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Jakob Böhme (1575 – 1624)

Deutscher Mystiker und Philosoph, auch »Philosophus teutonicus« genannt. Böhme war gelernter Schuster. Von sich selbst sagte er, dass er ein »einfältiger Mann« und »dazu ein armer Sünder« sei, dem der »Himmel« in seinem »Geiste offenbaret« wurde, so »daß ich im Geist erkenne die Werke und Geschöpfe Gottes«. Das Problem jeder mystischen Vision liegt in der mehr oder weniger objektiven Interpretation durch die subjektive menschliche Person, die natürlich in großem Maße von dem angeeigneten Vorwissen abhängt. Beeinflusst von der deutschen Mystik (über Valentin Weigel), dem Neuplatonismus (über Paracelsus) suchte er die während seiner geistigen Schau empfangenen Eindrücke als den »innersten Grund« unseres Seins symbolisch zu interpretieren und in einer wortstarken, bildreichen Sprache gleichzeitig biblisch zu hinterlegen. Sein - möglicherweise gnostisch inspirierter - Urgrund aller Dinge, der für Böhme zugleich Nichts und Alles ist und den er »Ungrund« nennt, ist für ihn Gott, die einige, durch nichts unterschiedene ewige Stille, nicht einmal sich selbst offenbar. Aus der in ihm gegebenen Gegensätzlichkeit von Gut und Böse erzeugt sich »Gott aus Gott« in Form einer Drei-Personen-Einheit (»Dreiheit der Gottheit«) selbst. Ähnlich kann sich auch das Gute im Menschen nur auf dem Grund des Bösen zu zeigen. — Die tiefsinnigen Gedanken dieses ersten ausschließlich in der deutschen Sprache schreibenden Laienphilosophen und begnadeten Mystikers sind von Johann Georg Hamann, Friedrich Wilhem Joseph von Schelling, Novalis, Georg Wilhem Friedrich Hegel und von Franz Xaver von Baader, auch von Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew aufgenommen worden. Jakob Böhmes »ungründlicher Wille« und Arthur Schopenhauers »blinder Wille« weisen durchaus bemerkenswerte Ähnlichkeiten auf.

Siehe auch Wikipedia , Heiligenlexikon und Kirchenlexikon

Inhaltsverzeichnis

Der Wille des Ungrundes
Die wallende Kraft des ungründlichen Willens
Das Geheimnis der Dreiheit (Trinität)
Die Personalität der Dreiheit (Trinität)
Kräfteverhältnis und Funktionen der drei Personen innerhalb der Dreiheit
Gott ist nichts als barmherzige, freundliche Liebe und Klarheit
Die sieben Quellgeister
Die Kreis-Geburt der Gottheit in der höchsten Tiefe
Mysterium Pansophicum
Christus
Von Gott dem Vater
Von der Substanz und Eigenschaft des Vaters
Von Gott dem Sohne
Von Gott dem Hl. Geist
Von der Geburt Jesu Christi
Die allerliebreichste Pforte
Von der reinen Jungfrauschaft
Christosophia
Luzifers Fall

 

Der unanfängliche, ungründliche, unfassliche, unnatürliche, unkreatürliche Wille des Ungrundes
3. ... man kann nicht von Gott sagen, dass er dies oder das sei, böse oder gut, dass er in sich selber Unterschiede habe. Denn er ist in sich selber naturlos, sowohl affekt- und kreaturlos. Er hat keine Neiglichkeit zu etwas, denn es ist nichts vor ihm, dazu er sich könnte neigen, weder Böses noch Gutes. Er ist in sich selber der Ungrund, ohne einigen Willen gegen der Natur und Kreatur, als ein ewig Nichts. Es ist keine Qual [Qualität] in ihm, noch etwas, das sich zu ihm oder von ihm könnte neigen. Er ist das einige Wesen und nichts ist vor ihm oder nach ihm, daran oder darinnen er ihm [sich] könnte einen Willen schöpfen oder fassen. Er hat auch nichts, das ihn gebäret oder giebet. Er ist das Nichts und das Alles, und ist ein einiger Wille, in dem die Welt und die ganze Kreation lieget. In ihm ist alles gleich-ewig ohne Anfang, in gleichem Gewichte, Maß und Ziel. Er ist weder Licht noch Finsternis, weder Liebe noch Zorn, sondern das ewige Eine. Darum sagt Moses: Der Herr ist ein einiger Gott (Deut. 6,4).

4. Derselbe ungründliche, unfa
ssliche, unnatürliche und unkreatürliche Wille, welcher nur einer ist, und nichts vor ihm noch hinter ihm hat, welcher in sich selber nur eines ist, welcher als ein Nichts und doch alles ist. Der ist und heißet der einige Gott, welcher sich in sich selber fasset und findet und Gott aus Gott gebieret.

5. Als nämlich: Der erste unanfängliche einige Wille, welcher weder böse noch gut ist, gebieret in sich das einige ewige Gute als einen fasslichen Willen, welcher des ungründlichen Willens Sohn ist, und doch in dem unanfänglichen Willen gleich-ewig; und derselbe andere Wille ist des ersten Willens ewige Empfindlichkeit und Findlichkeit, da sich das Nichts in sich selber zu
Etwas findet. Und das Unfindliche, als der ungründliche Wille, gehet durch sein ewig Gefundenes aus und führet sich in eine ewige Beschaulichkeit seiner selber.

