Mohandas Karamchand (genannt Mahatma) Gandhi (1869 – 1948 ermordet)

  Indischer Humanist, Philosoph, Rechtsanwalt und religiöser Führer, der den gewaltlosen Freiheitskampf vorlebte. Mahatma [Sanskrit »Große Seele«], war seit 1915 Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Aus der Kaste der »Waischjas« (Kaufleute) stammend, organisierte 1893— 1914 in Südafrika den Widerstand der indischen Einwanderer gegen diskriminierende Gesetze. 1914 ging er nach Indien zurück, trat an die Spitze des Indischen Nationalkongresses und leitete den Kampf gegen die britische Herrschaft. Von hoher Religiosität und asketischer Lebensweise bestimmt, hatte Mahatma schon in Südafrika unter dem Einfluss der indischen Idee der Ahimsa (des »Nichttötens«), der Bergpredigt und der Lehre von Lew Nikolajewitsch Tolstoi die Methode des waffenlosen Kampfes, des Satjagraha, entwickelt. In den »Satjagraha-Kampagnen« (1920—22; 1930—32) rief er die Inder zur Nichtbeteiligung (Non-Cooperation) an der Verwaltung Britisch-Indiens, zum bürgerlichen Ungehorsam (Civil Disobedience) und zum Boykott britischer Waren auf. 1922—24 in Haft, startete er 1925 eine Kampagne zur Abschaffung der Unberührbarkeit der »Parias«, gleichzeitig bemühte er sich um die Verbreitung der Handspinnerei, um sein Land von der britischen Textilindustrie unabhängig zu machen. Nach der britischen Weigerung, Indien den »Dominion«-Status zu gewähren, löste Mahatma mit dem »Marsch zum Meer« (demonstratives Durchbrechen des Salzgewinnungsmonopols der britisch-indischen Regierung) eine neue Protestbewegung aus. 1931 nahm er in London an einer Verfassungs-Konferenz teil. Im Gefängnis (u. a. 1931/32) suchte er durch strenges Fasten u. a. gegen britischen Verfassungs-Pläne für Indien zu protestieren oder die Hindus zu veranlassen, den »Unberührbaren« entgegenzukommen. 1934 legte er die Führung des indischen Nationalkongresses nieder. Im 2. Weltkrieg forderte er (»Quit India«) die sofortige Entlassung Indiens in die Unabhängigkeit. 1947 bemühte er sich vergeblich, die Einheit seines Landes zu wahren.

Siehe auch Wikipedia


Inhaltsverzeichnis
Gott ist die Wahrheit - die Wahrheit ist Gott
Ich verstehe Gott als das universale Gesetz
Gut und Böse
Gott hat keine Gestalt und kein Geschlecht
Göttliche Kraft
Glaube und Gottvertrauen
Religion

Christus ist nicht die einzige Offenbarung Gottes

Über das Christentum


Gott ist die Wahrheit - die Wahrheit ist Gott
Es gibt gewisse Dinge, die selbst-evident sind, und andere, die überhaupt nicht bewiesen werden. Gottes Dasein ist wie ein geometrisches Axiom. Er mag sogar jenseits der Fassungskraft Ihres Herzens sein. Ich will gar nicht von intellektueller Fassungskraft reden. Intellektuelle Anstrengungen sind mehr oder weniger Versager, denn eine rationale Erklärung kann Ihnen nicht den Glauben an einen lebenden Gott geben. Er ist nämlich etwas jenseits der rationalen Erfassung, etwas Transzendentes. Wohl gibt es mancherlei Erscheinungen, aus denen Sie das Dasein Gottes rational erschließen können; doch ich will Ihre Intelligenz nicht beleidigen, indem ich Ihnen eine rationale Erklärung dieser Art zumute. Ich wünschte, Sie fegten alle rationalen Erklärungen weg und begonnen mit einem kindlich einfachen Glauben an Gott.

