Andreas Christian Justinus Kerner (1786 – 1862)

 Deutscher Arzt und Dichter, der als zentrale Persönlichkeit der »Schwäbischen Dichterschule« gilt und mit Ludwig Uhland, Gustav Schwab und Franz von Baader befreundet war. Kerner, der seit 1819 in Weinsberg lebte, erbaute dort das »Kernerhaus«. Er verfasste einfache Gedichte, Erzählungen und Märchen, die zur Spätromantik gerechnet werden. Mit Vorliebe befasste er sich mit parapsychologischen Fragen (Somnambulismus, tierischer Magnetismus etc.). Er beherbergte die Kaufmannsfrau Friederike Hauffe und beobachtete über mehrere Jahre hinweg ihre medialen Erlebnisse (Mitteilungen über paranormale Träume und Visionen sowie von ihr provozierte psychokinetische Phänomene), die er in dem Buch »Die Seherin von Prevorst« eingehend beschrieb.

Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon

 

Aus »Der Seherin von Prevorst«

Das Schauen
Über das Geistersehen
Die innere Sprache
Trennung des Geistes im Sterben
  Vom Nervengeist
Das Mittelreich
Telekinetische Spukerscheinungen

 

Das Schauen
Über das Schauen drückte sich die Seherin mit Hinweisung auf jene Kreise also aus:

»Der Sonnenzirkel (Kreis) ist die Welt, unser Sonnenkreis, und diesen hat jeder Mensch in sich auf dem Lebenszirkel (Kreis) der Seele. Wie im Sonnenzirkel diese Welt liegt, so liegt im Lebenszirkel eine ganz andre höhere, daher die Ahnungen, die in einem jeden Menschen von einer höhern Welt liegen. Im Schauen tritt der Geist aus dem Lebenszirkel (Lebenskreis) heraus und in das Zentrum des Sonnenkreises hinein, und da ist dann dasjenige Schauen, was die Menschen fassen und begreifen können, dem Menschen aber jetzt dunkler wurde, als es ihm ehemals war. Hier schaut der Mensch dann die Welt. in der er ist, in ihrem eigentlichsten Wesen, ohne Schleier und Scheidewand zwischen ihm und den Dingen, welcher Schleier und Scheidewand sich sonst zwischen ihn und dieselben stellt.

Schaut der Geist länger in dieses Zentrum des Sonnenkreises, so schaut er aber nur wie ein Blitzstrahl, zugleich von diesem Zentrum auch in das Zentrum des Lebenskreises. Dieses letztere Schauen nimmt der Geist mit sich in seinen Sitzpunkt im Lebenszirkel und trägt es aber dann in diesem, ohne es aussprechen zu können, ohne Bewusstsein, nur wie eine Ahnung da in sich. Dieses Schauen, das viel tiefer ist, also das - bloß im Zentrum des Lebenszirkels, das der Geist wohl auffassen, aber nicht von sich geben kann, hat der Geist nur, wenn er in den Sonnenzirkel geht und von dem Zentrum desselben in das Zentrum des Lebenszirkels, sein eigenes Zentrum, sieht, er hat es nie bloß in seinem Zentrum.

In diesem seinem eigenen Zentrum sieht er wohl nichts andres, als eine andre höhere Welt, die wir nicht begreifen und nicht fassen, die der Mensch aber ebenso im Lebenszirkel in sich trägt, wie er die Welt, in der er lebt, im Sonnenzirkel in sich trägt. Daher in jedem Menschen, wie schon gesagt, die Ahnungen von einer solchen höheren Welt. Ein Somnambules kann kein andres Schauen aussprechen, als dasjenige im Zentrum des Sonnenkreises, und das bezieht sich allein auf unsern Sonnenkreis und aufs Mittelreich, das in unserm Luftraum ist usw. Das tiefere Schauen im Zentrum des Lebenszirkels hat noch keine Somnambule ausgesprochen.

Bei der Trennung des Geistes von der Seele im Tode könnte es der Geist der Seele noch aussprechen, wäre er nicht so unmächtig gemacht.« S. 138-139
Aus: Justinus Kerner, Die Seherin von Prevorst, J. F. Steinkopf Verlag Stuttgart


Über das Geistersehen
Das Sehen der Geister (so drückte sich unsre Seherin teils schriftlich, teils mündlich über ihr Sehen von Geistern aus) kann von Menschen, die im Gehirne, oder von solchen, die auf der Herzgrube leben, momentan geschehen, aber immer geschieht es mit dem geistigen Auge durch das fleischliche.
Der Mensch kann zwar wohl mit der Seele Ahnungen und Gefühle von geistigen Dingen haben, aber nie wird es zum Schauen kommen. Wird aber der Geist durch die Seele aufgeregt, so können Ahnungen und das Sehen der Geister hervortreten, welches dann bei Menschen, die nur im Gehirne leben, momentan ist und ihnen das Gehirn sogleich wieder wegstreiten kann.

Sieht man sie aber, wie ich sie sehe, oder hat man das Leben so auf der Herzgrube, wie ich es habe, so kann man sich weder selbst dieses Sehen wegstreiten, noch kann es von andern geschehen.

Gewiss male ich mir diese Gestalten nicht selbst aus, denn ich habe nicht die mindeste Freude an ihnen; im Gegenteil, dieses unglückselige Schauen ist mir ganz zuwider, auch denke ich nie an sie, außer ich sehe sie, oder man fragt mich über sie, welches mir aber immer leid ist: denn ich möchte so gerne von ihnen gar nicht sprechen. Leider ist mein Leben nun so beschaffen, dass meine Seele wie mein Geist in eine Geisterwelt schauen, die gleichsam auf unsrer Erde ist, und somit sehe ich die Geister nicht nur einzeln, sondern oft in großer Menge von verschiedener Art, je nachdem diese abgeschiedenen Seelen sind.

Ich sehe oft viele, mit denen ich in keine Berührung komme, und dann wieder solche, die sich zu mir wenden, mit denen ich rede, und die oft monatelang wie in meinem Umgange bleiben. Ich sehe sie zu den verschiedensten Zeiten bei Tag und Nacht, ob Menschen da sind oder nicht. Ich bin jedesmal ganz wach, fühle nicht, dass in mir etwas andres vorging, oder dass dies Sehen durch irgend etwas hervorgerufen würde. Ich sehe sie, wenn ich mich stark oder schwach fühle, wenn ich vollblütig scheine oder Blutverlust hatte, in Schmerzen und im Wohlbehagen, auch in den größten Seelenleiden oder Freuden, wenn ich zerstreut bin oder nicht, so sehe ich sie, kurz, ich kann ihnen gar nicht ausweichen. Nicht dass sie immer vor mir ständen, sondern sie kommen zum Teil zu mir, wie die Menschen, die mich besuchen, ich mag in einer geistigen oder körperlichen Lage sein, in welcher ich will. Selbst wenn ich den besten, ruhigsten Schlaf habe, so wecken sie mich, wie, das weiß ich nicht, aber ich fühle, dass sie mich wecken, und dass ich nicht erwacht wäre, hätten sie, die nun vor meinem Bette stehen, und die ich nun mit wachen Augen sehe, mich nicht erweckt.

Ich machte auch die Erfahrung, dass ein Geist, der vor meinem Bette steht, mich erweckt und mir fühlbar und sichtbar ist, andern, die in demselben Zimmer schlafen, oft (und selbst sein Begehren) im Traume kund wird; sie sprachen nach dem Erwachen von dieser Erscheinung, die sie im Traume gehabt, ohne dass ich eine Silbe äußerte, dass ich die gleiche wachend hatte.

Während ich die Geister sehe und sie mit mir sprechen, sehe und höre ich auch andre Gegenstände, die sonst um mich sind, vermag audi alles andre zu denken, aber meine Augen sind doch wie an ihr Bild gebannt (fixiert), so dass es mir schwerfällt, mich von ihnen mit den Augen zu wenden, ob ich es gleichwohl zu tun imstande bin; ich komme mit ihnen wie in magnetischen Rapport.

Ihr Aussehen ist mir gleich einer dünnen Wolke, die man zu durchschauen glaubt, was wenigstens aber ich nicht kann.

Ich sah nie, dass sie einen Schatten warfen. Im Sonnen- und Mondscheine sehe ich sie heller als im Dunkeln, ob ich sie aber auch in ganz finsterer Nacht sehe, weiß ich nicht, da ich das nie erproben konnte. Durch Gegenstände, die vor sie treten, können sie mir bedeckt werden. Mit geschlossenen Augen sehe ich sie nicht (auch nicht, wenn ich mich nicht nach ihnen umschaue), aber ich fühle ihre Gegenwart so genau, dass ich den Standpunkt, wo sie stehen, mit geschlossenen Augen, oder nicht nach ihnen schauend, angeben kann. So höre ich sie auch bei verstopften Ohren sprechen. Stehen sie sehr nahe an mir, so kann ich sie nicht ertragen, sie schwächen mich. Manche Menschen, die sie nicht sehen, fühlen sie, wenn sie in meiner Nähe sind, durch ein besonderes Gefühl auf der Herzgrube, Beengung, Anwandlung von Ohnmacht. Sie machen wie einen Gegendruck auf die Nerven. Auch Tiere fühlen ihre Nähe. Ihre Gestalt ist immer so, wie sie wohl im Leben war, nur farblos, grau; so ist auch ihre Kleidung, wie sie im Leben war oder gewesen sein mochte, aber farblos wie aus einer Wolke. Nur bei den hellem, bessern, sehe ich eine andre Bekleidung, immer ein langes helles Faltengewand wie mit einem Gürtel um die Mitte des Leibes. Ihre Gesichtsform ist auch wie bei Lebenden, nur auch grau und meistens traurig und düster. Die Augen sind hell, oft wie ein Feuer. Haupthaare sah ich noch nie bei einem solchen Geiste.

