Ahmed ibn Mohammed At-Tahawi (ca. 843 - 933)

Islamischer Gelehrter, der schon
früh auf der Suche nach Wissen nach Ägypten gegangen ist und dort von mehr als 300 Lehrern unterrichtet worden sein soll. Tahawi wird von Zeitgenossen als sehr intelligent, äußerst vertrauenswürdig, zuverlässig und äußerst belesen geschildert. Er soll ein ausgezeichnetes Lernvermögen und ein ebenso gutes Gedächtnis besessen haben und das Erlernte nicht völlig unkritisch übernommen haben.

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GLAUBENSBEKENNTNIS DER ANHÄNGER DER SUNNA UND DER GEMEINSCHAFT

nach der Lehrweise der Theologen der Richtung des Abû Hanîfa, des Abû Jûsuf und des Schaibânî
Wir sprechen beim Bekenntnis der Einheit Gottes, indem wir mit seiner Hilfe fest daran glauben:

Allah ist ein einziger; er hat keinen Genossen und nichts ist wie er; nichts ist ihm ähnlich; nichts ist ihm unmöglich. Es gibt keinen Gott außer ihm. Er ist alt — ohne Anfang, ewig — ohne Ende; er vergeht nicht und hört nicht auf, und es geschieht nur, was er will.

Keine Vorstellung erreicht ihn, kein Verstand begreift ihn, kein Geschöpf gleicht ihm. Er lebt ohne zu sterben, wacht ohne zu schlafen, schafft ohne etwas zu bedürfen, unterhält ohne Vorrat, lässt sterben ohne Furcht und erweckt vom Tode ohne Mühe. Von Ewigkeit her hat er seine Eigenschaften, vor seinen Geschöpfen, und er hat durch ihre Existenz nichts angenommen, was nicht schon vor ihnen seine Eigenschaft gewesen wäre. Und wie er seine Eigenschaften von Ewigkeit her besitzt, so behält er sie in Ewigkeit. Nicht erst seit der Erschaffung der Geschöpfe verdient er den Namen Schöpfer und nicht erst durch das zeitliche Hervorbringen der Schöpfung gewinnt er den Namen des Hervorbringers. Er ist der Inbegriff der Herrschaft und kein Beherrschter, der Inbegriff des Schöpfertums und kein Geschaffener. Und wie er der Wiederbeleber der Toten ist, nachdem er sie zum Leben erweckt hat, so verdient er diesen Namen auch schon, ehe er sie erweckt hat. Ebenso verdient er den Namen des Schöpfers, ehe er sie hervorgebracht hat.

Denn er ist allmächtig und alles ist von ihm abhängig, alles ist für ihn leicht, nichts hat er nötig. Nichts ist wie er; er ist der Feinhörige, der Scharfsichtige. Er schuf die Geschöpfe durch sein Wissen und bestimmte ihnen Geschicke und setzte ihnen Termine. Nichts ist ihm verborgen geblieben seit ihrer Erschaffung und er wusste, was sie tun würden, noch ehe er sie erschuf; und er befahl, ihm zu gehorchen und verbot ihnen, ungehorsam gegen ihn zu sein.

Alles verläuft nach seiner Bestimmung und seinem Willen. Sein Wille ist es, der vollzogen wird; die Menschen haben keinen Willen, außer was er durch sie will. Was er durch sie will, das geschieht; und was er nicht will, das geschieht nicht. Er führt richtig, wen er will, indem er beschützt und bewahrt aus Gunst; und er führt irre, wen er will, indem er verlässt und prüft in Gerechtigkeit. Alle drehen sich innerhalb seines Willens, zwischen seiner Gunst und seiner Gerechtigkeit. Niemand vermag sich seiner Bestimmung zu widersetzen, niemand vermag seinen Beschluss hinauszuschieben, niemand über seinen Befehl zu siegen.

