Irenäus (115 – 202)
Griechischer Kirchenvater und Bischof von Lyon (seit 177/78). Für Tertullian war Irenäus »der Mann der großen Erleuchtung«, für Eusebius »der Zeuge der Wahrheit« und für Epiphanius »der Streiter voll himmlischer Gnadengaben im Glanz des Heiligen Geistes«. In seinem Hauptwerk »Die Entlarvung und Widerlegung der fälschlich so genannten Gnosis« ( Fünf Bücher gegen die Häretiker) bekämpfte er entschieden diese vom Glauben der Kirche abweichende Lehre. In dieser in geheimen Philosophenzirkeln entstandenen »Irrlehre« wurden vom Christentum entlehnte, aber eben ihrem Wesen nach unchristliche Gedanken gepredigt. Ihre Urheber hatten die Lehre von der Weltschöpfung aus dem Alten Testament aufgegriffen, diese aber dann in ihrem Sinne »verbessert«: Der Urschöpfer des Guten kann nicht selbst der Demiurg dieser bösen, unvollkommenen, entsetzlichen Welt sein — so lehrten sie —, denn das verträge sich mit keinerlei Begriff von Allmacht. Eine ganze Reihe von Zwischengliedern und Geistern sei nötig, um so etwas erklärlich zu machen, und nur wer diese Zwischenglieder kennt, ist wahrhaft weise, kann das Böse von sich fernhalten, sich von dem Übel bewahren und hat echte Erkenntnis ... Kurz, Apollonius von Tyana, Hermes Trismegistos, die griechisch-jüdischen Mystiker- und Symboldeuterschulen Alexandriens hatten auf das junge Christentum ihre Wirkung getan; was im Johannes-Evangelium noch schlichtes Zeugnis der Wahrheit war — die Lehre vom Zeugenden Wort —, ist hier zu schwülstiger Namensakrobatik missbraucht, Basilides hatte volle 365 voneinander abgestufte himmlische Sphären für sein phantastisches System göttlicher Kräfte in Anspruch genommen, während Valentin sich mit 30 »Äonen« begnügte (das waren Urgeister, einschließlich Gott-Urvater, dem Sohn, der Liebe, der Vernunft, der Wahrheit, dem Wort, dem Geist, dem Heiligen Geist — und zusammen bildeten sie das »Pleroma«, d.h, die Fülle der Geisterwelt). So war nun eine pseudochristliche Gnosis entstanden, eine Mischung von neu platonischer Philosophie, persischen Mysterienkulten, jüdischen Schöpfungslehren, aIexandrinisch-symbolischen Deutungskünsten — und fehlgedeutetem Johannes-Evangelium.Durch seine erstmalige Zusammenfassung des ganzen von den Aposteln empfangenen Glaubens gilt Irenäus als »Vater der katholischen Dogmatik« - Heiliger; (Tag: 28. 6.). Siehe auch Wikipedia, Heiligenlexikon und Kirchenlexikon |
Inhaltsverzeichnis
Gnosis
Logos
Lehre von der Seelenwanderung
Gottes Heilsplan
Christus
Menschensohn - Gottessohn
Aus der Schrift
gegen die Häretiker
Gnosis
I., 1. Leute gibt es, die der Wahrheit die Tür weisen, um lieber die Lüge
hereinzurufen... . Sie locken viele Menschen auf Irrwege. Als ob sie etwas Höheres
und Größeres zu zeigen hätten als Den, der Himmel und Erde erschaffen
hat und Dem alles, was darinnen zu finden ist, sein Dasein verdankt, lenken
sie unter dem Deckmantel einer angeblichen Wissenschaft, die sie »Gnosis«
— Erkenntnis — nennen, viele Menschen von der wahren Erkenntnis
ab und machen sie blind für den Urheber der Ordnung und Schönheit
des Weltalls. Wie Ratgeber leiten sie die Harmlosen auf verschlungene Wege des
Suchens durch viele kunstreiche Worte, bis niemand mehr Lüge von Wahrheit
zu unterscheiden vermag, und dann stürzen sie die Ratlosgewordenen ins
Verderben, treiben sie bis zur Gottlosigkeit, ja zu Lästerungen gegen den
Weltenschöpfer selbst.
