.i. Drei, Zwei, Eins zusammengezählt werden, so machen sie gerade die
Summe der Zahl Sechs aus, welche Vollkommenheit den übrigen Zahlen abgeht. Daher eigneten die Pythagoräer dieselbe der Zeugung und den Heiraten
zu; auch heißt sie das Siegel der Welt, denn in der Zahl Sechs ist die
Welt geschaffen, indem sich auch in dieser weder unnötiger Überfluß,
noch Mangel am Notwendigen findet. Daher kommt es, daß am sechsten Tage
die Welt von Gott vollendet wurde, denn am sechsten Tage sah Gott alles, was
er gemacht hatte, und es war sehr gut. Vollkommen sind daher Himmel und Erde
und alles, was sie ziert. Die Zahl Sechs heißt auch die Zahl des Menschen,
denn am sechsten Tage wurde der Mensch geschaffen. Desgleichen wird sie die
Zahl der Erlösung genannt, weil Christus am sechsten Tage zu unserer Erlösung
gelitten hat, woher auch ihre große Verwandtschaft mit dem Kreuze kommt.
Ferner heißt sie die Zahl der Arbeit und der Knechtschaft; daher war es
vom Gesetze geboten, sechs Tage lang zu arbeiten, sechs Tage lang das Manna
zu sammeln, sechs Jahre hindurch das Feld zu bebauen, und der hebräische
Knecht mußte seinem Herrn sechs Jahre lang dienen. Sechs Tage lang senkte
sich die Herrlichkeit des Herrn über den Berg Sinai und bedeckte ihn mit
einer Wolke; sechs Flügel haben die Cherubim; sechs Kreise sind am Firmamente,
der aretische, der antarktische (Nord- und Südpolarkreis), die beiden tropischen,
der Äquator und die Ekliptik; sechs Irrsterne gibt es, Saturn, Jupiter,
Mars, Venus, Merkur, Mond, welche durch den Raum des Tierkreises jenseits und
diesseits der Ekliptik hin- und herwandeln. Sechs wesentliche Eigenschaften
finden sich in den Elementen, nämlich Schärfe, Lockerheit, Bewegung
und die ihnen entgegengesetzten, Stumpfheit, Dichtigkeit, Ruhe. Ferner gibt
es sechs verschiedene Lagen, oben, unten, vorne, hinten, rechts und links. Sechs
sind der natürlichen Erfordernisse, ohne welche nichts bestehen kann, Größe,
Farbe, Gestalt, Abstand, Zustand, Bewegung; sechs Flächen hat der Quadratkörper;
aus sechs Tönen besteht alle Harmonie, nämlich aus fünf ganzen
Tönen und zwei halben, die zusammen einen Ton ausmachen, welches der sechste
ist.
Von
der Zahl Sieben und ihrer Leiter
Die Zahl Sieben besitzt mannigfache Kräfte; sie besteht
nämlich aus Eins und Sechs, oder aus Zwei und Fünf, oder Drei und
Vier, und enthält die Einheit gleichsam als Bindemittel der gedoppelten
Dreiheit. Wenn wir daher ihre einzelnen Teile und deren Verbindung betrachten,
so werden wir ohne Zweifel gestehen, daß sie sowohl in Folge der Zusammensetzung
ihrer Teile als in ihrer Ganzheit die Fülle aller Erhabenheit in sich fasse.
Die Pythagoräer nennen sie das Vehikel des menschlichen Lebens, weil sie
nicht sowohl aus ihren einzelnen Teilen empfängt, als vielmehr vermöge
ihrer Ganzheit ihre Vollkommenheit erlangt. Sie umfasst nämlich Leib und
Seele, denn der Leib besteht aus vier Elementen und wird von vier Eigenschaften
bestimmt; die Dreiheit aber bezieht sich auf die Seele wegen ihres dreifachen
Vermögens, des Verstandes, des Verabscheuungs- und Begehrungsvermögens.
Die Zahl Sieben also, weil sie aus Drei und Vier besteht, verbindet die Seele
mit dem Körper. [...]
Aus sieben
Teilen erschafft Gott die Seele,
wie der göttliche Plato im Timäus
lehrt, und in der Zahl Sieben nimmt auch die Seele den Körper an.
