Bertolt (Berthold Eugen Friedrich) Brecht (1898 – 1956)

Deutscher Schriftsteller, Dramaturg und Regisseur, der in München zunächst Medizin und Naturwissenschaften studierte sich aber bald dem Theater zuwandte. 1933 emigrierte Brecht . Es folgten Aufenthalte in Österreich, Dänemark, Schweden, Finnland, Russland, USA, Schweiz. 1948 kam er nach Deutschland zurück. Brecht, der eine der umstrittensten zeitgenössischen Persönlichkeiten war, begann mit expressionistisch-anarchistischen Dramen (»Baal«, 1918/19; »Trommeln in der Nacht«, 1919), hatte dann großen Erfolg mit der desillusionistischen, die bürgerlichen Konventionen verspottenden »Dreigroschenoper« (1928). Sein Stil und Sprache übten großen Einfluss auf die moderne Dichtung aus. Sein episches Theater, das mit Verfremdungen arbeitete, sollte kritisches Bewusstsein wecken und zu gesellschaftlichen »Änderung« - ein Leitbegriff Brechts - führen; gegenüber den Lehrstücken gewann in Brechts späteren Werken (auch in seiner Theorie) das ästhetische Element wieder neue Bedeutung. Sowohl in den Dramen wie in der Lyrik spielen neben der sozialen Kritik auch andere Motive, insbesondere Mitleid mit dem Menschen, eine Rolle. In dem 1949 in Ost-Berlin gegründeten »Berliner Ensemble« schuf sich Brecht zusammen mit seiner Frau Helene Weigel eine Experimentierbühne; seine Inszenierungen erlangten Weltruhm.

Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon

Bildquelle:
Urheber

Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 183-W0409-300

Photograph: Kolbe

Die Frage, ob es einen Gott gibt
Einer fragte Herrn K., ob es einen Gott gäbe. Herr K. sagte: «Ich rate dir, nachzudenken, ob dein Verhalten je nach der Antwort auf diese Frage sich ändern würde. Würde es sich nicht ändern, dann können wir die Frage fallenlassen. Würde es sich ändern, dann kann ich dir wenigstens noch so weit behilflich sein, dass ich dir sage, du hast dich schon entschieden: Du brauchst einen Gott.» S.104
Enthalten in Bertolt Brecht: Kalendergeschichten (Geschichten des Herrn Keuner), rororo 10077

Gleichnis des Buddha vom brennenden Haus
Gothama, der Buddha, lehrte
Die Lehre vom Rade der Gier, auf das wir geflochten sind, und empfahl,
Alle Begierde abzutun und so
Wunschlos einzugehen ins Nichts, das er Nirwana nannte.
Da fragten ihn eines Tags seine Schüler:


«Wie ist dies Nichts, Meister? Wir alle möchten
Abtun alle Begierde, wie du empfiehlst, aber sage uns,
Ob dies Nichts, in das wir dann eingehen,
Etwa so ist wie dies Einssein mit allem Geschaffenen,
Wenn man im Wasser liegt, leichten Körpers, am Mittag
Ohne Gedanken fast, faul im Wasser liegt oder in Schlaf fällt,
Kaum noch wissend, da
ss man die Decke zurechtschiebt,
Schnell versinkend, ob dies Nichts also
So ein fröhliches ist, ein gutes Nichts, oder ob dies dein
Nichts nur einfach ein Nichts ist, kalt, leer und bedeutungslos.»


Lang schwieg der Buddha, dann sagte er lässig:

«Keine Antwort ist auf euere Frage.»

Aber am Abend, als sie gegangen waren,
Saß der Buddha noch unter dem Brotbaum und sagte den andern,
Denen, die nicht gefragt hatten, folgendes Gleichnis:


«Neulich sah ich ein Haus. Es brannte. Am Dache
Leckte die Flamme. Ich ging hinzu und bemerkte,
Daß noch Menschen drin waren. Ich trat in die Tür und rief
Ihnen zu, daß Feuer im Dach sei, sie also auffordernd,
Schnell hinauszugehen. Aber die Leute
Schienen nicht eilig. Einer fragte mich,
Während ihm schon die Hitze die Braue versengte,
Wie es draußen denn sei, ob es auch nicht regne,
Ob nicht doch Wind ginge, ob da ein anderes Haus sei,
Und so noch einiges. Ohne zu antworten,
Ging ich wieder hinaus. Diese, dachte ich,
Müssen verbrennen, bevor sie zu fragen aufhören. Wirklich, Freunde,
Wem der Boden noch nicht so heiß ist, da
ss er ihn lieber
Mit jedem andern vertausche, als da
ss er da bliebe, dem
Habe ich nichts zu sagen.»


So Gothama, der Buddha.

Aber auch wir, nicht mehr beschäftigt mit der Kunst des Duldens,
Eher beschäftigt mit der Kunst des Nichtduldens und vielerlei Vorschläge
Irdischer Art vorbringend und die Menschen beschwörend,
Ihre menschlichen Peiniger abzuschütteln, meinen, dass wir denen, die
Angesichts der heraufkommenden Bombenflugzeuggeschwader des Kapitals noch allzu lang fragen,
Wie wir uns dies dächten, wie wir uns das vorstellten
Und was aus ihren Sparbüchsen und Sonntagshosen werden soll nach einer Umwälzung
,
Nicht viel zu sagen haben.
S.24-25
Enthalten in Bertolt Brecht: Kalendergeschichten, rororo 10077