Das Geheimnis der Dreiheit (Trinität)
6. Also:
(1) heißet der ungründliche Wille ewiger Vater;

(2) und der gefundene, gefassete, geborne Wille des Ungrundes heißet Ens [Sein, Wesen], darinnen sich der Ungrund im Grund fasset.

(3) Und der Ausgang des ungründlichen Willens, durch den gefasseten Sohn oder Ens heißet Geist, denn er führet das gefaßte Ens aus sich aus in ein Weben oder Leben des Willens, als ein Leben des Vaters und des Sohnes.

(4) Und das Ausgegangene ist die Lust als das Gefundene des ewigen Nichts, da sich der Vater, Sohn und Geist innen siehet und findet, und heißet Gottes Weisheit oder Beschaulichkeit.

7. Dieses dreifaltige Wesen in seiner Geburt, in seiner Selbst-Beschaulichkeit der Weisheit, ist von Ewigkeit je gewesen und besitzt in sich selber keinen andern Grund noch Stätte als nur sich selber. Es ist ein einig Leben und ein einiger Wille ohne Begierde, und ist weder Dickes noch Dünnes, weder hoch noch tief; es ist kein Raum, Zeit noch Stätte, besitzet auch in sich weder Dickes noch Dünnes, weder Höhe noch Tiefe noch Raum oder Zeit, sondern ist durch alles in allem, und dem allem doch als ein unfaßlich Nichts.

8. Gleich wie der Sonnen Glanz in der ganzen Welt, in allem und durch alles wirket, und dasselbe All kann doch der Sonnen nichts nehmen, sondern muß sie leiden und mit der Sonnen Kraft wirken, auf solche Weise wird Gott betrachtet, was er außer der Natur und Kreatur in sich selber, in einem selbstfaßlichen Chaos außer Grund Zeit und Stätte sei, da sich das ewige Nichts in ein Auge oder ewig Sehen fasset zu seiner Selbst-Beschaulichkeit, Empfindlichkeit und Findlichkeit, da man nicht sagen kann, Gott hat zwei Willen, als einen zum Bösen und den andern zum Guten.

9. Denn in der unnatürlichen, unkreatürlichen Gottheit ist nichts mehr als ein einiger Wille, welcher auch der einige Gott heißt. Der will auch in sich selber nichts mehr als nur sich selber finden und fassen und aus sich selber ausgehen und sich mit dem Ausgehen in eine Beschaulichkeit einführen, darinnen man die Dreiheit der Gottheit samt dem Spiegel seiner Weisheit als dem Auge seines Sehens, verstehet: darinnen alle Kräfte, Farben, Wunder und Wesen in der ewigen einigen Weisheit, in gleichem Gewichte und Maß ohne Eigenschaften verstanden werden als ein einiger Grund des Wesens aller Wesen; eine in sich selber gefundene Lust oder Begierde zum Etwas, eine Lust zur Offenbarung oder Findung der Eigenschaften, welche göttliche Lust oder Weisheit in sich selber, im ersten Grunde doch ganz ohne Eigenschaften, ist. Denn wären Eigenschaften, so müßte auch etwas sein, das die Eigenschaften gäbe und verursachte. Nun aber ist keine Ursache zu den göttlichen Kräften und zu der göttlichen Lust oder Weisheit, als nur bloß der einige Wille, nämlich der einige Gott, welcher sich in eine Dreiheit selber einführet als in eine Faßlichkeit seiner selber. Welche Faßlichkeit das Zentrum als das ewige gefaßte Eine ist. Und wird das Herze der Sitz des ewigen Willens Gottes geheißen, da sich der Ungrund in einem Grunde besitzet, welches die einige Stätte Gottes ist, und doch in keiner Teiligkeit oder Schiedlichkeit, denn es ist nichts davor, damit es möchte gegleichet werden.

10. Dieses Herze oder Zentrum des Ungrundes ist das ewige Gemüte, als des Wollens, und hat doch nichts vor ihm, das es wollen kann als nur den einigen Willen, der sich in dieses Zentrum einfasset. So hat auch der erste Wille zum Centro auch nichts, das er wollen könnte, als nur diese einige Stätte seiner Selbst-Findlichkeit. Also ist der erste Wille der Vater seines Herzens oder der Stätte seines Findens, und ein Besitzer des Gefundenen als seines eingebornen Willens oder Sohnes.

11. Der ungründliche Wille, welcher der Vater und alles Wesens ein Anfang ist, gebieret in sich selber zu einer Stätte der Faßlichkeit; oder besitzet die Stätte, und die Stätte ist der Grund und Anfang aller Wesen und besitzet hinwieder den ungründlichen Willen, der der Vater des Anfangs zum Grund ist.

Die wallende Kraft des ungründlichen Willens
12. Also ist der Vater und sein Sohn als die Stätte zu einer Selbheit ein einiger Vater eines einigen Willens; welcher einige Wille, in der gefasseten Stätte des Grundes, aus sich selber aus der Fassung ausgehet, allda er mit seinem Ausgehen ein Geist genannt wird, und scheidet sich der einige Wille des Ungrundes mit der ersten, ewigen, unanfänglichen Fassung in dreierlei Wirkung, und bleibet doch nur ein Wille. Als der erste Wille, so Vater heißet, der wirket in sich den Sohn als die Stätte der Gottheit. Und die Stätte der Gottheit, welche des Vaters Sohn ist, wirket in sich in der Findlichkeit als die Kraft der Weisheit; welche Kräfte alle in dem Sohne urständen, und sind allhie alle Kräfte doch nur eine einige Kraft, und die ist die empfindliche, findliche Gottheit in sich selber, in einem einigen Willen und Wesen, in keiner Unterschiedlichkeit.