Wenn ich existiere, existiert Gott. Für mich ist das eine Notwendigkeit meines Wesens, wie es für Millionen eine ist. Sie mögen außerstande sein, darüber zu reden, doch an ihrem Leben können Sie merken, daß es ein Teil ihres Lebens ist. Ich bitte Sie nur, den Glauben, der untergraben war, wieder herzustellen. Um das zu tun, müssen Sie eine Menge verlernen von dem, was Ihren Verstand blendet und Sie umwirft. Beginnen Sie mit dem Glauben, der zugleich ein Zeichen der Verdemütigung ist und ein Eingeständnis, daß wir nichts wissen, daß wir weniger sind als Atome in diesem Universum. Wir sind weniger als Atome, sage ich, denn das Atom gehorcht dem Gesetz seines Seins, während wir in dem Übermut unserer Unwissenheit das Gesetz der Natur verleugnen. Doch ich habe denen, die keinen Glauben haben, kein intellektuelles Argument zu bieten.

Wenn Sie einmal Gottes Dasein annehmen, so ist die Notwendigkeit des Betens unausweichlich. Lassen Sie uns nicht den überheblichen Anspruch erheben, unser ganzes Leben sei ein Gebet, und deshalb brauchten wir uns nicht zur bestimmten Stunde zum Beten hinzusetzen. Selbst Menschen, die jederzeit in Übereinstimmung mit dem Unendlichen waren, erhoben keinen solchen Anspruch. Ihr Leben war ein beständiges Beten, und trotzdem beteten sie — für uns, können wir annehmen — zu bestimmten Stunden und erneuerten täglich ihr Treuegelöbnis zu Gott. Gott besteht natürlich niemals auf dem Gelöbnis, doch wir müssen unser Gelübde täglich erneuern, und ich versichere Ihnen, daß wir dann von allem erdenklichen Übel im Leben frei sein werden
. (,,The Nation‘s Voice”)
Aus: Vom Geist des Mahatma. Ein Gandhi-Brevier. Herausgegeben von Fritz Kraus S.191f.
Holle Verlag, Baden-Baden


In früher Jugendzeit lehrte man mich die in den Schriften der Hindus erwähnten tausend Namen Gottes wiederholen. Aber bei diesen tausend Namen konnte es noch lange nicht bleiben. Wir glauben — und ich halte es für wahr —‚ daß Gott so viele Namen hat, wie es Geschöpfe gibt, weshalb wir wiederum Gott namenlos nennen. Und da Gott viele Formen hat, bezeichnen wir ihn auch als formlos, wir nennen ihn sprachlos, weil er mit so vielen Zungen zu uns spricht, usw. Als ich dann den Islam zu studieren begann, fand ich, daß auch dort Gott viele Namen führt. Ich könnte mich wohl auch denen anschließen, die da sagen: »Gott ist die Liebe. « Aber in meinem tiefsten Inneren sprach doch immer eine Stimme, daß Gott vor allem die Wahrheit ist und daß man ihn so bezeichnen muß, wenn die menschliche Zunge ihn am erschöpfendsten beschreiben will. Zu diesem Schluß bin ich auf meiner fortgesetzten, nimmer rastenden, nun fast 50 Jahre dauernden Suche nach Wahrheit gelangt. Ich fand dabei, daß man durch Liebe der Wahrheit am nächsten kommt. Aber das Wort Liebe hat im Englischen viele Bedeutungen, und menschliche Liebe im Sinne von Leidenschaft ist tiefer Erniedrigung fähig. Auch fand ich, daß Liebe im Sinne von ahimsâ nicht viele Jünger in der Welt zählt. Aber in bezug auf Wahrheit fand ich nie eine doppelsinnige Bedeutung, und selbst die Atheisten haben nichts gegen die Notwendigkeit oder die Macht der Wahrheit vorzubringen. Wohl aber haben die Atheisten in ihrer leidenschaftlichen Suche nach Wahrheit nicht gezögert, das Dasein Gottes zu leugnen, und zwar von ihrem eigenen Standpunkt aus mit Recht. Aus dieser Erwägung heraus sah ich, anstatt zu sagen: »Gott ist die Wahrheit«, sollte ich lieber sagen: »Die Wahrheit ist Gott.«...

Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, daß man millionenfach sich des Namens Gottes bedient hat, um unsägliche Greueltaten zu begehen. Allerdings tun das im Namen der Wahrheit nur zu oft auch die Wissenschaftler. Ich weiß, daß durch die Vivisektion unmenschliche Grausamkeiten im Namen der Wahrheit und Wissenschaft an Tieren ausgeübt werden. So stellen sich, wie immer man Gott auch beschreiben will, uns stets Schwierigkeiten in den Weg; aber der menschliche Geist ist eben begrenzt, und dieser Grenzen muß man sich bewußt bleiben, wenn man an ein Wesen denkt, dessen Größe zu erfassen Menschenkraft übersteigt.