Alles das glauben wir und sind fest überzeugt, dass alles von ihm kommt. Und dass Mohammed sein erkorener Diener ist, sein auserwählter Vertrauter, sein wohlgefälliger Bote, das Schlusssiegel der Propheten, der Anführer der Gottesfürchtigen, der Fürst der Gesandten und der Freund des Herrn der Welten. Jeder Anspruch auf die Prophetenschaft nach ihm ist Irreführung und Begehrlichkeit.

Er ist es, der zu den Scharen der Dschinnen und zur Gesamtheit der Menschen geschickt wurde mit der Wahrheit und der Leitung, dem Lichte und der Erleuchtung.

Der Koran ist das Wort Allahs; von ihm ging es aus als eine Rede ohne materielle Qualität; er offenbarte ihn seinem Propheten als eine Eingebung; die Gläubigen nehmen ihn deshalb als Wahrheit hin und sind fest überzeugt, dass er wahrhaftig das Wort Allahs ist. Er ist nicht erschaffen wie die Rede der Geschöpfe; wer ihn hört und behauptet, dass er Menschenwort sei, der ist ein Ungläubiger und es trifft ihn Allahs Vorwurf und Tadel und die Drohung mit seiner Strafe, die da lautet: »Ich werde ihn brennen lassen im Höllenfeuer.« Da nun Allah denjenigen, der sagt, »er (der Koran) ist nur Menschenwort«, mit Höllenfeuer bedroht, so wissen wir, dass er das Wort des Schöpfers der Menschheit ist und kein Menschenwort ihm gleicht.

Wer Allah irgendwelche menschliche Inhärentien
[Eigenschaften] zuschreibt, der ist ein Ungläubiger; und wer dies sieht, der ist gewarnt und hält sich ferne von Reden, wie sie die Ungläubigen führen; denn er weiß, dass Allah in seinen Eigenschaften nicht ist wie die Menschen.

Es ist wahr, dass er den Bewohnern des Paradieses erscheint, ohne Schranke und ohne Materialität, wie es heißt im Buche unseres Herrn (Sure LXXV 22—23): »Gesichter werden an jenem Tage strahlen, zu ihrem Herrn hinblicken.«

Zu erklären sind diese Worte so, wie Allah sie meinte und verstand; alles was darüber in zuverlässiger Weise von dem Boten Allahs überliefert ist, entspricht seinen (Allahs) Worten und deckt sich mit ihrer Bedeutung. Wir (aber) unternehmen es nicht, daran mit unseren Meinungen zu deuten und mit unserer Phantasie Vermutungen zu hegen. Denn nur der bleibt fehlerfrei in seiner Religion, der es durch Allah und seinen Boten bleibt, und der die Kenntnis dessen, was ihm zweifelhaft ist, dem Wissenden anheimgibt. Nur auf dem Boden der Ergebung steht man fest; wer zu wissen wünscht, was ihm verschlossen ist, und wessen Verstand sich mit der Ergebung nicht zufrieden gibt, den trennt sein Verlangen von der vollkommenen Vereinigung mit Gott, von der reinen Erkenntnis und dem richtigen Glauben; er schwankt hin und her zwischen dem Unglauben und dem Glauben, dem Bestätigen und dem Ablehnen, dem Anerkennen und Leugnen, wirr und verloren, zweifelnd und irrend, nicht gläubig überzeugt und auch nicht als Lüge verwerfend.

Wer an die Anschauung Gottes durch die Bewohner des Paradieses glaubt, aber sie mit der Einbildung zu begreifen, mit dem Verstande zu erklären sucht, dessen Glaube ist nicht richtig; denn das Erklären des Schauens (Gottes) und das Erklären des Wesens (der Dinge) überhaupt kommt der Gottheit zu; auf dem Unterlassen der Erklärung und dem Festhalten an der Ergebung dagegen beruht die Religion der Gesandten. Wer sich nicht scheut zu leugnen (und zu bezweifeln), der stolpert und findet keine Rast.