Vor ihnen uns zu hüten hat der Herr uns befohlen. Darum halte ich es für
notwendig, Dich, mein Vielgeliebter, mit diesen »wunderbaren und tiefen
Geheimnissen« vertraut zu machen, die kaum jemand fassen kann, es sei
denn, er hätte zuvor seinen Verstand verloren, Meine Quellen sind die Kommentare
der sogenannten Valentinianer, also die Schüler des Valentinus, aber auch
Äußerungen einiger anderer (Gnostiker) mit denen ich persönlich
zusammentraf. Teile das getrost allen mit, die bei Dir sind, und ermahne sie,
sich vor diesem Abgrund des Unsinns zu hüten..
Die Valentinianer lehren also, in unsichtbaren und unnennbaren Höhen habe
es einst einen urvollkommenen Äon gegeben, der vor allem war. Den nennen
sie Uranfang, Urvater, Tiefe. Er sei unsichtbar, und niemand könne ihn
fassen. Und da er unfaßbar, unsichtbar, ewig und unerzeugt sei, so habe
er auch unermessliche Zeiten lang in tiefster Ruhe verharren können.
Mit diesem Uranfang zugleich habe aber auch die Ennoia angefangen, die sie auch
Charis nennen (doch woher kam sie?). Nun sei, so lehren diese Leute, jener Ur-Äon
einmal auf den Gedanken verfallen, seine »Tiefe«, Bythos, von sich
aus — als Anfang aller Dinge — auszusenden. Und dieser Sproß,
den er von sich auszugeben im Sinne gehabt habe, sei von ihm wie ein Samen in
den Mutterschoß der bei ihm befindlichen Ennoia oder Charis eingesenkt
worden. Durch solche Empfängnis schwanger, habe sie dann den Nous geboren,
den Verstand, die Ratio — kurz, etwas, das seinem Erzeuger offenbar ähnlich
oder sogar irgendwie gleich gewesen sei, allein imstande, die Größe
des Vaters ganz zu erfassen. Diesen Nous also nennen sie wiederum Vater und
auch Anfang aller Dinge. Mit ihm zusammen sei auch — als sein Zwilling
— die Wahrheit geboren worden oder vielmehr »das Unvergeßbare«:
A-Letheia . . .
Der Nous soll dann weiter den Logos und die Zoe hervorgebracht haben, das Wort
und das Leben, und wieder nennen sie auch diese den Vater aller Dinge und die
Mutter des gesamten Weltalls. Aus diesen sei dann in ehelicher Verbindung auch
der Mensch entstammt und auch die Kirche (als pure Geister, also Äonen)
. . .
Diese acht Äonen, zur Verherrlichung des Vaters hervorgebracht, hätten
nun weiter den Vater verherrlichen wollen, und so seien der Verbindung von Logos
und Zoe, nach der Erzeugung des Menschen und der Kirche, zehn weitere Äonen
entsprossen: Bythios und Myxix, Ageratos und Henosis, Autophyes und Hedone,
Akinetos und Synkrasis, Monogenes und Makaria (ihnen allen offenbar genau bekannt:
lauter Äonen, also Geister) . . .
Auch der Mensch habe aber, mit der Kirche, ebenfalls Äonen gezeugt —
und deren zwölf hervorgebracht: Parakletos und Pistis, Patrikos und Elpis,
Metrikos und Agape, Äinous und Synesis, Ekklesiastikos und Makariotes,
Theletos — und Sophie.