13. Diese gefundenen, gebornen und gewirkten Kräfte als das Zentrum aller Wesen Anfänge hauchet der erste Wille, welcher Vater heißet, in der Empfindlichkeit seiner selber aus der einigen Kraft, welche sein Sitz oder Sohn ist, aus sich aus, auf Art gleichwie der Sonnen Strahlen aus dem magischen Feuer der Sonnen aus sich ausschießen und der Sonnen Kraft offenbaren. Also ist derselbe Ausgang ein Strahl der Kraft Gottes als ein bewegend Leben der Gottheit, das sich der ungründliche Wille hat in einen Grund eingeführet als in eine wallende Kraft. Dieselbe haucht der Wille zur Kraft aus der Kraft aus, und der Ausgang heißet der Geist Gottes und machet die dritte Wirkung als ein Leben oder Weben in der Kraft.

14. Die vierte Wirkung geschiehet nun in der ausgehauchten Kraft als in der göttlichen Beschaulichkeit oder Weisheit, da der Geist Gottes, welcher aus der Kraft urständet, mit den ausgehaucheten Kräften als mit einer einigen Kraft mit sich selber spielet, da er sich in der Kraft in Formungen in der göttlichen Lust einführet, gleich als wollte er ein Bilde diese: Gebärung der Dreiheit in einen besondern Willen und Leben einführen als eine Fürmodelung [Ausgestaltung] der einigen Dreiheit. Und dasselbe eingemodelte Bild ist die Lust der göttlichen Beschaulichkeit. Und da man doch nicht soll ein faßlich kreatürlich Bild einer Umschriebenheit verstehen, sondern die götzliche Imagination als den ersten Grund der Magiae, daraus die Kreation ihren Anfang und Urstand genommen hat. S.45-51
Aus: Jakob Böhme: Von der Gnadenwahl, Herausgegeben von Gerhard Wehr insel taschenbuch it 1783

Die Personalität der Dreiheit (Trinität)
32. Wenn man nun redet oder schreibet von drei Personen in der Gottheit, so darfst du nicht denken, daß darum drei Götter sind, da ein jeder für sich herrschet und regieret gleich den irdischen Königen auf Erden. Nein, eine solche Substanz und Wesen hat es nicht in Gott; denn das göttliche Wesen stehet in Kraft und nicht im Leibe oder Fleische.

33. Der Vater ist die ganze göttliche Kraft, daraus alle Kreaturen worden sind, und ist von Ewigkeit immer gewesen. Er hat keinen Anfang noch Ende. Der Sohn ist in dem Vater des Vaters Herze oder Licht, und der Vater gebäret den Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit immerdar, und des Sohns Kraft und Glanz leuchtet wieder in dem ganzen Vater, gleichwie die Sonne in der ganzen Welt.

34. Und ist der Sohn eine andere Person als der Vater, aber nicht außer dem Vater, und auch kein ander(er) Gott als der Vater. Seine Kraft, Glanz und Allmacht ist nichts kleiner als der ganze Vater.

35. Der Heilige Geist gehet vom Vater und Sohne aus und ist die dritte selbständige Person in der Gottheit. Gleichwie die Elementa in dieser Welt von der Sonne und Sternen ausgehen und sind der bewegliche Geist in allen Dingen in dieser Welt, also auch ist der Heilige Geist der bewegliche Geist in dem ganzen Vater und gehet von Ewigkeit zu Ewigkeit immer von dem Vater und Sohne aus und erfüllet den ganzen Vater. Er ist nichts kleiner oder größer als der Vater und Sohn. Seine webende Kraft ist in dem ganzen Vater.

36. Alles Ding in dieser Welt ist nach dem Gleichnis dieser Dreiheit worden. S.104-105
Aus: Jakob Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang, Herausgegeben von Gerhard Wehr insel taschenbuch it 1411


Das Kräfteverhältnis und die Funktionen der drei Personen innerhalb der Dreiheit
25. Merke: Des Vaters Kraft ist alles in und über allen Himmeln. Und dieselbe Kraft gebäret allenthalben das Licht. Nun ist und heißt dieselbe Alle-Kraft der Vater. Und das Licht, das aus derselben Alle-Kraft geboren wird, das ist und heißt der Sohn.

26. Es heißt aber darum der Sohn, daß es aus dem Vater geboren wird, daß es des Vaters Herze in seinen Kräften ist. Und wenn es nun geboren ist, so ist es eine andere Person als der Vater, denn der Vater ist die Kraft und das Reich, und der Sohn ist das Licht und der Glanz in dem Vater. Und der Hl. Geist ist das Wallen oder der Ausgang aus den Kräften des Vaters und des Sohnes und formieret und bildet alles.

27. Gleichwie die Luft aus der Sonnen und Sternen Kräften ausgehet und wallet in dieser Welt und macht, daß sich alle Kreaturen gebären und Gras, Kraut und Bäume aufgehen und alles, was in dieser Welt ist, also auch gehet der Hl. Geist aus dem Vater und Sohne aus und wallet, formieret und bildet alles in dem ganzen Gott. Alle Gewächse und Formen in dem Vater gehen auf in den Willen des Hl. Geistes. Darum ist ein einiger Gott und drei unterschiedliche Personen in einem göttlichen Wesen.

