Marcianus Aristides aus Athen (um 125)

Griechischer Philosoph, frühchristlicher Apologet und Kirchenvater, der aus zutiefst innerer Überzeugung das Christentum nicht nur zu rechtfertigten versuchte, sondern nachdrücklich als die einzig wahre und richtige Religion betrachtete.

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Volltext in: Bibliothek der Kirchenväter

Apologie über die Gottesverehrung
An den Imperator Caesar Titus (Aelius) Hadrianus Antonius Augustes Pius
Der Philosoph Marcianus Aistides aus Athen

I.
1.
Ich bin, o Kaiser, durch Gottes «Vorsehung» auf die Welt gekommen. Und als ich den Himmel betrachtete und Erde und Meer, und Sonne und «Mond» [erblickte] und die übrigen Schöpfungswerke, da erstaunte ich über «dieses Weltgebäude».

2.
Ich begriff aber, dass sich die Welt und alles darin (nur) aus Zwang [seitens eines andern] bewegt, und ich sah ein, dass derjenige, der sie bewegt «und erhält»‚ Gott ist, [der darin verhüllt und dadurch verborgen ist]; auch ist klar, dass das Bewegende stärker ist als das Bewegte, und das Erhaltende stärker als das Erhaltene. Aber nachzugrübeln über den Beweger des Alls, wie beschaffen er (nämlich) ist — denn soviel ist mir ersichtlich: er ist ja seiner Natur nach unbegreiflich — und zu handeln über die Festigkeit seiner Weltordnung, um sie ganz zu begreifen, bringt mir keinen Gewinn, kann sie ja doch niemand vollkommen begreifen.

3. Ich behaupte aber von dem Weltbeweger, dass er der Gott des Alls ist, der alles um des Menschen willen gemacht hat; und mir scheint das (allein) von Wert zu sein, dass man Gott verehre und den (Mit-) Menschen nicht kränke.

 4. Ich behaupte aber, dass Gott ungezeugt ist und ungemacht, «von niemand umfasst wird, selbst aber alles umfasst, (dass er ist) eine durchsichseiende« Form, anfangslos und endlos, «unvergänglich», unsterblich, vollkommen und unbegreiflich. Wenn ich sagte vollkommen, so heißt das, dass er keinen Mangel hat und nichts bedarf, während alles seiner bedarf; und wenn ich sagte, dass er anfangslos ist, so heißt das, dass alles, was einen Anfang hat, auch ein Ende hat, und alles, was ein Ende hat, auflösbar ist.

5. Er hat keinen Namen; denn alles, was einen Namen hat, gehört mit zum Geschaffenen. Er hat keine Gestalt und keine Zusammensetzung von Gliedern; denn wer solches hat, gehört mit zu den Gebilden. Er ist nicht männlich und nicht weiblich. Der Himmel umfasst ihn nicht, vielmehr wird der Himmel und alles Sichtbare und Unsichtbare von ihm umfasst. Er hat keinen Gegner; denn es gibt niemand, der stärker wäre als er. Er hat nicht Grimm und Zorn; denn es gibt nichts, das ihm widerstehen könnte. Irrtum und Vergesslichkeit liegt nicht in seiner Natur; denn er ist ganz und gar Weisheit und Einsicht und durch ihn besteht alles, [was besteht]. »Er heischt [fordern, verlangen, bitten] nicht Schlacht- und Trankopfer, noch eines von den sichtbaren Dingen; (von niemand heischt er etwas), aber alle Lebewesen heischen von ihm. S. 25-27 […]

XV.
1. Die Christen aber, o Kaiser, haben umhersuchend die Wahrheit gefunden und stehen, wie wir ihren Schriften entnommen haben, der Wahrheit und genauen Erkenntnis näher als die übrigen Völker.

2. Denn sie kennen Gott und glauben an ihn als den Gott Schöpfer «und Werkmeister des Alls», durch den alles und von dem alles ist, der keinen andern Gott neben sich hat,

3. von dem sie die Gebote empfingen, die sie in ihren Sinn eingezeichnet haben und beobachten in der Hoffnung und Erwartung der künftigen Welt.