Bis zur siebenten Stufe reicht jede Verschiedenheit der Stimmen, worauf es in
derselben Weise wieder zurückgeht. Ferner gibt es sieben Modulationen der
Stimme selbst, nämlich große Terz, Halbterz, Quarte, Quinte mit einem
Ton, Quinte mit einem halben Ton und Oktave. Auch in himmlischen Dingen besitzt
die Zahl Sieben die höchste Macht, denn da die vier Himmelsecken einander
diametral gegenüber stehen, was als der vollkommenste und gebildet, die
gewaltigste aller Figuren, worüber wir später sprechen werden. Bekanntlich
steht die Zahl Sieben in sehr inniger Beziehung zu dem Kreuze. [...]
Ebenfalls nach der Zahl Sieben richtet sich nach einem ewigen Gesetze der Lichtwechsel
des Mondes; denn in den ersten sieben Tagen wächst er bis zur Hälfte,
einem geteilten Kreise gleichend; in den zweiten sieben Tagen füllt sich
seine Scheibe vollständig mit Licht; in den dritten sieben nimmt er ab
und bekommt wiederum die Gestalt eines geteilten Kreises; zu Ende der vierten
sieben Tage aber wird sein Licht nach völligem Verschwinden wieder erneuert.
Ebenfalls nach der Zahl Sieben leitet der Mond das Wachstum und die Abnahme
des Meeres; denn in den ersten sieben Tagen des zunehmenden Mondes wird das
Meer allmählich kleiner; in den zweiten sieben nimmt es stufenweise zu;
in den dritten verhält es sich wie in den ersten und in den vierten wie
in den zweiten. Die Zahl Sieben wird ferner dem Saturn zugeteilt, der von unten
gezählt, der siebente Planet ist, er bedeutet Ruhe; ihm ist der siebente
Tag geweiht, und er wird das siebente Jahrtausend richten, in welchem (nach
dem Zeugnisse des Johannes), wenn der Drache oder der Teufel, der Urheber alles
Übels, in Banden geschlagen ist, die Sterblichen ruhen und ein friedliches
Leben rühren werden. Sieben heißt bei den Pythagoräern auch die Zahl der Jungfrauschaft, denn sie ist die erste Zahl, die weder
erzeugt wird, noch erzeugt; sie‘kann nämlich nicht in zwei gleiche
Teile geteilt werden, so daß sie aus einer mehrfach genommenen Zahl entstehen
kann, und ebensowenig geht aus ihrer Verdopplung eine Zahl hervor, die innerhalb
der Grenzen der ersten zehn sich befindet, denn die Zahl Zehn ist die Grenze
der Zahlen. Aus diesem Grunde weihten die Pythagoräer die Zahl Sieben
der Pallas. Auch in der Religion wird ihr die höchste Verehrung gezollt,
und sie heißt die Zahl des Eides. Daher heißt das Schwören
bei den Hebräern Siebenen, gleichsam etwas bei der Zahl Sieben bezeugen.
[...]
In sieben Bitten faßte Christus sein Gebet für unsere Erlösung.
Die Zahl Sieben heißt auch die Zahl der Freiheit, denn nach sieben Jahren
konnte der hebräische Knecht seine Freiheit ansprechen. Ganz vorzüglich
eignet sie sich ferner für die Lobpreisung Gottes, weshalb der Prophet
sagt: Siebenmal des Tages habe ich dir Lob gesagt für die Urteile deiner
Gerechtigkeit. Auch die Zahl der Rache wird sie genannt, wie aus den Worten
der heiligen Schrift erhellt: Siebenfach soll Kain gerochen werden, und wie
der Psalmist sagt: Vergilt unsern Nachbarn siebenfältig in ihrem Busen
ihre Schmach. So spricht Salomo von sieben Bosheiten, und von sieben bösen
Geistern liest man im Evangelium. Ferner bezeichnet die Zahl Sieben die gegenwärtige
Zeit, die einen Kreis von sieben Tagen durchläuft. Auch dem heiligen Geiste
ist sie geweiht, den der Prophet Jesaias nach seinen Gaben als siebenfach schildert,
nämlich als den Geist der Weisheit und des Verstandes, als den Geist des
Rates und der Stärke, als den Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.
