Allmacht (lat. omnipotentia)
Siehe auch bei
Eisler
, Kirchner und Wikipedia

Inhaltsverzeichnis

Definition des Begriffes »Allmacht«
Nikolaus von Kues: Die Allmacht hat ihre Grenze nur in sich selbst
Jakob Böhme: Die Hände Gottes
Spinoza: Die Allmacht Gottes ist von Ewigkeit her wirksam

Leibniz: Allmacht ist die Unabhängigkeit Gottes von allen Anderen
Swedenborg: Gottes Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart
Kant: Über die Begriffe Gott und Allmacht
Schopenhauer: Was gegen eine göttliche Allmacht spricht
Lorber:
Wie der Allmächtige seine Allmacht gebraucht

Versuch der Darstellung einer logisch in sich stimmigen Definition des Begriffes »Allmacht«
Wenn jemand - unbeeinflusst von wie auch immer gearteten ideologischen Voreingenommenheiten – den Begriff Allmacht in seinem logischen Zusammenhang analysiert, dann kommt er zu dem Schluss, dass »Allmacht« uneingeschränkte Macht haben muss über alles, was war, ist und sein wird und dass für die Ausübung dieser Allmacht notwendigerweise die absolute Herrschaft über eine gewaltige, allumfassende, unwiderstehbare und unzerstörbare Kraft (Allkraft) vorhanden sein muss. Der unermesslichen Gewalt (Allgewalt) dieser Kraft kann nichts in dieser Welt widerstehen.

Bezogen auf ein hypothetisches – ein von allem anderem und allen anderen völlig unabhängiges - allmächtiges Wesen, kann Allmacht als naturgegebenes Können (Vermögen) definiert werden, in dem alles Mögliche, in den Schein der Wirklichkeit umgesetzt werden kann, sofern das Wesen es
so will.

Populär ausgedrückt: Ein solches
Wesen ist ein Alleskönner, der unter Einsatz seiner Fähigkeiten, die ihm seine natürlichen Eigenschaften verleihen, alles Mögliche bewirken und verwirklichen kann, sofern es ihm beliebt. Möglich ist auf jeden Fall alles, was sich ohne Widerspruch denken lässt. Unmögliches, wie z. B. das Un
ding eines reinen Nichts, kann selbst ein allmächtiges Wesen nicht in Kraft setzen (bewirken).

Ein interessanter Aspekt der Allmacht ist, dass ein allmächtiges Wesen sich auch unbedingt irren können muss, wenn es wirklich allmächtig sein soll. Warum?

1. Wenn es sich nicht irren könnte, wäre es nicht allmächtig, weil es nicht wirklich alles in die Tat umsetzen könnte, was tatsächlich möglich ist. Und dazu gehören nun einmal auch Irrtümer

2. Wenn es sich nicht irren könnte, wäre es nicht wirklich frei, weil er immer nur das tun müsste, was ihm seine Allwissenheit als uneingeschränkt richtig vorflüstert.

Weiterhin muss es in der Tat böse werden können und auch Böses tun können, wenn es uneingeschränkt allmächtig sein soll. Warum?

1. Wenn es immer nur gut sein müsste, wäre es nicht allmächtig, weil es nicht alles in die Tat umsetzen könnte, was möglich ist. Und dazu gehört nun leider auch Böses.

2. Wenn es immer nur gut sein müsste, wäre es nicht wirklich frei, weil es nicht alles in die Tat umsetzen könnte, was möglich ist. Und dazu gehört leider
auch Böses.

Es lassen sich zwar vielerlei gute Gründe denken, warum ein solches
Wesen immer nur Gutes wollen sollte, aber leider keinen einzigen, dass es dieses auch immer tun müsste.

Dasselbe gilt von der Allwissenheit und der Vollkommenheit, die einem solchen
Wesen immer gerne vorgeschrieben wird.

Wenn das allmächtige Wesen, in jedem einzelnen Falle immer von den Erfahrungen und Erkenntnissen in seiner so genannten »Allwissenheit« Gebrauch machen müsste, dann könnte es weder wirklich allmächtig noch völlig frei sein…

Wenn ein Wesen wirklich vollkommen sein soll, dann muss es alles können, was immer auch möglich ist und dazu gehört auch die Möglichkeit, unvollkommen handeln zu können.

