Allmacht
(lat. omnipotentia)
Siehe auch bei Eisler
, Kirchner
und Wikipedia
Inhaltsverzeichnis
Versuch
der Darstellung einer logisch in sich stimmigen Definition
des Begriffes »Allmacht«
Wenn jemand - unbeeinflusst von wie auch immer gearteten
ideologischen Voreingenommenheiten – den Begriff Allmacht
in seinem logischen Zusammenhang analysiert, dann kommt er zu
dem Schluss, dass »Allmacht«
uneingeschränkte Macht haben muss über alles, was war, ist und sein
wird und dass für die Ausübung dieser Allmacht
notwendigerweise die absolute
Herrschaft über eine gewaltige, allumfassende, unwiderstehbare und unzerstörbare
Kraft (Allkraft) vorhanden sein muss. Der unermesslichen
Gewalt (Allgewalt)
dieser Kraft kann nichts in dieser Welt widerstehen.
Bezogen auf ein hypothetisches – ein von allem anderem und allen anderen
völlig unabhängiges - allmächtiges
Wesen, kann Allmacht als naturgegebenes
Können (Vermögen) definiert werden, in dem alles Mögliche,
in den Schein der Wirklichkeit umgesetzt
werden kann, sofern das Wesen es so will.
Populär ausgedrückt: Ein solches Wesen ist ein Alleskönner, der
unter Einsatz seiner Fähigkeiten, die ihm seine natürlichen Eigenschaften verleihen, alles Mögliche bewirken und verwirklichen kann, sofern es ihm beliebt. Möglich ist auf jeden Fall alles, was sich ohne Widerspruch denken lässt. Unmögliches,
wie z. B. das Unding eines reinen Nichts,
kann selbst ein allmächtiges
Wesen nicht in
Kraft setzen (bewirken).
Ein interessanter Aspekt der Allmacht ist, dass
ein allmächtiges Wesen sich
auch unbedingt irren können muss, wenn es wirklich allmächtig
sein soll. Warum?
1. Wenn es sich nicht
irren könnte, wäre es nicht allmächtig, weil es nicht wirklich alles in die Tat umsetzen könnte, was tatsächlich
möglich ist. Und dazu gehören nun einmal auch Irrtümer …
2. Wenn es sich nicht
irren könnte, wäre es
nicht wirklich frei, weil er immer nur das tun müsste, was ihm seine Allwissenheit
als uneingeschränkt richtig vorflüstert.
Weiterhin muss es in der Tat böse werden können und auch Böses tun können, wenn es uneingeschränkt
allmächtig sein soll. Warum?
1. Wenn es immer nur gut sein müsste, wäre
es nicht allmächtig, weil es nicht alles in die Tat
umsetzen könnte, was
möglich ist. Und dazu gehört nun leider auch Böses.
2. Wenn es immer nur gut sein müsste, wäre es
nicht wirklich frei, weil es nicht
alles in die Tat umsetzen könnte, was möglich ist. Und dazu
gehört leider auch Böses.
Es lassen sich zwar vielerlei gute Gründe denken, warum ein solches Wesen immer nur Gutes wollen
sollte, aber leider keinen einzigen, dass es dieses auch immer
tun müsste.
Dasselbe gilt von der Allwissenheit
und der Vollkommenheit, die einem solchen Wesen immer gerne vorgeschrieben wird.
Wenn das allmächtige Wesen,
in jedem einzelnen Falle immer von den Erfahrungen und Erkenntnissen in seiner
so genannten »Allwissenheit« Gebrauch machen müsste, dann könnte es weder wirklich
allmächtig noch völlig frei sein…
Wenn ein Wesen wirklich vollkommen sein soll, dann muss es alles können, was immer auch möglich ist und dazu gehört auch die Möglichkeit, unvollkommen
handeln zu können.
Irren ist göttlich, Verirrte sind menschlich … Ach, wie langweilig
wäre es doch, wenn immer alles von vorneherein gewusst werden müsste:
Das höchste Lied und tiefste Leid, das unserem gottgegebenen Triebe vor
dem hohen Lied der Liebe stöhnt, ist nun eben gerade das, in dem der liebliche
Duft und die frische Luft der Freiheit tönt!
Gesetzt den Fall vor dem Fall im Knall,
es gäbe so etwas wie Gott,
dann könnten wir ihn kaum allmächtig
nennen, wenn es seinem Wesen nicht möglich wäre, dass er hassen, irren,
täuschen, betrügen oder lügen könnte sowie ungerecht oder
böse u. s. f. sein könnte.
