Archytas von Tarent (von zw. 435 und 410 bis zw. 355 und 350 vor Christi)

Griechischer Philosoph und Mathematiker (Pythagoreer), der ein Schüler des Philolaos gewesen sein soll. Archytas bewies seine herausragenden Fähigkeiten auch als Musiktheoretiker, Physiker, Ingenieur und Staatsmann . Der Mathematiker Eudoxos von Knidos soll ein Schüler von ihm gewesen sein. Archytas ist als einziger von seinen Mitbürgern siebenmal hintereinander zum Strategen (Feldherrn) von Tarent gewählt worden sein, obwohl das Gesetz eigentlich keine mehrmalige Wiederwahl zuließ. Als Feldherr ist er niemals besiegt worden.

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Fragmente
Fragmente der Harmonik

1. Treffliche Erkenntnisse scheinen mir die Mathematiker gewonnen zu haben und es ist gar nicht sonderbar, dass sie über die Beschaffenheit der einzelnen Dinge richtig denken. Denn da sie über die Natur des Alls treffliche Erkenntnisse gewonnen haben, mussten sie auch für die Beschaffenheit der Dinge im einzelnen einen trefflichen Blick gewinnen. So haben sie uns denn auch über die Geschwindigkeit der Gestirne und über ihren Auf- und Untergang eine klare Einsicht überliefert und über Geometrie, Zahlen (Arithmetik) und Sphärik und nicht zum mindesten auch über Musik. Denn diese Wissenschaften scheinen verschwistert zu sein. Denn sie beschäftigen sich mit den beiden verschwisterten Urgestalten des Seienden [nämlich Zahl und Größe]. Zuerst nun überlegten sie sich, dass unmöglich ein Schall entstehen könne, ohne dass ein gegenseitiger Anschlag von Körpern stattfände. Anschlag aber, behaupteten sie, entstünde dann, wenn die in Bewegung befindlichen Körper sich gegenseitig treffen und zusammenstoßen. Diejenigen Körper nun, die in entgegengesetzter Richtung sich bewegen und einander begegnen, brächten den Schall hervor, indem sie sich hemmen; diejenigen Körper aber, die sich in gleicher Richtung, aber mit ungleicher Geschwindigkeit fortbewegten, brächten den Schall hervor, indem sie, von den nachkommenden eingeholt, getroffen würden. Viele von diesen Schällen könnten nun mit unserer Natur nicht erfasst werden, teils wegen des schwachen Anschlags, teils wegen der weiten Entfernung von uns, einige auch wegen ihrer außerordentlichen Stärke. Denn die gewaltigen Schälle könnten nicht in unser Ohr eindringen, wie sich ja auch in die enghalsigen Gefäße, sobald man viel eingießen will, nichts eingießen lässt. Von den an unseren Sinn anschlagenden Schällen erscheinen uns nun die, welche schnell und stark von dem Anschlage her zu uns dringen, hoch, die aber langsam und schwach, tief zu sein. Denn nimmt man eine Gerte und bewegt sie langsam und schwach, so wird man mit dem Schlage einen tiefen Schall hervorbringen, bewegt man sie aber rasch und stark, einen hohen. Aber nicht nur hierdurch können wir dies erkennen, sondern auch: wollen wir beim Reden oder Singen etwas laut und hoch klingen lassen, so werden , wir mit Anwendung starken Atems [zum Ziel gelangen, wollen, wir aber leise oder tief sprechen, so werden wir schwachen Atem anwenden]. Ferner kommt auch das vor zum Beispiel bei Geschossen. Die kräftig abgeschleuderten fliegen weit, die schwach, in die Nähe. Denn den kräftig abgeschleuderten gibt die Luft stärker nach, den schwach dagegen weniger. Dasselbe trifft aber auch auf die Töne zu: ein Ton, der unter starkem Atemstoß hervorgebracht wird, wird stark und hoch klingen, unter schwachem Atemstoß dagegen schwach und tief. Doch können wir es auch an diesem kräftigsten Beispiel sehen, dass nämlich derselbe Mensch mit lauter Stimme sich uns weithin vernehmlich macht, mit leiser dagegen nicht einmal in der Nähe. Doch auch bei den Flöten: stürzt die aus dem Munde gestoßene Luft in die:dem Munde zunächst liegenden Löcher, so gibt sie infolge des starken Druckes einen höheren Klang von sich, dringt sie dagegen in die weiter abgelegenen, einen tieferen. Daraus ergibt sich klar, dass die schnelle Bewegung den Klang hoch, die langsame tief macht. Doch auch bei den in den Mysterienweihen geschwungenen Waldteufeln geschieht genau dasselbe: langsam geschwungen geben sie einen tiefen Klang von sich, heftig dagegen, einen hohen. Doch auch das Rohr wird, wenn man sein unteres Ende verstopft und hineinbläst, uns; einen tiefen Ton geben; bläst man dagegen in die Hälfte öder sonst' einen beliebigen Teil von ihm, so wird es hoch klingen. Denn dieselbe Luft strömt durch einen langgestreckten Raum langsam, durch einen kürzeren heftig aus. ,