Dann lautet auch ein Satz der indischen Philosophie: »Gott allein ist, nichts anderes weset«, und die gleiche Wahrheit findet sich mit Beispielen belegt und stark betont im Kalâm des Islam. Es ist auch hier ausgesprochen: »Gott ist, und nichts anderes weset.« Ja, in der Tat, im Sanskrit bedeutet »Wahrheit« wörtlich: das, welches weset — sat. Deshalb und aus anderen Gründen, die ich noch anführen könnte, bin ich zum Schluss gekommen, dass die Definition: »die Wahrheit ist Gott« am meisten befriedigt. Will man aber in der Wahrheit Gott finden, so ist das einzige, unumgängliche Mittel dazu die Liebe, d.h. die Nicht-Gewalttätigkeit, und da ich glaube, daß letzten Endes Mittel und Zweck auswechselbare Ausdrücke sind, zögere ich nicht mehr, auch zu sagen: »Gott ist die Liebe.«

Was ist dann aber Wahrheit? Eine schwierige Frage, die ich mir so gelöst habe: »Wahrheit ist, was die innere Stimme mir sagt. « Ihr werdet einwerfen: woher dann aber verschiedene und einander widersprechende Wahrheiten? Nun, da der menschliche Geist mit unzähligen Mitteln arbeitet und seine Entwicklung mannigfache Wege geht, folgt daraus, daß wohl für den einen Wahrheit sein mag, was für den anderen Unwahrheit ist. So sind wir durch Erfahrung zu dem Schlusse gekommen, daß gewisse Bedingungen beim Anstellen solcher Versuche eingehalten werden müssen. Ganz so wie für die auf wissenschaftlichem Gebiete angestellten Versuche Schulung unerläßlich ist, muß man sich, will man Versuche im geistigen Bereiche vornehmen, erst einer strengen, einleitenden Disziplin unterziehen. Jeder sollte daher der ihm gesteckten Grenzen eingedenk sein, bevor er von seiner inneren Stimme redet. Wir hegen den auf Erfahrung gestützten Glauben, daß ein jeglicher, der die Wahrheit, d.h. Gott suchen will, mehrere Gelübde auf sich nehmen muß: das der Wahrhaftigkeit, der Keuschheit, der Nicht-Gewalttätigkeit, der Armut und der Besitzlosigkeit; denn die Liebe zu Wahrheit und Gott kann unmöglich mit der zu etwas anderem geteilt werden. Kann man sich diese fünf Gelübde nicht zumuten, so läßt man sich besser gar nicht auf den Versuch ein. Noch mehrere andere Bedingungen sind außerdem zu achten, auf die ich hier aber nicht eingehen will; genug, wenn ich sage, wir Kundigen wissen: nicht jedem ist es gegeben, die Stimme des Gewissens klar reden zu hören, und gerade weil jetzt jeder diesen Anspruch erhebt, ohne sich vorher irgendwelcher Schulung unterworfen zu haben, wird ja soviel Unwahrheit der verwirrten Welt gepredigt. In aller Demut kann ich euch nur das Eine sagen: nur jemand, der einen ausgesprochenen Sinn für Demut hat, kann hoffen, die Wahrheit zu finden. Wollt ihr euch von den Wogen des Ozeans der Wahrheit treiben lassen, so müßt ihr euch bescheiden, zur Null zu werden; mehr kann ich euch von diesem verlockenden Wege heute nicht sagen.
Zitiert aus Gandhi, der Heilige und Staatsmann in eigenen Aussprüchen. Ausgewählt und eingeleitet von B.P.L. Bedi und F.M. Houlston 1933
Enthalten in: Die Söhne Gottes, Aus den heiligen Schriften der Menschheit, (S.97-99)
Auswahl und Einleitungen von Gustav Mensching, R. Löwit . Wiesbaden


Es ist dem Menschen nicht gegeben, die ganze Wahrheit zu erkennen. Seine Aufgabe besteht darin, auf die Wahrheit hin zu leben, so wie er sie erkennt, und dabei zu den reinsten Mitteln zu greifen, nämlich zur Gewaltlosigkeit. Wahrheit kann nicht in Büchern gefunden werden. Wahrheit wohnt in jedem menschlichen Herzen, und man muß hier nach ihr suchen und sich von Wahrheit leiten lassen, wie man sie sieht. Doch niemand hat das Recht, andere zu zwingen, nach seiner eigenen Wahrheits-Sicht zu handeln.