Wohlgemerkt die Betonung liegt im »kann«. Keinesfalls »muss«
Gott dieses Können anwenden (müssen), weil sonst nach dem einzig möglichen
richtigen logischen Schluss die Gabe seiner Allmacht,
Willensfreiheit und Vollkommenheit zu Grabe getragen werden muss. Das heißt, er muss nach seinem freien
Belieben lieben können, sowie selbst liebenswert, gerecht,
durch und durch gut, wahrhaft und ehrlich sein können.
Die unauflösbare Schwierigkeit ist nur, das liegt wohl an der absolut unveränderlichen Statur seiner Natur, die ihn für alle Zeit in die Fesseln der Ewigkeit bannt: Falls einem Gott (natürlich nur in dem Licht seiner allerbesten Absicht) ein Irrtum bei der Konstruktion eines Individuums passieren würde, dann müsste das fehlerhafte Konstruktum ganz allein die Behebung in seiner Belebung auswaden.
Wenn wir das göttliche
Wesen zur Unfehlbarkeit
verdammen, dann nehmen wir ihm nicht nur die Insignien seiner unbeschränkten
Allmacht, sondern schränken
die Vollkommenheit und Freiheit
seiner absoluten Macht
ein. Wenn nun eine menschliche Person behaupten würde,
sie wäre in bestimmten Aussagen unfehlbar,
dann würde diese durch keine logische Begründung zu rechtfertigende
Behauptung in gewisser Weise zur Enthauptung der göttlichen Macht führen.
Das einzig Unfehlbare in dieser
peinlich-menschlichen Erfindung ist, dass sie unfehlbar
falsch ist. Nur ein völlig verrückter Vollidiot erhebt
sich über das, was Gott vorwebt.
Übrigens spielt innerhalb der Evolution der Irrtum (fehlerhafte
Gen-Übertragung), die den Mutationssprung generiert, eine maßgeblich
gestaltende Rolle, die in der
Kontrolle der Selektion auf dauerhaften Nutzen und Weiterbewahrung kontrolliert
und ggf. akzeptiert wird. Man könnte sagen, dass die evolutionäre
Weiterentwicklung im Wesentlichen durch revolutionäre binäre Fehler
vollzogen wird.
Wir gehen sicherlich nicht falsch, wenn wir ganz einfach dem Urbild
in unbegrenztem Maße das Können gönnen, das es seinem menschlichen
Ebenbild in begrenzter Masse
zugesteht.
Eines ist aber unüberfühlbar, falls es so etwas wie eine göttliche Macht wirklich existieren sollte, dann könnte man durchaus den Eindruck gewinnen, dass diese nicht nur in dem von reinigender Nacht und peinigendem Übel schattenhaft getrübten Sonnenscheine dieser Welt die Prüfsteine für Allmacht in voller Kraft generiert, sondern diese in unserem Blut und Schweiß zielorientiert auch verteufelt gut zu nutzen weiß.
Falls dem so sein sollte, und es spricht wohl eher mehr dafür als dagegen, dass dem in der Tat so ist, dann wäre es der göttlichen Allmacht bei Bedarf ein Kinderspiel, diese Welt sozusagen über Nacht mit all ihren Evolutions- und Erinnerungsspuren in den einzelnen Individuen neu bzw. teilweise anders zu konzipieren, arrangieren, inszenieren, generieren, wobei innerhalb der komplex erforderlichen Abstimmung logisch erkennbare Fehler der Vorsehung nicht völlig ausgeschlossen werden können.
Das Ganze
ist in seinem zeiträumlichen Gange in einem untrennbaren Zusammenhange
verwoben und spielt sich im triebhaften Gefühl zwischen triebigen
Wollen und beliebigem Sollen,
angeborenem+erworbenem Können
und unbeeinflussbaren Müssen,
uneinsichtigem Nichtwissen und
vorhersehbarem Wissen ab.
Nachstehend Äußerungen einiger Philosophen über Allmacht:
Nikolaus
von Kues (1401
- 1464)
Die Allmacht hat ihre Grenze
nur in sich selbst.
Es hat nämlich die größte Macht ihre Grenze nur in sich selbst,
weil außer ihr nichts und sie unendlich ist. In keinem Geschöpfe
findet sie somit eine Grenze, dass sie nicht im Verhältnis zu irgend einem
gegebenen Geschöpfe ein besseres und vollkommeneres erschaffen könnte.
