Eusebius von Caesarea (um 263 – 339)

  Dokumentensammler, Gelehrter und Geschichtsschreiber der Kirchenväter; seit 313 Bischof von Caesarea in Palästina, Schüler des Origenes, dessen Bibliothek und Gelehrtenschule er in Caesarea weiterführte. Seine Kirchengeschichte (das erste Werk dieser Gattung), seine Darstellung des Lebens Konstantins, dem er persönlich eng verbunden war (seit 324), wie die umfangreichen Zitate aus heute verlorenen Schriften in allen seinen Werken sind als Quelle für die ersten christlichen Jahrhunderte von großer Bedeutung.

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Aus der Kirchengeschichte
VII., 25. Dionysios sagt dann noch über die Apokalypse des Johannes: »Einige unserer Vorfahren haben das Buch verworfen und es ganz und gar abgelehnt. Sie beanstandeten Kapitel für Kapitel und erklärten, dass dieser Schrift jeder Sinn und Zusammenhang fehle — und dass schon der Titel falsch sei. Sie behaupten, weder könne dies von Johannes stammen, noch sei es eine Offenbarung, da die Aussage sich in so dichte Schleier der Unverständlichkeit hülle. Der Verfasser dieser Schrift sei auch gar kein Apostel, ja überhaupt kein Heiliger und kein Glied der Kirche — es handle sich um Cerinth, der ja auch die nach ihm bekannte Sekte gestiftet habe und der nun seiner Fälschung einen glaubwürdigen Namen haben geben wollen.

Denn das sei eben der Inhalt seiner Lehre, dass das Reich Christi ein irdisches sein werde. Und wonach er selbst sich sehnte — er, der in seinen Leib vernarrt war und ganz fleischlich dachte —, darin würde auch (so träumte er) das Reich Christi bestehen, nämlich in der Befriedigung des Magens und der noch tiefer gelegenen Organe... ich aber möchte nicht wagen, das Buch zu verwerfen, denn viele Brüder haben eine sehr hohe Meinung davon. Ich möchte eher glauben, dass es über meine Fassungskraft hinausgeht. Denn ich vermute, dass die einzelnen Sätze einen verborgenen, vielleicht sehr wunderbaren Sinn in sich schließen. Ich verstehe die Worte nicht, ahne aber doch, dass darin ein tieferer Sinn liegen könnte. Ich mag sie also nicht nach meiner eigenen Klugheit messen, ich lege dem Glauben ein höheres Gewicht bei — vielleicht sind diese Worte zu erhaben, als dass sie von mir begriffen werden möchten, und ich verwerfe nicht, was ich nicht fassen kann, bewundere es nur um so mehr, weil ich es nicht fasse.«


Nachdem dann Dionysios das ganze Buch der Offenbarung geprüft und nachgewiesen hat, dass der wörtliche Sinn jedenfalls nicht gemeint sein könne, fährt er fort: »Am Schluss der ganzen sogenannten Weissagung bricht der Prophet in eine Lobpreisung und zuletzt gar in ein Selbstlob aus ... »Selig ist«— heißt es da —, »wer die Worte der Weissagung dieses Buches bewahrt, und ich, Johannes, der dies sah und hörte«... Dass dieser Mann Johannes heiße, dass also diese Schrift von einem Johannes verfasst sei, bestreite ich nicht. Ich gebe auch zu, dass sie das Werk eines heiligen und von Gott erleuchteten Mannes sein kann. Nicht aber möchte ich ohne weiteres annehmen, dass dieser Mann Johannes der Apostel sein könne, der Sohn des Zebedäus, Bruder des Jakobus, von welchem das Evangelium nach Johannes und der katholische Brief stammen. Aus der Eigenart dieser Bücher und jenes Buches, aus der Form, der Sprache, aus dem, was man die Durchführung eines Werkes nennt, schließe ich auf eine Verschiedenheit der Verfasser. Nirgends fügt der Evangelist seinen Namen bei, nennt sich weder im Evangelium noch im Brief... nirgendwo, weder in der ersten noch in der dritten Person. Dagegen setzt der Verfasser der Apokalypse seinen Namen gleich an den Anfang... und das genügt ihm keineswegs. Er wiederholt: »Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse in der Trübsal und im Reiche und in der Geduld Jesu, ich war auf der Insel, welche Patmos heißt, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen.« Und dann die Formel des Schlusses.. . Dass es ein Johannes war, der diese Worte schrieb, muss man ihm glauben, da er es sagt. Aber was für ein Johannes, das ist nicht bekannt. Er bezeichnet sich ja gar nicht — wie es im Evangelium oft heißt — als den Jünger, den der Herr liebte, oder als den, der an Seiner Brust geruht hat, oder als den Bruder des Jakobus... Nach meiner Meinung trugen viele Männer damals den Namen des Apostels Johannes... Ich glaube also, daß irgendein anderer Johannes unter denen, die in Asien weilten, der Verfasser der Apokalypse war, da man ja auch sagt, in Ephesus wären zwei Gräber gewesen und jedes von beiden heiße Johannes-Grab.

Aber auch aus den Gedanken, aus den Worten, aus der ganzen Anordnung wird man berechtigterweise annehmen müssen, dass es sich hier um verschiedene Verfasser handelt. Das Evangelium und der Brief stimmen miteinander überein, beginnen auf gleiche Weise. Dort heißt es »Im Anfang war das Wort«, hier, »Was von Anfang an war«. ... Johannes bleibt sich treu und weicht nicht vom Ziel ab, das er sich gesteckt hat. Überall dieselben Grundgedanken und Ausdrücke ... das Leben, das Licht, die Wahrheit, die Gnade, die Liebe des Herrn zu uns und das Gebot, dass wir einander lieben sollen.., wer dies alles genau durchprüft, wird im Evangelium und im Brief überall ein und denselben Geist, ein und dieselbe Hand erkennen. Völlig anderer Art ist diesen Schriften gegenüber die Apokalypse. Es fehlt jedes Band, jede Verwandtschaft ... Weiterhin lässt sich auch aus dem Sprachstil die Verschiedenheit des Evangeliums und des Briefes gegenüber der Apokalypse feststellen. Jene sind nicht nur in fehlerlosem Griechisch geschrieben, sie zeigen auch höchste Gewandtheit im Ausdruck, Überlegenheit in der Gedankenentwicklung, Eleganz in der Satzverbindung — man wird keinen barbarischen Laut, keine Ortssprache, keinen Vulgärausdruck je darin finden. Ihr Verfasser hatte offenbar beide Gaben — beide ein Geschenk des Herrn —, die Gabe der Erkenntnis und die Gabe des Stils. Ich bestreite zwar nicht, dass der andere Offenbarungen geschaut, Erkenntnisse und Prophetengaben empfangen haben mag. Aber ich sehe eben, dass seine Rede, seine Sprache nicht reines Griechisch darstellen und dass er barbarische Wendungen, zuweilen auch Ausdrücke aus einer Lokalsprache gebraucht... niemand möge glauben, dass ich dies zu seiner Verspottung sage. Ich wollte nur die Ungleichheit dieser Schriften darlegen.«

Enthalten in: Christliche Geisteswelt, Band I, Die Väter der Kirche . Herausgegeben von Walter Tritsch (S.220-222)

Holle Verlag , Darmstadt