Irren ist göttlich, Verirrte sind menschlich … Ach, wie langweilig wäre es doch, wenn immer alles von vorneherein gewusst werden müsste: Das höchste Lied und tiefste Leid, das unserem gottgegebenen Triebe vor dem hohen Lied der Liebe stöhnt, ist nun eben gerade das, in dem der liebliche Duft und die frische Luft der Freiheit tönt!

Gesetzt den Fall vor dem Fall im Knall, es gäbe so etwas wie Gott, dann könnten wir ihn kaum allmächtig nennen, wenn es seinem Wesen nicht möglich wäre, dass er hassen, irren, täuschen, betrügen oder lügen könnte sowie ungerecht oder böse u. s. f. sein könnte.

Wohlgemerkt die Betonung liegt im »kann«. Keinesfalls »muss« Gott dieses Können anwenden (müssen), weil sonst nach dem einzig möglichen richtigen logischen Schluss die Gabe seiner Allmacht, Willensfreiheit und Vollkommenheit zu Grabe getragen werden muss. Das heißt, er muss nach seinem
freien Belieben lieben können, sowie selbst liebenswert, gerecht, durch und durch gut, wahrhaft und ehrlich sein können.

Die unauflösbare Schwierigkeit ist nur, das liegt wohl an der absolut unveränderlichen Statur seiner Natur, die ihn für alle Zeit in die Fesseln der Ewigkeit bannt: Falls einem Gott (natürlich nur in dem Licht seiner allerbesten Absicht) ein Irrtum bei der Konstruktion eines Individuums passieren würde, dann müsste das fehlerhafte Konstruktum ganz allein die Behebung in seiner Belebung auswaden.

Wenn wir das göttliche Wesen zur Unfehlbarkeit verdammen, dann nehmen wir ihm nicht nur die Insignien seiner unbeschränkten Allmacht, sondern schränken die Vollkommenheit und Freiheit seiner absoluten Macht ein. Wenn nun eine menschliche Person behaupten würde, sie wäre in bestimmten Aussagen unfehlbar, dann würde diese durch keine logische Begründung zu rechtfertigende Behauptung in gewisser Weise zur Enthauptung der göttlichen Macht führen. Das einzig Unfehlbare in dieser peinlich-menschlichen Erfindung ist, dass sie unfehlbar falsch ist. Nur ein völlig verrückter Vollidiot erhebt sich über das, was Gott vorwebt.

Übrigens spielt innerhalb der Evolution der Irrtum (fehlerhafte Gen-Übertragung), die den Mutationssprung generiert, eine maßgeblich gestaltende Rolle, die in der Kontrolle der Selektion auf dauerhaften Nutzen und Weiterbewahrung kontrolliert und ggf. akzeptiert wird. Man könnte sagen, dass die evolutionäre Weiterentwicklung im Wesentlichen durch revolutionäre binäre Fehler vollzogen wird.

Wir gehen sicherlich nicht falsch, wenn wir ganz einfach dem Urbild in unbegrenztem Maße das Können gönnen, das es seinem menschlichen Ebenbild in begrenzter Masse zugesteht.

Eines ist aber unüberfühlbar, falls es so etwas wie eine göttliche Macht wirklich existieren sollte, dann könnte man durchaus den Eindruck gewinnen, dass diese nicht nur in dem von reinigender Nacht und peinigendem Übel schattenhaft getrübten Sonnenscheine dieser Welt die Prüfsteine für Allmacht in voller Kraft generiert, sondern diese in unserem Blut und Schweiß zielorientiert auch verteufelt gut zu nutzen weiß.

Falls dem so sein sollte, und es spricht wohl eher mehr dafür als dagegen, dass dem in der Tat so ist, dann wäre es der göttlichen Allmacht bei Bedarf ein Kinderspiel, diese Welt sozusagen über Nacht mit all ihren Evolutions- und Erinnerungsspuren in den einzelnen Individuen neu bzw. teilweise anders zu konzipieren, arrangieren, inszenieren, generieren, wobei innerhalb der komplex erforderlichen Abstimmung logisch erkennbare Fehler der Vorsehung nicht völlig ausgeschlossen werden können.

Das Ganze ist in seinem zeiträumlichen Gange in einem untrennbaren Zusammenhange verwoben und spielt sich im triebhaften Gefühl zwischen triebigen Wollen und beliebigem Sollen, angeborenem+erworbenem Können und unbeeinflussbaren Müssen, uneinsichtigem Nichtwissen und vorhersehbarem Wissen ab.