Das sind also zusammen dreißig Äonen, die geheimnisvollen, nicht
zu verratenden Äonen ihrer Irrlehre... und deswegen, sagen sie, habe der
Erlöser (denn Herr wollen sie ihn nicht nennen) auch dreißig Jahre
lang ein verborgenes Leben geführt und dadurch das Geheimnis dieser dreißig
Äonen angedeutet. Nach ihrer Ansicht weist übrigens auch die Parabel
vom Weinberg und den Arbeitern der letzten Stunde auf diese dreißig Äonen
in aller Deutlichkeit hin; die einen werden doch zur ersten, die anderen zur
dritten, noch andere zur sechsten, zur
neunten, schließlich die letzten zur elften Stunde ausgesandt, und die
genannten Stunden ergeben, zusammengezählt, eben dreißig! Nichts
ist einleuchtender: Das können nach ihnen nur Äonen sein....
1., 6. Der Mensch, so sagen sie, bestehe aus drei Elementen. Das Materielle
gehe notwendig zugrunde, da es keine Spur von Unsterblichkeit in sich aufzunehmen
vermag. Das Seelische, das zwischen dem Körperlichen und dem Geistigen
gelegen ist, gehe dorthin, wohin dieses letztere sich hinneigen wird, das Geistige
soll aber durch Vermählung mit dem Seelischen gestaltet, erzogen emporgehoben
werden.
Seelisch erzogen werden alle die, welche auf ihre Werke und auf ihren schlichten
Glauben bauen und keine vollkommene Erkenntnis besitzen; das sind wir von der
Kirche, denen allerdings zur Seligkeit auch gute Werke vonnöten sind. Sie
aber, sie brauchen das nicht, sie haben ja die Erkenntnis, sie werden also nicht
erst durch gute Werke, sondern schon durch ihre geistige Natur auf jeden Fall
selig. Denn wie das Materielle unmöglich selig wer den kann, da es der
Seligkeit gar nicht fähig ist, genauso könne das Geistige —
und dazu rechnen sie sich selbst — unmöglich verdammt werden, welche
Taten auch immer es begangen habe; das Gold im Kot bewahre ja auch seine Schönheit
....
Daher tun auch die Vollkommensten unter ihnen alles Verbotene ohne Scham. ...
sie dienen maßlos den Lüsten des Fleisches und behaupten, man müsse
eben das Fleisch dem Fleisch und den Geist dem Geiste darbringen..., sie schänden
heimlich die Weiber, die sie in ihrer Lehre unterrichten..., und Frauen, in
die sie sich verliebt haben, entreißen sie dem rechtmäßigen
Gemahl öffentlich und ohne Scheu. . . oder sie geben vor, mit ihnen nur
wie mit Schwestern verkehren zu wollen, so lange, bis dann die Schwester vom
Bruder schwanger geworden ist und man sie dabei ertappt.
... Sie reden den Unverständigen wortwörtlich vor: Wer in der Welt
der Gnosis lebt und kein Weib liebt, so dass dasselbe bezwungen wird, der stammt
nicht aus der Wahrheit und kann auch nie zur Wahrheit gelangen. Wer aber aus
der Welt der Psyche ist und vom Weibe bezwungen wird, der kann nicht zur Wahrheit
kommen, eben weil er der Begierde zum Weib erlegen ist. So behaupten sie, daß uns, den Psychikern, die von dieser Welt sind und nicht von der Welt der Gnosis,
auch Enthaltsamkeit und gute Werke unentbehrlich sind, um dadurch an den Ort
der Mitte zu gelangen; sie aber, die Geistigen, die Gnostiker, die alle Erkenntnis
haben, sind Vollkommene; sie brauchen so etwas nicht...
1., 9, 1. Auf solche Art betrügen sich die Leute selbst, vergewaltigen
die Heiligen Schriften und suchen sie ihren Hirngespinsten um jeden Preis anzupassen.
... Ich habe Dir ihre Faseleien nur vorgeführt, damit Du daraus erkennen
sollst, wie hinterlistig sie betrügen, wie böse und zugleich wie dumm
sie sind.