4. Deshalb treiben sie nicht Ehebruch und Unzucht, legen kein falsches Zeugnis ab, unterschlagen kein hinterlegtes Gut, begehren nicht, was nicht ihr eigen, ehren Vater und Mutter, erweisen ihrem Nächsten Gutes und richten, wenn Richter, nach Gerechtigkeit.

5. Götzen in Menschengestalt beten sie nicht an, und was sie nicht wollen, dass ihnen andere tun, das tun sie auch niemand. Von der Götzenopferspeise essen sie nicht, denn sie sind rein. Denen, die sie kränken, reden sie zu und machen sie sich zu Freunden; den Feinden spenden sie eifrig Wohltaten.

6. Ihre Frauen, o Kaiser, sind rein wie Jungfrauen, und ihre Töchter sittsam. Ihre Männer enthalten sich jedes ungesetzlichen Verkehrs und aller Unlauterkeit in der Hoffnung auf die in der andern Welt winkende Vergeltung. Die Sklaven aber und Sklavinnen oder die Kinder, die deren einzelne haben mögen, bereden sie aus Liebe zu ihnen, Christen zu werden; und sind sie es geworden, so nennen sie dieselben ohne Unterschied Brüder.

7. Die fremden Götter beten sie nicht an. Sie wandeln in aller Demut und Freundlichkeit. Lüge wird bei ihnen nicht gefunden. Sie lieben einander. Die Witwen missachten sie nicht; die Waise befreien sie von dem, der sie misshandelt. Wer hat, gibt neidlos dem, der nicht hat. Wenn sie einen Fremdling erblicken, führen sie ihn «unter Dach» und freuen sich über ihn, wie über einen wirklichen Bruder. Denn sie nennen sich nicht Brüder dem Leibe nach, sondern [Brüder] im Geiste und in Gott.

8. Wenn aber einer von ihren Armen aus der Welt scheidet und ihn irgendeiner von ihnen sieht, so sorgt er nach Vermögen für sein Begräbnis. Und hören sie, dass einer von ihnen wegen des Namens ihres Christus gefangen oder bedrängt ist, so sorgen alle für seinen Bedarf und befreien ihn, wo möglich.

9. Und ist unter ihnen irgendein Armer oder Dürftiger, und sie haben keinen überflüssigen Bedarf, so fasten sie zwei bis drei Tage, damit sie den Dürftigen ihren Bedarf an Nahrung decken. Die Gebote ihres Christus halten sie [gar] gewissenhaft, indem sie rechtschaffen und ehrbar leben, so wie der Herr ihr Gott ihnen befohlen,

10.
Alle Morgen und zu allen Stunden preisen und loben sie Gott ob der ihnen gespendeten Wohltaten und danken ihm für Speise und Trank.

11. Und wenn ein Gerechter von ihnen aus der Welt scheidet, so freuen sie sich und danken Gott und geben seiner Leiche das Geleite, gleich als zöge er (nur) von einem Ort zum andern. Und wenn einem von ihnen ein Kind geboren worden, so preisen sie Gott; und sollte es dann (schon) in seiner Kindheit sterben, so preisen sie Gott überaus, ist es doch ohne Sünde aus der Welt geschieden. Müssen sie hinwiederum sehen, wie einer von ihnen in seiner Gottlosigkeit und seinen Sünden stirbt, so weinen sie über diesen bitterlich und seufzen, soll er ja zur Strafe hingehen.

12. Das, o Kaiser, ist das Gebot des Gesetzes der Christen und ihre Lebensführung.
S. 48-51

XVI.
1. Als solche, die Gott kennen, bitten sie ihn (nur) um Dinge, die ihm Wohlanstehen zu geben und ihnen zu empfangen. So füllen sie ihre Lebenszeit aus. Und da sie Gottes Wohltaten gegen sie erkennen, siehe! so strömen ihretwegen die Segnungen in der Welt fort. Und wahrhaftig sind sie es, die umhersuchend die Wahrheit gefunden haben. Und aus dem, was wir vernommen, haben wir geschlossen, dass sie allein der Erkenntnis der Wahrheit nahe stehen.

2. Die Wohltaten, die sie spenden, rufen sie nicht in die Ohren der Menge; sie sind (vielmehr) besorgt, dass sie niemand bemerke, und verheimlichen ihre Gabe wie einer, der einen Schatz gefunden hat und ihn geheim hält. Sie bemühen sich gerecht zu sein, erwarten sie ja in großer Herrlichkeit ihren Christus zu sehen und die ihnen gemachten Verheißungen von ihm zu empfangen.