Nachstehend Äußerungen einiger Philosophen über Allmacht:

Nikolaus von Kues (1401 - 1464)
Die Allmacht hat ihre Grenze nur in sich selbst.
Es hat nämlich die größte Macht ihre Grenze nur in sich selbst, weil außer ihr nichts und sie unendlich ist. In keinem Geschöpfe findet sie somit eine Grenze, dass sie nicht im Verhältnis zu irgend einem gegebenen Geschöpfe ein besseres und vollkommeneres erschaffen könnte.

Wird nun ein Mensch zur Vereinigung mit der Allmacht selbst erhoben, so dass dieser Mensch nicht mehr ein in sich, sondern in der Einheit mit der unendlichen Macht bestehendes Geschöpf ist, so ist hier die Allmacht nicht durch das Geschöpf, sondern nur durch sich selbst beschränkt. Es ist dies die vollkommenste Tätigkeit (perfectissima operatio) der unendlichen und unbegrenzbaren Allmacht Gottes, in der kein Mangel sein kann sonst wäre weder der Schöpfer, noch das Geschöpf.

[Nicolaus von Cues: Von der Wissenschaft des Nichtwissens, S. 172. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 9125 (vgl. Nicolaus-S, S. 80-81)]

Jakob Böhme (1575 – 1624)
Die Hände Gottes
Die Hände bedeuten die Allmacht Gottes; denn gleichwie Gott in der Natur kann alles verändern und daraus machen, was er will, also auch kann der Mensch mit seinen Händen alles das, was aus der Natur gewachsen oder worden ist, verändern und aus demselben mit seinen Händen machen, was er will. Er regieret mit den Händen der ganzen Natur Werk und Wesen, und sie bedeuten recht die Allmacht Gottes.

[Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang, S. 56. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 11285 (vgl. Böhme-Aurora, S. 65)]

Baruch (Benedictus) Spinoza (1632 – 1677)
Die Allmacht Gottes ist von Ewigkeit her wirksam.
Ich glaube jedoch deutlich genug gezeigt zu haben (s. Lehrsatz 16), dass aus der höchsten Macht Gottes oder seiner unendlichen Natur Unendliches auf unendliche Weisen, d.h. alles, mit Notwendigkeit hervorgegangen ist oder stets mit gleicher Notwendigkeit folgte, wie aus der Natur des Dreiecks von Ewigkeit her und in alle Ewigkeit folgt, dass dessen drei Winkel zwei rechten Winkeln gleich sind. Daher ist die Allmacht Gottes von Ewigkeit her wirksam gewesen und wird in alle Ewigkeit in derselben Wirksamkeit verharren.

Auf diese Weise wird die Allmacht Gottes, nach meiner Ansicht wenigstens, als eine weit vollkommenere hingestellt. Ja, die Gegner scheinen die Allmacht Gottes (es sei mir verstattet, offen zu reden) eigentlich zu leugnen. Sie sind nämlich gezwungen einzuräumen, dass Gott Unendliches als erschaffbar denkt, was er doch niemals wird erschaffen können. Denn andernfalls, wenn er nämlich alles, was er denkt, erschaffen würde, würde er, nach ihrer Annahme, seine Allmacht erschöpfen und damit unvollkommen werden. Um also Gott als vollkommen hinzustellen, kommen sie dahin, dass sie zugleich behaupten müssen, Gott könne nicht alles bewirken, worauf seine Macht sich erstreckt. Ich kann mir nicht denken daß eine widersinnigere und mit Gottes Allmacht in stärkerem Widerspruch stehende Ansicht ersonnen werden könnte.

[Spinoza: Ethik, S. 41. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 16765 (vgl. Spinoza-Ethik, S. 48)]

Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716)
Allmacht ist die Unabhängigkeit Gottes von allen Anderen sowie die Abhängigkeit aller Anderen von ihm
3. Die Größe Gottes ist sorgfältig, besonders gegen die Socinianer und einige Halb-Socinianer zu schützen; Conrad Vorstius hat am meisten von ihnen dagegen gesündigt. Man kann die Größe auf zwei Hauptkapitel zurückführen, auf die Allmacht und auf die Allwissenheit.

4. Die Allmacht befasst sowohl Gottes Unabhängigkeit von Andern, wie Aller Abhängigkeit von ihm.

5. Die Unabhängigkeit Gottes tritt im Dasein und im Handeln hervor. Im Dasein, insofern Gott notwendig und ewig ist, und, wie man gemeiniglich sagt, ein Ding an sich. Daraus folgt auch, dass Gott unermesslich ist.