Logos
2 ... aber ihre Schlußfolgerungen sind nichts weiter als Unfug. Wenn Johannes
einen allmächtigen Schöpfergott und Christus Jesus als dessen eingeborenen
Sohn verkündet, durch den alles gemacht worden ist, und wenn er weiter
diesen Sohn als das Wort Gottes bezeichnet, als den Ihm eingeborenen Urheber
aller Dinge, und als das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kurz, als
den Urheber der Welt — als Den, der in Sein Eigentum eintrat und Fleisch
geworden ist und als solches unter uns wohnte —, so verkehren jene offensichtlich
den richtigen Sinn; sie unterscheiden den eingeborenen Sohn in Hinsicht auf
seinen Ursprung, den sie auch seinen Anfang nennen, vom Heiland; sie lassen
den Logos gar einen Sohn des Erstgeborenen sein, und den Christus — also
noch einen anderen — zur Wiederherstellung des »Pleroma« ausgezogen
sein, also zur Wiederherstellung der Gemeinschaft und Fülle der Geisterwelt!
Kurz, sie reißen alle Schriftworte auseinander und von aller Wahrheit
los, sie mißbrauchen die Namen und geheimnissen ihre eigenen Erdichtungen
und Verschrobenheiten hinein.... Nach ihren Voraussetzungen wäre gar nicht
das Wort Fleisch geworden, da es ja nicht einmal aus dem Pleroma herauskam,
sondern der Heiland der Weltordnung sei das gewesen, der jünger sein soll
als der Logos. ... Und doch ist Jesus selbst das Wort Gottes, das Fleisch geworden
ist, unter uns wohnte und für uns gelitten hat.... Alle diese Bezeichnungen,
das Wort, der Eingeborene, das Leben, das Licht, der Heiland, Christus und der
Sohn Gottes, der Fleisch geworden ist, deuten auf ein und dasselbe, und jene
wahnwitzige Achtheit gibt es nicht....
Lehre
von der Seelenwanderung
II., 32, 1. Ihre Lehre von der Seelenwanderung ist durch die Tatsache widerlegt,
daß sich keine Seele mehr an das erinnern kann, was vordem gewesen ist.
Und doch, wenn die Seelen dazu herumgesandt würden, um sich durch Erfahren
und Erleiden zu läutern, dann müßten sie sich auch an das Vergangene
erinnern können, um das Fehlende nachzuholen und um nicht elend immer wieder
dasselbe zu erleiden... (denn ohne Erinnerung gibt es auch keine Läuterung)...
die Seele müßte also wissen, wo sie so lange Zeiten verbracht hat,
während all der verflossenen Leben — da sie sich sogar der flüchtigen
Augenblicke zu erinnern vermag, in denen sie während eines Traumes den
Körper verließ....
Um solche Einwände zu widerlegen, hat schon der vielbewunderte Athener
Platon — der die Lehre von der Seelenwanderung aus dem Osten einführte
— es immerhin für nötig erachtet, so etwas wie einen »Becher
der Vergessenheit« zu erfinden.... Ohne jeden Beweis stellte er das Dogma
auf, die Seelen würden vor ihrem Eintritt in dieses Leben durch einen Dämon
mit Vergessenheit getränkt. Wenn aber das Trinken aus dem Becher der Vergessenheit
alle Erinnerung auslöscht — woher weiß denn dann Platon, daß
seine Seele aus diesem Becher trank, ehe sie in seinen Körper kam?
Auch die Propheten haben sehr wohl behalten, was sie in ihren geistigen Visionen
von himmlischen Dingen sahen oder hörten. Nach der Ekstase wieder auf die
Erde zurückgekehrt, haben sie es den anderen verkündet. Keineswegs
hat diese Rückkehr in den Körper bewirkt, daß die Seelen vergaßen,
was sie geistig geschaut hatten.... Denn der Leib ist keineswegs stärker
als die Seele. Nur von ihr wird er belebt und bewegt.... Der Körper ist
einem Werkzeug ähnlich, die Seele können wir mit dem Künstler
vergleichen... Wenn sie aber keinerlei Ahnung vom Vergangenen hat und alle ihre
Kenntnisse von hienieden existierenden Dingen nur in diesem Leben empfängt,
dann war sie auch niemals in anderen Körpern ... Vielmehr hat jeder von
uns seine eigene Seele, genau wie er auch vermöge göttlicher Anordnung
seinen eigenen Leib empfängt.
