Friedrich Ludwig Gottlob Frege (1848 – 1925)

  Deutscher Mathematiker, Logiker, Philosoph und Begründer der modernen Logik. Frege war in den Jahren 1879—1918 Professor in Jena und lieferte grundlegende Untersuchungen über das Verhältnis von Logik und Mathematik. Er schuf als erster einen vollständigen Kalkül der Junktoren- und Quantorenlogik und begründete damit die mathematische Logik als selbständige Disziplin. Er beeinflusste den Neopositivismus und - speziell durch seine Kritik des Psychologismus in der Logik - die Phänomenologie.

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Inhaltsverzeichnis
Die Grundlagen der Arithmetik
Kernsätze zur Logik


Die Grundlagen der Arithmetik

§49. Wir finden für unsere Ansicht eine Bestätigung bei Spinoza, der sagt: »Ich antworte, dass ein Ding bloß rücksichtlich seiner Existenz, nicht aber seiner Essenz eines oder einzig genannt wird; denn wir stellen die Dinge unter Zahlen nur vor, nachdem sie auf ein gemeinsames Maß gebracht sind. Wer z. B. ein Sesterz und einen Imperial in der Hand hält, wird an die Zweizahl nicht denken, wenn er nicht dieses Sesterz und diesen Imperial mit einem und dem nämlichen Namen, nämlich Geldstück oder Münze belegen kann: dann kann er bejahen, dass er zwei Geldstücke oder Münzen habe; weil er nicht nur das Sesterz, sondern auch den Imperial mit de[m] Namen Münze bezeichnet.« Wenn er fortfährt: »Hieraus ist klar, dass ein Ding eins oder einzig genannt wird, nur nachdem ein anderes Ding ist vorgestellt worden, das (wie gesagt) mit ihm übereinkommt«, und wenn er meint, dass man nicht im eigentlichen Sinne Gott einen oder einzig nennen könne, weil wir von seiner Essenz keinen abstrakten Begriff bilden könnten, so irrt er in der Meinung, der Begriff könne nur unmittelbar durch Abstraktion von mehren Gegenständen gewonnen werden. Vielmehr kann man auch von den Merkmalen aus zu dem Begriffe gelangen; und dann ist es möglich, dass kein Ding unter ihn fällt. Wenn dies nicht vorkäme, würde man nie die Existenz verneinen können, und damit verlöre auch die Bejahung der Existenz ihren Inhalt.
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§53. Unter Eigenschaften, die von einem Begriffe ausgesagt werden, verstehe ich natürlich nicht die Merkmale, die den Begriff zusammensetzen. Diese sind Eigenschaften der Dinge, die unter den Begriff fallen, nicht des Begriffes. So ist «rechtwinklig« nicht eine Eigenschaft des Begriffes »rechtwinkliges Dreieck«; aber der Satz, dass es kein rechtwinkliges, geradliniges, gleichseitiges Dreieck gebe, spricht eine Eigenschaft des Begriffes »rechtwinkliges, geradliniges, gleichseitiges Dreieck« aus; diesem wird die Nullzahl beigelegt.

In dieser Beziehung hat die Existenz Ähnlichkeit mit der Zahl. Es ist ja Bejahung der Existenz nichts anderes als Verneinung der Nullzahl. Weil Existenz Eigenschaft des Begriffes ist, erreicht der ontologische Beweis von der Existenz Gottes sein Ziel nicht. Ebensowenig wie die Existenz ist aber die Einzigkeit Merkmal des Begriffes »Gott«. Die Einzigkeit kann nicht zur Definition dieses Begriffes gebraucht werden, wie man auch die Festigkeit, Geräumigkeit, Wohnlichkeit eines Hauses nicht mit Steinen, Mörtel und Balken zusammen bei seinem Baue verwenden kann. Man darf jedoch daraus, dass etwas Eigenschaft eines Begriffes ist, nicht allgemein schließen, dass es aus dem Begriffe, d. h. aus dessen Merkmalen nicht gefolgert werden könne. Unter Umständen ist dies möglich, wie man aus der Art der Bausteine zuweilen einen Schluß auf die Dauerhaftigkeit eines Gebäudes machen kann. Daher wäre es zuviel behauptet, daß niemals aus den Merkmalen eines Begriffes auf die Einzigkeit oder Existenz geschlossen werden könne; nur kann dies nie so unmittelbar geschehen, wie man das Merkmal eines Begriffes einem unter ihn fallenden Gegenstande als Eigenschaft beilegt.