Alle weiblichen Geister erscheinen mir in ein und derselben Kopftracht (haben sie auch über diese noch die Bedeckung, die sie im Leben trugen), in einer über die Stirne herlaufenden, alle Haare bedeckenden Verschleierung. Die bessern Geister erscheinen mir in hellerer, die bösem in dunkler Gestalt.

Ob sie sich mir nur unter dieser Gestalt sichtbar machen können, oder ob mein Auge sie nur durch diese Gestalt sehen und mein Sinn sie nur so auffassen kann, ob sie für ein geistigeres Auge nicht geistiger wären, das kann ich nicht mit Bestimmtheit behaupten, aber ahne es fast.

Ihr Gang ist mir wie der Gang Lebender, jedoch insofern verschieden, als die hellem, bessern, wie schweben, die dunklern, bösern, schwer auftreten, so dass man sie zuweilen hört, und zwar nicht allein ich, sondern auch andre Menschen.

Töne, außer der Sprache, bringen sie verschiedener Art zuwege, um die Aufmerksamkeit, besonders von solchen auf sich zu richten, die sie nicht zu sehen fähig sind, und was noch schwerer zu sein scheint, die ihre Sprache nicht vernehmen können.

Diese Töne bestehen hauptsächlich in Klopfen, in Tönen, als würfe man mit Kies oder Sand, im Rauschen wie mit Papier, in Tönen, als rollte man mit einer Kugel, in Schlürfen wie in Socken und Pantoffeln, in Seufzen usw.

Neben diesem sind sie aber auch imstande, selbst schwere Gegenstände zu bewegen, sie zu werfen, die Türen hörbar auf und zuzumachen.
Letzteres geschieht sehr oft, und auch von solchen, die wohl, ohne eine Türe zu eröffnen, durch sie oder durch die Wand kom¬men könnten.

Ich beobachte, dass je dunkler ein Geist ist, desto stärkere Töne er hervorzubringen und desto mehr spukähnliche Dinge er zu treiben vermag.

Diese Töne und dieses Bewegen bringen die Geister durch die Luft und den Nervengeist hervor, welchen letztem sie mit sich hinübernahmen.

Nie sah ich einen Geist in der gleichen Zeit, in der er irgend. ein Geräusch machte, so dass ich glaube, dass sie sich nicht sichtbar und hörbar zugleich (das Sprechen ausgenommen) machen können. So sehe ich auch keinen Geist, während er die Tür auf- und zumacht, sondern immer nur gleich nachher.

Ihre Sprache ist so verschieden wie bei den Menschen, jedoch der Ton der Stimme immer gleich, wie ein Hauchen. Bei bösern ist der Ton der Stimme stärker als bei bessern. Sie bewegen dabei wie Menschen den Mund.

Mit ihnen reden, was ich will, kann ich nicht, auch können sie mir nicht alles beantworten, was ich will. Bösere Geister würden dieses mehr tun; allein vor dem Ansprechen dieser hüte ich mich.

Diese kann ich von mir und auch von andern, durch das gessprochene oder auch geschriebene Wort (magisch), zum Bei¬spiel in einem Amulette, entfernen.

Oft sogen Geister, besonders dunklere, sprach ich religiöse Worte, dieselben wie in sich ein, und ich sah sie dadurch wie heller und leichter werden, wodurch ich aber sehr geschwächt wurde. Das Erscheinen seliger, lichter Geister stärkt mich und gibt mir eine ganz andre Empfindung als das unseliger.

Oft fühlt‘ ich, dass bessern Geistern auch daher schwerfällt, irdische Fragen zu beantworten, weil sie im Irdischen so gar nicht mehr sind, ihnen dieses so ganz fremd ist, wie es bösen Geistern schwerfällt, vom Himmlischen zu reden, ja, wie sie dieses gar nicht fähig sind zu tun, weil sie von solchem so weit stehen. Mir höhern, seligen Geistern bin ich nicht imstande zu sprechen, höchstens kann ich an sie nur eine kurze Frage machen.

Man sagte mir zwar, dass ich mit meiner Führerin, auch einem seligen Geiste, schon oft im schlafwachen Zustande gessprochen, was ich nicht weiß; ist aber dem so, so konnte dies nur mein Geist allein, in Momenten, wo er von der Seele ges trennt war. Ist meine Seele mir dem Geiste vereint, kann ich mit seligem Geistern nicht so sprechen.

Diejenigen Geister, die meistens zu mir kommen, sind in den untern Stufen des Geisterreichs, das in unserm Luftraume ist, in einem sogenannten Zwischenreiche, wiewohl ich es, der Missdeutungen wegen, nur ungerne mit diesem Namen benenne. Das sind Geister, deren Geist in diesem Leben, teils durch Hinziehen nach der Außenwelt, nieder blieb, teils sind es solche, die nicht im Glauben an die Erlösung durch Christum starben, oder solche, denen noch irgendein irdischer Gedanke an die Seele im Sterben anklebte, den sie mit hinübernahmen und der sie nun auch an diese Erdennähe bindet.

Viele Menschen, auch die nicht sogleich nach dem Tode verdammt, aber auch nicht sogleich nach dem Tode selig werden können, kommen in verschiedenen, oft hohen Stufen in dieses Reich, je nach der Reinheit ihres Geistes.

In den untersten Stufen sind diese Geister noch der Verführung des Bösen ausgesetzt, in den obern, wo sie schon zu viel göttlichen Genuss haben und die Reinheit der Seligen fühlen, nicht mehr.

Man glaube aber nicht, dass dort die Besserung leichter sei als hier, denn dort geht die Besserung einzig aus sich selbst. Der Geist ist sich nun selbst anheimgestellt. Seine Grundneigung musste heraus. Da ist keine Zerstreuung, keine Weltbeschäftigung, das ganze sündliche Leben liegt dem Geiste klar in einem Zeichen vor Augen, und er hat nun die Wahl zwischen Himmel und Hölle. Die in den untern Stufen, die noch die größere Schwere haben, sind in einer immerwährenden schauerlichen Dämmerung, die aus ihnen selbst hervorgeht, wo nichts ist, an dem sie ihre Augen weiden könnten. Diese Dämmerung ist nicht die des Ortes, in dem sie sind, sondern sie geht aus ihrer Seele hervor; der Sonnenkreis verschwand ihnen bei ihrem Hinscheiden, und sie haben kein Schauen mehr für unsre Erde, obgleich sie in unserm Luftraume sind. Nur durch ihre innere Besserung nimmt ihr Schauen und ihr Licht zu. Haben sie wieder Licht in ihrer Seele, dann können sie aus unserm Raum, und sie schauen auch wieder Licht. Das sind diejenigen, die meistens zu mir kommen, weil ich leider so beschaffen bin, dass sie mich sehen und fühlen, wie ich sie sehe und fühle. Sie kommen, dass ich ihnen ein Wort des Trostes sage, und ihnen durch Gebet aufhelfe.

Oder sind sie auch der irrigen Meinung, dass ihnen noch jetzt das Aufdecken einer Untat, die auf ihrem Geiste lastet und die sie im Leben verübt, Ruhe bringen könne. In solchem Irrwahne beunruhigt sie oft mehr eine einzelne hervorspringende Untat in ihrem Leben, als die Schlechtigkeit des ganzen. Andre kom¬men auch aus diesem Reiche zu mir, denen sonst noch irgendeine irdische Angelegenheit, ein Gedanke, der ihrer Seele im Sterben noch anklebte, anliegt.

Die Geister könnten sich ebensosehr an andre Menschen, welche sie sehen können, wenden, als an mich, am besten aber würden sie tun, sich an bessere, selige Geister zu wenden; aber ihre Schwere zieht sie eher noch zu Menschen als zu seligen Geistern. Ohne meinen Willen geschieht es, dass sie sich zu mir wenden, und ohne mein eigenes Zutun erblicke ich sie.

Dieses kommt nun vielen Menschen allerdings sehr unglaublich, ja einfältig vor, besonders denen, die meinen, ein Geist wisse ja doch mehr als ein schwacher Mensch. Diesen sag‘ ich, dass dies bei diesen Geistern mitnichten der Fall ist, dass sie sehr nieder stehen und meistens in Irrtümern befangen sind, und dass es ihnen bei ihrer geistigen Schwere noch leichter ist, sich an sündliche Menschen (haben diese eine dazugehörende Nervenbeschaffenheit) zu wenden als an selige Geister. Jene Menschen sollen wissen, dass ein Geist, der sich im Leben hier oben so sehr verdunkelte, nach dem Tode nicht sogleich heller wird. So ein geschwächter Geist ist nach dem Tode, wo er die Unterstützung der Seele nicht mehr hat, die nun bloß ihm zur Hülle geworden ist, nur schwächer, oder vielmehr seine Schwäche kommt, bei seinem Alleinstehen, jetzt erst recht an den Tag.

Ein sündiger irdischer Mensch kann mit seiner Seele verständig scheinen, einen recht guten Weltverstand haben, und in dieser Welt leuchten: aber sein Geist ist nur desto schwächer und dunkler, und kann nie in sein Inneres dringen. Ist nun ein solcher Mensch gestorben, so ist die Seele, die ihn in der Welt allein noch hob, nur noch die Hülle von seinem Geiste, der schwache dunkle Geist ist nun der Herrscher und dann — welcher?