Bei Zacharias lesen wir von sieben Augen Gottes; sieben englische Geister stehen
nach Tobias vor dem Angesichte Gottes; sieben brennende Fackeln sah Johannes
vor dem Throne Gottes, und sieben goldene Leuchter, und mitten unter den sieben
Leuchtern einen, der war eines Menschen Sohne gleich und hatte sieben Sterne
in seiner rechten Hand. Auch waren sieben Geister vor Gottes Thron, und sieben
Engel standen vor dem Herrn, und es wurden ihnen sieben Posaunen gegeben. Johannes
sah ferner ein Lamm mit sieben Hörnern und sieben Augen, desgleichen ein
Buch mit sieben Siegeln versiegelt, und als das siebente Siegel geöffnet
wurde, entstand eine Stille in dem Himmel. Aus allem bisher Angerührten
erhellt, daß die Zahl Sieben mit Recht als die wirksamste unter allen
Zahlen bezeichnet werden darf. Überdies steht dieselbe
auch in enger Beziehung zu der Zahl Zwölf, denn gleich wie Drei und Vier
Sieben ausmachen, so entsteht aus dreimal Vier Zwölf, welche beide die
von derselben Wurzel ausgehenden Zahlen der Planeten und Himmelszeichen sind
und durch die Zahl Drei an der Gottheit, durch die Zahl Vier aber an den unteren
Dingen teilnehmen. ..
.Von
der Zahl Acht und ihrer Leiter
Die Zahl Acht nennen die Pythagoräer die Zahl der Gerechtigkeit
und der Fülle, und zwar, weil sie zuerst unter allen
in gleiche gerade Zahlen geteilt werden kann, nämlich in vier; auch bei
der wiederholten Teilung (zweimal Zwei) findet dasselbe Verhältnis statt. Wegen dieser Gleichheit der Teilung erhielt
sie den Namen der Gerechtigkeit; die Zahl der Fülle aber wurde sie wegen
ihrer körperlichen Dichtheit genannt, denn sie bildet zuerst einen festen
Körper. Hierher gehört auch der Eid des Orpheus, welcher, als wollte
dadurch die göttliche Gerechtigkeit zum Zeugen aufgerufen werden, bei acht
Gottheiten geschworen wurde, deren Namen sind: Feuer, Wasser, Erde, Himmel,
Mond, Sonne, Phanes und Nacht. Auch gibt es nur acht sichtbare Himmelssphären.
Ferner wird durch diese Zahl das Wesen der körperlichen Natur bezeichnet,
die Orpheus in acht Meerhymnen darstellt. Ferner heißt sie die Zahl des
Bundes und der Beschneidung, welch letztere die Juden nach dem Gesetze am achten
Tage vornehmen müssen. Acht priesterliche Ornamente gab es nach dem alten
Gesetze: die Beinkleider, das Unterkleid, der Hut, der Gürtel, das Oberkleid
(Talar), das Schulterkleid (Leibrock), das Brustschildchen und das goldene Stirnblatt.
Auch auf die Ewigkeit und das Ende der Welt bezieht sich diese Zahl, weil sie
unmittelbar auf die Zahl Sieben folgt, die das Symbol der Zeit ist. Ferner ist
sie die Zahl der Seligkeit, denn so viel Grade derselben lehrt Christus nach
dem Evangelium Matthäi. Auch die Zahl des Heiles und der Erhaltung wird
sie genannt, denn acht Seelen wurden in der Arche Noahs vor der Sündflut
gerettet. Acht Söhne hatte Jesse, von denen David der achte war. Am achten
Tage erhielt Zacharias, der Vater des Johannes, die Sprache wieder. Endlich
ist diese Zahl dem Dionysos heilig, der im achten Monate zur Welt kam. Zum ewigen
Gedächtnisse erhielt die demselben geweihte Insel Naxos das Vorrecht, daß
nur die Weiber dieser Insel im achten Monate glücklich niederkommen und
lebensfähige Kinder gebären, während sonst überall solche
Geburten für die Kinder und auch sehr häufig für die Mütter
einen unglücklichen Ausgang nehmen.