Da jedermanns Wahrheits-Sicht der Natur der Sache nach fragmentarisch ist, kann niemand für seine Anschauung Endgültigkeit oder Unfehlbarkeit beanspruchen und muß jeder bereit sein, die Möglichkeit einzuräumen, daß die Anschauung anderer Menschen von ihrem Standpunkt aus wahr sein kann. Das führt zu Toleranz gegenüber fremden Ansichten, die einer der Hauptaspekte der Gewaltlosigkeit ist ...

Mein ganzes Leben ist durchtränkt mit dem Geiste der Religion. Ich könnte ohne Religion nicht einen einzigen Augenblick leben. Manche meiner politischen Freunde verzweifeln an mir, weil sie finden, daß sogar meine Politik von meiner Religion herstammt. Und sie haben recht damit. Meine Politik und alle meine sonstigen Betätigungen stammen von meiner Religion her. Ich gehe noch weiter und sage, daß alle Tätigkeit eines religiösen Menschen von seiner Religion herstammen muß; denn Religion bedeutet Gottverbundenheit, will sagen: Gott beherrscht jeden Atemzug. Wer diese Wahrheit anerkennt, bei dem regelt natürlich Gott jederlei Tun.

Der Glaube an die Wahrheit und Gleichheit aller Religionen ist meine Grundeinstellung seit Jahren gewesen. Im Hintergrund steht der Gedanke, daß man nicht Richter der Welt sein kann. Es hat Verschiedenheit in der Welt gegeben und wird sie geben. Gott ist allmächtig. Er erscheint unter verschiedenen Gestalten und Gesichtern. Wenn wir suchen, werden wir so viele Religionen finden, wie es Menschen gibt. Hunderte von Menschen sind nur bestrebt, die Wahrheit zu erkennen. Sie werden die Wahrheit auf ihre Weise anwenden. Nicht zwei Menschen werden sie in gleichlautenden Ausdrücken erfassen. Es wird Menschen geben, welche die Wahrheit nicht in der gleichen Formel zu erfassen vermögen wie ich. Obwohl ich erkenne, daß Gott der Allmächtige in jedem von uns wohnt, sind wir unvollkommene Medien. Wir sind alle verschieden. Nicht zwei Körper sind genau die gleichen ...

Aus: Vom Geist des Mahatma. Ein Gandhi-Brevier. Herausgegeben von Fritz Kraus S.185f.
Holle Verlag, Baden-Baden

Ich verstehe Gott als das universale Gesetz
Ich glaube nicht, dass Gott ein persönliches Wesen ist in dem Sinne, wie wir persönliche Wesen sind. Ich verstehe Gott als das universale [allumfassende, alleingültige] Gesetz. Aber Gott kann nicht in seiner Fülle beschrieben werden. Wir menschlichen Wesen beschreiben ihn in unserem eigenen Vokabular. Gott ist ebenso das Gesetz wie der Gesetzgeber. Die beiden sind eines. Im Buddhismus wird Gott als das Gesetz beschrieben. Manche Leute sagen, der Buddhismus sei atheistisch. Ich habe nie so gedacht...

Für mich ist Gott Wahrheit und Liebe; Gott ist Ethik und Moralität; Gott ist Furchtlosigkeit. Gott ist die Quelle
[Urgrund, Ursprung, Urenergie] von Licht und Leben, und doch ist er über und jenseits von all diesem. Gott ist Gewissen. . . Er ist ein persönlicher Gott für jene, die seine persönliche Anwesenheit nötig haben. Er hat Gestalt angenommen für jene, die seine Berührung nötig haben. Er ist die reinste Wesenheit. Er ist nur für jene, die Glauben haben. Er ist allen alles. Er ist in uns und doch über und jenseits von uns...

