Athenagoras von Athen (2. Jahrh.)

Griechischer Philosoph, frühchristlicher Apologet und Kirchenvater, der ein angesehener dem platonischen Schriftgut nahe stehender Lehrer an der Athener Akademie gewesen sein soll, von dem gesagt wird, dass er beim Studium der göttlichen Schriften von der Richtigkeit des Christentums überzeugt wurde.

Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon

Volltext in: Bibliothek der Kirchenväter

Athenagoras' Bittschrift für die Christen (Apologia pro Christiana)

Es ist nur ein Gott
(8) Dass also Gott, der Schöpfer dieses Alls, von Ewigkeit her nur einer ist, dafür nehmet, damit Ihr auf eine rationelle Rechtfertigung unseres Glaubens habt, folgenden Beweis entgegen. Gäbe es von Ewigkeit her zwei Götter oder mehr, so befänden sie sich entweder in einem und demselben (übergeordneten) Wesen oder jeder von ihnen wäre für sich . Nun aber könnten sie nicht in einem und demselben Wesen sein; denn wenn sie Götter sind, sind sie nicht zusammenstimmend, sondern, weil ungeworden, widersprechend, denn nur das Gewordene stimmt mit seinen Vorbildern überein; ungewordene Wesen würden einander widersprechen, da sie weder von einem andern Wesen noch im Hinblick auf andere Wesen integrierende Bestandteile einer Einheit sein, wie etwa die Hand, Auge, Fuss integrierende Bestandteile eines Organismus sind, dann wäre allerdings Gott auch wieder einer; indes so etwas ( = eine Zusammensetzung aus Teilen) ist etwa bei Sokrates der Fall; dieser ist, weil er geworden und vergänglich ist, zusammengesetzt und teilbar; Gott aber als der Ungewordene und über jede Veränderung Erhabene ist unteilbar; er besteht also überhaupt nicht aus Teilen. Und nun zur zweiten Annahme! Ist jeder der Götter für sich und ist der, welcher die Welt erschaffen hat, über den gewordenen Dingen, über dem, was er geschaffen und geordnet hat, wo soll dann der andere Gott sein oder die sonst noch übrigen? Ist nämlich die Welt als ein kugelförmiges Gebilde durch die Himmelskreise abgeschlossen und befindet sich der Schöpfer der Welt über den gewordenen Dingen, sich lediglich durch seine Fürsorge manifestierend, welches ist dann der Ort des anderen Gottes, beziehungsweise der anderen? Denn der andere befände sich weder in der Welt, da diese einem anderen Gott gehört, noch um die Welt, da über der Welt sich der Gott befindet, der die Welt geschaffen hat. Wenn er aber weder in der Welt ist noch m die Welt (denn ringsum wird alles von diesem eingenommen), wo ist er dann? Etwa über der Welt und ihrem Gott in einer anderen Welt und um eine andere? Aber wenn er in einer anderen Welt ist und um eine andere, so ist er nicht um uns (er hat dann gar keine Herrschaft über die Welt) und hat auch keine große Macht (denn er ist an einem durch Grenzen eingeschränkten Orte). Wenn er nun weder in einer anderen Welt ist (denn alles wird von jenem Gotte ausgefüllt) noch um eine andere (denn alles wird von jenem Gotte eingenommen), so ist er überhaupt nicht, da es keinen Ort gibt, wo er sein könnte. Oder was hätte er zu tun, wenn es einen andern Gott gibt, dem die Welt gehört, und er selbst zwar über dem Schöpfer der Welt ist, jedoch nicht in der Welt und um die Welt? [Oder gibt es vielleicht unter dem Seienden etwas, wo der Gewordene seinen Ort haben kann? Dann sind aber Gott und die Werke Gottes über ihm. Und welches sollte sein Ort sein, da, was über der Welt ist, dieser ausfüllt?] Kann er etwa Fürsorge fragen? Auch das kann er nicht, wenn er nicht zuvor schöpferisch tätig war. Wenn er aber nicht schafft und nicht sorgt, wenn überhaupt kein Ort übrig bleibt, an dem er sein könnte, so gibt es eben nur einen Gott, der da von Ewigkeit her existiert und allein der Schöpfer der Welt ist. S. 24ff.

(10) Dass wir also keine Atheisten sind, ist von mir hinlänglich dargetan. Denn jener eine ist unser Gott, der da ungeworden und ewig ist, unsichtbar, unwandelbar, unbegreiflich, unfassbar, nur mit Verstand und Vernunft erkennbar, von Licht und Schönheit, von Geist und Kraft in unaussprechlich hohem Grade umgeben, von dem durch sein Wort das All geschaffen und geordnet ist und regiert wird.

Indes kennen wir auch einen Sohn Gottes . Halte es ja niemand für lächerlich, dass Gott einen Sohn habe! Denn unsere Gedanken über Gott Vater und Sohn weichen gar sehr von den Mythen der Dichter ab, die die Götter nicht im mindesten besser sein lassen als die Menschen; der Sohn Gottes ist das Wort (Logos) des Vaters als vorbildlicher Gedanke und schöpferische Kraft; denn nach ihm und durch ihn ist alles gemacht; Vater und Sohn sind eins. Da der Sohn im Vater und der Vater im Sohne ist durch die Einheit und Kraft des Geistes, so ist der Sohn Gottes der Gedanke (Nus) und das Wort (Logos) des Vaters. Sollte Euch aber bei Eurer überlegenen Einsicht die Frage belieben, was der Ausdruck Sohn bedeutet, so will ich Euch in Kürze folgendes antworten: Er ist dem Vater das Erst-Erzeugte, nicht als ob er geworden wäre; denn von jeher hatte Gott als ewiger Gedanke selbst das Wort in sich, da er nie ohne das Wort ist; sondern der Sohn ist hervorgegangen, um für alles Körperliche, das anfangs noch als qualitätslose Naturmasse ohne alles Leben existierte, wobei die dichteren Teile noch mit den leichteren vermischt waren, vorbildlicher Gedanke und schöpferische Kraft zu sein. Hiermit stimmt auch der prophetische Geist (der in der Sophia = Weisheit spricht) überein: »Der Herr«, sagt er, »hat mich erzeugt im Anfang seiner Wege für seine Werke«.

Indes ist nach unserer Lehre auch der Heilige Geist, welcher sich in den Propheten wirksam erweist, ein Ausfluss Gottes, ausfließend und zurückkehrend wie ein Sonnenstrahl. Wer sollte sich da noch auskennen, wenn er Leute, die einen Gott Vater und einen Gott Sohn und einen Heiligen Geist bekennen und nachweisen, dass dieselben mächtig sind in der Einigung und verschieden in der Ordnung, als Atheisten verschreien hört? Doch bleibt der theologische Teil unserer Lehre nicht dabei stehen, sondern wir lehren auch eine Menge von Engeln und Dienern, welche Gott, der Schöpfer und Bildner der Welt, durch sein Wort verteilt und aufgestellt hat, damit sie über die Elemente und die Himmel, über die Welt, die Dinge in der Welt und deren Ordnung wachen.
S.26 ff.
Aus: Bibliothek der Kirchenväter, Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten, 1. Band, Des Athenagoras von Athen Bittschrift für die Christen, 1913 . Kempten&München Verlag der Jos. Köselschen Buchhandlung