Von
der Zahl Neun und ihrer Leiter
Die Zahl Neun ist den Musen, sowie der Ordnung der himmlischen
Sphären und der göttlichen Geister geweiht. Es gibt nämlich
neun bewegliche Sphären und nach ihnen folgende neun Musen: Kalliope,
Urania, Polyhymnia, Terpsichore, KIio, Melpomene, Erato, Euterpe, Thalia. Diese neun Musen sind den neun Sphären zugeteilt, und zwar in der Art,
daß sich die erste auf die höchste Sphäre bezieht, die man das Primum mobile (erste Bewegliche) nennt, und so abwärts der Reihe
nach bis zur letzten, die der Sphäre des Mondes angehört. Demnach
ist Kalliope dem Primum mobile zugeteilt, Urania dem Sternenhimmel,
Polyhymnia dem Saturne, Terpsichore dem Jupiter, Klio dem Mars, Melpomene
der Sonne, Erato der Venus, Enterpe dem Merkur, Thalia
dem Monde. Ebenso gibt es neun Ordnungen der seligen Engel, nämlich Seraphim, Cherubim, Throne, Herrschaften, Kräfte, Gewalten, Fürstentümer,
Erzengel, Engel, die Ezechiel unter dem Bilde von neun Steinen
bezeichnet. Die Namen dieser Steine sind: Saphir, Smaragd, Karfunkel, Beryll,
Onyx, Chrysolith, Jaspis, Topas, Carneol. Ferner liegt in der Zahl Neun
das große und verborgene Sakrament des Kreuzes, denn um die neunte Stunde
gab unser Herr Jesus Christus den Geist auf. Nach neun Tagen begruben die Alten
ihre Toten, und in ebenso vielen Jahren soll Minos in einer Höhle von Jupiter
seine Gesetze empfangen haben. Es wird daher diese Zahl von Homer besonders
beachtet, wenn er von Gesetzen, Antworterteilungen, oder von grimmigen Schlachten
spricht. Die Astrologen legen den Enneaden (einer Zeit von neun Jahren)
im Alter der Menschen keine geringere Wichtigkeit bei, als den siebenten Jahren,
welche klimakterische heißen, und die durch merkwürdige Veränderungen
an dem Menschen ausgezeichnet sind. Bisweilen jedoch ist die Zahl Neun das Zeichen
der Unvollkommenheit und des Unvollständigen, denn sie gelangt nicht zur
Vollkommenheit des Zehner, hinter dem sie um eins zurückbleibt, was schon
Augustinus zu dem Evangelium von den zehn Aussätzigen bemerkt. Ein Mysterium
liegt auch in der Länge der neun Ellen des Königs Og von
Basan, der ein Bild des Teufels ist.
Von
der Zahl Zehn und ihrer Leiter
Der Zehner ist die vollkommene und Universalzahl,
die den ganzen Lebenslauf bezeichnet. Über sie hinaus
kann man nicht zählen, außer durch Wiederholung; sie schließt
daher entweder alle Zahlen in sich ein oder erzeugt dieselben durch sich und
die in ihr enthaltenen vermittelst der Vervielfachung. Sie wird deshalb
in mannigfacher Beziehung für sehr heilig gehalten. So hatten die Alten
zehntägige Zeremonien, während welcher diejenigen, die von ihren Sünden
sich reinigen oder Opfer bringen wollten, zehn Tage lang sich gewisser Dinge
enthalten mußten. Bei den Ägyptern war es gebräuchlich, daß
demjenigen, der in die Geheimnisse der Isis eingeweiht werden wollte, ein zehntägiges
Fasten auferlegt wurde, wie Apulejus von sich selbst bezeugt, indem er sagt:
Vor allen Anwesenden wurde mir zur Pflicht gemacht, während jener zehn
Tage alles Wohlleben im Essen zu vermeiden und weder Fleisch noch Wein zu genießen.
Zehn Teile stehen beini Menschen in inniger Verbindung mit dem Blute: die monatliche
Reinigung, der Samen, der bildende Geist, der feste Stoff, die Säfte, der
organische Körper, die Lebenskraft, das Gefühlsvermögen, der
Verstand und die Vernunft. Zehn sind auch der einfachen Bestandteile des Menschen:
Knochen, Knorpeln, Nerven Sehnen, Bänder, Arterien, Venen, Muskelhaut,
Fleisch und äußere Haut. Zehn sind der inneren Glieder des Menschen:
Geist, Gehirn, Lunge, Herz, Leber, Galle, Milz, Nieren, Zeugungsteile, Gebärmutter.