So kommt es nun, dass im Geisterreiche ein solcher Geist viel weniger ist, als er im Reiche der Sinne durch Vorschiebung seiner weltklugen, verdorbenen Seele zu sein schien.

Hat ein Mensch schon hier Geist und Seele gleich hoch ausgebildet (unter welcher Ausbildung aber noch Höheres verstanden wird, als was man gewöhnlich unter Bildung versteht), so kann er nach dem Tode als Geist nie in eine solche Lage kommen, nie so unmächtig und schwer werden.
Auch ins unmächtigsten Geiste ist, wenn er nicht ganz zum Teufel geworden, nie der Funke Gottes völlig erloschen, er sucht immer die Seele an sich zu ziehen, die seine Sorge bleibt, bis sie völlig gereinigt ist; dann geht sie wie in ihn über und wird selbst zum Geiste. Dies geschieht aber nur, wenn sich der Geist zuvor aus sich selbst gehoben, was ihm oft sehr schwerfällt und lange ansteht. Solche Geister sind, wenn der Geist noch nicht die Reinheit eines höhern Geistes erhielt, zwar noch in diesem Zwischenreiche, aber schon in einem Grade von Seligkeit, in dem sie nur höher kommen, nicht mehr sinken können. Diese Geister erscheinen mir dann in lichten Gestalten, und mit höherer geistigerer Bekleidung, kurz, in geistigerem Bilde.

Zu diesen Äußerungen der Seherin über Geist ist noch zuzusetzen, was dieselbe auf mehrere Fragen und namentlich in Briefen an Eschenmayer eröffnete, und was sich noch auf das Schauen der Geister und das Wesen derselben bezieht.

Er fragte sie:

»Können alle Menschen Geister sehen oder nur diejenigen, bei welchen das geistige Auge durch das leibliche hindurchleuchtet?«

Hierauf antwortete sie:

»Das Sehen der Geister liegt wohl in allen Menschen, wird aber nur selten zum Schauen, indem immer ein Hervorrufen des innern Menschen stattfinden muss auf irgendeine Art, was aber alsdann von den meisten wieder durch ihre Vernunft weggestritten und unterdrückt wird, weil das Sehen der Geister bei den meisten nur momentan ist.«

Über das Wachstum der Kinder in der andern Welt äußerte Frau H.:

»Ich fragte einmal einen Geist, ob man nach dem Tode noch wachse? (Weil mir mehrere, die in zarter Jugend starben, in größerer Gestalt erschienen) und er antwortete:

»Ja, wenn man sich von der Erde trennen muss, ehe man ausgewachsen ist. Die Seele bildet sich allmählich eine größere Hülle, bis sie so groß ist, als man hier werden kann. Diese hat bei den Kindern eine undenkliche Klarheit, ebenso bei den ganz Seligen.«

Als man sie einmal fragte: wie es sich mit den noch unentwickelten Kräften früh verstorbener Kinder verhalte, sagte sie:

»Die unentwickelten Kräfte eines Kindes bilden sich allerdings noch nach dem Tode aus, vermittelst des Nervengeistes, der gleichsam in der Seele liegt. Die Kraft und Reinheit aber, welche Kinder haben, können wir uns nicht denken, nicht ahnen, Kinder haben weder durch Worte noch Werke ihre Seele und den Körper geschwächt und daher die volle Kraft, die der gute Gott ihnen schenkte.
Darum soll aber der Mensch dennoch nicht wünschen, dass er möchte als Kind gestorben sein, denn so er ein Gott wohlgefälliges Leben führt, erreicht er nach dem Tode doch eine höhere Stufe. Würden wir durch unsre Gedanken, Worte und Werke die Kraft unsrer Seele nicht so sehr schwächen — welche Schönheit, ja ich möchte sagen Erhabenheit, könnten wir nicht schon auf der Erde haben? Unser Fleisch würde sich verfeinern und alle Kräfte würden sich stärker äußern.«


Die Schwierigkeit, noch ein ferneres Wachstum anzunehmen, scheint nach der Theorie der Seherin nicht groß. Eine in ihren Anlagen und Vermögen noch unentwickelte Kinderseele muss sich jenseits noch entwickeln, denn dies gehört zur Seligkeit, und ebenso hat die plastische Kraft des Nervengeistes in einem Kinde seinen Typus noch nicht ausgebildet und wird auch dann noch parallel mit der Seele ihn ausbilden.

Über den Zustand der Heiden nach dem Tode äußerte sie sich so:

» Vor einigen Tagen fragte ich einen Geist, der eine ziemliche Klarheit hat, wo er sei und womit er und überhaupt alle die Geister am gleichen Orte sich beschäftigen?«

Da gab er mir die Antwort:

»Ich bin nicht im Zwischenreich, ich bin schon in einer Seligkeit, und zwar in derjenigen, wo die Heiden und überhaupt alle die Seelen sind, die ohne ihr eigenes Verschulden unsern Herrn und Heiland nie kennenlernten. Da werden wir von Engeln unterrichtet, bis wir reif sind zu einer höhern Seligkeit.«

Auf die Frage: ob Menschen die Geister erlösen können, antwortete sie:

»Nicht ich erlöse die Geister, sie müssen sich selbst aus ihren Banden losmachen. Viele, die auf Erden gebannt sind, suchen bei noch lebenden Menschen Hilfe, sie haben den Wahn, der Mensch könne sie erlösen, weil sie von dem großen Welterlöser keinen Begriff haben. Es kann der Mensch nur die vermittelnde Person sein, wie ich es bei diesen Geistern bin. Ich suche sie immer von dem Wahne abzubringen, dass ich oder andre Menschen sie erlösen können. Ich bete nur dringend und inständig mit ihnen, und führe sie so nach und nach zum großen Welterlöser zurück, aber es kostet unendlich viel Mühe, bis eine solche Seele sich wieder an den Herrn wendet. Wo kein Trieb zum Guten in dem Unseligen ist, da kann nur ein solches Gebet stattfinden, wie wir im allgemeinen für unsere Nebenmenschen und hauptsächlich für die auf Irrwegen beten sollen. Die Geister, welche ich sehe, können sich ebenso gut auch an andre Menschen wenden, welche Geister sehen, vorzüglich aber an bessere und seligere Geister. Es ist also nicht mein Wirken, und wäre es, wie die Geister sagen, dass ich zu ihnen blicke, so geschieht es ganz ohne mein eigenes Zutun. Es gibt der Anstalten genug, worin sich die Halbunseligen wieder aufrichten können. Sie bestehen darin, dass sie ihren freien Willen haben, an höhere Geister sich zu wenden, d. h. an Seligere, die sie mit Freuden unterrichten, da es dann weit schneller geht, als wenn sie sich nur an Menschen halten wollen.«

Aus diesen Äußerungen erhellt hinreichend, dass die Erlösung dieser Geister nicht von zufälligen Somnambulen abhängt. Sie können sich vielmehr auch an andre Menschen und vorzüglich an seligere Geister wenden, um die lange vergessene und vernachlässigte Christusreligion wieder aufzufrischen. Wer die in den tausend Lastern eingefleischte Welt sucht, und die in selbstgemachten und selbstverschuldeten Irrtümern eingewurzelte Selbstsucht ihrer psychischen Wurzel zu schätzen weiß, wird sich nicht mehr über Hartnäckigkeit wundern, womit diese sich selbst überlassenen Geister ihre falschen Neigungen und ihre Irrtümer festhalten und wie Böhme sagt, über Gottes Sanftmut ausfahren und die Hilfe verschmähen. Nur das Gebet, die Lehre und der Name Christi kann noch helfen, und dazu scheint ein vermittelndes Organ wenigstens so lange, bis der erste glimmende Funke des Guten angefacht ist, nötig zu sein.

Ebenso erhellt aus jenen Äußerungen der Seherin, dass tugendhafte Heiden und überhaupt alle rechtschaffenen Menschen ein seliges Los zu erwarten haben. Aber die Idee der christlichen Kirche ist eine ewige im Himmel und nur durch sie hindurch geht es in das Reich Gottes. Nur durch das den Glauben füllende Wort der Wahrheit kann der Geist sich freimachen und zu jenem Reiche befähigen. Darum müssen alle zu früh verstorbenen Kinder, alle Heiden und alle, die ohne ihr Verschulden den Erlöser nicht kennenlernten, noch jenseits im Worte der Wahrheit unterrichtet werden und werden auch von Engeln unterrichtet; denn ohne an dem Erlösungswerke teilzunehmen und durch das Wort der Wahrheit sich fähig und reifzumachen, können sie nicht in jenes Reich eingehen, in welchem Christus sich mit den Seinigen vereint. Wenn Christus sagt: »Ich werde alle zu mir ziehen«, so gilt dies auch den gestorbenen Heiden; wenn er sagt: »Es wird ein Hirt und eine Herde sein«, so gilt dies nicht nur für die Erde, sondern noch mehr für das Himmelreich; — wenn er das Evangelium zu den Heiden sendet und die Fülle derselben einsammeln lässt, so dürfen wir gewiss annehmen, dass er sie zu einer andern Seligkeit vorbereiten will, als sie für sich erlangen können. S. 181-192
Aus: Justinus Kerner, Die Seherin von Prevorst, J. F. Steinkopf Verlag Stuttgart


Die innere Sprache
In ihrem halbwachen Zustande sprach Frau H., wie schon erwähnt, öfters eine Sprache, die einer orientalischen Sprache ähnlich zu sein schien. Sie sagte im halbschlafwachen Zustande, diese Sprache liege von Natur in ihr, und es sei eine Sprache, ähnlich der, die zu Zeiten Jakobs gesprochen worden, in jedem Menschen liege eine ähnliche Sprache. Diese Sprache liege in den innern Zahlen des Menschen; in ihr (da sie zur innern Zahl den Zehner und den Siebzehner habe) in diesen Zahlen Zehn und Siebzehn. Aus diesen gehe in ihr die Schrift mit den Zahlen hervor, weil Schrift und Zahl immer miteinander verbunden seien. So seien auch ihre Zahlen Zehn und Siebzehn zugleich Grundworte fürs äußere und fürs innere Leben.