Und siehe, unser Herr ist beschrieben mit den Attributen der Einheit und geschildert mit den Prädikaten der Einzigkeit; keines der Geschöpfe ist ihm wesensgleich. Er ist erhaben über die Grenzen und Enden, über die Glieder und Ecken und Werkzeuge; es umschließen ihn nicht, wie alles Entstandene, die sechs Seiten.

Die Himmelfahrt (Mohammeds) ist Wahrheit. Des Nachts wurde der Prophet entrückt und in wachem Zustande körperlich bis zum Himmel emporgehoben, so hoch es Allah gefiel; und Allah zeichnete ihn aus, womit er wollte, und offenbarte ihm, was er offenbarte. Und das Wasserbecken, das Allah seinem Propheten schenkte zur Erquickung seiner Gemeinde, ist Wahrheit. Und die Fürsprache, die er für sie aufgespart hat, ist Wahrheit, gemäß den überlieferten Erzählungen. Und der Vertrag, den Allah mit Adam und seiner Nachkommenschaft schloss, ist Wahrheit.

Allah
kennt (von Ewigkeit her) die Zahl derer, die ins Paradies eingehen und die Zahl derer, die ins Feuer eingehen; er fügt jener Zahl nichts hinzu und nimmt nichts davon weg; und ebenso (kennt er) ihre Handlungen, indem er von ihnen weiß, dass sie sie tun werden. Jeder ist zu dem geneigt, wozu er geschaffen ist. Und die Handlungen sind mit Schlusssiegeln versehen; der Glückliche (erhält) ein glückliches, der Unglückliche ein unglückliches — gemäß dem Beschlusse Allahs. Der Ursprung des Schicksals ist Allahs Geheimnis in Bezug auf seine Geschöpfe. Kein (ihm) nahestehender Engel hat es je erfahren noch ein (von ihm) gesandter Prophet. Das Forschen und Grübeln darüber ist der Weg zur Verlassenheit (von Gott), die Leiter der Enttäuschung und die Stufe der Unbotmäßigkeit. Darum hüte, ja hüte man sich vor derlei Nachforschungen, Gedanken und Einflüsterungen. Denn Allah hat die Kenntnis des Schicksales seinen Geschöpfen verhüllt und ihnen verboten, darnach zu trachten, wie er in seinem Buche sagt: »Er wird nicht gefragt, um das, was er tut, sie aber werden gefragt.« Wer also darnach fragt, warum er (dies oder jenes) tat, der handelt wider die Vorschrift des Buches und ist ein Ungläubiger. Dies ist alles, was der Freund Allahs benötigt, dessen Herz erleuchtet ist, und dies ist die Stufe der im Wissen auf festem Boden Stehenden. Denn zweierlei ist das Wissen: ein Wissen, das bei den Geschöpfen vorhanden ist und ein Wissen, das bei den Geschöpfen nicht vorhanden ist. Es ist Unglaube, das vorhandene Wissen abzulehnen, und es ist Unglaube, das nicht vorhandene zu verlangen.