Zehn Kessel befanden sich im jüdischen Tempel, zehn Saiten hatte der Psalter,
zehn waren der musikalischen Instrumente, zu denen die Psalmen gesungen wurden,
als: Neza, zu der man die Oden sang; Nablium, eine Art zehnsaitiger Harfe; Mizmor
zur Begleitung der Psalmen; Sir zu den Liedern; Tephila zu den Gebeten; Baracha
zu den Segnungen; Haiel zu den Lobliedern; Hodaia zu den Dankliedern; Asre,
um damit das Glück irgendeines Menschen zu verherrlichen; Hallelujah, ausschließlich
zur Lobpreisung und Betrachtung Gottes. Zehn waren es, die Psalmen sangen, nämlich: Adam, Abraham, Melchisedek, Moses, Assaph, David, Salomo und die drei
Söhne Korahs. Zehn sind ferner der Vorschriften des Gesetzes und
am zehnten Tage nach Christi Himmelfahrt kam der heilige Geist herab. Zehn ist
die Zahl, in welcher Jakob die ganze Nacht hindurch mit dem Engel rang,
im Kampfe siegte, bei Anbruch der Morgenröte gesegnet wurde und den Namen
Israel empfing. In dieser Zahl besiegte Josua einunddreißig Könige,
David den Goliath und die Philister, und durch sie ging Daniel unversehrt aus
der Löwengrube hervor. Gleich der Einheit ist auch
diese Zahl kreisförmig, weil sie zusammengenommen zur Einheit, von der
sie ausging, zurückkehrt. Sie ist das Ende und die Erfüllung aller
Zahlen, sowie der Anfang der Zehner (Dekaden). Gleichwie die Zahl Zehn zur Einheit,
aus der sie hervorging, zurückfließt, so kehrt auch alles Bewegliche
zu dem zurück, von wo es ausfloß: so das Wasser zum Meere,
aus dem es entsprungen, der Körper zur Erde, von der er herstammt, der
Geist zu Gott, der ihn erschaffen hat; kurz jede Kreatur kehrt dahin zurück,
wo ihr Ursprung ist, und wird einzig und allein durch das göttliche Wort
erhalten, in welchem alles verborgen liegt. Alles vollendet seinen Kreislauf
mit der Zahl Zehn und durch dieselbe, indem es, wie Proklus sagt, von Gott anfängt
und in Gott aufhört. Gott selbst, die erste Monas (Einheit), geht, bevor
er Niedrigem sich mitteilt, in die erste Zahl, die Dreiheit ein, und von da
in die Zahl Zehn, gleichsam in die zehn Ideen und Maße aller Zahlen und
alles Erzeugbaren, welche von den Hebräern die zehn Eigenschaften genannt
und mit zehn göttlichen Namen bezeichnet werden, weshalb es auch eine weitere
Zahl nicht geben kann. Alle Zehnheiten enthalten somit etwas Göttliches
in sich und werden im Gesetze als Eigentum Gottes angesprochen, indem zugleich
mit den Erstlingen, als den Anfängen der Dinge und dem Ursprung der Zahlen,
auch alle Zehnten als das Ende demjenigen gegeben werden sollen, welcher der
Anfang und das Ende von allem ist.
Von
der Zahl Elf und Zwölf mit der doppelten Leiter der letzteren, der Kabalistischen
und Orphischen
Wie die Zahl Elf den Zehner, der
die Zahl des Gesetzes und der Gebote ist, überschreitet, so bleibt sie
hinter dem Zwölfer, der Zahl der Gnade und Vollkommenheit, zurück;
deshalb heißt sie die Zahl der Sünder und Reuigen. Daher mußten
zur Stiftshütte elf härene Teppiche gemacht werden, dergleichen die
Reuigen und Büßenden als Kleidung gebrauchten. Diese Zahl hat nichts
mit dem Göttlichen, nicht einmal mit dem Himmlischen gemein; sie besitzt
kein Anziehungsvermögen und keine Leiter zum Höheren, überhaupt
gar kein Verdienst; zuweilen jedoch wird ihr eine unverdiente Gnade Gottes zuteil,
wie jenem, der zur elften Stunde in den Weinberg des Herrn berufen, dennoch
den Lohn der Arbeiter empfing, die des Tages Last und Hitze getragen hatten.
Zwölf dagegen ist eine göttliche
Zahl, nach der auch das Himmlische eingeteilt wird. Auf sie stützt
sich die Herrschaft der himmlischen Zeichen und Geister. Zwölf sind nämlich
der Zeichen des Tierkreises, denen zwölf Engel, unterstützt durch
die Einströmungen des großen göttlichen Namens, vorgesetzt sind.