Diese Sprache war äußerst sonorisch. Sie blieb sich in ihren Ausdrücken für das, was sie in ihr sagen wollte, ganz konsequent, so dass Menschen, die längere Zeit um sie waren, sie nach und nach verstehen lernten. Sie sagte öfters: in dieser Sprache könnte sie ihre innersten Gefühle ganz ausdrücken, und sie müsse, wenn sie etwas deutsch sagen wolle, es erst aus dieser ihrer innern Sprache übertragen; sie denke diese Sprache aber nicht mit dem Kopfe, sie komme ebenso aus ihr hervor, es sei keine Sprache des Kopfes, sondern eine des innern Lebens, das von der Herzgrube ausgehe. Daher konnte sie Namen, Würden usw., die sie in jener Sprache nicht fand, auch nur schwer oder gar nicht aussprechen, und sie musste sich in diesem Falle jener nach der Außenwelt gehenden Zahlen bedienen, in die sie jene Worte übertrug.

Sie konnte sie nur im halbwachen Zustande sprechen und schreiben, im wachen wusste sie von dieser Sprache durchaus nichts. Auch nur während sie schrieb, wusste sie die Bedeutung der Worte, blieb sich aber in deren Schreibung immer völlig konsequent.

Sollte das Wort für eine Sache in dieser Sprache aus ihr hervorgehen, ohne dass es innere Anregung war, wenn man sie bloß danach fragte, so musste sie die Sache vorher ansehen, und dann löste sich aus ihr das Wort.

Sie sagte dann: »In diesem Wort liegt nun auch zugleich Wert und Eigenschaft dieser Sache, was im gewöhnlichen Worte nicht liegt.«

So gab sie auch Personen in dieser ihrer innern Sprache Namen, in denen dann zugleich Wert und Eigenschaft der Person lag.

So hieß ihr z. B. der Name Emelachan: »Dein Geist ist ruhig und still, deine Seele ist zart, dein Fleisch und Blut ist stark, leicht brausen die beiden wie die Wellen im Meer, dann spricht das Zarte in dir: komm und beruhige dich«

Sprachkenner fanden in dieser Sprache auch wirklich hier und da den koptischen, arabischen und hebräischen Worten ähnliche Worte. Das Wort Elschaddai, das sie öfters für Gott gebrauchte, heißt im Hebräischen der Selbstgenügsame oder Allmächtige. Das Wort dalmachan scheint arabisch zu sein.

Die Redensart bianachli, die sie allein auf ihrem Lebensringe noch auszusprechen wusste, und auf dem Sonnenringe mit widrigem Gefühl übersetzte, heißt nach dem Hebräischen: »Ich bin in Seufzen.«

Ich setze noch folgende Worte und Redensarten aus dieser ihrer innern Sprache hierher:

HandacadiArzt.
Alentana Frauenzimmer.
ChlannGlas.
SchmadoMond.
Nohin Nein.
NochianeNachtigall.
Bianna finavielfarbige Blume.
O pasqua non ti bjat handacadiwillst du mir nicht die Hand geben, Arzt?
O mia crissich bin.
O mia daich habe.
Unzwei.
Johundert.
Quin dreißig.
Bona fint
o girroman soll fortgehen.
Girro danin chado man soll dableiben.
Optini pogadu musst schlafen.
Mo li orato ich ruhe.
O minio pachadastin ich bin eingeschlafen.
Posi anin cottader Ring wird voll.
Elohim Majda Djonemgebrauchte sie in ein Amulett.

Die Schriftzeichen dieser Sprache waren ihr immer mit Zahlen verbunden.

Sie sagte: »Will ich diese in mir liegende Sprache schreiben, ohne dadurch etwas Tieferes, etwas, das mich recht innig angeht, auszudrücken, so schreibe ich sie ohne Zahlzeichen, aber ich brauche alsdann längere Worte und muss mehr Häkchen machen. Das Wort, zu dem ich kein Zahlzeichen setze, ist mir von weniger Bedeutung, es drückt wohl das Wort aus, aber ohne tiefern Sinn. Gott ohne Zahlzeichen heißt mir schlechtweg nur Gott, aber mit Zahlzeichen drückt es mir das ganze Wesen Gottes aus, es wird durch die Zahlen gleichsam erleuchtet, man wird in seine Tiefe eingeführt. Die Zahlen ohne Schrift¬zeichen sind mir im Grunde heiliger als die Worte, aber zu unbedeutenderen Sachen braucht man keine Zahl, zum ganzen Vollständigen aber muss ich mich der Schriftzeichen in Verbindung mit der Zahl bedienen.«

Ein vollständiges Abc von dieser Sprache konnte sie nicht angeben. Sie sagte: es sei oft ein einzelner Buchstabe auch zugleich ein ganzes Wort. Jeder Buchstabe aber war ihr auch gleichsam eine Zahl, aber eine andre unbedeutendere, die erst durch andre darüber und darunter gesetzte erhöht werden musste. Sie hatte öfters im schlafwachen Zustande gesagt, dass eine ähnliche Sprache auch die Geister sprechen, ja, sie sprach einige Mal mit
ihnen wider ihren Willen, als wäre sie im somnambulen Zustande in dieser Sprache. Sie sagte im ganz schlafwachen Zustande:

»Obgleich die Geister die Gedanken lesen und keine Sprache nötig haben, so gehört diese Sprache doch zur Seele, die Seele nimmt sie hinüber, weil die Seele den Menschen regiert und dort seinen Körper bildet. Sie sprechen sie immer nur nach ihren Geisteskräften; denn es geht doch immer stufenweise auch dort. Mit der Seele geht diese Sprache über, wenn sie für den Geist einen schwebenden Körper bildet.« S. 135-138

Unsere Seherin füllte nicht nur das Innere ihres Lebenskreises mit einer Schrift aus, die einer orientalischen nahezukommen scheint, sondern sie sprach auch eine solche Sprache, wie oben ausführlicher angegeben wurde, in halbwachem Zustande und nannte sie die Sprache des Innern.

Sie sagte zugleich, dass ein einziges Zeichen dieser Sprache, oder ein Wort, oft mehr bedeute als ganze Reihen von Charakteren in unserer Sprache, und dass man nach dem Tode in einem einzigen solchen Zeichen sein ganzes Leben überschauen könne.

Wir finden schon, nicht nur bei Menschen, die durch schlafwachen Zustand in ihr Innerstes geführt wurden, sondern auch bei anderen Gottbegeisterten (z. B. bei Jakob Böhme und andern Sehern), dass sie für das, was sie in ihrem Innersten fühlten und ausdrücken wollten, keine Worte fanden, sie mühten sich ab, selbst Worte zu erfinden, die aber auch wohl noch weit nicht ausdrückten, was sie fühlten, was sich ihnen offenbarte, und die uns oft auch nur halbverständlich blieben. So erfand Jakob Böhme eine ganze Reihe eigener Worte. Auch im Kinde gehen oft für seine Empfindungen eigene Worte auf, die es oft nur spät und ungern mit erlernten äußern vertauscht.

Auch im wachen Zustande genügt unserer Seherin der Ausdruck für viele Dinge nicht, und sie konnte öfters sagen: es ist mir fast unmöglich, dies so zu benennen, ich möchte es so gerne anders heißen.

Wir sehen in dieser von unsrer Seherin zutage geförderten Sprache des Innern sehr viel Übereinstimmendes mit den Sprachen des Orients, und dies gewiss nur daher, weil jene Sprachen der Länder, wo die Wiege des Menschengeschlechtes war, gewiss auch die Überbleibsel der Ursprache des gefallenen Menschen sind. Unsre jetzige Sprache ist für den Zustand des Innern und seine Empfindungen nicht zureichend, sie ist, wie eine tiefe Seherin sagte, »laut, aber wenig Ausdruck darin«.

So ist es auch Menschen im innern Zustande unmöglich, sich konventioneller Titel und Namen der Außenwelt, und namentlich der Anrede mit Sie zu bedienen.

»Lieber wollte ich sterben«
, sagte Frau H. schlafwachend, »als jemand anders als mit du anreden.«

Das Abmühen, jene Figuren für ihre Empfindungen hervorzubringen, erzeugte bei Frau H. jene Schrift, wie jene Zeichnung von Kreisen. Unsre Sprache ist Sprache der Konvention und des intellektuellen Lebens, und man findet in ihr wohl nur schwer Worte für Dinge und Gefühle, die aus ganz andern Kreisen hervorgehen.

Folgende Mitteilung von Herrn Eschenmayer über diesen Gegenstand wird dem Leser genügen.

»Unsre Seherin zeichnete in den Lebenskreis die uns ganz unbekannten Charaktere einer Natursprache ein, und sprach diese Sprache auch sonst im magnetischen Zustand in Worten, von welchen der Sprachverständige nur Annäherungen in den Sprachen des Orients findet.