Der richtige Glaube besteht nur darin, dass man das vorhandene Wissen aufnimmt und das nicht vorhandene zu erforschen unterlässt. Wir glauben an die Tafel und an das Schreibrohr und an alles, was auf ihr geschrieben steht. Und wenn alle Geschöpfe zusammen hälfen, um etwas, was Allah als seiend aufgeschrieben hat, am Sein zu verhindern — sie wären nicht imstande dazu; und wenn sie sich alle vereinigten, um etwas, was er nicht (als seiend) aufgeschrieben, sein zu lassen, — sie wären nicht imstande dazu. Es bleibt bei dem, was aufgeschrieben ist, bis zum jüngsten Tage. Was er den Menschen falsch machen ließ, das kann er nicht richtig machen; und worin er ihn das Richtige treffen ließ, darin kann er nicht fehlen. Pflicht des Menschen ist es, zu wissen, dass Allah jedes existierende Geschöpf im voraus kannte und ihm eine feste, unabänderliche Bestimmung gab, die niemand aufzuheben, aufzuschieben, zu beenden, zu ändern oder zu tauschen vermag; weder in seinen Himmeln noch auf seiner Erde ist nur eines seiner Geschöpfe zuviel noch zuwenig. Das gehört zum Bestand des Glaubens und den Fundamenten der Erkenntnis und des Bekenntnisses seiner Einheit und Herrschaft, wie er es in seinem Buche sagt (Sure XXV 2): »Er hat jedes Ding erschaffen und ihm seine Bestimmung gegeben« und (Sure XXXIII 38) »Allahs Befehl ist ein verhängtes Geschick.« Wehe darum demjenigen, der mit dem Schicksale hadert; mit seiner Phantasie tastet er bei der Erforschung des Unsichtbaren an ein verschlossenes Geheimnis und wird durch das, was er sagt, zum frevelnden Lügner.

Der Thron und der Stuhl sind Wahrheit, gemäß dem, was geoffenbart ist. Seine Majestät ist aber so groß, dass sie des Thrones entbehren kann und was darunter ist; denn er umfasst und überragt jegliches Ding, seinen Geschöpfen aber ist es unmöglich, (ihn) zu umfassen.

Wir sagen, dass Allah den Abraham als Freund angenommen und zu Moses wirklich geredet hat — indem wir es für wahr halten, für wahr erklären und hinnehmen.

Wir glauben an die Engel und die Propheten und an die den Gesandten geoffenbarten Bücher und wir bezeugen, dass sie auf dem Boden der offenkundigen Wahrheit stehen. Wir bezeichnen die Anhänger unserer Richtung als Muslime, als Gläubige, solange sie anerkennen, was der Prophet gebracht hat und alles glauben, was er gesprochen und berichtet hat. Wir grübeln nicht über Allah, disputieren nicht über die Religion und streiten nicht über den Koran; denn wir wissen, dass er das Wort des Herrn der Welten ist, das der zuverlässige Geist herniedergebracht und den Fürsten der (Gottes-)Gesandten, Mohammed, gelehrt hat. Dem Worte Allahs kommt kein Wort der Geschöpfe gleich und wir behaupten nicht, dass es erschaffen sei.

Und wir treten nicht in Widerspruch zur Gemeinschaft der Muslime. Wir erklären keinen der Leute der Kibla als Ungläubigen wegen seiner Sünde, solange er sie nicht für erlaubt erklärt; wir sagen (aber) auch nicht, dass eine Sünde bei (Vorhandensein von) Glauben, dem, der sie begeht, nicht schade. Wir hoffen für diejenigen Gläubigen, die Gutes tun, ohne indes sicher zu sein; und wir sprechen ihnen das Paradies nicht zu, sondern wir hoffen es nur für sie und wir beten für die Sündhaften von ihnen um Verzeihung und sind in Furcht um sie, ohne sie zu entmutigen. Denn die Zuversicht und die Verzweiflung führen beide von der Religion hinweg und der Weg der Wahrheit liegt für die Leute der Kibla in der Mitte. Der gläubige Mensch kann aus dem Glauben nur austreten, indem er das verwirft, was ihn (in den Glauben) hineingeführt hat. Der Glaube ist die Bestätigung mit der Zunge, während die Überzeugung die Erkenntnis im Herzen ist. Alles, was Allah im Koran geoffenbart hat, und alles was auf den Propheten zurückgehend als Gesetz und Erläuterung zuverlässig überliefert ist, all das ist Wahrheit.