28. Wenn man nun wollte sagen, der Sohn Gottes wäre ein Bild, das abmeßlich wäre wie die Sonne, so wären allein an dem Orte drei Personen, wo der Sohn wäre, und außerhalb wäre nur sein Glanz, der von dem Sohne ausginge, und wäre der Vater außerhalb dem Sohne nur einig. So würde die Kraft des Vaters, die weit und ferne von dem Sohne wäre, außer den Engels-Porten keinen Sohn und Hl. Geist gebären, und wäre ein unallmächtig Wesen außer diesem Loco des Sohne. Dazu so müßte der Vater auch ein abmeßlich Wesen sein.

29. Aber also ist es nicht, sondern der Vater gebäret allenthalben aus allen seinen Kräften den Sohn. Und der HI. Geist gehet allenthalben vom Vater und Sohne aus, und ist ein einiger Gott in einem Wesen mit drei unterschiedlichen Personen. Dessen hast du ein Gleichnis an einem köstlichen Goldsteine, der ungeschieden ist: Erstlich ist die Materia, das ist der Salniter und Marcurius. Das ist die Mutter oder der ganze Stein, die gebäret allenthalben in dem ganzen Steine das Gold. Und in dem Golde ist die herrliche Kraft des Steines.

30. Nun der Salnitter und Marcurius bedeuten den Vater; das Gold bedeut den Sohn, die Kraft den Hl. Geist. Auf eine solche Weise ist auch die Dreiheit in der Hl. Dreifaltigkeit, allein daß sich darinnen alles beweget und ausgehet.

31. Man findet auch in einem Goldsteine etwan an einem Orte einen Punkt, da mehr und schöner Gold innen ist als in dem andern, unangesehen daß doch in dem ganzen Steine Gold ist. Also auch ist dem Vater ein lieber, schöner, holdseliger Ort, da sein Sohn und Herze am allerliebreichsten geboren wird und da der Hl. Geist am allerliebreichsten vom Vater und Sohne ausgehet.

32. Also hast du den rechten Grund dieser Geheimnis, und darfst nicht denken, daß der Sohn Gottes sei auf einmal zu einer gewissen Zeit aus dem Vater geboren, der einen Anfang habe und stehe nun da als ein König und lasse sich anbeten.

33. Nein, das wäre nicht ein ewiger Sohn, sondern er hätte einen Anfang und wäre unter dem Vater, der ihn geboren hätte. Er könnte auch nicht allwissend sein, denn er wüßte nicht, wie es gewesen wäre, ehe ihn der Vater geboren hätte, sondern der Sohn wird von Ewigkeit zu Ewigkeit immer geboren und leuchtet von Ewigkeit zu Ewigkeit immer wieder in des Vaters Kräfte(n), davon des Vaters Kräfte von Ewigkeit zu Ewigkeit immer des Sohnes schwanger sind und den immer gebären.

34. Daraus entstehet der Hl. Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit immerdar, und gehet von Ewigkeit zu Ewigkeit immer vom Vater und Sohne aus, und hat auch keinen Anfang noch Ende.

33. Und dies Wesen ist nicht an einem Orte des Vaters allein also, sondern überall in dem ganzen Vater, der weder Anfang noch Ende hat, dahin keine Kreatur sinnen noch denken kann. Amen.
Aus: Jakob Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang, (S.142-144) Herausgegeben von Gerhard Wehr insel taschenbuch it 1411

Gott ist nichts als barmherzige, freundliche Liebe und Klarheit.
99. O Grimmigkeit und Herbigkeit, du bist Ursache! O grimmiger Teufel, was hast du doch getan, der du dich und alle deine schönen Engel in die Finsternis versenket hast! Ach und immer ach! War doch die holdselige schöne Liebe auch in dir, o du hochmütiger Teufel! Warum ließest du dir nicht genügen? Warest du doch ein Cherub und war im Himmel nichts schöner als du, was suchtest du doch? Wolltest du der ganze Gott sein? Wußtest du doch wohl, daß du eine Kreatur warest und hast nicht die Wurfschaufel in deiner Hand.

100. ... O du verfluchter stinkender Teufel, wie hast du uns verderbet! Was willst du dich doch ausreden oder was wirfst du mir vor? Du sagest, wenn dein Fall nicht wäre geschehen, so wäre der Mensch nie erdacht worden. O du Lügenteufel, ob das gleich wahr ist, so wäre der Salitter, daraus der Mensch gemacht ist, der auch von Ewigkeit ist, so wohl als der, daraus du gemacht bist in ewiger Freude und Klarheit gestanden, und wäre gleichwohl in Gott aufgestiegen und hätte in den sieben Geistern Gottes die holdselige Liebe gekostet und der himmlischen Freuden genossen.

101. O du Lügenteufel, warte noch ein wenig. Der Geist wird dir deine Schande aufdecken. Verzeuch [»warte«] noch eine kleine Weile, so wirst du ausgepranget haben. Warte, der Bogen ist schon gerichtet. Trifft dich der Pfeil, wo wirst du hinfallen? Der Locus [»Ort (des Gerichts)«] ist schon bereitet. Er soll nur noch angezündet werden. Trage nur tapfer Holz zu, daß du nicht erfrierest, du wirst wohl schwitzen. Meinest du, du wolltest das Licht wieder kriegen. Ja, »nobis infernum« [»uns ist die Hölle«]. Reuch deine süße Liebe. Rat, Fritz, wie heißet sie? Gehenna [»Hölle, Totenreich«], das wird dich ewig lieben.

102. Ach wehe, du armer verblendeter Mensch, warum lässest du dir den Teufel dein Leib und Seele so finster und blind machen? O zeitlich Gut und Wollust dieses Lebens, du blinde Hure, warum buhlest du mit dem Teufel?