In zwölf Jahren vollendet Jupiter seinen Lauf, und der Mond durchläuft
täglich zwölf Grade. Zwölf Hauptgelenke befinden sich am menschlichen
Körper, an den Händen, Ellbogen, Schultern, Hüften, Knien und
Fersen. Eine hohe Bedeutung besitzt überdies die Zahl Zwölf bei göttlichen
Mysterien. Gott erwählte sich die aus zwölf Gliedern bestehende Familie
Israel und setzte ihr zwölf Fürsten vor. Zwölf Steine wurden
mitten im Jordan aufgerichtet, und zwölf Edelsteine waren im Brustschilde
des Hohenpriesters angebracht. Zwölf Schaubrote lagen auf dem Schaubrottische;
aus ebensoviel Steinen war der Altar erbaut; das eherne Meer, welches Salomo
machen ließ, trugen zwölf Rinder; zwölf Brunnen waren in Ehm;
zwölf Kundschafter wurden nach dem gelobten Lande gesandt; zwölf waren
der Apostel Christi und Vorsteher der zwölf Stämme; zwölf tausend
sind der Versiegelten und Auserwählten von jedem Geschlechte der Kinder
Israel; mit zwölf Sternen ist die Himmelskönigin gekrönt; von
den sich mehrenden Broten blieben nach dem Evangelium zwölf Körbe
und Brocken übrig; zwölf Engel stehen den zwölf Toren der heiligen
Stadt vor, und mit zwölf Steinen ist das himmlische Jerusalem geschmückt.
Auch bei anderen niedrigeren Dingen übt diese Zahl einen großen Einfluß
auf deren Vermehrung aus; so gebären der Hase und das Kaninchen, die fruchtbarsten
Tiere, zwölfmal im Jahre; das Kamel ist ebenso viele Monate trächtig,
und der Pfau legt zwölf Eier.
Von
den Zahlen über Zwölf und ihrer Kraft und Wirkung
Auch die übrigen Zahlen über Zwölf zeichnen sich durch viele
und verschiedene Wirkungen aus. Ihre Kräfte bemessen sich nach ihrem Ursprunge
und ihren Teilen, je nachdem sie durch Zusammensetzung einfacher Zahlen oder
durch Multiplikation entstanden sind. Zuweilen geht ihre Bedeutung daraus hervor,
daß sie eine andere, ihnen zunächststehende vollkommenere Zahl übersteigen
oder hinter derselben zurückbleiben. Sodann enthalten sie aber auch in
sich selbst besondere Mysterien.
13. Die dritte Zahl nach der zehnten
bezeichnet diese Erscheinung Christi für die Heiden, denn am dreizehnten
Tage nach seiner Geburt kamen unter der Leitung des Sternes die Weisen (Magier)
aus dem Morgenland.
14. Die Zahl Vierzehn bezieht
sich ebenfalls auf Christus, der am vierzehnten Tage des ersten Monats für
uns sich zum Opfer hingab, an demselben Tage, an welchem die Kinder Israel das
Passah, oder das Fest des Übergangs feierten. Diese Zahl beobachtet Matthäus
so sorgfältig, daß er, um sie in dem Geschlechtsregister Christi
überall beibehalten zu können, mehrere Geschlechter übergangen
hat.
15. Die Zahl Fünfzehn ist
das Symbol der geistigen Erhebungen, weswegen der
Stufengesang in fünfzehn Psalmen bestand. Hierauf beziehen sich auch die
dem Könige Hiskia weiter verwilligten fünfzehn Jahre. Der fünfzehnte
Tag des siebenten Monats wurde gefeiert und heilig gehalten.
16. Die Zahl Sechzehn, aus dem
gleichseitigen Viereck entstanden und dem Zehner verwandt,
wurde von den Pythagoräern deshalb die Glückszahl genannt.
Sie umfaßt auch alle Propheten des alten, sowie die Apostel und Evangelisten
des neuen Testamentes.
18, 20. Die Zahlen Achtzehn und
Zwanzig erklären die Theologen als unglückliche; denn achtzehn Jahre
diente Israel dem moabitischen Könige Eglon; zwanzig Jahre diente Jakob,
und um zwanzig Silberlinge wurde Joseph verkauft. Unter den vielfüßigen
Tieren ist keines, das mehr als zwanzig Füße hätte.
22. Die Zahl Zweiundzwanzig dagegen
bedeutet die Fülle der Weisheit. Zweiundzwanzig Buchstaben hat das hebräische
Alphabet, und aus ebenso vielen Büchern besteht das alte Testament.
