Franz Xaver von Baader (1765 – 1841)

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Impetus philosophicus für das Weihnachtsfest
Was es für eine Geburt und Person sei, dass das unermessliche Wort, der Schöpfer aller Dinge, ein Menschenkind und von einer irdischen Jungfrau ohne Erkenntnis eines Mannes zur Welt geboren wird (somit vaterlos in der Zeit wie mutterlos in der Ewigkeit), kann uns unsere sich selber überlassene Vernunft nicht sagen, denn sie ist nur ein bleicher Glast oder Schein vom göttlichen Verstande, wie der Mond, der sich mit der Sonne und Erde spiegelt, und weder Kraft, Hitze noch Glanz gibt.

Es ist das höchste Geheimnis Gottes, und muss nur durch einen
Stern den Weisen in Morgenland und durch einen Engel den einfältigen Viehhirten auf dem Felde in der Nacht angekündigt werden (denn nur den wahrhaft Weisen und der wahren Einfalt offenbart sich das Göttliche), dass es der Heiland aller Welt sei; sonst erfährt‘s niemand, wer er ist, bis er zum männlichen Alter kommt, und das Geheimnis der 30 Jahre erreicht. Alsdann muss die Welt das Licht erkennen durch die Macht seines Wortes und gewaltige Taten. Wenn die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Sprachlosen reden, die Kranken genesen, die Teufel vom Menschen fliehen und in die Säue fahren, die Toten auferstehen und was desgleichen unzählig mehr.

Was zanken doch unsere großen Chaldäer, Sternseher, Wahrsager und Zeichendeuter um diesen göttlichen Friedensfürsten, den sie doch nicht haben. Er ist zu Bethlehem und nicht zu Babel; im Leibe der irdischen Maria und zugleich im
Centro der Dreizahl, da sein ewiger Sitz ist, dann auch im zerknirschten demütigen Geist und zerbrochenen Herzen, nicht aber in ihrem Gehirn, Büchern und hohen Schulen.

Denn dreifach ist die Geburt dieses Wortes, die eine die ewige im Vater, die andere die im Leib Mariä, die dritte in jeder zu Gott sich rein und lauter kehrenden Seele, denn was sich in dir bekennt, das gebiert sich in dir, und soll der Schöpfer sich in dir lauter und frei bekennen und gebären, so soll dieses kein Geschöpf in dir tun. Nach einem alten Brauch feiert auch die Kirche diese dreifache Geburt durch die drei Messen am Weihnachtstage
. (S.128-129)
Aus: Franz von Baader: Sätze aus der erotischen Philosophie und andere Schriften, Herausgegeben von Gerd-Klaus Kaltenbrunner Sammlung Insel si 19