Andreas Gryphius, eigentlich Andreas Greif (1616 – 1664)

  Deutscher Dichter des Barock, der von persönlichen leidvollen Erfahrungen (Dreißigjähriger Krieg, Glaubensverfolgung) geprägt, mit seinen Oden, Sonetten und Trauerspielen seiner tiefgreifend pessimistischen Überzeugung von der belanglosen Nichtigkeit und Vergänglichkeit alles Irdischen Ausdruck gab.

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und Kirchenlexikon

Inhaltsverzeichnis

An Gott den Heiligen Geist
Es ist alles Eitel
Menschliche Elende
Ebenbild unseres Lebens
Das letzte Gerichte
Die Hölle
Ewige Freude der Außerwehlten
  Verleugnung der Welt
GOtt dem Heiligen Geiste

Christus
Vber die Geburt Jesu
An den gecreutzigten Jesum

An Gott den Heiligen Geist
O Feuer wahrer Lib! O Brunn der guten Gaben!
O Meister aller Kunst! O Höchste Heilikeit!
O dreymal grosser GOtt! O Lust / die alles Leid
Vertreibt! O keusche Taub! O Furcht der Höllen Raben!
Die / eh das wüste Meer / mit Bergen rings umbgraben /
Ehr Lufft und Erden ward / eh das gestirnte Kleid
Dem Himmel angelegt / vor Anbegin der Zeit /
Die zwey / die gantz dir gleich / von sich gelassen haben:
O Weißheit ohne Maß; O reiner Seelen Gast!
O teure Gnaden-Quell' / O Trost in herber Last!
O Regen / der in Angst mit Segen uns befeuchtet!
Ach laß ein Tröpfflein nur von deinem Lebens-Tau
Erfrischen meinen Geist! Hilff dass ich doch nur schau’
Ein Füncklein deiner Glutt! so bin ich gantz erleuchtet
. S.3

Es ist alles Eitel
DV sihst / wohin du sihst nur Eitelkeit auff Erden.
Was diser heute baut / reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn / wird eine Wisen seyn /
Auff der ein Schäfers-Kind wird spilen mit den Herden:
Was itzund prächtig blüht / sol bald zutretten werden
Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein /
Nichts ist / das ewig sey / kein Ertz / kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an / bald donnern die Beschwerden.
Der hohen Thaten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spil der Zeit / der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles diß / was wir vor köstlich achten /
Als schlechte Nichtikeit / als Schatten/ Staub und Wind;
Als eine Wisen-Blum / die man nicht wider find't.
Noch will was Ewig ist kein einig Mensch betrachten
! S.5

Menschliche Elende
WAs sind wir Menschen doch? ein Wohnhauß grimmer Schmertzen
Ein Ball des falschen Glücks / ein Irrlicht diser Zeit.
Ein Schauplatz herber Angst / besetzt mit scharffem Leid /
Ein bald verschmeltzter Schnee und abgebrante Kertzen.
Diß Leben fleucht davon wie ein Geschwätz und Schertzen.
Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes Kleid
Vnd in das Todten-Buch der grossen Sterblikeit
Längst eingeschriben sind / sind uns aus Sinn und Hertzen.
Gleich wie ein eitel Traum leicht aus der Acht hinfällt /
Vnd wie ein Strom verscheust / den keine Macht auffhält:
So muß auch unser Nahm / Lob / Ehr und Ruhm verschwinden /
Was itzund Athem holt /muß mit der Lufft entflihn /
Was nach uns kommen wird / wird uns ins Grab nachzihn
Was sag ich? wir vergehn wie Rauch von starcken Winden
. S.6

Ebenbild unseres Lebens
Auff das gewöhnliche Königs-Spiel
DEr Mensch das Spil der Zeit / spilt weil er allhie lebt.
Im Schau-Platz diser Welt; er sitzt / und doch nicht feste.
Der steigt und jener fällt / der suchte der Paläste /
Vnd der ein schlechtes Dach / der herrscht und jener webt.
Was gestern war ist hin / was itzt das Glück erhebt;
Wird morgen untergehn / die vorhin grüne Aeste
Sind numehr dürr und todt / wir Armen sind nur Gäste
Ob den ein scharffes Schwerdt an zarter Seide schwebt.
Wir sind zwar gleich am Fleisch / doch nicht von gleichem Stande
Der trägt ein Purpur-Kleid / und jener grabt im Sande /
Biß nach entraubtem Schmuck / der Tod uns gleiche macht.
Spilt denn diß ernste Spil: weil es die Zeit noch leidet /
Vnd lernt: daß wenn man von Pancket des Lebens scheidet:
Kron / Weißheit / Stärck und Gut / bleib ein geborgter Pracht
. S.8