103. O Sicherheit, der Teufel wartet deiner! O Hochmut, du bist höllisch Feuer! O Schönheit, du bist ein finster Tal! O Gewalt, du bist ein Wüten und Reißen des höllischen Feuers! O eigene Rache, du bist der grimmige Zorn Gottes!

104. O Mensch, warum will dir die Welt zu enge werden? Du willst sie allein haben, und hättest du sie, so hättest du noch nicht Raum. Auch das ist des Teufels Hochmut, der aus dem Himmel in die Hölle fiel. Ach Mensch, o Mensch, warum tanzest du doch mit dem Teufel, der dein Feind ist? Hast du nicht Sorge, er wird dich in die Hölle stoßen? Wie gehest du so sicher? Hast du doch nur ein schmales Steglein, darauf du tanzest, unter dem Stege ist die Hölle. Siehst du nicht, wie hoch und gefährlich du gehest? Du tanzest zwischen Himmel und Hölle!

105. O du blinder Mensch, wie spottet der Teufel deiner! Ach, warum betrübst du den Himmel? Meinest du, du wirst nicht genug haben in dieser Welt? O blinder Mensch, ist doch Himmel und Erde dein, dazu Gott selber. Was bringest du in diese Welt oder was nimmst du mit? Ein Engelskleid bringest du in diese Welt und machest in deinem bösen Leben eine Teufelslarve daraus.

106. O du armer Mensch, kehre um! Der himmlische Vater hat beide Arme ausgestreckt und ruft dir. Komm nur, er will dich in seine Liebe fassen, bist du doch sein Kind! Er hat dich lieb. So er dir feind wäre, so müßte er mit sich selbst uneins sein. O nein, das ist nicht; in Gott ist nichts als barmherzige, freundliche Liebe und Klarheit.
Aus: Jakob Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang, (S.170-172)
Herausgegeben von Gerhard Wehr
insel taschenbuch it 1411

Die sieben Quellgeister
1. Der siebente Geist Gottes in der göttlichen Kraft ist der Corpus, der aus den andern sechs Geistern geboren wird, darinnen alle himmlischen Figuren bestehen und darinnen sich alles bildet und formet, und darinnen alle Schönheit und Freude aufgehet. Das ist der rechte Geist der Natur, ja die Natur selber, darinnen die Begreiflichkeit stehet und darinnen alle Kreaturen formieret sind im Himmel und auf Erden. Ja, der Himmel selber ist darinnen formieret, und alle Natürlichkeit in dem ganzen Gott stehet in diesem Geiste. So dieser Geist nicht wäre, so wäre auch kein Engel noch Mensch, und wäre Gott ein unerforschliches Wesen, welches nur in unerforschlicher Kraft bestünde.

2. Nun fragt sichs: Wie ist diese Gestalt? Bist du nun ein vernünftiger Marcurius-Geist [»der den geistigen Ton vernimmt«] , der durch alle sieben Geister Gottes dringet, und die approbieret [»gutheißt«] , und schauet, wie sie sind, so wirst du bei Erklärung dieses siebten Geistes die Wirkung und das Wesen der ganzen Gottheit verstehen und im Sinne begreifen.

3. Verstehest du aber bei diesem Geiste nichts, so laß dies Buch zufrieden und richte weder vom Kalten noch Warmen darinnen, denn du bist im Saturno [»Geist der Trägheit«] zu sehr gefangen und bist kein Philosophus in dieser Welt. Laß nur dein Richten bleiben oder du wirst bösen Lohn empfangen, davor ich dich treulich will gewarnet haben. Warte bis in jenes Leben, so wird dir die Himmelspforte aufgetan werden, dann wirst du es auch verstehen.

4. Nun merke die Tiefe: Allhie muß ich den ganzen göttlichen Corpus erklären, wie die Natur wird. Da wirst du den höchsten Grund sehen, wie alle sieben Geister Gottes immer einer den andern gebäret, und wie die Gottheit keinen Anfang noch Ende hat. Darum siehe deines Geistes Lust und die ewige, göttliche Freudenreich, die himmlische Wonne und körperlichen Freuden, die in Ewigkeit kein Ende hat.

5. Nun merke: Wenn der Blitz im Centro aufgehet, so stehet die göttliche Geburt in voller Wirkung. In Gott ist es immer und ewig also, aber in uns armen Fleischeskindern nicht. In diesem Leben währet die triumphierende göttliche Geburt in uns Menschen nur solange, als der Blitz währet. Darum ist unsere Erkenntnis stückweise, in Gott aber stehet der Blitz unveränderlich immer und ewig also.

6. Siehe, es werden alle sieben Geister Gottes zugleich geboren. Keiner ist der erste und keiner ist der letzte. Aber man muß auf den Kern sehen, wie die göttliche Geburt aufgehet, sonst verstehet mans nicht, denn alle sieben ineinander zugleich können die Kreaturen nicht begreifen, sondern sie schauens an. Wenn aber ein Geist geregt wird, so reget er die andern alle, so stehet die Geburt in voller Kraft. Darum hats im Menschen einen Anfang, und in Gott keinen. Darum muß ichs auch nur auf kreatürliche Weise schreiben, sonst verstehest du nichts.

7. Siehe, alle sieben Quellgeister wären außer dem Blitz ein finster Tal. Wenn aber der Blitz zwischen der herben und bittern Qualität in der Hitze aufgehet, so wird er im süßen Wasser scheinend und in der Hitze Flammen bitter und triumphierend und lebendig, und in der herben körperlich, trocken und helle.