Ich kenne Krishna nicht als eine geschichtliche Gestalt, sondern als eine Verkörperung der Vollkommenheit [sagte Gandhi zu christlichen Zuhörern]. Seine Vorstellung hat den Hinduismus revolutioniert. Wie sie wirkt, ist mehr, als ich sagen kann, und niemand kann sie erklären. Der Geist des Hinduismus hat diese Idee entwickelt. Der Hinduismus befindet sich noch in der Entwicklung. Tatsächlich entwickeln sich alle Religionen. Der Hinduismus, wenn nicht der Zarathustrismus, ist die älteste aller lebenden Religionen. ... Krishna als eine Verkörperung Gottes hat das Leben Tausender von Menschen verändert. Das ist eine offensichtliche geschichtliche Tatsache.

Die Veränderung dauert auch heute noch fort. .. . Es ist nicht der Jesus der Geschichte, der in Wirklichkeit über das Leben der Christen herrscht; es ist der Jesus ihrer eigenen Vorstellung, der dies tut. Der Gott meiner Vorstellung regiert mein Leben, und nicht der Gott Ihrer Vorstellung.

Aus: Vom Geist des Mahatma. Ein Gandhi-Brevier. Herausgegeben von Fritz Kraus S.184f.
Holle Verlag, Baden-Baden

Gut und Böse
Gottes Hand ist hinter dem Guten, aber in Gottes Hand ist nicht nur das Gute. Seine Hand ist ebenso hinter dem Übel. Gut und Übel ist unsere eigene unvollkommene Sprache. Gott steht über Gut und Übel. ... Übel ist das Gute und Wahre am falschen Ort. Es hat für sich kein eigenständiges Dasein, sondern ist nur das Wahre und Gute am falschen Ort.

Es ist unmöglich, dass etwas besteht, ohne dass Gott es zulässt. Er macht manche Dinge verkehrt, die wieder zurecht gebracht werden müssen...

Gott ist Einer, ohne einen Zweiten. Er allein ist. Er ist undefinierbar. In Wirklichkeit gibt es keinen Gott, der mit Satan im Kampfe liegt; aber wir haben die Vorstellung geschaffen, es finde ein Kampf zwischen Gott und Satan statt.

Wir sind es, die Gedanken am Leben erhalten, und wiederum sind wir selbst es, die sie verjagen. Wir haben also gegen uns selbst zu kämpfen. Daher haben die Schriften gesagt, es gebe einen Streit in der Welt. Dieser Streit findet in den Gedanken statt, nicht in der Wirklichkeit. Wir können uns selbst jedoch nur in der Welt behaupten bei der Annahme, der imaginäre Streit finde wirklich statt.

Aus: Vom Geist des Mahatma. Ein Gandhi-Brevier. Herausgegeben von Fritz Kraus S.185
Holle Verlag, Baden-Baden


Gott hat keine Gestalt und kein Geschlecht S.98
Gott ist einer. Er hat weder Gestalt noch Form. Wir sind sein Spiegel. Wenn wir geradlinig und rein sind, spiegelt er sich in uns so wider. Wenn wir jedoch krumm und befleckt sind, erleidet auch Sein Bild diese Verzerrung. Es ist daher unsere Aufgabe, in jeder Hinsicht klar und rein zu bleiben.


Ohne Gestalt und ohne Form, ist er das Gesamt aller Eigenschaften und zugleich völlig ohne Eigenschaften. Warum sollte Gott dann männlichen Geschlechts sein? Das ist nur eine Frage der Grammatik. Gott, der nach unserer Auffassung formlos ist, ist weder männlich noch weiblich. S.60
Aus: Mahatma Gandhi, Quellen des inneren Friedens, Worte für einen Freund
Herder/Spektrum Band 5029 - Lizenzausgabe des Verlages Neue Stadt, München . Zürich . Wien
Originaltitel: Wer den Weg der Wahrheit geht, stolpert nicht
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Verlages Neue Stadt

Göttliche Kraft
Der göttlichen Macht kann sich nichts widersetzen. S.54

Wahre Hilfe kann nur von Gott kommen. Aber Gott hilft nur durch die Vermittlung anderer
. S.59

Die Kraft, mit der ein Zug fährt, ein Flugzeug fliegt und der Mensch lebt, ist göttliche Kraft, wie immer man sie benennen mag.
Der Zug wird nicht von der Dampfmaschine bewegt; das Flugzeug wird nicht durch den Motor zum Fliegen gebracht; und ebensowenig lebt der Mensch durch das mechanische funktionieren des Herzens.
S.61
Aus: Mahatma Gandhi, Quellen des inneren Friedens, Worte für einen Freund
Herder/Spektrum Band 5029 - Lizenzausgabe des Verlages Neue Stadt; München . Zürich . Wien
Originaltitel: Wer den Weg der Wahrheit geht, stolpert nicht
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Verlages Neue Stadt


