Heinrich Christian Wilhelm Busch (1832 –1908)

 

Deutscher Maler, Zeichner und humoristischer Dichter mit Tiefgang, der mit seinen Bildgeschichten der volkstümlichste Humorist Deutschlands wurde. Seine Wirkung liegt in der verblüffenden Einheit von witzig-simplen Knittelversreimen (manche wurden zum geflügelten Wort) und pointiert-vereinfachender Konturzeichnung, die beide von großer Charakterisierungskunst zeugen. Busch’s Bildergeschichten werden zur Satire, wenn es sich darum handelt, Selbstgerechtigkeit, Scheinmoral und falsche Frömmigkeit zu entlarven. Busch schuf auch Gedankenlyrik und Prosa, wie im folgenden zu sehen ist. Der Pessimismus in seinen Werken steht Schopenhauers Philosophie nahe.

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Inhaltsverzeichnis

Der Philosoph
Höchste Instanz
Schein und Sein
Woher, wohin?
Leider!

Wiedergeburt
Tröstlich
Unfrei
Bös und gut


Der Philosoph
Ein Philosoph von ernster Art
der sprach und strich sich seinen Bart:

Ich lache nie. Ich. lieb es nicht,
mein ehrenwertes Angesicht
durch Zähnefletschen zu entstellen
und närrisch wie ein Hund zu bellen;
ich lieb es nicht, durch ein Gemecker
zu zeigen, dass ich Witzentdecker;
ich brauche nicht durch Wertvergleichen
mit andern mich herauszustreichen,
um zu ermessen, was ich bin,
denn dieses weiß ich ohnehin.

Das Lachen will ich überlassen
den minder hochbegabten Klassen.

Ist einer ohne Selbstvertraun
in Gegenwart von schönen Fraun,
so dass sie ihn als faden Gecken
abfahren lassen oder necken,
und fühlt er drob geheimen Groll
und weiß nicht, was er sagen soll,
dann schwebt mit Recht auf seinen Zügen
ein unaussprechlichesVergnügen.

Und hat er Kursverlust erlitten,
ist er moralisch ausgeglitten,
so gibt es Leute, die doch immer
noch dümmer sind als er und schlimmer,
und hat er etwa krumme Beine,
so gibt‘s noch krümmere als seine.

Er tröstet sich und lacht darüber
und denkt: Da bin ich mir doch lieber.

Den Teufel lass ich aus dem Spiele.
Auch sonst noch lachen ihrer viele,
besonders jene ewig Heitern,
die unbewusst den Mund erweitern,
die, sozusagen auserkoren
zum Lachen bis an beide Ohren.

Sie freuen sich mit Weib und Kind
schon bloß, weil sie vorhanden sind.

Ich dahingegen, der ich sitze
auf der Betrachtung höchster Spitze,
weit über allem Was und Wie,
ich bin für mich und lache nie
. S.202f.

Höchste Instanz
Was er liebt, ist keinem fraglich;
triumphierend und behaglich
nimmt es seine Seele ein
und befiehlt: So soll es sein,

Suche nie, wo dies geschehen,
widersprechend vorzugehen,
sintemalen im Gemüt
schon die höchste Macht entschied.

Ungestört in ihren Lauben
lass die Liebe, lass den Glauben,
der, wenn man es recht ermisst,
auch nur lauter Liebe ist.
S.203

Schein und Sein Nachgelassene Gedichte 1909
Mein Kind, es sind allhier die Dinge,
gleichviel, ob große, ob geringe,
im wesentlichen so verpackt,
dass man sie nicht wie Nüsse knackt

Wie wolltest du dich unterwinden,
kurzweg die Menschen zu ergründen.
Du kennst sie nur von außenwärts.
Du siehst die Weste, nicht das Herz
. (S.235)

Woher, wohin?
Wo sich Ewigkeiten dehnen,
hören die Gedanken auf,
nur der Herzen frommes Sehnen
ahnt, was ohne Zeitenlauf.

Wo wir waren, wo wir bleiben,
sagt kein kluges Menschenwort;
doch die Grübelgeister schreiben:
Bist du weg, so bleibe fort.

Lass dich nicht aufs neu gelüsten.
Was geschah, es wird geschehn.
Ewig an des Lebens Küsten
wirst du scheiternd untergehn.
(S.235)

Leider!
So ist‘s in alter Zeit gewesen,
so ist es, fürcht ich, auch noch heut.
Wer nicht besonders auserlesen,
dem macht die Tugend Schwierigkeit.

Aufsteigend musst du dich bemühen,
doch ohne Mühe sinkest du.
Der liebe Gott mu
ss immer ziehen,
dem Teufel fällt‘s von selber zu
. S.236

Wiedergeburt
Wer nicht will, wird nie zunichte,
kehrt beständig wieder heim.
Frisch herauf zum alten Lichte
dringt der neue Lebenskeim.

Keiner fürchte zu versinken,
der ins tiefe Dunkel fährt.
Tausend Möglichkeiten winken
ihm, der gerne wiederkehrt.

Dennoch seh ich dich erbeben,
eh du in die Urne langst.
Weil dir bange vor dem Leben,
hast du vor dem Tode Angst
. S.259

Tröstlich
Die Lehre von der Wiederkehr
ist zweifelhaften Sinns.
Es fragt sich sehr, ob man nachher
noch sagen kann: Ich bin‘s.

Allein was tut‘s, wenn mit der Zeit
sich ändert die Gestalt?
Die Fähigkeit zu Lust und Leid
vergeht wohl nicht so bald.
S.261

Unfrei
Ganz richtig, diese Welt ist nichtig.
Auch du, der in Person erscheint,
bist ebenfalls nicht gar so wichtig,
wie deine Eitelkeit vermeint.

Was hilft es dir, damit zu prahlen,
dass du ein freies Menschenkind?
Musst du nicht pünktlich Steuern zahlen,
obwohl sie dir zuwider sind?

Wärst du vielleicht auch, sozusagen,
erhaben über gut und schlecht,
trotzdem behandelt dich dein Magen
als ganz gemeinen Futterknecht.

Lang bleibst du überhaupt nicht munter.
Das Alter kommt und zieht dich krumm
und stößt dich rücksichtslos hinunter
ins dunkle Sammelsurium.

Daselbst umfängt dich das Gewimmel
der Unsichtbaren, wie zuerst,
eh du erschienst, und der Himmel
weiß, ob und wann du wiederkehrst.
S.262

Bös und gut
Wie kam ich nur aus jenem Frieden
ins Weltgetös?
Was einst vereint, hat sich geschieden,
und das ist bös.

Nun bin ich nicht geneigt zum Gehen,
nun heißt es: Nimm!
Ja, ich muss töten, um zu leben,
und das ist schlimm.

Doch eine Sehnsucht blieb zurücke,
die niemals ruht.
Sie zieht mich heim zum alten Glücke,
und das ist gut.
S.262f.
Aus: Wilhelm Busch, Zwiefach sind die Phantasien, Erzählungen . Gedichte . Autobiographie
Reclam Universalbibliothek Band 203 Philipp Reclam jun. Leipzig