Es wäre auch falsch zu leugnen, dass Existenz und Einzigkeit jemals Merkmale von Begriffen sein könnten. Sie sind nur nicht Merkmale der Begriffe, denen man sie der Sprache folgend zuschreiben möchte. Wenn man z. B. alle Begriffe, unter welche nur Ein Gegenstand fällt, unter einen Begriff sammelt, so ist die Einzigkeit Merkmal dieses Begriffes. Unter ihn würde z. B. der Begriff »Erdmond«, aber nicht der sogenannte Himmelskörper fallen. So kann man einen Begriff unter einen höhern, sozusagen einen Begriff zweiter Ordnung fallen lassen. Dies Verhältnis ist aber nicht mit dem der Unterordnung zu verwechseln.

Aus: Gottlob Frege, Die Grundlagen der Arithmetik. Eine logisch-mathematische Untersuchung über den Begriff der Zahl
Mit einem Nachwort herausgegeben von Joachim Schulte
Reclams Universalbibliothek Nr. 8425 (S.83-86)
© 1987 Philipp Reclam jun., Stuttgart
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Reclam Verlages

Wenn man darüber streitet, ob es einen Gott gebe, streitet man nicht darüber, ob unsere Vorstellung eines Gottes auf Grund einer Affektion des Ich entstanden sei oder entstehen könne. Viele, welche glauben, daß es einen Gott gibt, werden bestreiten, daß ihre Vorstellung von ihm auf Grund einer unmittelbaren Affektion ihres Ich durch Gott entstanden sei, denn nur eine unmittelbare Affektion kann hier in Frage kommen.
Aus: Gottlob Frege: Schriften zur Logik und Sprachphilosophie. Aus dem Nachlaß (S.20)
Meiner, Philosophische Bibliothek: Band 277

Kernsätze zur Logik.
1. Die Verknüpfungen, die das Wesen des Denkens ausmachen[,j sind eigentümlich verschieden von den Vorstellungsassoziationen.

2. Der Unterschied besteht nicht bloß in einem Nebengedanken, der den Rechtsgrund für die Verknüpfung hinzufügt.

3. Beim Denken werden nicht eigentlich Vorstellungen verknüpft, sondern Dinge, Eigenschaften, Begriffe, Beziehungen.

4. Der Gedanke enthält immer etwas über den besondern Fall Hinübergreifendes, wodurch dieser als fallend unter etwas Allgemeines zum Bewußtsein kommt.

5. Der sprachliche Ausdruck für die Eigentümlichkeit des Gedankens ist die Kopula oder die Personalendung des Verbums.

6. Als äußeres Kennzeichen für die denkende Verknüpfung kann dienen, daß bei ihr die Frage, ob sie wahr oder unwahr sei, einen Sinn hat. Vorstellungsassoziationen sind weder wahr noch unwahr.

7. Was wahr sei, halte ich für nicht erklärbar.

8. Der sprachliche Ausdruck eines Gedankens ist der Satz. Man spricht im übertragenen Sinne auch von Wahrheit eines Satzes.

9. Ein Satz kann nur dann wahr oder unwahr sein, wenn er Ausdruck eines Gedankens ist.

10. Der Satz ,,Leo Sachse ist ein Mensch“ ist nur dann Ausdruck eines Gedankens, wenn ,,Leo Sachse“ etwas bezeichnet. Ebenso ist der Satz ,,dieser Tisch ist rund“ nur dann Ausdruck eines Gedankens, wenn die Worte ,,dieser Tisch“ mir etwas Bestimmtes bezeichnen, nicht leere Worte sind.

11. ,,2 mal 2 ist 4“ bleibt wahr, auch wenn infolge darwinscher Entwicklung alle Menschen dahin kämen zu behaupten[,] 2 mal 2 sei 5. Jede Wahrheit ist ewig und unabhängig davon, ob sie gedacht werde, und von der psychologischen Beschaffenheit dessen, der sie denkt.

12. Die Logik beginnt erst mit der Überzeugung, daß ein Unterschied zwischen Wahrheit und Unwahrheit bestehe.

13. Man rechtfertigt ein Urteil entweder durch Zurückgehen auf schon anerkannte Wahrheiten oder ohne Benutzung andrer Urteile. Nur der erstere Fall, das Folgern, ist Gegenstand der Logik.
14. Die Lehren vom Begriff und vom Urteil dienen nur als Vorbereitung für die Lehre vom Folgern.

15. Die Aufgabe der Logik ist die Aufstellung der Gesetze, nach denen ein Urteil durch andere gerechtfertigt wird, einerlei, ob jene selbst wahr sind.

16. Die Befolgung der logischen Gesetze kann die Wahrheit eines Urteils nur insoweit verbürgen, als die Urteile wahr sind, auf die man zur Rechtfertigung zurückgeht.

17. Die Gesetze der Logik können nicht durch psychologische Untersuchung gerechtfertigt werden.

Aus: Gottlob Frege: Schriften zur Logik und Sprachphilosophie. Aus dem Nachlaß (S.23-24)
Meiner, Philosophische Bibliothek: Band 277