Gott ist nicht eine Person. Die Behauptung, er steige, auch heute noch, immer wieder auf die Erde herab in Gestalt eines Menschen, ist eine Teilwahrheit, die nur die Bedeutung hat, daß ein solcher Mensch näher bei Gott lebt. Soweit Gott allgegenwärtig ist, wohnt er in jedem Menschen, und jedermann kann deshalb als seine Inkarnation gelten. Aber das bringt uns nicht weiter. Rama, Krishna usw. werden Gottes Inkarnationen genannt, weil wir ihnen göttliche Eigenschaften zuschreiben. In Wirklichkeit sind sie Schöpfungen der menschlichen Einbildungskraft. Ob sie tatsächlich lebten oder nicht, macht für die Vorstellungen der Menschen von ihnen nichts aus. Die historischen Ramas und Krishnas bieten oft Schwierigkeiten, die durch alle möglichen Argumente überwunden werden müssen.

Die Wahrheit ist, dass Gott die Kraft ist. Er ist das Wesen des Lebens. Er ist die reine und unbefleckte Erkenntnis. Er ist ewig. Und doch — seltsam genug — sind nicht alle fähig, irgendwelches Heil aus dieser allesdurchdringenden Lebenskraft zu schöpfen oder in ihr zu wohnen.

Elektrizität ist eine wunderbare Kraft. Aber nicht jeder kann von ihr Nutzen haben. Sie kann nur nach ganz bestimmten Gesetzen produziert werden. Sie ist eine leblose Kraft. Der Mensch kann sie benutzen, wenn er hart genug arbeitet, um sich die Kenntnis ihrer Gesetze anzueignen.

Die lebende Kraft, die wir Gott nennen, kann in ähnlicher Weise gefunden werden, wenn wir sein Gesetz erkennen und befolgen, das uns zu seiner Entdeckung in uns anleitet. Doch es versteht sich von selbst, daß es eine weit härtere Arbeit erfordert, Gottes Gesetz zu finden. Das Gesetz kann mit einem Wort bezeichnet werden:
Brahmacharya. Der direkte Weg, Brahmacharya zu erreichen, ist Ramanama. Ich kann dies aus Erfahrung sagen.
.. (»Harijan, 22.6.47.«)
Aus: Vom Geist des Mahatma. Ein Gandhi-Brevier. Herausgegeben von Fritz Kraus S.189
Holle Verlag, Baden-Baden


Glaube und Gottvertrauen
Wir haben keinen Bestand außerhalb und abseits von Gott.

Der Mensch für sich ist nichts. Aber wenn er mit Gott eins wird, ist er alles.

Gott ist allgegenwärtig. Daher kommt es, daß Er zu uns spricht durch die Steine, Bäume, Insekten, Vögel, Tiere usw.

Wir existieren, weil Gott ist. Daraus ersehen wir, daß der Mensch, oder überhaupt alle Lebewesen, Teil des Göttlichen ist.

Wenn alles Gott gehört, was sollen wir ihm anbieten und opfern?

Gott ist überall. Doch wenn wir sein Sein wirklich fühlen wollen, müssen wir das Ich zurückstellen und Platz machen für Ihn.

Wenn das Selbst stirbt, füllt Gott die Leere auf.

Wenn wir Gott unseren Erlöser nennen und unsere Unempfindlichkeit wachsen lassen, begehen wir eine Sünde.

Wenn du vor Gott bestehen willst, mußt du das Kleid des Egoismus ablegen. Dann kannst du vor ihn treten.

Wenn Gott in unseren Herzen wohnt, können wir keine bösen Gedanken hegen oder böse Taten begehen.
Was immer wir tun, wir sollen es nicht tun, um irgend jemandem zu gefallen oder nicht zu gefallen, sondern allein, um Gott zu gefallen.

Wer dem Gesetz Gottes gehorcht, wird sich nie um ein anderes Gesetz kümmern, das dem göttlichen Gesetz entgegensteht.

Den Durst eines Menschen ohne Wasser zu löschen und die Seele zufriedenzustellen ohne Gott: beides ist gleichermaßen unmöglich.