Das letzte Gerichte
AUff Todten! auff! die Welt verkracht in letztem Brande!
Der Sternen Heer vergeht! der Mond ist dunckel-rott /
Die Sonn' ohn allen Schein! Auff / ihr die Grab und Kott
Auff! ihr die Erd und See und Hellen hilt zu Pfande!
Ihr die ihr lebt komm't an: der HErr / der vor in Schande
Sich richten liß / erscheint / vor Ihm laufft Flamm' und Noth
Bey Ihm steht Majestätt / nach ihm / folgt Blitz und Tod /
Vmb ihn / mehr Cherubim als Sand an Pontus Strande.
Wie liblich spricht Er an / die seine Recht' erkohren.
Wie schrecklich donnert Er/ auff dise / die verlohren.
Vnwiderrufflich Wort / kommt Freunde / Feinde fliht!
Der Himmel schleust sich auff! O GOtt! welch frölich scheiden,
Die Erden reist entzwey. Welch Weh / welch schrecklich Leiden.
Weh / Weh dem / der verdam't: wol dem / der JEsum siht
! S.19

Die Hölle
Ach! und Weh!,
Mord! Zetter! Jammer / Angst / Creutz! Marter! Würme! Plagen.
Pech! Folter! Hencker! Flamm! Stanck! Geister! Kälte! Zagen!
Ach vergeh!
Tiff' und Höh’!
Meer! Hügel! Berge! Felß wer kan die Pein ertragen?
Schluck Abgrund! ach schluck' ein! die nichts denn ewig klagen.
Je und Eh!
Schreckliche Geister der tunckelen Hölen / ihr die ihr martret und Marter erduldet
Kan denn der ewigen Ewikeit Feuer / nimmermehr büssen diß was ihr verschuldet?
O grausamm' Angst stets sterben / sonder sterben!
Diß ist Flamme der grimmigen Rache / die der erhitzete Zorn angeblasen:
Hir ist der Fluch der unendlichen Straffen / hir ist das immerdar wachsende Rasen:
O Mensch! Verdirb / umb hir nicht zu verderben.
S.19f.

Ewige Freude der Außerwehlten
O! wo bin ich! O was seh' ich / wach ich? träumt mir? wie wird mir?
Jesu! welcher Wollust Meer überschwemmt mein frölich Hertz /
Welt Ade! Glück zu mein Trost! Gutte Nacht Tod!/ Angst und Schmertz /
Ich find alles: alles lern ich! alles schau' ich HERR in dir /
Ich zuschmeltz in lauter Wonne! JEsu! JEsu. Meine Zir!
O wie herrlich ists hir seyn! Erde deine Freud ist Schertz!
JEsu! ewig-gläntzend Licht! (tunckel ist der Sonnen Kertz!)
Ach! wie funckeln deine Schaaren! Sternen fliht! hir schimmern wir.
Ihr / die ihr Glutt und Schwerdt verlacht! ob schon eur Leib würd Staub und, Aschen /
Ihr / die ihr euer reines Kleid habt in dem Blutt des Lambs gewaschen /
Rufft Hallelujah! Hallelujahl Freud und Leben!
Dir dreymal einig Ewigkeit; die alles in allen beherschet und zihret:
Sey unaußsprechlich Lob und Ruhm / und Ehre die dir nur alleine gebühret.
Dir / die sich ewig / (Hallelujah!) uns wil geben
.
S.20

Verleugnung der Welt
WAs frag ich nach der Welt! sie wird in Flammen stehn:
Was acht ich reiche Pracht: der Tod reißt alles hin!
Was hilfft die Wissenschafft / der mehr denn falsche Dunst:
Der Libe Zauberwerck ist tolle Phantasie:
Die Wollust ist fürwahr nichts als ein schneller Traum;
Die Schönheit ist wie Schnee‘ / diß Leben ist der Tod.

2. Diß alles stinckt mich an / drumb wündsch ich mir den Tod!
Weil nichts wie schön und starck / wie reich es sey / kan stehn
Offt / eh man leben wil / ist schon das Leben hin.
Wer Schätz‘ und Reichthumb sucht: was sucht er mehr als Dunst.
Wenn dem der Ehrenrauch entsteckt die Phantasie:
So traumt ihm / wenn er wacht / er wacht und sorgt im Traum.

3. Auff meine Seel / auff! auff! entwach aus disem Traum!
Verwirff was irrdisch ist / und trotze Noth und Tod!
Was wird dir / wenn du wirst für jenem Throne stehn /
Die Welt behülfflich seyn? wo dencken wir doch hin?
Was blendet den Verstand? sol diser leichte Dunst
Bezaubern mein Gemüt mit solcher Phantasie?