8. Nun bewegen sich alle diese vier Geister in dem Blitze, denn sie werden alle vier darinnen lebendig. Nun steiget diese 4. Kraft in dem Blitze auf, als wie das Leben aufginge. Und die aufgestiegene Kraft in dem Blitze ist die Liebe, das ist der fünfte Geist. Dieselbe Kraft wallet so lieblich in dem Blitze, als wenn ein toter Geist lebendig würde und würde urplötzlich in große Klarheit gesetzet.

9. Nun in diesem Wallen reget eine Kraft die andere. Erstlich pocht die Herbe, und die Hitze macht in dem Pochen einen hellen Klang, und die bittere Kraft zerteilet den Klang, und das Wasser macht ihn sanft. Das ist der sechste Geist.

10. Nun gehet der Ton in allen fünf Geistern auf gleich einer lieblichen Musica, und bleibet bestehen, denn die herbe Qualität vertrocknet ihn. Nun ist in demselben ausgegangenen Schalle, der nun trocken besteht, aller sechs Quellgeister Kraft und ist gleich wie der Same der andern sechs Geister, den sie allda zusammenkorporieret haben und einen Geist daraus gemacht. Der hat aller Geister Qualität, und das ist der siebente Geist Gottes in der göttlichen Kraft.

11. Nun dieser Geist besteht in seiner Farbe gleich dem Himmelblau, denn er ist aus allen sechs Geistern geboren. Wenn nun der Blitz, der inmitten in der Hitze bestehet, in die andern Geister leuchtet, daß sie im Blitze aufsteigen und den siebenten Geist gebären, so steiget auch der Blitz in der Geburt der sechs Geister mit auf in den siebenten.

12. Weil aber der siebente keine sonderliche Qualität in sich hat, so kann der Blitz in dem siebten nicht heller werden, sondern er fänget von dem siebenten das körperliche Wesen aller sieben Geister, und der Blitz stehet inmitten zwischen diesen sieben Geistern und wird von allen sieben geboren.

13. Und die sieben Geister sind des Lichtes Vater, und das Licht ist ihr Sohn, den sie von Ewigkeit zu Ewigkeit immer also gebären. Und das Licht erleuchtet und macht immer und ewig die sieben Geister lebendig und freudenreich. Denn sie sehen alle ihr Aufsteigen und Leben in Kraft des Lichtes. Hingegen gebären sie alle das Licht und sind alle zugleich des Lichtes Vater. Und das Licht gebäret keinen Geist, sondern macht sie alle lebendig und freudenreich, daß sie immer in der Geburt stehen.

14. Siehe, ich will dirs noch einmal zeigen, ob du es vielleicht begreifen möchtest, damit diese hohe Arbeit nicht vergebens geschehe, ohne Nutz.

15. Die herbe Qualität ist der erste Geist, die zeucht zusammen und macht alles trocken. Die süße Qualität ist der andere Geist, die sänftiget es. Nun ist der dritte Geist der bittere Geist, der entsteht aus dem vierten und ersten. Wenn sich nun der dritte Geist mit seiner Wüterei in dem herben reibet, so zündet er das Feuer an, so gehet die Grimmigkeit in dem Feuer auf in der herben. In derselben Grimmigkeit wird der bittere Geist selbständig, und in der süßen wird er sanft, und in der harten körperlich. Nun bestehet er und auch der vierte.

16. Nun gehet der Blitz in Kraft dieser vier auf in der Hitze und steiget im süßen Quellwasser auf, und die bittere macht ihn triumphierend, und die herbe macht ihn scheinend und trocken und körperlich, und die süße macht ihn sanft und nimmt seinen ersten Schein in der süßen. Nun da besteht der Blitz oder das Licht in der Mitten als ein Herze. Wenn nun dasselbe Licht, das in der Mitten steht, in die vier Geister scheinet, so steigen der vier Geister Kräfte im Licht auf und werden lebendig und lieben das Licht, das ist: sie fassens in sich und sind des schwanger. Und derselbe ingefaßte Geist ist die Liebe des Lebens; das ist der fünfte Geist.

17. Nun wenn sie die Liebe in sich gefasset haben, so qualifizieren sie vor großer Freude. Denn es siehet einer den andern im Licht, und reget einer den andern. Alsdann gehet auf der Ton: der harte Geist pochet, der süße macht das Pochen sanft, der bittere zerscheidet es nach jeder Qualität Art, der vierte macht den Klang, der fünfte macht die Freudenreich, und dies zusammenkorporierte Tönen ist der Ton oder der sechste Geist. In diesem Tönen gehet auf aller sechs Geister Kraft. Und wird ein begreiflicher Corpus nach englischer Art zu reden, und besteht in Kraft der andern sechs Geister und in dem Licht. Und das ist der Corpus der Natur, darinnen alle himmlischen Kreaturen und Figuren und Gewächse gebildet werden.

19. Die heilige Porten: Das Licht aber, das inmitten in allen sieben Geistern bestehet und darinnen aller sieben Geister Leben stehet und dadurch sie alle sieben triumphieren und freudenreich werden, darinnen die himmlische Freudenreich aufgehet, das alle sieben Geister gebären und das aller sieben Geister Sohn ist, und die sieben Geister sind sein Vater, die das Licht gebären. Und das Licht gebäret ihnen das Leben, und das Licht ist der sieben Geister Herze. Und dieses Licht ist der wahrhaftige Sohn Gottes, den wir Christen anbeten und ehren als die andere Person in der hl. Dreifaltigkeit.