II., 34, 1. Daß die Seelen nicht von einem Leib in den anderen hinüberwechseln,
sondern fortdauern und sogar den besonderen Charakter des Körpers, zu dem
sie gehörten, unverändert weiterbewahren, sich auch der Werke erinnern,
die sie hier vollbracht haben und nun nicht mehr ändern können, das
lehrte uns mit größter Deutlichkeit der Herr selbst in Seiner Erzählung
vom reichen Mann und vom armen Lazarus, der im Schoß Abrahams ruhte (Luc.
16, 19 ff.). Denn in dieser Geschichte wiedererkennt der reiche Mann den Lazarus
nach dem Tode ... Hierdurch ist deutlich gezeigt, daß die Seelen nicht
von Körper zu Körper übergehen, sondern ihre menschliche Gestalt
beibehalten, um erkannt zu werden, und daß sie in ihrer Fortdauer sich
auch irdischer Begebenheiten erinnern ...
Könnte aber nicht jemand an dieser Stelle einwenden, es sei ganz unmöglich,
daß die Seelen — deren Existenz also erst vor kurzem mit dem Leben
begonnen hätte — sehr lange Zeit fortdauern? Denn wenn sie unsterblich
sind, dann müssen sie doch auch ungezeugt sein! Haben sie aber einen Anfang
genommen durch Zeugung — dann müssen sie auch mit dem Körper
sterben!
Darauf ist zu erwidern, daß ohne Anfang und ohne Ende allein der Allerhöchste
ist. Nur Gott ist ganz unveränderlich immer derselbe und ewig; alles aber,
was von Ihm erschaffen worden ist, alles, was überhaupt gemacht ist, nimmt
in der Entstehung seinen Anfang und kann nur gemäß dem Willen des
Schöpfers fortdauern ... und weil also Gott allein Leben und Fortdauer
verleiht, darum können die Seelen, die zunächst nicht da waren, weiterdauern,
wenn Gott es will, daß sie weiterbestehen, und sie werden bleiben, solange
Gott solche Existenz und Fortdauer will ...
Nicht aus uns nämlich noch aus unserer Natur kommt das Leben; es wird uns
gemäß der Gnade Gottes gegeben. Wer das Geschenk des Lebens gut bewahrt
und sich dankbar gegenüber seinem Schöpfer erweist, der wird in Ewigkeit
die Länge der Tage immer und immer wieder neu empfangen. Wer es aber von
sich wirft und seinem Schöpfer undankbar wird — und wer den Geber
nicht erkennt und auch nicht seine Gnade —, der beraubt sich selbst der
Fortdauer in Ewigkeit. Deshalb spricht der Herr zu solchen Undankbaren: Wenn
ihr nicht einmal im Kleinen treu bleiben konntet, was wird man euch dann noch
Großes geben können? (Luc. 16, 11). Wer also dieses kurze irdische
Leben Dem, der es gab, mit Undank lohnte, der wird gerechterweise die Länge
der Tage in Ewigkeit nicht von Gott empfangen....
II., 35, 1. Außerdem wird der gute Basilides gemäß seiner Lehre
wohl gezwungen sein, nicht bloß die geringe Zahl von 365 Himmeln anzunehmen,
die alle voneinander abstammen, sondern eine unendliche Menge solcher Himmel,
die entstanden wären, entstünden und entstehen müßten,
und er wird niemals damit aufhören können, denn wenn überhaupt
nach dem Bilde des ersten Himmels aus diesem ein zweiter hervorginge und aus
dem zweiten ein dritter usw. — dann müßte doch auch aus unserem
sichtbaren Himmel, den er den letzten nennt — warum eigentlich? —,
wieder ein anderer hervorgegangen sein oder hervorgehen und aus diesem dann
wieder ein anderer, und die Schöpfung als solche dürfte niemals ein
Ende nehmen....