28. Die Zahl achtundzwanzig bezeichnet
die Gunst des Mondes. Seinen Lauf; von dem anderer Gestirne verschieden, vollbringt
er einsam in achtundzwanzig Tagen, nach welcher Zeit er zu derselben Stelle
des Tierkreises zurückkehrt, von der er ausgegangen. Daher werden auch
die achtundzwanzig Stationen des Mondes, die besondere Kraft und Einfluß
besitzen, zu den himmlischen Dingen gezählt.
30. Die Zahl Dreißig ist
durch viele Geheimnisse ausgezeichnet, denen ich unser Herr Jesus Christus Bedeutung
verlieh, der sich im dreißigsten Jahre seines Alters taufen ließ,
und Wunder zu tun und das Reich Gottes zu lehren anfing. Auch Johannes der Täufer
stand im dreißigsten Jahre, als er in der Wüste zu predigen und den
Weg des Herrn zu bereiten begann. In demselben Alter fing der Prophet Ezechiel
zu weissagen an, und ebenfalls im dreißigsten Jahre wurde Joseph aus dem
Gefängnisse entlassen und von Pharao zum Herrn über ganz Ägypten
gesetzt.
32. Die Zahl Zweiunddreißig
legen die hebräischen Lehrer der Weisheit bei, denn von so vielen Pfaden
der Weisheit spricht Abraham (im Buche Jezirah). Die Pythagoräer aber nennen
diese Zahl die Zahl der Gerechtigkeit, weil sie bis zur Einheit in stets gleiche
Teile teilbar ist.
40. Die Zahl Vierzig stand bei
den Alten in großen Ehren und nach ihr feierte man auch das Himmelfahrtsfest.
Ferner soll dieselbe auf die Geburten einwirken, indem der Same binnen vierzig
Tagen im Mutterleib zum vollkommenen, der Aufnahme einer vernünftigen Seele
fähigen organischen Körper mit den gehörigen und harmonischen
Maßen bereitet und geformt werde. Ebenso viele Tage von der Geburt an
haben die Mütter mit Leiden zu kämpfen, bis die beim Gebären
angegriffenen Teile wieder erstarkt und bis sie gereinigt sind. Vierzig Tage
lang lachen die neugebornen Kinder nicht, sind kränklich und schweben in
großer Lebensgefahr. In der Religion ist Vierzig die Zahl der Reue und
Buße und voll großer Mysterien: Vierzig Tage ließ der Herr
zur Zeit der Sündflut auf die Erde regnen. Vierzig Jahre lang wohnten die
Kinder Israel in der Wüste. Vierzig Tage ward die Zerstörung Ninives
hinausgeschoben. Von den Heiligen wurde diese Zahl dem Fasten geweiht: Moses,
Elias und Christus fasteten vierzig Tage. Vierzig Wochen weilte Christus im
Schoße der Jungfrau; vierzig Tage nach seiner Geburt blieb er zu Bethlehem,
bevor er im Tempel dargestellt wurde; vierzig Monate lang predigte er öffentlich;
vierzig Stunden lag er im Grabe; am vierzigsten Tage nach seiner Auferstehung
fuhr er gen Himmel, welches alles, wie unsere Theologen lehren, ohne die verborgene
Kraft und ohne das Mysterium dieser Zahl nicht geschehen wäre.
50. Fünfzig ist die Zahl
der Sündenvergebung und der Befreiung; denn nach dem Gesetz wurden im fünfzigsten
Jahre die Schulden nachgelassen und jeder erhielt sein Besitztum wieder. Durch
das Jubeljahr und die Bußpsalmen bezeichnet diese Zahl das Sakrament der
Gnade und der Buße. Auch das Gesetz und der heilige Geist stehen in Verbindung
mit ihr; denn am fünfzigsten Tage nach dem Auszuge der Kinder Israel aus
Ägypten erhielt Moses das Gesetz auf dem Berge Sinai, und am fünfzigsten
Tage nach der Auferstehung Christi kam der heilige Geist auf dem Berge Zion
über die Apostel herab, weshalb sie auch die Zahl der Gnade genannt und
dem heiligen Geiste zugeteilt wird.
60. Die Zahl Sechzig war den Ägyptiern
heilig; denn sie ist dem Krokodile eigentümlich, das in sechzig Tagen sechzig
Eier legt, in ebensoviel Tagen solche ausbrütet, sechzig Jahre leben, sechzig
Zähne haben und endlich alUährlich sechzig Tage ohne Speise in Abgeschiedenheit
ruhen soll.