Es gibt nur einen Glauben, seine Bekenner sind prinzipiell (einander) gleich, der Vorrang unter ihnen hängt (nur) ab von der Echtheit (der Überzeugung) und der Unterdrückung der Leidenschaften. Alle Gläubigen sind Freunde des Erbarmers, und wer am gehorsamsten gegen ihn ist und dem Koran am treuesten folgt, der ist der Geehrteste unter ihnen. Der Glaube besteht im Glauben an Allah und seine Engel, seine Bücher, seine Boten, den jüngsten Tag, die Schicksalsbestimmung, die gute und die böse, die süße und die bittere — alles kommt von Allah. An all das glauben wir; wir machen keinen Unterschied zwischen irgendeinem seiner Boten, wir glauben ihnen allen in dem, was sie gebracht haben.

Und die mit schweren Sünden Beladenen bleiben nicht ewig im Feuer, wenn sie im Glauben an die Einheit Gottes sterben; auch wenn sie sich nicht bekehrt haben, liegt es, da sie doch zur Erkenntnis Gottes gelangt sind, in Allahs Willen und in seinem Ermessen: wenn er will, verzeiht und vergibt er ihnen, gemäß den Worten seines Buches (Sure IV 51): »und er verzeiht, was außerhalb (des Götzendienstes) ist, wem er will«, und wenn er will, bestraft er sie im Feuer nach seiner Gerechtigkeit; alsdann entlässt er sie daraus infolge seines Erbarmens und infolge der Fürsprache derer, die gehorsam waren, und schickt sie ins Paradies. Denn Allah ist der Schutzherr derer, die ihn anerkennen und weder im Diesseits noch im Jenseits behandelt er sie wie diejenigen, die ihn leugnen, die seiner Leitung entbehren und seiner Freundschaft nicht teilhaftig werden. O Gott, Herr des Islam und seiner Bekenner, lass uns den Islam festhalten, bis wir durch ihn zu dir gelangen!

Wir halten das Gebet sowohl hinter den gerechten als hinter den sündigen Gläubigen (für erlaubt); wir beten für die Verstorbenen von ihnen und wir versetzen keinen von ihnen ins Paradies oder ins Feuer: wir bezichtigen sie nicht des Unglaubens, noch der Vielgötterei, noch der Heuchelei, so lange solches von ihnen nicht offenbar ist, und wir überlassen ihre Geheimnisse Allah. Wir verwerfen den Gebrauch des Schwertes gegen einen von der Gemeinde Mohammeds, außer wenn es gegen ihn notwendig ist. Wir verwerfen die Erhebung gegen unsere geistlichen und weltlichen Oberhäupter, auch wenn sie ungerecht sind; wir verfluchen sie nicht und verweigern ihnen den Gehorsam nicht, sondern wir betrachten den Gehorsam gegen sie — innerhalb des Gehorsams gegen Allah — als ein Gebot. Wir beten für sie um Frieden und Wohlfahrt. Wir folgen der
Sunna [Gesamtheit der überlieferten Verhaltens- und Handlungsweisen des Propheten Mohammed als Richtschnur islamischer Lebensweise] und der Gemeinschaft (der Rechtgläubigen) und meiden die Absonderung, den Widerspruch und die Trennung. Wir lieben die Leute der Gerechtigkeit und Treue und hassen die Leute der Ungerechtigkeit und des Verrates.

Wo unser Wissen unklar ist, da sagen wir: Allah weiß es besser. Wir halten das Abwischen der Schuhe (bei der Waschung) für erlaubt, während der Reise sowohl als zu Hause, gemäß der Überlieferung. Die Wallfahrt und der heilige Krieg sind zwei temporäre Vorschriften, (erfüllbar) unter der Anführung von Oberhäuptern der Muslime, frommen und sündhaften, bis die Stunde gekommen ist, wo nichts sie vereitelt oder stört.