20. Und die sieben Geister Gottes sind alle zusammen Gott der Vater, denn es ist kein Geist außer dem andern, sondern sie gebären alle sieben einer den andern. So einer nicht wäre, so wäre der andere auch nicht. Das Licht aber ist eine andere Person, denn es wird aus den sieben Geistern immer geboren, und die sieben Geister steigen immer aus dem Lichte auf, und die Kräfte dieser sieben Geister gehen immer im Glanze des Lichtes aus den sieben Naturgeist und formen und bilden alles in dem siebenten Geiste, und dieser Ausgang im Licht ist der Heilige Geist.

21. Der Blitz oder der Stock oder Herze, das in den Kräften geboren wird, der bleibet inmitten stehen, und das ist der Sohn. Und der Glanz in aller Kraft gehet vom Vater und Sohne aus in alle Kräfte des Vaters und formet und bildet in dem siebenten Naturgeiste alles nach der Kraft und Wirkung der sieben Geister und nach ihrem Unterschied und Trieb. Und das ist der wahrhaftige Heilige Geist, den wir Christen für die dritte Person in der Gottheit ehren und anbeten.

22. Also siehest du blinder Jude, Türke und Heide, daß drei Personen in der Gottheit sind, du kannst es nicht leugnen, denn du lebest und bist in den drei Personen und hast dein Leben von ihnen und in ihnen. Und du wirst am Jüngsten Tage von den Toten in Kraft dieser drei Personen aufstehen und ewig leben.

23. Wirst du nun im Gesetze der Natur heilig und wohl in dieser Welt gelebet haben und wirst den heiligen Blitz, der da ist der Sohn, der dich lehret das Gesetze der Natur in deinen sieben Quellgeistern nicht verlöschet haben durch grimme Erhebung, welche läufet wider die Wissenschaft der Natur, so wirst du mit allen Christen in ewiger Freude leben.
Aus: Jakob Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang, (S.202-207)
Herausgegeben von Gerhard Wehr
insel taschenbuch it 1411

Die Kreis-Geburt der Gottheit in der höchsten Tiefe
71. So ich dir aber die Gottheit in ihrer Geburt soll in einem kurzen runden Zirkel recht in der höchsten Tiefe beschreiben, so ist sie also: Gleich als wenn ein Rad vor dir stünde mit sieben Rädern, da je eines in das andere gemacht wäre, also daß es auf Erden gehen könnte, vor sich und hinter sich und quericht und dürfte keiner Umwendung. Und so es ginge, daß immer ein Rad in seiner Umwendung das ander gebäre und doch keines verginge, sondern alle sieben sichtlich wären. Und die sieben Räder gebären immer die Naben inmitten nach ihrer Umwendung, daß also die Nabe frei ohne Veränderung immer bestünde. Die Räder gingen gleich vor sich oder hinter sich oder quericht oder über sich oder unter sich. Und die Nabe gebäre immer die Speichen, daß sie in dem Umwenden überall recht wären, und doch auch keine Speiche verginge, sondern sich immer also miteinander umdrehete, und ginge, wohin es der Wind drehete, und dürfte keiner Umwendung.

72. Nun merke, was ich dich bescheide: Die sieben Räder sind die sieben Geister Gottes. Die gebären sich immer einer den andern, und ist wie man ein Rad umwendet, da sieben Räder ineinander wären und eines drehete sich immer anders als das ander in seinem Innestehen, und wären die sieben Räder ineinandergefelget wie eine runde Kugel. Da man doch gleichwohl alle sieben Räder, eines jeden Umgang insonderheit sähe, sowohl auch seine ganze Geschicklichkeit mit seinen Felgen und Speichen und mit seiner Naben. Und die sieben Naben inmitten wären wie eine Nabe, die sich im Umwenden überall hinschickte, und die Räder gebären immer dieselben Naben, und die Nabe gebäret immer in allen sieben Rädern die Speichen, und verginge doch auch kein Rad, sowohl auch keine Nabe und auch keine Felge und Speiche. Und dasselbe Rad hätte sieben Räder und wäre doch nur ein Rad, und ginge immer vor sich, wo es der Wind hintriebe.

73. Nun siehe: Die sieben Räder ineinander, da eines immer das ander gebäret, und auf allen Seiten gehen und doch keines vergehet oder sich umwendet, das sind die sieben Quellgeister Gottes des Vaters. Die gebären in den sieben Rädern in jedem Rad eine Nabe und sind doch nicht sieben Naben, sondern nur eine, die sich in alle sieben Räder schicket.

74. Und das ist das Herze oder der innerste Corpus der Räder, darinnen die Räder umlaufen. Und das bedeut den Sohn Gottes, den alle sieben Geister Gottes des Vaters in ihrem Zirkel immer gebären. Und er ist aller sieben Geister Sohn, und sie qualifizieren alle in seinem Lichte, und ist inmitten der Geburt und hält alle sieben Geister Gottes. Und sie wenden sich in
ihrer Geburt mit ihm also um.

75. Das ist, sie steigen nun über sich oder unter sich oder hinter sich und vor sich oder quericht. So ist das Herze Gottes immer inmitten und schickt sich immer zu jedem Quellgeiste. Also ists ein Herze Gottes und nicht sieben, das von allen sieben Geistern immer geboren wird, und ist aller sieben Geister Herze und Leben.

76. Nun die Speichen, die von der Naben und den Rädern immer geboren werden und doch sich in alle Räder im Umgehen schicken und ihre Wurzel, Anhalt oder Einpflocken, darinne sie stehen und daraus sie geboren werden, die bedeuten Gott den Hl. Geist, der aus dem Vater und Sohne ausgehet. Gleichwie die Speichen aus der Naben und dem Rade, bleiben doch
auch in dem Rade.