3. Ihre Sprüche und Gebote aber, o Kaiser, den Ruhm ihres (Gottes-) Dienstes und den Lohn [der Vergeltung], den sie entsprechend dem Tun eines jeden einzelnen von ihnen in der andern Welt erwarten, magst du aus ihren Schriften kennen lernen.

4. Uns aber genügt es, in Kürze Eurer Majestät den Wandel und die Wahrheit der Christen kundgetan zu haben; denn wahrhaft groß und wunderbar ist ihre Lehre für den, der sie betrachten und verstehen will, und wahrhaft neu ist dies Volk und eine göttliche Mischung ist in ihm.

5. Nehmt also ihre Schriften her und lest darin, und siehe! Ihr werdet finden, dass ich dies nicht aus mir selbst geschöpft oder als ihr Anwalt gesprochen habe, sondern, nachdem ich nun einmal in ihren Schriften gelesen habe, bin ich davon fest überzeugt, auch von dem Zukünftigen. Darum fühlte ich mich auch gedrängt, denen die Wahrheit zu zeigen, die ihr geneigt sind und die künftige Welt suchen.

6. Auch hege ich keinen Zweifel, dass (nur) durch das flehentliche Gebet der Christen die Welt noch fortbesteht. Die übrigen Völker aber gehen und führen irre, indem sie sich vor die Elemente der Welt hinwälzen, will ja ihr Geistesblick nicht drüber hinwegsehen. Sie tasten wie im Dunkeln, da sie die Wahrheit nicht erkennen wollen, und taumeln wie Trunkene, ziehen einander hin und fallen.
S. 51-53

XVII.
1. Bis hierher, o Kaiser, habe ich gesprochen. Bezüglich des übrigen finden sich, wie oben bemerkt, in ihren andern Schriften Worte, die schwer zu sagen und von jemand vorzutragen sind, (Worte,) die nicht bloß geredet, sondern auch befolgt sein wollen.

2. Die Griechen hingegen, o Kaiser, weil schändliche Dinge verübend durch Beilager mit Männlichen und mit Mutter, Schwester und Tochter, schieben den Hohn ihrer Unlauterkeit auf die Christen. Die Christen jedoch sind rechtschaffen und heilig und die Wahrheit steht ihnen vor Augen.

3. Sie sind auch langmütig. Und weil sie wissen, dass jene im Irrtum sind, lassen sie sich von ihnen schlagen, ertragen und dulden sie, ja noch mehr, sie behandeln sie schonend als Leute, die der Erkenntnis ermangeln, und bringen für sie Gebet(e) dar, damit sie sich von ihrem Irrtum bekehren.

4. Kommt es indes vor, dass einer von ihnen sich bekehrt, so schämt er sich vor den Christen seiner begangenen Missetaten, bekennt (sie) Gott und spricht: »Aus Unwissenheit habe ich diese begangen«. Und er reinigt sein Herz, und seine Sünden werden ihm nachgelassen, weil er sie aus Unwissenheit in der früheren Zeit beging, wo er (noch) die wahre Erkenntnis der Christen lästerte und schmähte.

5. Ja wahrhaft selig ist das Geschlecht der Christen vor allen Menschen auf der Erdoberfläche.

6. Verstummen sollen nunmehr die Zungen derer, die Eitles reden und die Christen verleumden, und sie sollen jetzt die Wahrheit sagen. Denn es frommt ihnen mehr, den wahren Gott anzubeten, als einen unbestimmten Schall.

7. Und wahrhaft ist Gottes, was durch der Christen Mund geredet wird, und ihre Lehre ist die Pforte des Lichts.

8. Es sollen sich ihr nun alle die nahen, die Gott (noch) nicht erkannt haben, und sollen die unvergänglichen Worte aufnehmen, die von jeher sind und von Ewigkeit. Mögen sie also zuvorkommen dem furchtbaren Gericht, das durch Jesus Christus über das ganze Menschengeschlecht kommen soll .
S. 53-54
Bibliothek der Kirchenväter, Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten, I. Band, 1913 Kempten und München, Verlag der Jos.Köselschen Buchhandlung