70. Auch die Zahl Siebenzig hat
ihre Mysterien; denn ebenso viele Jahre lang hat das Opferfeuer während
der babylonischen Gefangenschaft unter dem Wasser verborgen fortgebrannt; ebenso
viele Jahre hatte Jeremias die Zerstörung des Tempels vorausgesagt; ebenso
viele Jahre dauerte die babylonische Gefangenschaft, und ebenfalls siebenzig
Jahre die Verheerung Jerusalems. Siebenzig Palmen waren an der Stelle, wo die
Kinder Israel ihr Lager aufschlugen; siebenzig Seelen stark zog die Familie
Jakobs nach Ägypten; siebenzig Könige, denen die Daumen ihrer Hände
und die großen Zehen ihrer Füße abgeschnitten waren, lasen
das Brot auf unter dem Tische des Adoni Besek; siebenzig Söhne gingen aus
der Lande des Joas hervor; siebenzig Männer waren lauter Söhne Jerub-Baals
(Gideons,); siebenzig Silberlinge wurden dem Abimelech gegeben; ebenso viele
Männer tötete Abimelech auf einem Steine. Siebenzig Söhne und
Enkel, die auf siebenzig Eselsfüllen ritten, hatte Abdon; Siebenzigtausend
Lastträger hatte Salomo. Siebenzig Söhne Ahabs, des Königs von
Samarin, wurden enthauptet. Siebenzig ist nach den Psalmen die Zahl unserer
Lebensjahre; sieben und siebenzigmal sollte Lamech gerochen werden; siebenzigmal
siebenmal müssen dem Sünder seine Sünden vergeben werden.
72. Der Zahl Zweiundsiebenzig
entsprechen die zweiundsiebenzig Sprachen, die zweiundsiebenzig Ältesten
der Synagoge, die zweiundsiebenzig Dolmetscher des alten Testamentes und die
zweiundsiebenzig Jünger Christi. Mit der Zwölfheit steht diese Zahl
ebenfalls in naher Verbindung; in himmlischen Dingen ergeben sich aus der Teilung
eines jeden Himmelszeichen in sechs Teile zweiundsiebenzig Fünfer, denen
ebensoviele Engel vorstehen und in die ebenso viele Namen Gottes einfließen.
Jedem Fünfer ist eine der zweiundsiebenzig Sprachen untergeordnet, und
zwar so genau, daß die Astrologen und Physiognomen daraus erkennen können,
welches die Muttersprache eines jeden Menschen ist. Dieser Zahl entsprechen
auch die Gelenke am menschlichen Körper, wovon an jedem Finger und jeder
Zehe sich je drei befinden, die mit den oben bei der Zahl Zwölf angegebenen
zwölf Hauptgliedern zusammengezählt zweiundsiebenzig ausmachen.
100. Die Zahl Hundert, zu welcher
das gefundene Schaf gehört, und die auch von der Linken zur Rechten übergeht,
wird gleichfalls für heilig gehalten. Sie bezeichnet auch, weil sie aus
dem mit sich selbst multiplizierten Zehner entsteht, die abgeschlossene Vollkommenheit.
1000. Die Vollendung aller Zahlen aber ist die Zahl Tausend, die als der Würfel
des Zehners die vollendete und absolute Vollkommenheit bezeichnet. Endlich gibt
es noch zwei Zahlen, denen Plato in seiner Republik eine hohe Bedeutung beilegt,
und die auch Aristoteles in seiner Politik nicht verwirft, indem durch dieselben
große Veränderungen in den Staaten angezeigt werden.
144, 1728. Diese
Zahlen sind das Quadrat und der Kubus von Zwölf, nämlich Hundertundvierundvierzig
und Tausendsiebenhundertundachtundzwanzig, welch letztere besonders eine
verhängnisvolle Zahl ist; denn wenn irgendein Gemeinwesen oder ein Staat
zu derselben gelangt, so wird er, nachdem der Würfel voll ist, seinem Verfalle
zueilen. Beim Quadrate geht zwar auch eine Veränderung vor, jedoch zum
Guten, wenn ein Staat weise regiert wird, und würde er dennoch fallen,
so wäre nicht das Schicksal, sondern die schlechte Regierung daran schuld.
Hiemit glaube ich über die Zahlen im Besonderen genug gesagt zu haben.
Aus: Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, Die
magischen Werke [De occulta philosophia], S.181ff.
Fourier Verlag , Wiesbaden