77. Nun gleichwie der Speichen viele sind und gehen immer in dem Rade mit um, also ist der Hl. Geist der Werkmeister in dem Rade Gottes und formet und bildet alles in dem ganzen Gott.

78. Nun hat das Rad sieben Räder ineinander, und eine Nabe, die sich in alle sieben Räder schicket, und alle sieben Räder an der einen Naben. Also ist Gott ein einiger Gott mit sieben Quellgeistern ineinander, da immer einer den andern gebäret, und ist doch nur ein Gott, gleichwie alle sieben Räder ein Rad.

79. Nun merke: Das Rad in seinem zusammenkorporierten Baue bedeutet die herbe Qualität. Die zeucht [zieht] das ganze körperliche Wesen der Gottheit zusammen und hält es und vertrocknet es, daß es bestehet. Und das süße Quellwasser wird von dem Umtreiben oder Aufsteigen der Geister geboren. Denn wenn sich das Licht in der Hitze gebäret, so erschrickt die herbe Qualität vor großer Freude. Und das ist wie ein Niederlegen oder Dünnewerden, und sinket das harte körperliche Wesen nieder wie eine Sanftmut.

80. Der Schrack oder Anblick des Lichts steiget nun in der herben Qualität fein sanft und zitternd auf und zittert. Der ist nun in dem Wasser bitter. Und das Licht vertrocknet ihn und macht ihn freundlich und süße.

81. Darinnen stehet nun das Leben und die Freude, denn der Schrack oder Blitz steiget nun in allen Qualitäten auf wie ein oberzählet [oben erwähntes] Rad, das sich umwendet. Da steigen alle sieben Geister ineinander auf und gebären sich gleichwie in einem Zirkel. Und das Licht wird mitten in den sieben Geistern scheinend und scheinet wider in alle(n) sieben Geister(n). Und darinnen triumphieren alle Geister und freuen sich in dem Lichte.

82. Gleichwie die sieben Räder an der einigen Naben umgehen als an ihrem Herzen, das sie hält. Und sie halten die Naben; also auch gebären die sieben Geister das Herze, und das Herze hält die sieben Geister, und gehen allda auf Stimmen und göttliche Freudenreich, herzliches Lieben und Küssen.

83. Denn wenn die Geister mit ihrem Licht ineinander wallen, sich umdrehen und aufsteigen, so wird immer das Leben geboren, denn ein Geist gibt immer dem andern seinen Geschmack, das ist, er infizieret sich mit dem andern.

84. Also kostet einer den andern und fühlet den andern. Und der Schall oder Ton dringet von allen sieben Geistern gegen das Herz und steiget in dem Herzen im Blitze des Lichts auf. Da gehen auf Stimmen und Freudenreich des Sohnes Gottes. Und alle sieben Geister triumphieren und freuen sich in dem Herzen Gottes, ein jeder nach seiner Qualität.

85. Denn in dem Lichte in dem süßen Wasser wird alle Herbigkeit und Härtigkeit und Bitterkeit und Hitze gesänftiget und lieblich, und ist in den sieben Geistern nichts denn ein liebliches Ringen und wunderliches Gebären, wie ein heiliges Spiel Gottes.

86. Ihre scharfe Geburt aber, davon ich oben geschrieben habe, die bleibet als wie ein Kern verborgen, denn sie wird von dem Licht und süßen Wasser gesänftiget.

87. Gleichwie ein saurer und bitterer grüner Apfel von der Sonnen gezwungen wird, daß er fein lieblich ist zu essen, und man schmecket doch alle seine Qualitäten, also behält auch die Gottheit ihre Qualitäten, aber sie ringet fein sanft wie ein lieblich Spiel.

88. So sich aber die Quellgeister würden erheben und geschwinde ineinander durchdringen und sich hart reiben und quetschen, so quetschte sich das süße Wasser aus und zündete sich die grimmige Hitze an. Alsdann würde aufgehen das Feuer aller sieben Geister wie im Luzifer.

89. Das ist nun die wahrhaftige Geburt der Gottheit, die von Ewigkeit an allen Enden ist also gewesen und bleibet in alle Ewigkeit also. Aber im Reiche Luzifers des Verderbers hats eine andere Gestalt, wie ich oben von der Grimmigkeit geschrieben habe. Und in dieser Welt, welche jetzt auch halb angezündet ist, hats jetzo auch eine andere Gestalt, bis auf den Tag der Wiederbringung. Davon will ich bei der Schöpfung dieser Welt schreiben.

90. Nun in diesem herrlichen, lieblichen und himmlischen Salitter oder göttlichen Qualitäten ist das Königreich Luzifers auch geschaffen ohne einige größereBewegung als der andern. Denn als Luzifer geschaffen war, so stund er da ganz vollkommen und war der schönste Fürst im Himmel, geschmückt und angetan mit der schönsten Klarheit des Sohnes Gottes.

91. So aber Luzifer in der Bewegung der Schöpfung wäre verdorben, wie er fürgibt, so hätte er seine Vollkommenheit, Schönheit und Klarheit niemals gehabt, sondern wäre alsbald ein grimmiger finsterer Teufel gewesen und nicht ein Cherub.
Aus: Jakob Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang, (S.260-264 = Kapitel 13, 71-91)
Herausgegeben von Gerhard Wehr
insel taschenbuch it 1411