Wird nun ein Mensch zur Vereinigung mit der Allmacht selbst erhoben, so dass
dieser Mensch nicht mehr ein in sich, sondern in der Einheit mit der unendlichen
Macht bestehendes Geschöpf ist, so ist hier die Allmacht nicht durch das
Geschöpf, sondern nur durch sich selbst beschränkt. Es ist dies die
vollkommenste Tätigkeit (perfectissima operatio)
der unendlichen und unbegrenzbaren Allmacht Gottes, in der kein Mangel
sein kann sonst wäre weder der Schöpfer, noch das Geschöpf.
[Nicolaus von Cues: Von der Wissenschaft des Nichtwissens,
S. 172. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 9125 (vgl. Nicolaus-S, S.
80-81)]
Jakob
Böhme (1575
– 1624)
Die Hände Gottes
Die Hände bedeuten die Allmacht Gottes; denn gleichwie Gott in der Natur
kann alles verändern und daraus machen, was er will, also auch kann der
Mensch mit seinen Händen alles das, was aus der Natur gewachsen oder worden
ist, verändern und aus demselben mit seinen Händen machen, was er
will. Er regieret mit den Händen der ganzen Natur Werk und Wesen, und sie
bedeuten recht die Allmacht Gottes.
[Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang,
S. 56. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 11285 (vgl. Böhme-Aurora,
S. 65)]
Baruch
(Benedictus) Spinoza
(1632 – 1677)
Die Allmacht Gottes ist von
Ewigkeit her wirksam.
Ich glaube jedoch deutlich genug gezeigt zu haben (s.
Lehrsatz 16), dass aus der höchsten Macht Gottes oder seiner unendlichen
Natur Unendliches auf unendliche Weisen, d.h. alles, mit Notwendigkeit hervorgegangen
ist oder stets mit gleicher Notwendigkeit folgte, wie aus der Natur des Dreiecks
von Ewigkeit her und in alle Ewigkeit folgt, dass dessen drei Winkel zwei rechten
Winkeln gleich sind. Daher ist die Allmacht Gottes von Ewigkeit her wirksam
gewesen und wird in alle Ewigkeit in derselben Wirksamkeit verharren.
Auf diese Weise wird die Allmacht Gottes, nach meiner Ansicht wenigstens, als
eine weit vollkommenere hingestellt. Ja, die Gegner scheinen die Allmacht Gottes
(es sei mir verstattet, offen zu reden) eigentlich zu leugnen. Sie sind nämlich
gezwungen einzuräumen, dass Gott Unendliches als erschaffbar denkt, was
er doch niemals wird erschaffen können. Denn andernfalls, wenn er nämlich
alles, was er denkt, erschaffen würde, würde er, nach ihrer Annahme,
seine Allmacht erschöpfen und damit unvollkommen werden. Um also Gott als
vollkommen hinzustellen, kommen sie dahin, dass sie zugleich behaupten müssen,
Gott könne nicht alles bewirken, worauf seine Macht sich erstreckt. Ich
kann mir nicht denken daß eine widersinnigere und mit Gottes Allmacht
in stärkerem Widerspruch stehende Ansicht ersonnen werden könnte.
[Spinoza: Ethik, S. 41. Digitale Bibliothek Band 2:
Philosophie, S. 16765 (vgl. Spinoza-Ethik, S. 48)]
Gottfried
Wilhelm Leibniz (1646
- 1716)
Allmacht ist die Unabhängigkeit
Gottes von allen Anderen sowie die Abhängigkeit aller Anderen von ihm
3. Die Größe Gottes ist sorgfältig, besonders gegen die Socinianer
und einige Halb-Socinianer zu schützen; Conrad Vorstius hat am meisten
von ihnen dagegen gesündigt. Man kann die Größe auf zwei Hauptkapitel
zurückführen, auf die Allmacht und auf die Allwissenheit.
4. Die Allmacht befasst sowohl Gottes Unabhängigkeit von Andern, wie Aller
Abhängigkeit von ihm.
5. Die Unabhängigkeit Gottes tritt im Dasein und im Handeln hervor. Im
Dasein, insofern Gott notwendig und ewig ist, und, wie man gemeiniglich sagt,
ein Ding an sich. Daraus folgt auch, dass Gott unermesslich ist.
