Hans Denck (1495 – 1527)

  Deutscher Theologe, der von Müntzer beeinflusst, sich dem Spiritualismus zuwandte und sich der Täuferbewegung anschloss, die die Taufe der Einzelpersonen erst nach der Reife des Erwachsenseins zulässt. Quelle aller wahren religiösen Erkenntnis ist für Denck nicht die Autorität der heiligen Schrift, sondern der Geist Gottes, der den glaubenden Menschen von innen anspricht. Denck wandte sich gegen die Heilswirkung der Sakramente, die er als bloße Sinnbilder betrachtete; nur die Erwachsenentaufe kann Zeichen des Bekenntnisses sein und das Abendmahl ist ein Wachrufen Christi, der am Kreuze für die Erlösung aus der menschlichen Erbösung gestorben ist.

Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon
 

Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott
Gott ist nichts als Liebe. Dieser Lieb‘ spüret man in etlichen Menschen je ein Fünklein, in einem mehr, im andern minder; wiewohl es leider fast in allen Menschen zu unsern Zeiten erloschen ist, doch so ist es gewiss, dieweil die Liebe geistlich ist, und die Menschen alle fleischlich sind, dass dies Fünklein, wie klein es in dem Menschen ist, nicht von dem Menschen, sondern von der vollkommenen Liebe hergekommen ist. Diese Liebe ist Gott. —

Diese Liebe möchte Fleisch und Blut nicht begreifen, wo es Gott nicht sonderlich in etlichen Menschen bewiese, die man nennet
«göttliche Menschen» und «Gottes Kinder», darum dass sie Gott nachschlagen als ihrem geistlichen Vater. Je höher sie nun bewiesen wird, je höher mag sie von den Menschen erkannt werden; je mehr sie erkannt wird, so viel mehr wird sie geliebt; je mehr die Liebe geliebt wird, so viel näher ist die Seligkeit. Darum hat es der ewigen Liebe gefallen, dass der Mensch (Jesus Christus), in dem die Liebe am höchsten bewiesen wurde, ein Seligmacher seines Volks genannt wurde. Nicht daß es der Mensch¬heit möglich wäre, jemand selig zu machen, sondern dass Gott so völliglich in der Liebe mit ihm vereiniget wäre, daß alles Tun Gottes dieses Menschen Tun wäre, und alles Leiden dieses Menschen Gottes Leiden geachtet würde. Dieser Mensch ist Jesus von Nazareth, der von dem wahrhaftigen Gott in der Schrift verheißen und zu seiner Zeit geleistet worden ist, wie sich‘s dann öffentlich in Israel bewiesen hat durch die Kraft des heiligen Geistes mit allem Tun und Lassen, so der Liebe zugebühret und eignet. Und dabei erkennen wir‘s in dieser lieblosen Zeit, daß es wahrlich schon geleistet ist, dass wir die Liebe etlicher Maß aufs höchste erkennen, und sind gewiß durch Gottes Geist, dass sich die Liebe Gottes gegen den Menschen und des Menschen gegen Gott nicht höher beweisen mag, als es in diesem Jesu geschehen ist. -

Darum, welcher die wahre Liebe begehrt zu erkennen und zu erlangen, mag es nicht näher und leichter bekommen als durch diesen
Jesum Christum. Ja, es kann und mag anders nicht erkannt werden als durch ihn. Nicht dass die Seligkeit an Fleisch und Blut, Zeit und Statt gebunden sei, sondern dass es anders nicht möglich ist. Denn wie kein Mensch selig werden möchte ohne Gott, also mag auch Gott keinen Menschen selig machen außerhalb des Menschen (Jesu Christi). Alle, die selig werden, sind eines Geistes mit Gott. Welcher aber vollkommen ist in dieser Liebe, dieser ist ja ein Vorgänger aller derer, so selig werden sollen, nicht daß er von ihm selbst hie sei, sondern daß es Gott allzeit also gefallen hat, daß man allen denen folgen und gehorchen soll in seinem Namen, die seinen Willen lehren. Je besser solchen (den Willen Gottes) einer lehret, je billiger man ihm folgen soll. Niemand aber hat diesen vollkommener und besser gelehrt, als der solchen auch am vollkommensten vollstreckt hat, der ist Jesus Christus, welchen Gott darum gesandt hat, dass er Juden und Heiden miteinander aus geistlichem Gefängnis führet. Welchem aber jetzt zu dieser letzten Zeit nicht allein Juden und Heiden, sondern auch die ihn angenommen haben, widersprechen. Alle, so den Weg Gottes gesucht und gefunden haben, sind eins mit Gott geworden; aber dieser, so in Gottes Weg nie gestrauchelt hat, ist auch mit Gott nie uneins worden, sondern nach dem Geist von Anbeginn eins mit Gott gewesen, ob er wohl nach dem Fleisch in der Zeit geboren und aller Menschen Gebrechen außer der Sünde unterworfen gewesen ist. Dies ist die Ursach, daß geschrieben ist, und man sagt: alle, so selig werden, müssen durch diesen Jesum selig werden
.S. 138 -140
Aus: Jakob Studer, Für alle Tage, Ein christliches Lesebuch, Fretz & Wasmuth Verlag AG. Zürich