Sie sagte ferner (in Beziehung auf jenen Lebenskreis), dass diese Charaktere hauptsächlich den bleibenden moralischen Wert oder Unwert enthielten, in einer Sprache, welche der Seele sich erst nach dem Tode ganz aufschließe, und vermittelst welcher jeder Mensch in sich selbst lesen werde, wie der ganze Verlauf seines Lebens in Gesinnung und Handlung beschaffen war. Wir dürfen wohl annehmen, dass in einer solchen Sprache ein einziger Charakter einen ganzen Zyklus von Jahren umfasse, und in der Seele ein geistiges Abbild des Lebens erwecke und zur Wiedererinnerung bringe. Unsre konventionellen Sprachen sind tot, und nehmen gleichfalls teil an dem Zustande unsrer verlorenen Integrität; wenn sie die Geschichte eines Lebens schildern, so geschieht kaum in tausend Blättern, was die innere Sprache in wenig Abbildern lebendig und anschaulich vor die Seele führt. Diese innere Sprache ist zugleich eine Kraft, die mit den Taten aufs innigste verbunden ist, und je nach dem moralischen Wert oder Unwert einen verschiedenen Zug bildet. Auf der einen Seite lebt in ihren Charakteren die Energie der moralischen Schwere, die aus den bösen Neigungen, Leidenschaften, Begierden und überhaupt allen Lastern und Bosheiten die Sündenschuld und Sündenlast zusammensetzt; auf der andern Seite lebt in ihnen die Energie des moralischen Lichts, welche in den guten Neigungen, Gesinnungen und Taten, überhaupt allen Pflichten, Rechten und Tugenden besteht.

Wo nun das Übergewicht hinfällt, sei es auf die Seite des Verdienstes im Guten oder der Schuld im Bösen, dahin wird auch die Seele gezogen, entweder aufwärts gegen den Himmel, oder abwärts gegen die Hölle, und jeder Zug richtet sich in Höhe und Tiefe genau nach der Größe des Übergewichts. Das Reich des moralischen Lichtes und der moralischen Schwere ist geistiger Art, und alle Wesen darin leben in geistiger Mitteilung, wobei Raum und Zeit nur die niedersten Elemente bilden, indem die Gemeinschaft in unermessbarer Geschwindigkeit geschieht und nicht nur Gedanken, sondern selbst Systeme in bildlicher Darstellung erscheinen und angeschaut werden. Wahrheit, Schönheit und Tugend glänzen wie drei Sterne, durch welche der Geist das Heilige anschaut. Dies ist die innere Sprache der Geisterwelt.

Aber es gibt auch eine äußere, wie Tiedge sagt: »Gott spricht durch die Natur, der Mensch durch seine Tat.« Die Sprache Gottes ist die Schöpfung.

Jedem Dinge ist sein Name gegeben und mit dem Namen sein Wert, das heißt seine Zahl und Eigenschaft. Das Universum gleicht einem Zahlensystem, in welchem jedem Dinge gleich der Ziffer sein Wert durch die Stelle, die es darin einnimmt, angewiesen ist. Dem rein erschaffenen Menschen war die Macht gegeben, jedes Ding an seinem Namen und an dem Namen seinen Wert und seine Eigenschaften zu erkennen und in jedem System der Dinge die Gesetze und Gleichungen anzuschauen. So vermochte der Mensch vereint mit der Natur zu leben und ihre stumme Sprache zu verstehen, aber sein Abfall in die Sünde verdunkelte alles. Die Natur fing an, seine Feindin zu werden und durch die mannigfaltigsten Störungen sein Leben zu gefährden, ja endlich zu verzehren; denn auch der Leib, der der Tempel des Geistes hätte sein sollen, verlor seine Integrität [Makellosigkeit] und ergab sich der Welt. Jetzt hat der Mensch unzählige Beobachtungen und Experimente nötig, um die Eigenschaften der Dinge zu finden, und doch versteht er sie nicht, und noch hat er kaum einige Grundlinien ihres Systems entdeckt.

Verlassen von jener Ursprache und Urschrift, schöpft er jedem Dinge einen willkürlichen Namen, der mit dem innern Werte der Dinge gar keine Beziehung hat. Eine stumme, aber reelle Sprache hat übrigens das potenzierte Nerven- und Gefühlsleben, wenn es, wie es bei unsrer Seherin der Fall war, die Eigenschaften der Mineralien und Pflanzen schon bei der Berührung empfindet, und die gleichen Erschütterungen davon empfängt, als wenn sie an die innern Organe und an das innere Nervensystem gebracht würden. Ohne Zweifel gab es eine Originalsprache, welche, je näher wir auf die Urbildung des Menschengeschlechtes zurückgehen, desto reiner war und mit dem gleichen Worte und Sinne sich fortpflanzte, sich aber immer mehr verwirrte und vervielfältigte, je mehr der Mensch von dem Stande der Integrität abwich. Es kann hier jedes Ding und jeder Begriff nur ein vollständig passendes Wort und Zeichen geben, so dass jeder, der das Wort nennen hört und das Zeichen erblickt, sogleich den nämlichen Sinn damit verbinde. Die tiefern Sprachforscher geben an, dass die hebräische Sprache eine der Sprösslinge sei, welche der allgemeinen Muttersprache noch am meisten gleich geblieben.

Wohl gibt es auch eine Ideensprache, welche alle Grundbegriffe eines Systems in ein Schema bringt, aus welchem derjenige, der die darin enthaltene Idee anschaut, das ganze System zu entwickeln versteht. Einst wird der wissenschaftliche Geist in lauter Schematen zu uns reden. Von diesem Gesichtspunkt aus können wir das Bestreben unsrer Seherin beurteilen, die in ihr liegende Sprache und Schrift, sowie den ganzen Entwurf der beiden Kreise uns mitzuteilen.

Überhaupt ist das magnetische Leben, das im Fühlen und Anschauen das wieder vereint, das wir im Denken und Wissen getrennt haben, ein Versuch, sich wenigstens auf Momente in den Stand der Integrität zu versetzen, von dem wir abgewichen sind, und eine Erinnerung an den Verlust, den der Geist erlitten hat. Wer dieses Leben in seiner wahren Fülle begreift und sich durch Erfahrung überzeugt, dass die moralische und religiöse Seite ein konstantes Phänomen der höhern Grade desselben ist, und wer sich nicht durch einseitig medizinische, psychische, philosophische und selbst dogmatische Theorien hindern lässt, in das Innere dieses Seelenlebens einzudringen, der wird kein Wunder darin suchen, sondern nur das Integrat des Geistes in seinem freien Schaffen darin erkennen, was freilich höher liegt, als die alte und neue Scholastik zu fassen vermag.« S. 152-156
Aus: Justinus Kerner, Die Seherin von Prevorst, J. F. Steinkopf Verlag Stuttgart

Trennung des Geistes im Sterben
Zur Zeit, als die Seherin jenen Strich nur einen Tag vor sich voraus hatte und dann auch nicht weiter als einen Tag vorausschauen konnte, kam sie hie und da in einen magnetischen Zustand, wo sie nachher sagte.

»Ich ging durch den Sonnenring und den unter ihm liegenden Lebensring hindurch, unter dem Ringe heraus und dann auf der andern Seite jenes Striches, den ich wie einen Schlagbaum auf mir liegen fühle, wieder über dem Sonnenringe, wodurch ich den Strich umging, hinein, und dann konnte ich die Tage sehen, die nach diesem Striche liegen. Dieser mein Austritt unter dem Sonnenringe ist aber immer ein Sterben, und so ist es im Tode. Bin ich gesund und trete ich aus dem Ring einmal ins rechte Leben heraus, so trete ich über dem Ring, nicht unter dem Ring heraus.

Bei einem solchen Austritt von unten ist mein Geist weder in der Herzgrube noch im Gehirne, er ist dann geschieden von der Seele, und weiß gar nichts, als dass der Körper mit der Seele daliegt. In diesem Zustande sprechen Geist und Seele miteinander wie zwei verschiedene Personen. Von der ganzen übrigen Welt weiß aber da der Geist gar nichts, einzig nur von sich selbst, alles übrige geht ihn nichts an.

Der Geist kann sich da auch von gar nichts Geistigem unterhalten, sondern nur von dem ihn selbst angehenden Körper, weil er von allem andern nichts weiß. In diesem geschiedenen Zustande (und ich meine, dass in einem gleichen simpelhafte Personen seien) könnte der Geist zum Beispiel fragen: Was ist das: und die Seele antwortete: Mein Arm, mein Kopf und dergleichen.

Der Geist, der sich jetzt von Seele und Nervengeist geschieden, ist geschwächt und leer und ohne Einfluss, ohne die mindeste Verbindung mehr mit ihnen. Die Erfahrung einer solchen Tren¬nung des Geistes von der Seele habe ich in Momenten dieses magnetischen Zustandes, aber ich weiß, dass die gleiche Lage, das gleiche Sterben des Geistes auch im Momente des Todes statthat. In diesem Momente tritt der Geist auch so heraus ohne Seele und Nervengeist. Er tritt da durchs Zentrum des Sonnenkreises, mitten durch den Lebenskreis, durch die Seele hindurch und heraus.