Wenn andere darauf hinweisen, daß im Hebräischen mehrere verschiedene
Bezeichnungen für Gott gebraucht werden, wie Herr der Heerscharen, Zebaoth,
Elohim, Adonai und noch viele andere, und daß sich daraus etwa verschiedene
Götter zu ergeben scheinen, so könnten sie sehr wohl wissen, daß
dies alles nur immer verschiedene Namen und Bezeichnungen für den oft genug
als solchen bezeichneten Einig-Einzig-Ewigen sind. Auch die Verkündigungen
der Propheten stimmen mit unseren Ausführungen überein, die Belehrungen
des Herrn, die Worte der Apostel, die Predigten der Missionare, die kirchlichen
Gesetze: sie alle bekennen den Einig-Einzigen-Ewigen Gott und nie einen anderen....
Gottes
Heilsplan
III., 1, 1. Durch niemand anderen als durch die, von denen das Evangelium bis
auf uns gelangt ist, haben wir etwas über Gottes Heilsplan erfahren. Darum
sollte, was sie zuerst gepredigt und dann nach dem Willen Gottes uns schriftlich
überliefert haben, auch das Fundament und die Grundsäule unseres Glaubens
werden. Frevelhaft wäre wohl, zu behaupten, sie hätten gepredigt,
bevor sie vollkommene Kenntnis dessen erlangten, was sie künden. Gerade
das anzunehmen erfrechen sich aber alle, die es wagen, die Apostel verbessern
zu wollen. Nicht eher sind diese ausgezogen, allen die frohe Botschaft zu bringen,
bis an die Grenzen der Erde, und den himmlischen Frieden allen Menschen zu verkünden,
als bis unser Herr von den Toten auferstanden war und sie alle die Kraft des
Heiligen Geistes empfangen hatten. Denn dieser war dann über sie gekommen.
Dadurch nur empfingen sie die Fülle von allem und die vollkommene Erkenntnis,
und so besitzt auch jeder einzelne von ihnen das Evangelium Gottes....
Sie alle aber lehren uns EINEN Gott als Schöpfer des Himmels und der Erde,
wie Ihn Gesetz und Propheten verkündet hatten, und EINEN Christus als den
Sohn Gottes. Wenn also jemand ihnen nicht glaubt, dann verachtet er die Mitgenossen
des Herrn, verachtet auch Ihn, Christus, den Herrn, und verachtet Ihn, den Vater,
und ist durch sich selbst gerichtet, weil er dem eigenen Heil hartnäckig
widerstrebt. Aber so tun eben alle Häretiker. . .
III., 3, 1. Die von den Aposteln in der ganzen Welt verkündete Überlieferung
kann jeder in jeder Kirche erfahren, wenn er die Wahrheit erfahren will. Und
wir könnten die von den Aposteln eingesetzten Bischöfe der einzelnen
Kirchen alle aufzählen und ihre Nachfolger bis auf unsere Tage. Alle diese
haben von den Wahngebilden der Häretiker nichts gehört. Und doch:
Wenn die Apostel irgendwelche verborgenen Geheimnisse gekannt hätten, die
etwa in besonderem, geheimzuhaltendem Unterricht nur den Auserwählten weiterzugeben
gewesen wären, den Vollkommenen, den Reinen — dann hätten sie
wohl solche Geheimnisse am ehesten jenen übermittelt, denen sie sogar ihre
Kirche anvertrauten, den Bischöfen. Ganz vollkommen und untadelig in allem
sollten nach ihrem Wunsch gerade diese sein, denen sie ihren Lehrstuhl übergaben
und die sie als ihre Nachfolger zurückließen. Denn vom guten oder
schlechten Verhalten gerade dieser Männer hing sehr viel für das Wohl
und Heil der Ihrigen ab!