Wir glauben an die Edlen, die Schreibenden (Engel); Allah hat sie zu Hütern für uns gemacht. Wir glauben an den Engel des Todes, der damit betraut ist, die Seelen der Menschen zu ergreifen; und (wir glauben) an die Strafe des Grabes für den, der sie verdient, und an das Verhör, das Munkar und Nakir mit dem Toten in seinem Grabe halten über seinen Herrn, sein Gericht und seinen Propheten, gemäß den auf den Boten Allahs und seine Gefährten zurückgehenden Überlieferungen. Das Grab ist entweder einer der Gärten des Paradieses oder eine der Gruben der Hölle. Wir glauben an die Auferweckung und an die Vergeltung der Handlungen am Tage der Auferstehung, an die Heerschau, die Rechenschaft, das Vorlesen des Buches, die Brücke, die Wage, den Lohn und die Strafe. Das Paradies und das Feuer (der Hölle) sind erschaffen; sie werden nicht vergehen und nicht aufhören in Ewigkeit.

Allah erschuf das Paradies und die Hölle vor den Geschöpfen. Und er schuf dafür Bewohner; für das Paradies, wen er wollte — aus Gunst, und für die Hölle, wen er wollte — aus Gerechtigkeit. Jeder tut das, wozu er veranlagt ist und geht den Weg, zu dem er erschaffen ist. Das Gute und das Böse, beides sind Schicksalsbestimmungen, über die Menschen verhängt. Die zum Handeln notwendige Fähigkeit (Potenz) rührt teils von dem Beistande her, der keine Eigenschaft des Menschen bilden kann, und insofern ist sie mit dem Akte gleichzeitig, teils besteht die Potenz in der Kraft, der Befähigung und der richtigen Beschaffenheit der Werkzeuge, und insofern ist sie dem Akte vorzeitig, entsprechend den Worten Allahs (Sure II 286): »Allah belastet keinen über seine Kraft.«

Die Handlungen der Menschen sind ein Werk Allahs und (zugleich) ein Verdienst der Menschen. Er belastet sie nur damit, wozu sie fähig sind, und sie sind nur dazu fähig, womit er sie belastet. Hierin liegt die Erklärung des Wortes: »Es gibt keine Macht und keine Stärke außer mit Gott, dem Hohen, Erhabenen.« Wir sagen:

Es gibt für niemand einen Ausweg, eine Macht, Bewegung oder ein Entrinnen vor dem Ungehorsam gegen Allah, außer durch den Beistand Allahs, und niemand besitzt die Stärke, Gehorsam gegen Allah zu leisten und dabei zu verharren, außer mit Allahs Hilfe. Alles geschieht mit Willen und Wissen Allahs, durch seinen Beschluss und seine Bestimmung. Sein Wille siegt über alles Böse und sein Beschluss siegt über alle List. Allah tut, was er will und er tut niemals Unrecht. Und er beschließt, was er will, und wird nie darnach gefragt, was er tut, während sie (die Geschöpfe) gefragt werden.

Die Gebete und Almosen der Lebenden sind von Nutzen für die Verstorbenen. Allah erhört die Gebete und erfüllt die Wünsche. Er beherrscht alles und nichts beherrscht ihn. Nichts kann ihn auch nur einen Augenblick entbehren, und wer glaubt, Allah einen Augenblick entbehren zu können, der ist ein Ungläubiger, dem Verderben verfallen.

Allah ist zornig und zufrieden, (aber) nicht wie einer der Sterblichen.

Wir lieben die Gefährten des Propheten, ohne in der Liebe zu einem einzelnen von ihnen zu weit zu gehen. Wir lieben denjenigen, der sie liebt und ihnen Gutes nachsagt und wir hassen denjenigen, der sie hasst und ihnen Übles nachsagt. Wir sprechen von ihnen nur Gutes. Die Genossen (des Propheten) zu lieben, ist Pflicht und Glaube und ein gutes Werk; sie zu hassen, ist Abtrünnigkeit, Heuchelei und Unbotmäßigkeit.