Dieses Durchgehen durch die Seele findet beim Geiste sonst nie bei seinem Heraustreten statt, als im Sterben und in jenem besondern magnetischen Zustande, den ich mit dem Sterben vergleiche. Durch dieses Durchgehen durch die Seele geht alsdann im Geiste etwas Besonderes vor, was macht, dass er dann so unmächtig ist. Was dieses ist, fühle ich, kann es aber nicht aussprechen. Tritt nun der Geist hinaus, so kann er nicht in sein magnetisches Zentrum, weil der Sonnenkreis abfiel, und ohne die Seele auch nicht in den andern Zustand. Der so herausgetretene Geist ist dem Sterbenden nah und ferne, es findet für ihn kein Raum statt. Er weiß nun wohl noch, dass die Seele zu ihm gehört, hat aber nicht das Vermögen, sie an sich zu ziehen, kann nichts dazu tun, muss nur warten. In diesem Augenblick weiß der Mensch auch nicht, was ferner geschieht. Das jetzt Kommende ist ihm verborgen, und in diesem Momente kann er sich auch nicht aussprechen. Der Geist steht nach dieser Trennung auch deswegen so unmächtig da, damit kein Weiterschauen desselben ins Künftige stattfinde, das er der Seele mitteilen und diese aussprechen könnte, was nun einmal nicht sein soll. Dass Menschen um die Zeit des baldigen Sterbens
(aber nicht im Moment des Sterbens, von welchem hier allein die Rede ist) oft schon sagten: sie wissen nun gewiss, dass ein andres Leben sei und dergleichen, kommt daher, dass in dieser Zeit die Seele vom Gehirn und seinen Einrichtungen getrennt wird, welches ihnen im Leben, als die Seele noch in ihnen war, die in sie von der Natur eingepflanzte Hoffnung und Aussicht verdunkelte (wegstritt), welches Eingepflanzte aber nun nach der Scheidung der Seele vom Gehirne wieder klar in ihr hervortritt.

Hat nun der Geist sich losgemacht, so tritt in der Seele der unwiderstehliche Trieb ein, sich auch zu lösen, sie fühlt, dass sie ohne den Geist nicht mehr sein kann, sie muss heraus, und dies ist nun ihr einziges Geschäft. Der Mensch kann da sprechen, aber verwirrt. Alle Kräfte wollen nun herrschen, weil der Geist sein Reich verlassen. Dies ist ein Moment großer Verlassenheit; denn der Geist, bleibt er der Seele gleich nahe, kann auf sie nicht einwirken, und die Seele ist auch nicht mehr mit ihm, sondern nur mit dieser Ablösung beschäftigt. Dies ist der Moment des Todeskampfes, wo aber, statt des nun unmächtigen Geistes, selige Geister der Seele beistehen. Diese Lösung der Seele vom Leibe geschieht auch schneller oder langsamer (bei natürlichem Tode), je nachdem die Seele sich vom Irdischen schwerer oder leichter losmachen kann.

Im Momente, wo diese Lösung geschah, nicht früher, suchen und vereinigen sich nun Geist und Seele mehr oder weniger: denn wenn die Seele das Wüste, was an ihr ist, vollends ablegte, ist sie so rein wie der Geist, sie ist seine Hülle, aber als der allerreinste Lichtstrahl. In diesem Momente steht dann auch dem Geiste das vergangene Leben in einer Zahl und Wort da, und ist er am Orte seiner Bestimmung nach dieser Zahl und Wort.«
S. 139-142

Durch den Leib ist der Nervengeist mit der Welt, durch den Nervengeist die Seele mit dem Leib, durch die Seele der (intellektuelle) Geist mit dem Nervengeist und durch den Geist das Göttliche mit der Seele vermittelt.

So zieht sich durch beständige Vermittlungen ein gemeinschaftliches Band vom untersten bis zum höchsten Gliede hindurch.

Hätte sich der Mensch im Besitze der Zentren gehalten, so würde der Geist durch die Fülle der Offenbarung erleuchtet, auch seine Seele befruchten, der Leib würde ein Tempel des Geistes sein, und selbst im Naturstäubchen würde die Abspiegelung des göttlichen Daseins nicht fehlen. Gott würde alles in allem sein, und der Mensch würde alle Dinge in Gott erschauen, wie Malebranche sagt. So aber ist alles im Menschen verdunkelt worden durch den Fall in die Sünde und durch die Herabwürdigung seiner ganzen Natur, welche dem Tode anheimfiel. Darum ist jetzt auch eine Trennung des Geistes und der Seele von dem Leibe notwendig geworden, damit eine Reinigung und Läuterung von der Sünde stattfinden möge. Die Art, wie sie sich trennen, hat die Seherin (siehe oben) aus ihrem Insichschauen angegeben.

Ist die Hülle faul und morsch und nahe am Einsturz, so ist ohne Zweifel der Geist das erste, was sich scheidet, weil er jedenfalls von der Sünde unabhängiger ist als die Seele. Je mehr aber die Seele in den Leib und die Welt sich eingewöhnt hat, desto schwerer löst sie sich und will ihr Indigenat [Eingeborenes] um keinen Preis fahren lassen, bis sie muss. Hier mag es sein, dass der Geist ganz verlassen und öde wird, und zwar umso verlassener und öder, je weniger er während des Lebens von der göttlichen Ätherquelle geschöpft hat. Von der Seele halb getrennt und halb noch an ihr hängend steht er eigentlich brotlos da, indem ihm alle Nahrung, die er sonst aus der Seele, die Seele aus dem Leib und der Leib aus der Welt schöpfte, ganz entzogen ist. Ratlos muss er warten, bis auch die Seele sich abgelöst hat, um seine Wanderung zu beginnen. Hier mag es sein, wo der Fromme und Gottlose ihre entgegengesetzten Richtungen erhalten. Zieht die Seele ihre Sündenlast hinab an den Ort der Unglückseligen, der nach einem steten Geistergesetze dem Maß ihrer Schwere angemessen ist, so zieht sie auch den Geist mit hinab, der, weil er nach Plato seine Flügel gelähmt hat, ihr notgedrungen folgen muss.

Ist hingegen der Geist von jenem göttlichen Lichtstrahl erfüllt und während des Lebens mit der höhern Welt in Verbindung geblieben, so sind ihm die Flügel wieder gewachsen, und er zieht die losgerissene Seele mit sich hinauf an den Ort der Seligen, der nach dem gleichen Geistergesetz dem Maß des christlichen Äthers angemessen ist.

Der Nervengeist bleibt unverändert mit der Seele vereint (nach der Seherin aber nur da, wo die Seele nicht in völliger Reinheit hinübergeht), weil er weder durch eine psychische noch eine andre organische Kraft (nach der Seherin dies selbst, wenn er in der Hülle zurückbleibt) zerstörbar ist. Bleibt er mit der Seele, so nimmt er die Farbe und Gestalt der Seele an. Ist die Seele von Sünden entstellt, so scheint sie durch das plastische Luftbild des Nervengeistes hindurch wie ein Scheusal. Ist der christliche Äther durch den Geist in ihr vorherrschend (in welchem Falle aber nach unsrer Seherin gar kein oder nur wenig Nervengeist mit der Seele übergegangen wäre), so erscheint sie in engelreiner Schönheit und Milde.

So mag es einen Himmel geben für die Gerechten und Heiligen und eine Hölle für die Ungerechten und Gottlosen, aber der größte Teil der Menschen scheint doch nach dem Tode im Zwischenreich hängenzubleiben.

Im Tode fällt der Sonnenkreis ab, und kein neuer steigt mehr herauf, daher verliert der Geist seinen festen Standpunkt an der objektiven Welt und hat kein Bleiben mehr, sein Austritt mitten durch die Seele trennt auch ihr festes Band mit dem Leib, und darum löst sie sich ab, um sich wieder, und zwar auf immer, mit dem Geiste zu vereinigen. Der Nervengeist umgibt (da wo die Seele nicht völlige Reinheit hat, was wohl selten ist) wie ein Luftbild die Seele den Geist, und in diesem Zustande verharren sie nach Maßgabe ihres moralischen Wertes oder Unwertes nach der Schrift bis zur Wiederauferstehung, wo die plastische Kraft des Nervengeistes wieder fähig gemacht wird, einen Leib, aber einen unverweslichen, anzuziehen. S. 156-158
Aus: Justinus Kerner, Die Seherin von Prevorst, J. F. Steinkopf Verlag Stuttgart

Vom Nervengeist
Die Seherin drückte sich zu verschiedenen Zeiten über das Geistige auf den Nerven, was sie Nervengeist nannte, also aus:

»Es kommt mir vor«, sagte sie schon bei Erklärung ihres Sonnenkreises, »als sei auf den Nerven, in dem Umkreis, wo ich jenen Ring fühle, noch etwas, das höher als Nerv ist, das mir das Gefühl von jenem Ringe gibt, und das ich Nervengeist nennen möchte.«

»Durch diesen Nervengeist«, sagte sie später, »ist die Seele mit dem Leib und der Leib mit der Welt verbunden. Bei mir wird der Nervengeist so leicht von der Seele und den Nerven lose, und dies macht hauptsächlich meinen ungewöhnlichen Zustand. Dieser Nervengeist geht mit der Seele (ist sie nicht ganz die reine eines Seligen) nach dem Tode über und ist unzerstörbar. Durch ihn bildet die Seele eine ätherische Hülle um den Geist. Er ist nach dem Tode noch eines Wachstums fähig, und durch ihn bringen die Geister des Zwischenreichs, in Verbindung mit einem besonderen Stoffe, den er aus der Luft anzieht, Töne hervor, durch welche sie sich den Menschen hörbar machen können; auch sind sie durch ihn imstande, die Schwerkraft in den Körpern aufzuheben, so dass sie also solche von der Stelle zu rücken oder zu heben, zu werfen usw. fähig sind, auch vermögen sie durch ihn sich dem Menschen fühlbar zu machen. Ein Mensch, der in einem ganz reinen, seligen Zustande stirbt, das aber nur wenigen Menschen wird, nimmt diesen Nervengeist nicht mit hinüber, bei diesem bleibt er, aber auch unzerstörbar, im Körper zurück, und bildet alsdann nach der allgemeinen Auferstehung, wo er sich mit der Seele wieder vereinigt, den neuen, reinen, ätherischen Leib. Selige Geister, denen dieser Nervengeist nicht anhängt, können sich nicht hörbar machen, spuken nicht. Unselige Geister sind dies am meisten zu tun fähig. Je reiner des Verstorbenen Seele wird auf höhern Stufen des Zwischenreichs, desto mehr verliert sie diesen Nervengeist, der immer wieder zur Erde kehrt.«

Bei all diesen hier niedergeschriebenen Eröffnungen unsrer Seherin bediente ich mich immer ihrer eigenen Worte, sie sind ganz ihr Eigentum und enthalten nicht den mindesten Zusatz, weder von mir noch von andern.