III., 3, 3 Nachdem also die seligen Apostel die Kirche gegründet und gefestigt
hatten, übertrugen sie zur Verwaltung der Kirche das römische Bischofsamt
dem Livius. Paulus selbst nennt diesen Livius in einem Brief an Timotheus. Auf
Livius folgte Anaclet, nach diesem als dritter erhielt Klemens das Bischofsamt;
dieser Klemens hatte noch die Apostel selbst gesehen und mit ihnen persönlich
Umgang gehabt, noch mit eigenen Ohren ihre Predigten vernommen, ihren Lehren
gelauscht. Überhaupt lebten damals noch viele, denen die Unterweisungen
der Apostel selbst noch zuteil geworden waren. Als in jenen Tagen unter den
Brüdern in Korinth ein nicht unwesentlicher Kirchenstreit ausgebrochen
war, griff die römische Kirche unter diesem Klemens ein: Sie sandte ein
sehr nachdrückliches Schreiben an die Korinther, ermahnte sie eindringlich
zum Frieden, frischte ihren Glauben auf und umschrieb genau die allein echte
Überlieferung, so wie sie dieselbe unmittelbar von den Aposteln empfangen
hatte. Sie wiederholte, es gibt einen allmächtigen Gott, nur EINEN, der
Himmel und Erde erschaffen hat, der den Menschen gebildet, die Sintflut geschickt,
den Abraham berufen hat, der das Volk aus Ägypten geführt, zu Moses gesprochen, das Gesetz gegeben, die Propheten ausgesandt, dem Teufel aber und
den gefallenen Engeln das ewige Feuer bereitet hat. Auch daß dieser selbe
Einig-Einzige-Ewige Gott es ist, der als Vater unseres Herrn Jesus Christus
von den Kirchen verkündet wird, und dass dies als die echte apostolische
Überlieferung aufzufassen ist, kann jeder, der es nachlesen will, aus jenem
selben Brief entnehmen. Und dieser Brief ist älter als alles, was sich
die neuen Falsch- und Fabellehrer über den Weltenschöpfer und Demiurgen
und über noch einen anderen Gott, der darüberstehe, so fleißig
zusammengelogen haben.
Auf den eben genannten Klemens folgte dann Evaristos, nach diesem kam Alexander,
als sechster seit den Aposteln wurde dann Sixtus auf den Bischofsstuhl Roms
berufen, sodann Telesphorus, glorreich als Märtyrer, dann Hyginus, dann
Pius und schließlich Anicetus. Und nachdem Soter diesem Anicetus gefolgt
war, hat jetzt — als zwölfter seit den Aposteln — Eleutherius (175—189) den römischen Bischofsstuhl bestiegen. In dieser Reihenfolge
ist die apostolische Überlieferung der Kirche bis auf uns gekommen. Der
Beweis muß also als vollkommen geschlossen anerkannt werden, daß
es genau derselbe lebenspendende Glaube ist, den die Kirche unmittelbar von
den Aposteln empfing, bis jetzt bewahrte, um uns die volle Wahrheit zu überliefern....
Dasselbe lehrte übrigens auch Polykarp, stets so, wie er es selbst von
den Aposteln gehört und der Kirche überliefert hat. Und er hatte es
überdies nicht allein bei den Aposteln gelernt, denn ihm war auch noch
unmittelbarer Umgang mit vielen anderen vergönnt gewesen, die unseren Herrn
Jesus Christus noch gesehen haben, und die Apostel selbst setzten ihn zum Bischof
von Smyrna und für ganz Kleinasien ein. Auch ich habe noch diesen Mann
in meiner Jugend gesehen, denn er lebte sehr lange und erlitt erst in hohem
Greisenalter ein überaus ruhmreiches und denkwürdiges Martyrium. Mit
seiner Lehre stimmen alle Kirchen in Asien überein....