6. Im Handeln ist Gott in natürlicher und in moralischer Weise unabhängig. In natürlicher Weise, insofern er der freieste ist und nur von sich selbst zum Handeln bestimmt wird; in moralischer Weise, insofern er anypeuthynos (nicht unterwürfig) ist, oder keinen über sich hat.

7. Die Abhängigkeit der Dinge von Gott erstreckt sich sowohl auf alles Mögliche, oder auf das, was keinen Widerspruch enthält, wie auch auf alles Wirkliche.

8. Die Möglichkeit der Dinge, die nicht wirklich bestehen, hat in dem göttlichen Dasein ihre begründete Wirklichkeit, denn wenn Gott nicht wäre, so würde es auch nichts Mögliches geben; das Mögliche ist daher von Ewigkeit in den Vorstellungen des göttlichen Verstandes enthalten.

9. Das Wirkliche hängt, in Rücksicht teils des Seins, teils des Handelns, von Gott ab, und zwar nicht bloß von seinem Verstande, sondern auch von seinem Willen; nämlich in Rücksicht des Seins, insofern alle Dinge frei von Gott erschaffen sind und auch von Gott erhalten werden, und es ist keine falsche Lehre, dass die göttliche Erhaltung eine fortgehende Schöpfung sei, gleich dem Strahl, der stetig von der Sonne ausstrahlt, wenn auch die Geschöpfe nicht aus Gottes Wesen und auch nicht notwendig hervorgehen.

10. Im Handeln hängen die Dinge von Gott ab, indem Gott zum Handeln der Dinge mitwirkt, insoweit in den Handlungen einige Vollkommenheit enthalten ist, welche allerdings von Gott herkommen muss.

11. Die Mitwirkung Gottes (auch die gewöhnliche und nicht wunderbare) ist zugleich eine unmittelbare und eine besondere; und zwar eine unmittelbare, indem die Wirkung nicht bloß deshalb von Gott abhängt, weil dessen Ursache von Gott entstanden ist, sondern weil Gott nicht weniger, noch entfernter in Hervorbringung der Wirkung mitwirkt, als in Hervorbringung von dessen Ursache.

12. Eine besondere ist aber die Mitwirkung, weil sie nicht bloß auf die Entstehung der Sache und der Handlung gerichtet ist, sondern auch auf die Art und die Eigenschaften des Seins, so weit ihnen etwas von Vollkommenheit einwohnt, was immer von Gott, dem Vater des Lichts und dem Geber alles Guten herkommt.

[Leibniz: Die Theodicee, S. 793. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 18110 (vgl. Leibniz-Theod., S. 504f)]

Emanuel von Swedenborg (1688 – 1772)
Gottes Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart

Immanuel Kant (1724 - 1804)
Über die Begriffe Gott und Allmacht
Wenn ich sage, Gott ist allmächtig, so wird nur diese logische Beziehung zwischen Gott und der Allmacht gedacht, da das letztere ein Merkmal des erstern ist. Weiter wird hier nichts gesetzt. Ob Gott sei, das ist, absolute gesetzt sei oder existiere, das ist darin gar nicht enthalten. Daher auch dieses Sein ganz richtig selbst bei denen Beziehungen gebraucht wird, die Undinge gegen einander haben.
[Immanuel Kant: Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseyns Gottes. DB Sonderband: Kant: Werke, S. 70 (vgl. Kant-W Bd. 2, S. 633)]

Gott ist allmächtig; das ist ein notwendiges Urteil. Die Allmacht kann nicht aufgehoben werden, wenn ihr eine Gottheit, d.i. ein unendliches Wesen, setzt, mit dessen Begriff jener identisch ist. Wenn ihr aber sagt: Gott ist nicht, so ist weder die Allmacht, noch irgend ein anderes seiner Prädikate gegeben; denn sie sind alle zusamt dem Subjekte aufgehoben, und es zeigt sich in diesem Gedanken nicht der mindeste Widerspruch.
[Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. DB Sonderband: Kant: Werke, S. 1116 (vgl. Kant-W Bd. 4, S. 531)]

Der Satz: Gott ist allmächtig, enthält zwei Begriffe, die ihre Objekte haben: Gott und Allmacht; das Wörtchen: ist, ist nicht noch ein Prädikat obe