Betrachten wir den so genannten Sonnenkreis zuerst nur in individueller magnetischer Beziehung, so sehen wir, dass er hauptsächlich verschiedene Zustände in Hinsicht auf das magnetische Leben bezeichnet, in welchem Tieferes als im wachen Leben aufgeschlossen ist. Was über den äußern Ring fällt, wäre dann natürliches Wachen und Hinausgehen in die Sinnenwelt. Der Ring selbst bezeichnete den Umfang des Gefühlslebens, welches dann, gesteigert durch den Magnetismus (der durch die blaue Wellenlinie bezeichnet ist), in den zweiten Ring, als den ersten Grad des Somnambulismus, überging. Zwischen diesem Ring und dem weiten gegen die Mitte zu liegenden läge das Hellsehen und der Aufgang der Geisterwelt. Auf dem gegen die Mitte liegenden größeren Ringe, dem Traumringe, lägen kleine Kreise, welche Zahlen enthalten, womit die magnetischen Krisen alle berechnet werden.
Innerhalb der Sterne wäre die stärkste Konzentration der Seele, aus welcher alle die Verordnungen und Divinationen hervordringen. Jene Sterne und der Ring, der der Seherin der Mond zu sein scheint, sind ihr zugleich die Wohnung der Halbseligen, während ihr im Traumring das Tierseelenreich, das Zwischenreich aber, nämlich die Wohnung der noch unseligen Geister, in jenem Traumringe, doch höher als das Tierseelenreich und in jenem großen Ringe erscheint. In der Tiefe jenes Mittelpunktes aber, durchschauend durch diesen Sonnenkreis in das Zentrum des Lebenskreises (den Sitz des Geistes), geht ihr die Gnadensonne auf, ist ihr die Wohnung der Seligen und der Urborn alles Lebens, wo sie unaussprechliche Dinge schaute, die noch keine Menschenzunge, und somit auch sie nicht, zu sagen vermochte.

Eine allgemeinere und tiefere Bedeutung erhält aber dieser Kreis dadurch, dass die Seherin sagt: »Der Sonnenzirkel ist unser Sonnenkreis, und diesen trägt jeder Mensch in sich auf dem Lebenszirkel, der Seele«.

»In den Zuständen des Innern, und namentlich im magnetischen Zustand, werden dem Menschen mehr oder weniger diese Kreise, oder was in ihnen liegt, offenbar, gehen sie auch nicht immer in dieser Klarheit und diesem gerundeten Bilde auf.«

Den Lebenszirkel, der ihr die Seele ist, legte sie auch unter den Sonnenkreis, so dass dieser Sonnenkreis auf ihm gleichsam als in einem Spiegel erscheint, und das ist, was schon van Helmont und was auch Leibniz aussprachen: »Die Seele ist ein Spiegel des Weltalls.«

Offenbar ist dieser Sonnenkreis der Seherin das dem Menschen eingeborene Sonnensystem, der Kreis, der den Menschen hier hauptsächlich angeht, und mit dem er hier in inniger Naturverbindung steht.

Der zweite leichtere, geistigere Kreis, auf dem der Sonnenkreis sich spiegelt, ist der Seherin der Kreis der Seele und des Geistes, dem sie im Zentrum desselben seinen Sitz anweist. Solange Seele und Geist an diesen Körper, und damit auch an den in ihm liegenden Sonnenkreis gebunden sind, stehen sie mit ihm in einem besonderen Wechselverhältnis, in einem Naturnexus, welchen der Geist, wenn er (im Schauen) in das Zentrum des Sonnenzirkels tritt, hauptsächlich inne wird.

Da erblickt der Geist alsdann die Welt in allen ihren Gesetzen, Gleichungen und Proportionen, welche allen in Raum und Zeit eingebildeten Dingen eingepflanzt sind, oder, mit andern Worten: es geht ihm da ein Erkennen unsren Sonnensystems mit allen seinen auf die Dinge und den Menschen Bezug habenden Verbindungen und Einflüssen auf. Alles Typische dieses Sonnensystems, die ganze Mathematik seiner Natur, das in sie eingepflanzte Zahlenverhältnis, wird ihm da mehr oder weniger offenbar, und er findet dessen Beziehung und Anwendung auf alle Dinge und auch auf seine Hülle, den Leib.

»Hier schaut«, sagte die Seherin, »der Mensch dann die Welt, in der er ist, in ihrem eigentlichsten Wesen, ohne Schleier und Scheidewand, zwischen ihm und den Dingen, welcher Schleier und Scheidewand sich sonst zwischen ihn und dieselbe stellt Aber dieses Schauen ist dem Menschen jetzt dunkler geworden, als es ihm ehemals war.«

Dieses Schauen wurde dem Menschen dunkel, als er aus den Zentren seiner Kreise wich. Nun versteht der Mensch die Natursprache der Dinge nicht mehr, Zahl und Namen gingen ihm verloren, und er muss sich mit mühsamen Experimenten abgeben, um nur ein bisschen von ihren Eigenschaften herauszufinden. Wären wir noch in jenen Zentren, so würden wir mit dem Namen des Dings die Zahl und mit der Zahl die Eigenschaft und den Wert desselben, im allgemeinen Naturzusammenhang durchschauen, wie unsre Seherin im magnetischen Zustande die Eigenschaften der Dinge schon bei der Berührung durchfühlte und dem Dinge aus ihrer Natursprache einen seinen Wert und Eigenschaften umfassenden Namen schöpfte.

Wenn Schubert sagt. »Das, was bei uns Wissenschaft ist, war in jener ältesten Zeit mehr Offenbarung eines hohem Geistes an den Menschen«, so heißt das nach unserer Seherin: »Es war einmal der Geist des Menschen auch im gewöhnlichen Leben fähig, in das Zentrum des in jeder Menschenseele liegenden Sonnenkreises zu treten und die Welt, in der er war, in ihrem eigentlichsten Wesen ohne Schleier und Scheidewand zwischen ihm und den Dingen zu schauen, welches Schauen ihm später, als er immer mehr und mehr aus jenen Zentren wich, verlorenging, ihm jetzt aber nur noch einzeln in magnetischen und andern Zuständen, wo der Geist wieder in jene Mittelpunkte kehrt, hervortritt.«

Daher kommen wohl auch all die nur aus einem innigen Erschauen der tiefsten Naturverhältnisse und der wahrsten Eigenschaften der Dinge hervorgehenden Aussprüche und Verordnungen Schlafwacher, und das auf jede andre Art unerklärliche Wissen alter Völker. So hat das Zeitmaß des Hellsehens Analogie mit uralten Zahlensystemen, namentlich mit den Zahlen, die in den Büchern Mosis so oft vorkommen, und, auf religiöse Gegenstände angewandt, als heilige Zahlen erscheinen, zum Beispiel 3, 7, 40, ferner Ähnlichkeit, mit denen die Propheten die Zukunft verkündigen, wie zum Beispiel die mystische Zeitrechnung Daniels von den 70 Wochen. So sehen wir im höchsten Altertume namentlich astronomische Arbeiten, denen nur aus den tiefsten Naturverhältnissen entlehnte Zahlen, wie wir sie im magnetischen Schauen finden, zugrunde liegen. Jene astronomischen Tafeln der Inder, die sich auf die Schiefe der Ekliptik beziehen, waren schon vor mehr als 6ooo Jahren genau, und die spätern Zeiten haben die Abweichung derselben von der Wahrheit nicht mehr zu berichtigen vermocht. Uralte indische Gedichte sprachen von den Naturkräften der Pflanzen, von der Bedeutung ihrer Gestalt und Farben, von dem Geiste der Steine und Metalle.