Gottes Wort ist: ,,Ich bin, war und werde immer sein, ich bin überall und in allem.“ Wir wissen das, und doch wenden wir uns ab von Gott, suchen Zuflucht im Vergänglichen und Unvollkommenen und begeben uns so ins Elend. Ist das nicht unglaublich?

An Gott zu glauben sollte das Einfachste auf der Welt sein, und doch scheint es das Schwierigste zu sein.

Einer hat Gott auf seiner Seite; Tausende haben Satan auf der ihren. Muß deshalb der eine die Tausenden fürchten?

Wer kann die Freude beschreiben, die darin liegt, bei Gott Zuflucht zu finden?

Wer Gott als Begleiter hat, warum sollte der traurig oder ängstlich sein oder nach einem anderen Begleiter Ausschau halten?

Wer Gott auf seiner Seite hat, hat alles. Wer alles auf seiner Seite hat außer Gott, hat nichts.
Was willst du noch mehr, wenn der Himmel und Gott selbst in dir sind?

Wenn alle dich verlassen, Gott wird dennoch mit dir sein.

Wir denken an Gott, wenn es uns gutgeht; aber wahrhaft fromm ist nur der, der sich Seiner auch dann erinnert, wenn alles schiefgeht.

Der wahre Glaube bleibt unerschütterlich auch in Unglück und Not.

Der Mensch weiß sehr wohl, daß es angesichts des Todes keinen Trost gibt, außer bei Gott, und doch zögert er, seinen Namen auszusprechen! Warum nur?

Wer Gott vergißt, vergißt sich selbst.

Wer die Existenz Gottes verneint, verneint sich selbst.

Wir können nichts recht machen, solange wir nicht mit innerem Licht gesegnet sind.

Wenn die innere Lampe brennt, erhellt sie die ganze Welt.

Wenn das Herz eines Menschen erfüllt ist vom Licht des Himmels, verlieren sich alle Hindernisse auf seinem Weg.
Aus: Mahatma Gandhi, Quellen des inneren Friedens, Worte für einen Freund, S.52-53, 58-59, 62
Herder/Spektrum Band 5029 - Lizenzausgabe des Verlages Neue Stadt, München . Zürich . Wien
Originaltitel: Wer den Weg der Wahrheit geht, stolpert nicht
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Verlages Neue Stadt

Religion
Nur wenn Religion zu einem integralen Bestandteil des Lebens eines Menschen wird, kann sie Religion genannt werden. Sie ist nicht äußerlich wie eine Hülle.

Religion besteht nicht darin, dies zu essen oder dessen sich zu enthalten, sondern allein in der Erkenntnis Gottes in einem selbst.

Religion ist das, was alles umfaßt. Mit anderen Worten: Religion durchdringt das Leben in all seinen Aspekten und zu allen Zeiten.

Es gibt in der Tat so viele Religionen, wie es Menschen gibt. Aber wenn man der Religion jedes einzelnen auf den Grund geht, findet man, daß in Wirklichkeit die Religion eine ist.

Eine Religion, die von dieser Welt keine Notiz nimmt und nur auf die jenseitige aus ist, verdient nicht diesen Namen.

Wie könnte das Religion sein, was nichts mit dem täglichen Leben zu tun hat?

Religion ist nicht irgend etwas abseits vom Leben. Das Leben selbst sollte als Religion betrachtet werden.

Leben, getrennt von der Religion, ist nicht menschliches Leben, es ist tierisches Leben.

Religion ist keine Religion mehr, wenn sie mechanisch wird.

Wahre Religion kennt keine Landesgrenzen.

Dadurch, daß es sich das Kleid der Religion anzieht, wird das Laster nicht zur Tugend.

Für die Religion zu sterben ist eine gute Sache; für den Fanatismus aber darf man weder sterben noch leben.

Wir sollen anderen Religionen dieselbe Ehrfurcht entgegenbringen wie unserer eigenen: Toleranz allein ist zuwenig.
Aus: Mahatma Gandhi, Quellen des inneren Friedens, Worte für einen Freund S.62f.
Herder/Spektrum Band 5029 - Lizenzausgabe des Verlages Neue Stadt, München . Zürich . Wien
Originaltitel: Wer den Weg der Wahrheit geht, stolpert nicht
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Verlages Neue Stadt


Fortsetzung