III., 3, 4 Unter Anicet führte Polykarp bei seinem Aufenthalt in Rom viele
Häretiker in die Kirche zurück, indem er predigte, die Wahrheit, die
er empfangen habe, stamme unmittelbar und einzig nur von den Aposteln her und
es sei genau dieselbe, die von der Kirche direkt überliefert werde. Noch
leben die Ohrenzeugen, die ihn selbst erzählen hörten, wie Johannes,
der Schüler des Herrn, einst in Ephesus ein Bad nehmen wollte, aber plötzlich,
beim Anblick des Cerinth, der zufällig auch dort war, unverrichteterdinge
wieder heraussprang, denn — so rief er aus — er müsse fürchten,
die Kolonnen der Badeanstalt würden einstürzen, weil ein Feind der
Wahrheit sich unter ihnen befinde.... Polykarp antwortete einmal auch dem Marcion,
als dieser ihn fragte: »Kennst du mich?«, mit dem Ausruf: »Jawohl,
ich kenne dich, du bist der Erstgeborene des Satans!« So groß war
also die Furcht der Apostel und ihrer Schüler, auch nur ein Wort mit denen
zu wechseln, die es auf die Verdrehung und Schändung der Wahrheit abgesehen
hatten.
III., 6, 2 Kein anderer also heißt Gott und Herr und wird von uns so genannt
als nur jener allerhöchste Einig-Einzige Gott und Herr, der auch zu Moses
sprach: »Ich bin, Der ich bin — sage den Söhnen Israels, Der,
welcher ist, hat mich zu euch gesandt.« Sein Sohn ist Jesus Christus,
unser Herr, der die zu Söhnen Gottes macht, die an Seinen Namen glauben....
III., 16, 1. Einige behaupten aber, Jesus wäre nur ein Gefäß
Christi gewesen, Christus sei auf ihn herabgestiegen wie eine Taube, um dann
unbegreiflich und unsichtbar wieder in das »Pleroma der Geister«
einzugehen, nachdem er den unwandelbaren Vater auf Erden verkündet hatte.
Nicht nur die Menschen hätten dies Wiederverschwinden nicht bemerkt, sondern
nicht einmal die Mächte und Kräfte des Himmels. Nur dieser Jesus sei
der Sohn, Christus aber der Vater — und Christi Vater sei der alleinige
Gott. Andere wieder sagen, daß Er nur dem Augenschein nach wirklich gelitten
habe, in Wirklichkeit aber leidensunfähig sei. ... und die Valentinianer
behaupten gar, der verheißene Jesus sei durch Maria hindurchgegangen,
und auf ihn sei dann der »obere Erlöser« herabgestiegen, den
sie auch Christus nennen, weil er die Namen aller trage, die ihn ausgesandt
hätten. Dieser sei es, der dann den Verheißenen an seiner Kraft und
an seinem Namen habe Anteil nehmen lassen, damit der Tod durch ihn zerstört
und der Vater mit Hilfe des Erlösers, der von oben herabgestiegen war,
auch von uns erkannt werde — und den nennen sie Gefäß Christi...
so bekennen sie zwar mit der Zunge einen Christus Jesus, spalten ihn aber durch
ihre Lehre in unübersehbare Teile auf.
III., 18, 1. ... Somit haben wir klar erwiesen, daß das Wort, welches
im Anfang bei Gott war und durch welches alles gemacht worden ist und das schon
immer bei dem Geschlecht der Menschen geweilt hat, jetzt — in den letzten
Zeiten — mit seinem Geschöpf sich vereinte und zu einem leidensfähigen
Menschen wurde gemäß der vom Vater bestimmten Frist. Dadurch ist
die Widerrede all derer entkräftet, die behaupten, wenn Christus in der
Zeit geboren wurde, so könne Er nicht zugleich vor aller Zeit sein, und
es gäbe eine Zeit, in der Er noch nicht war. Nun haben wir aber gerade
gezeigt, daß der Sohn Gottes, der schon immer bei dem Vater gewesen ist,
eben nicht erst damals seinen Anfang genommen hat...
Enthalten in: Christliche Geisteswelt, Band I, Die
Väter der Kirche . Herausgegeben von Walter Tritsch (S.49-60)
Holle Verlag , Darmstadt
Fortsetzung