Er spricht sodann noch weiter über die Proportionalität der Stimmbewegung und schließt seine Darlegung mit folgenden Worten: Da nun also die hohen Töne sich schneller bewegen, die tiefen langsamer; ist uns aus vielen Beispielen deutlich geworden.

2. Es gibt aber drei Proportionen in der Musik: einmal die arithmetische, zweitens die geometrische, drittens die entgegengesetzte sogenannte harmonische. Die arithmetische, wenn drei Zahlbegriffe analog folgende Differenz aufweisen: um wieviel der erste den zweiten übertrifft, um soviel übertrifft der zweite den dritten. Und bei dieser Analogie trifft es sich, dass das Verhältnis der größeren Zahlbegriffe kleiner, das der kleineren größer ist. Die geometrische: wenn der erste Begriff zum zweiten, wie der zweite zum dritten sich verhält. Die größeren von ihnen haben das gleiche Verhältnis wie die geringeren. Die entgegengesetzte, sogenannte harmonische Proportion, wenn sich die Begriffe so verhalten: um den wievielten Teil der eigenen Größe der erste Begriff den zweiten übertrifft, um diesen Teil des dritten übertrifft der Mittelbegriff den dritten. Bei dieser Analogie ist das Verhältnis der größeren Begriffe größer, das der kleineren kleiner.

3. Man muss ja zur Kenntnis gelangen entweder indem man das, was man nicht kannte, von einem anderen erlernte oder selbst findet. Das Erlernen findet also von einem anderen und mit fremder Hilfe statt, das Finden dagegen durch uns selbst und mit eigner Hilfe. Finden aber ohne Suchen ist misslich und selten, mit Suchen aber ist es rätlich und leicht; für den freilich, der es nicht versteht, ist das Suchen unmöglich.

Aufruhr dämpft's, Eintracht erhöht's, wenn ein richtiger Maßstab gefunden wurde. Denn es gibt keine Übervorteilung, wenn er sich einstellt, und es herrscht Gleichheit. Denn mit ihm setzen wir uns über die gegenseitigen Verpflichtungen auseinander. Seinetwegen nehmen die Armen von den Vermögenden und die Reichen geben den Bedürftigen, weil sie beide darauf vertrauen, dass sie durch ihn das Gleiche besitzen werden. So ist er Richtschnur und Hemmschuh der Unredlichen und veranlagt die, die richtig messen (rechnen) können, noch vor der Unredlichkeit inne zu halten, da er ihnen klar macht, dass sie doch nicht unentdeckt bleiben werden, wenn sie an ihn her­ankommen; denjenigen aber, die es nicht können, zeigt er, dass gerade darin ihre Unredlichkeit liegt, und hindert sie so an der Unredlichkeit.


Gespräche.

4. Und die Rechenkunst hat, wie es scheint, in bezug auf Wissenschaft vor den anderen Künsten einen recht beträchtlichen Vorrang; besonders aber auch vor der Geometrie, da sie deutlicher als diese was sie will behandeln kann. [Denn die Geometrie beweist, wo die anderen Künste im Stich lassen,] und wo die Geometrie wiederum versagt, bringt die Rechenkunst sowohl Beweise zustande wie auch die Darlegung der Formen [Prinzipien? ], wenn es überhaupt irgendeine wirkliche Behandlung der Formen gibt ...
Herman Diels: Die Fragmente der Vorsokratiker, Rowohlts Klassiker der Literatur und Wissenschaft, RK 10, (S. 81– 83)