Wir stellen fest, dass das Kalifat nach dem Boten Allahs zuerst Abû Bekr, dem Getreuen, zukam, als Bevorzugung vor der ganzen Gemeinde; alsdann ’Omar, dem Sohne des Chattâb, sodann ’Othmân (dem Sohn des ’Affân), endlich dem ’Alî, dem Sohne des Abû Tâlib. Sie sind die rechtmäßigen Kalifen und die rechtgeleiteten Imame. Und den zehn (Personen), die der Bote Allahs benannt hat, sprechen wir das Paradies zu, weil es der Bote (Allahs) ihnen zugesprochen hat; sie sind: Abû Bekr, ’Omar, ’Othmân, Ali, Talha, Zubair, Sa‘d,’Sa‘îd, ’Abd er-Rahmân, der Sohn des ’Auf, Abû , Obaida der Sohn des Dscharâh —, sie sind die Sicheren dieser Gemeinde. Wer nur das Beste spricht über die Gefährten des Propheten, über seine Frauen und seine Nachkommen, der ist frei von Heuchelei. Auch von den Gelehrten der Vorzeit, den Nachfolgern (der Gefährten) und, ihren Nachfolgern, den Vertretern des Guten und der Überlieferung, und den Vertretern der Gesetzeswissenschaft und Spekulation spricht man nur Schönes, und wer übel von ihnen redet, der ist auf dem Irrwege. Wir geben aber auch keinem der Freunde Gottes den Vorzug (vor den Propheten), sondern wir sagen: ein einziger Prophetist vorzüglicher als alle Freunde Gottes zusammen. Wir glauben, was von ihren Auszeichnungen (Wundergaben) berichtet und aus vertrauenswürdiger Quelle überliefert ist.

Wir glauben an das Auftreten des Antichrist und die Herabkunft Jesu, des Sohnes der Maria, vom Himmel; wir glauben an das Aufgehen der Sonne im Westen und an das Hervorkommen der (kriechenden) Tiere der Erde aus ihrem Platze. Wir glauben keinem Zauberer und keinem Wahrsager und keinem, der etwas behauptet im Gegensatz zur Offenbarung, zur Sunna oder zur übereinstimmenden Lehre der Gemeinde (Idschmâ‘).

Wir erblicken in der Gemeinschaft die Wahrheit und das Richtige und in der Spaltung einen Betrug und eine Strafe. Die Religion Allahs ist im Himmel und auf der Erde eine einzige, nämlich der Islâm; es sagt Allah (Sure III 17): »Siehe, die Religion in den Augen Allahs ist der Islâm«: und er sagt (Sure V 5): »Und ich habe euch den Islâm als Religion verliehen«: und er sagt (Sure III 79): »Und wenn jemand eine andere Religion als den Islâm sucht, so wird sie von ihm nicht angenommen werden.« Er (der Islâm) hält die Mitte zwischen der Übertreibung und der Kürzung, zwischen dem Vergleichen und dem Verwerfen, zwischen der Prädestination und der Willensfreiheit, zwischen der Zuversicht und der Verzweiflung.

Dies ist unsere Religion und unsere Überzeugung, äußerlich und innerlich. Wir sind unschuldig vor Allah an jedem, der zu unserem Bekenntnis in Widerspruch steht und wir bitten Allah, dass er uns darin befestige und bis zum Ende verharren lasse, und dass er uns beschütze vor den mannigfaltigen Leidenschaften, den auseinander gehenden Meinungen und den schlechten und verderblichen Lehrsystemen, wie der Musabbiha, der Mu‘tazila, der Gahmijja, der Gabarijja, der Kadarijja, der Râfida und anderen, die in Widerspruch traten zur Gemeinschaft und in Irrtum verfielen. Wir sind unschuldig an ihnen vor Allah und sie sind in unseren Augen Irrende, Böse
. S. 37-47
Aus: Religiöse Stimmen der Völker, herausgegeben von Walter Otto, Die Religion des Islam, Band 1, Von Mohammed bis Ghazali, Quellentexte aus dem Arabischen übersetzt von Joseph Hell. Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1923