4. Bißher! und weiter nicht! verfluchte Phantasie!
Niehts werthes Gauckelwerck. Verblendung-voller Traum!
Du Schmertzen-reiche Lust! du folter-harter Tod!
Ade! ich wil nunmehr auff freyen Füssen stehn
Vnd treten was mich tratt! Ich eile schon dahin;
Wo nichts als Warheit ist. Kein bald verschwindend Dunst.

5. Treib ewig helles Licht der dicken Nebel Dunst
Die blinde Lust der Welt: die tolle Phantasie
Die flüchtige Begird‘ und diser Gütter Traum
Hinweg und lehre mich recht sterben vor dem Tod.
Laß mich die Eitelkeit der Erden recht verstehn
Entbinde mein Gemüth und nim die Ketten hin.

6. Nim was mich und die Welt verkuppelt! nim doch hin
Der Sünden schwere Last: Laß ferner keinen Dunst
Verhüllen mein Gemüth / und alle Phantasie
Der Eitel-leeren Welt sey für mir als ein Traum
Von dem ich nun erwacht! und laß nach disem Tod
Wenn hin! Dunst / Phantasie / Traum! Tod / mich ewig stehn
. S.96f.


GOtt dem Heiligen Geiste.
1. SATZ.
WIe die Erden schmacht und brennet /
Wie die Blume sinckt und fällt
Wie der Garten sich verstellt
Wie die Wise sich verkennet/
Wenn die erhitzte Sann mit ihren Mittags Flammen
Den Kreyß der Welt ansteckt;
So! wenn des Höchsten Zorn wil tödten und verdammen;
Wenn uns die Angst erschreckt:
Wenn uns die heisse Noth verzehret:
Wenn uns die bange Furcht beschweret:
Denn wil uns Krafft und Mutt verschwinden:
Denn ist kein Hertz in uns zu finden.


1. GEGENSATZ.
Doch wenn ein nicht harter Regen
Disen Durst der Felder lescht.
Vnd die dürren Kräuuter wäscht/
Wenn die Winde sich bewegen:
Vnd kühlen Lufft und See mit angenehmen Spilen/
Bald lebt was vorhin todt.
So: wenn wir deinen Trost! GOtt! höchste Weißheit fühlen:
Dann lachen wir in Noth.
Wenn uns dein Allmachts Tau erquicket:
Wenn uns dein Libe-Wind anblicket:
Wenn deines Segens Regen netzet:
So fleucht / was jmals uns verletzet.


1. ZUSATZ.
Vil hat die Höll! vil ein Tyrann‘ erschrecket;
Du grosser Geist hast sie noch mehr gestärckt.
Vil hat die Pein der Folter Banck gerecket:
Man hat in ihrem Hertzen dich vermerckt.
Vi sind bedeckt mit Purpurrottem Blutt!
Gewisen in die Glutt:
Ihr Fleisch verfil / doch ihnen wuchs der Mutt
Durch dich / du höchstes Gutt.


2. SATZ.
Geist / durch den die Geister leben!
Geist / durch den die Weißheit lehrt:
Geist / durch den man JEsum ehrt:
Geist / der rechten Trost kan geben.
Wenn uns der Strom der Angst biß in den Abgrund reisset:
Wenn uns der Feind ansticht.
Geist / durch den unser GOtt uns seine Kinder heisset
Vnd frey von Schulden spricht:
Durch dessen Krafft wir können beten.
Vnd für des Höchsten Augen treten:
Durch dessen Hülffe wir obsigen:
Wenn uns Anfechtung wil bekrigen.

2. GEGENSATZ.
Ach! Erwecke meine Seele:
Wende meinen Vnverstand
Zeige den / den GOtt gesandt /
Reiß mich aus der Jammer-Höle /
In welcher mein Gemüt verschlossen und verhüttet
Vnd sonder Ende zagt.
In der des Höchsten Zorn mit heissem Eyver wüttet
Vnd mein Gewissen nagt:
Ich zitter: Hilff mir den erbitten /
Der seine Donner aus wil schütten!
Ich kämpffe: Hilff mir überwinden!
Ich irre / laß den Weg mich finden
.

2. ZUSATZ.
Du weist! daß ich durch mich nichts kan vollbringen:
Ich weiß daß du durch mich kanst alles thun:
Drumb bitt ich HErr! Laß meiner Faust gelingen
Was du befihlst: biß daß mein Fleisch wird ruhn.
Gib weil das Blutt sich in den Adern regt /
Ein Hertz daß nichts bewegt:
Gib wenn mein Geist / diß Fleisch sein Hauß ablegt
Was die / die selig / trägt.
S.97ff.
Aus: Andreas Gryphius, Gedichte. Eine Auswahl. Text nach der Ausgabe letzter Hand. Herausgegeben von Adalbert Elschenbroich
Reclams Universalbibliothek Nr. 8799 © 1968 Philipp Reclam jun., Stuttgart