Alois Höfler (1853 – 1922)
 

Österreichischer Philosoph, Psychologe und Pädagoge, der von Meinong beeinflusst ist. Gegenstand der Psychologie sind nach Höfler die psychischen Erscheinungen, die durch innere Wahrnehmung mit einleuchtender Klar- und Gewissheit festgestellt werden können. Seele und Leib sind verschieden und stehen miteinander in Wechselwirkung. Wohl gegen Mach gerichtet, befürwortet er eine Philosophie der Physik, die nach seiner Auffassung auf dem Boden des Realismus und der mechanischen Naturauffassung notwendig ist.

Siehe auch Wikipedia und Austrian-Philosophy

Das religiöse Gefühl
Ernste Wissbegierde (nicht bloße Neugierde) eines also hinter die Philosophie auf den Philosophen blickenden Lesers wird oder müsste auch in solchen letzten Dingen, über die jetzt selbst beste Freunde einander intime persönliche Bekenntnisse abzulegen meist vermeiden, vor allem zur Kenntnis nehmen, was denn ein einzelner Philosoph unter Wörtern wie »Religion«, »konservativ« u. dgl. allererst versteht, ehe er sie auf sein eigenes Glauben oder Nichtglauben, Mittun, Nichtmittun oder Gegenwirken anwendet.

Und auf eine solche Nicht-mehr-nur-Neugierde antworte ich für meine Person am einfachsten, indem ich aus meiner Psychologie, § 73, folgende Sätze wiedergebe, wie ich es auch tue in dem gleichzeitig erscheinenden Beitrag zum Neunten Schopenhauerjahrbuch »Schopenhauer 1929-2020«. Hier nenne ich es ein großes Verdienst Schopenhauers, seinen Altruismus über die Mitmenschen hinaus nachdrücklich erweitert zu haben auf alle Mitwesen, deren Wohl und Wehe wir mitfühlen und denen wir darum zu »helfen« gewillt sind. Wir können dann die Erweiterung des Omnes juva in die Formel fassen: Omnia juva . . . . Gehen wir aber noch einen Schritt weiter und sagen: Omne juva - Greif helfend ein in das All - hilf der Gottheit (Platon: der »Idee des Guten«) ihren »Willen wie im Himmel also auch auf Erden« verwirklichen -, so haben wir die Grenze der ethischen Gefühle erreicht und überschritten und sind eingetreten in das Gebiet der religiösen Gefühle.

In der Neubearbeitung meiner
Psychologie (§ 73, Religiöse Gefühle) stelle ich die Frage: »Wie ist es psychologisch zu beschreiben und zu begreifen, daß - unbekümmert um alle sonstige Uneinigkeit in Sachen der Religion - sich dennoch Volk und Forscher darin einig sehen, neben anderen großen Klassen von Wertgefühlen, insbesondere der sittlichen Gefühle, eine in sich selbst wieder sehr reiche Mannigfaltigkeit von Gefühlen unter dem Namen der religiösen. zusammenfassen und als in mehr oder weniger bestimmten Hinsichten eigenartig anzuerkennen?« Und ich finde die Antwort wesentlich darin, dass, während der nur Ethische seine Liebesgefühle beschränkt auf seine Mitmenschen, die Tiere und vielleicht noch einen Teil der übrigen Natur, also innerhalb der endlichen Grenzen des unmittelbar Erfahrbaren (nicht erst Erschließbaren oder »zu Ahnenden«) auch die Grenzen seiner Liebeskraft findet - dagegen der auch Religiöse zu lieben vermag über alle Endlichkeit und über alles Erfahrbare hinaus. Darum wundert sich der Nichtreligiöse, wie man denn lieben könne, was man nicht kennt. -

Ich hoffe, dass diese Analyse des Begriffes
»religiöse Gefühle« wenigstens einen Teil dieser seelischen Erscheinungen trifft, auch wenn sie nicht das Ganze des geheimnisvollen Gegenstandes »Religion« ausschöpfen wird. Und vielleicht kann sogar, wer religiöses Fühlen und Glauben allem Wissen und aller Wissenschaft, auch der philosophischen, auf immer fremd, ja feind hält, immerhin noch zugeben, dass es ein minder beschränkter, ein (wieder bis ins Philosophische), erweiterter Gesichtskreis ist, der auch noch jenes Unendliche und die ihm zugewendeten Gefühle in den Kreis seines Erkennens zieht; jedenfalls ein weiterer, als der Gesichtskreis der in diesen Dingen ganz Bedürfnislosen, wie z. B. Mach es zu sein von sich gerühmt und andern empfohlen hat (ich habe deshalb diesen »nur beschreibenden« Physiker-Philosophen in Psychologie, § 73, verglichen mit dem eigentümlich bedürfnislosen, übrigens höchst respektablen Tischler in Gottfried Kellers »Grüner Heinrich«).
S.27-28
Aus: Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen. Herausgegeben von Dr. Raymund Schmidt.
Zweiter Band: Erich Adickes / Clemens Baeumker / Jonas Cohn / Hans Cornelius / Karl Groos / Alois Höfler / Ernst Troeltsch / Hans Vaihinger . Leipzig / Verlag von Felix Meiner / 1921