6. Im Handeln ist Gott in natürlicher und in moralischer Weise unabhängig.
In natürlicher Weise, insofern er der freieste ist und nur von sich selbst
zum Handeln bestimmt wird; in moralischer Weise, insofern er anypeuthynos (nicht
unterwürfig) ist, oder keinen über sich hat.
7. Die Abhängigkeit der Dinge von Gott erstreckt sich sowohl auf alles
Mögliche, oder auf das, was keinen Widerspruch enthält, wie auch auf
alles Wirkliche.
8. Die Möglichkeit der Dinge, die nicht wirklich bestehen, hat in dem göttlichen
Dasein ihre begründete Wirklichkeit, denn wenn Gott nicht wäre, so
würde es auch nichts Mögliches geben; das Mögliche ist daher
von Ewigkeit in den Vorstellungen des göttlichen Verstandes enthalten.
9. Das Wirkliche hängt, in Rücksicht teils des Seins, teils des Handelns,
von Gott ab, und zwar nicht bloß von seinem Verstande, sondern auch von
seinem Willen; nämlich in Rücksicht des Seins, insofern alle Dinge
frei von Gott erschaffen sind und auch von Gott erhalten werden, und es ist
keine falsche Lehre, dass die göttliche Erhaltung eine fortgehende Schöpfung
sei, gleich dem Strahl, der stetig von der Sonne ausstrahlt, wenn auch die Geschöpfe
nicht aus Gottes Wesen und auch nicht notwendig hervorgehen.
10. Im Handeln hängen die Dinge von Gott ab, indem Gott zum Handeln der
Dinge mitwirkt, insoweit in den Handlungen einige Vollkommenheit enthalten ist,
welche allerdings von Gott herkommen muss.
11. Die Mitwirkung Gottes (auch die gewöhnliche und
nicht wunderbare) ist zugleich eine unmittelbare und eine besondere;
und zwar eine unmittelbare, indem die Wirkung nicht bloß deshalb von Gott
abhängt, weil dessen Ursache von Gott entstanden ist, sondern weil Gott
nicht weniger, noch entfernter in Hervorbringung der Wirkung mitwirkt, als in
Hervorbringung von dessen Ursache.
12. Eine besondere ist aber die Mitwirkung, weil sie nicht bloß auf die
Entstehung der Sache und der Handlung gerichtet ist, sondern auch auf die Art
und die Eigenschaften des Seins, so weit ihnen etwas von Vollkommenheit einwohnt,
was immer von Gott, dem Vater
des Lichts und dem Geber alles Guten herkommt.
[Leibniz: Die Theodicee, S. 793. Digitale Bibliothek
Band 2: Philosophie, S. 18110 (vgl. Leibniz-Theod., S. 504f)]
Emanuel von Swedenborg
(1688
– 1772)
Gottes
Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart
Immanuel
Kant (1724 -
1804)
Über die Begriffe Gott
und Allmacht
Wenn ich sage, Gott ist allmächtig, so wird nur diese
logische Beziehung zwischen Gott und der Allmacht gedacht, da das letztere ein
Merkmal des erstern ist. Weiter wird hier nichts gesetzt. Ob Gott sei, das ist,
absolute gesetzt sei oder existiere, das ist darin gar nicht enthalten. Daher
auch dieses Sein ganz richtig selbst bei denen Beziehungen gebraucht wird, die
Undinge gegen einander haben.
[Immanuel Kant: Der einzig mögliche Beweisgrund
zu einer Demonstration des Daseyns Gottes. DB Sonderband: Kant: Werke, S. 70
(vgl. Kant-W Bd. 2, S. 633)]
Gott ist allmächtig; das ist ein notwendiges Urteil.
Die Allmacht kann nicht aufgehoben werden, wenn ihr eine Gottheit, d.i. ein
unendliches Wesen, setzt, mit dessen Begriff jener identisch ist. Wenn ihr aber
sagt: Gott ist nicht, so ist weder die Allmacht, noch irgend ein anderes seiner
Prädikate gegeben; denn sie sind alle zusamt dem Subjekte aufgehoben, und
es zeigt sich in diesem Gedanken nicht der mindeste Widerspruch.
[Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. DB Sonderband:
Kant: Werke, S. 1116 (vgl. Kant-W Bd. 4, S. 531)]
Der Satz: Gott ist allmächtig, enthält zwei
Begriffe, die ihre Objekte haben: Gott und Allmacht; das Wörtchen: ist,
ist nicht noch ein Prädikat obe