So schreibt sich jene Lehre der alten Magie offenbar von einer Urzeit her, wo der Geist des Menschen noch mehr dem Mittelpunkt jener Kreise zugerückt war. Daher, wie bei Magnetischen, in dieser alten Magie die Erkenntnis der Zeit und Zahl, Wert und Kraft des Gebets und des lebendigen Worts. Und so zeigte sich bei unsrer Seherin eine Sprache und Rechnung des Innern, wie nur eine ähnliche in Völkern sich kundgibt, welche die ersten des Menschengeschlechts sind. Gewiss ging das System alter Philosophen auch nur aus einer solchen innern Naturanschauung hervor, und war wohl Plato vor allen in einer solchen. Wie große Ähnlichkeit hat das pythagoreische Zahlensystem, soviel wir von ihm wissen, mit der innern Zahlenmystik Schlafwacher und namentlich unsrer Seherin! Wie sehr werden wir an jene Kreise und innere Zahlenmystik gemahnt, wenn wir in Plato lesen:
»Die Seele ist unsterblich und hat einen arithmetischen Anfang, so wie der Leib einen geometrischen hat. Sie ist das Bild eines überall verteilten Geistes; hat selbst Bewegung und durchdringt von der Mitte aus den ganzen Körper rund herum. Sie ist aber nach übereinstimmenden Zwischenräumen geteilt und macht gleichsam zwei miteinander verbundene Kreise.« Den einen nennt Plato die Bewegung der Seele (was der Lebenszirkel unsrer Seherin), den andern nennt er die Bewegung des Alls und der Irrsterne (was der Sonnenzirkel unsrer Seherin ist). »Auf diese Art«, sagt Plato, »ist die Seele in Verbindung mit außen gesetzt, erkennt was ist und besteht harmonisch, weil sie in sich selbst die Elemente nach einer bestimmten Harmonie hat.«

So dient auch Plato die Kenntnis der Naturzahlen zur Untersuchung des Guten und Schönen. Er preist denjenigen glücklich, der die geistigen Zahlen versteht, und den mächtigen Einfluss erkennt, welchen das Gerade und Ungerade auf die Erzeugung und die Kräfte der Wesen hat. »Ohne dieses Geschenk der Gottheit«, sagt er, »kennt man weder die menschliche Natur, noch ihren göttlichen und sterblichen Teil, noch den Grund der wahren Religion. Die Zahlen sind die Ursachen der Weltharmonie und der Erzeugung aller Dinge. Wen daher seine Zahl verlässt, der verliert alle Gemeinschaft mit dem Guten und wird allen Unregelmäßigkeiten zuteil.«

Dies ist das gleiche, was unsre Seherin, die den Plato nicht einmal dem Namen nach kennt, sagt: »Überwiegt das Böse, das zu tun und zu unterlassen im freien Willen des Menschen steht, diese Grundzahl, so verliert er dieselbe, und er ist alsdann dem Bösen und seinen Folgen durch eigenen Willen auch völlig anheimgestellt.« Der Sinn der pythagoreischen Zahlenlehre ist, dass die Zahlen die Elemente aller Dinge und selbst aller Wissenschaften sind; er wandte die Zahlen aber auch auf die Geisterwelt an und löste somit Rätsel, die der jetzigen Arithmetik völlig unbekannt sind. Man vergleiche hiermit so manche Äußerungen unsrer Seherin.

Auch neuere Seher ahnten eine besondere Zahlenmystik in der Natur. »Die Zahlen«, sagt S. Martin, »sind nichts andres als eine Übersetzung der Wahrheiten und Gesetze, deren Grundtext in Gott, dem Menschen und der Natur enthalten ist.«

Und Novalis schreibt: »Es ist sehr wahrscheinlich, dass in der Natur auch eine wunderbare Zahlenmystik stattfinde: ist nicht alles voll Bedeutung, Symmetrie, Anspielung und seltsamem Zusammenhang?«

Es ist sehr zu bedauern, dass jene innere Zahlenmystik unserer Seherin, wie auch die mit ihr verbundene Sprache, so sehr sie sich Mühe gab, auch andre darüber zu verständigen, dennoch zum größten Teil für uns verlorenging, oder unverständlich blieb, da sie einzig nur aus innerer Anschauung hervorging, die wir in äußern Kreisen Lebende nur schwer zu fassen vermögen.

Auch in Swedenborg, von dem unsre Seherin nicht das mindeste weiß, finden wir eine Anmahnung an diese Kreise. »Dass das Böse und Falsche«, sagt dieser Seher, »seinen Sitz im natürlichen Gemüte (in mente naturali, was der Sonnenzirkel unsrer Seherin wäre) hat, kommt daher, dass dieses Gemüt eine Welt im kleinen oder im Bilde ist (in forma seu in imagine mundus), das geistliche Gemüt oder (was der Lebenszirkel unsrer Seherin wäre) ein Himmel im kleinen oder im Bilde (in forma seu in imagine coelum), und im Himmel das Böse nicht wohnen kann. Beide Gemüter sind in Kreise ausgebogen.«

So setzte unsre Seherin eine Naturwelt in den Sonnenkreis und eine höhere geistigere Welt in den Lebenskreis.

Auch dieser Seher nimmt eine höhere als die uns sichtbare Sonne (die Gnadensonne unsrer Seherin) an, wenn er sagt:

»Über dem Engelhimmel ist die Sonne, die reine Liebe; sie erscheint feurig wie die Sonne in der Welt. Die Wärme dieser Sonne gibt den Menschen und Engeln Wollen und Liebe. Das Licht, Verstand und Weisheit, was daraus entsteht, heißt geistlich. Was aber aus der Sonne der Welt entsteht, heißt natürlich und enthält das Leben. Die Ausdehnung des Lebensmittelpunktes ist die geistliche Welt, diese besteht durch ihre Sonne: und die Ausdehnung des natürlichen Mittelpunktes ist die natürliche Welt, welche ebenfalls durch ihre Sonne besteht. Das Feuer der Sonne der Welt oder der Natur kommt aus der Sonne des Engelhimmels her, welches die göttliche Liebe ist, die zunächst von Gott ausgeht, welcher sich in ihrer Mitte befindet.«

Gehen wir nun auf einige Einzelheiten des Sonnenkreises unsrer Seherin zurück, so ist bemerkenswert, dass sie jenem Ringe, den sie Traumring hieß, auch noch eine Beziehung auf die Tiere erteilte und ihn in das Tierseelenreich setzte. Nach ihr bewegt sich das Tier hauptsächlich in diesem Traumringe, und es ist auch wahr, dass die Tiere mehr oder weniger als in einem Traumleben begriffen anzunehmen sind. Die Seherin setzte um diesen Ring (in jenen zwölf kleinen Kreisen, welche Zahlen in sich enthalten, womit die magnetischen Krisen alle berechnet werden), als wäre er zugleich Repräsentant des Gangliensystems, auch ihren magnetischen Instinkt, die Sympathien und Antipathien und Voraussagungen, die eben im Tierreiche und namentlich im Reiche der Vögel und der vom Gangliensysteme so sehr beherrschten Insekten so hervorspringend sind.

Hier könnte auch bemerkt werden, dass vielleicht eben daher Tiere (zum Beispiel Pferde, Hunde) noch weniger isoliert als Menschen von der Geisterwelt sind, Annäherungen aus ihr noch leichter als Menschen fühlen.

Auch das Kindesalter und dann wieder das Greisenalter scheint vorzüglich in diesem Kreise zu leben. Es ist in dieser Beziehung merkwürdig, dass die Träume des Greisenalters, wie auch dessen waches Leben (das doch auch nur ein Traumleben ist) hauptsächlich wieder zur Kindheit zurückkehren: die meisten Träume Älterer sind von der Kindheit. Dies könnte dahin deuten, dass der Mensch in die innern Kreise, von denen er naturgemäß ausging, zuletzt wieder zurückkehrt, bis er im seligen Tode wieder in das verlorene Zentrum tritt.

Auch die Kindheit des Menschengeschlechts lebte mehr in diesem Kreise, daher, wie oben schon bezeichnet, ihr dem Schlafwachen mehr ähnliches inneres Leben und Wissen.

In gleichem Kreise lebt der wahre Heilende und der Dichter, und in dem - dem Zentrum noch näherliegenden - der Seher, wie diese drei im Altertume auch (in Apollo) den gleichen Gott hatten.

Außen um den Traumring zeichnete die Seherin diejenige Stufe des Mittelreichs, die der Erde näher und also niederer ist, in der die Seelen ihr oft selbst unter den Tierseelen stehen.

Eine höhere Stufe des Mittelreiches ist ihr die im Traumringe, unter der aber, jedoch tiefer hinab, das Tierseelenreich liegt. Dies könnte damit zusammenhängen, dass solche Geister aus niederer Stufe des Mittelreichs oft ganz tierisch, ja selbst oft in Leibern von Tieren erscheinen. Ganz unter das äußere Mittelreich setzt die Seherin die Hölle. Der so feste Glaube aller Völker an einen Himmel, ein Zwischenreich (Hades) und eine Hölle ließe sich auch daraus erklären, dass jene Zustände im Sonnenkreise sind, die von Natur aus auf jeder Menschenseele (dem Lebenszirkel) wie auf einem Spiegel erscheint, der jedem in das Innere kehrenden Menschen in stärkerer oder schwächerer Heilheit hervortritt.

Wie diesem Sonnenkreise der Naturwelt im Menschen, gab die Seherin auch dem Lebenskreise der Seele, auf die sie jene Naturwelt legte, eine Kreisform.

Warum die Seherin jenen Lebenskreis, die Seele in 13 3/4 Teile teilt, ihm also die Einteilung des Mondes gab, konnte sie später nicht mehr angeben. Gewiss aber liegt auch hierin eine tiefe Bedeutung. Dass das Psychische im Menschen, wie wir namentlich in psychischen Krankheiten sehen, so sehr dem Einfluss dieses Gestirnes unterworfen ist, würde, wüssten wir die Ursache jener Einteilung, vielleicht auch eine Beziehung finden. Außer dieser Naturwelt, wovon der Mensch den Eindruck im Zentrum seines innern Sonnenkreises trägt, gibt es aber, nach unserer Seherin, für den Geist noch eine höhere und sozusagen innerste Welt, die in seinem eigenen Zentrum (dem Zentrum des Lebenskreises) liegt.

Solange der Geist in seinem Zentrum ruht (im Zentrum des Lebenskreises), sieht er aus jener Region bloß heraus, aber nicht hinein. Wie er aber vom Zentrum des Sonnenkreises einen Lichtstrahl dahin sendet, so erhellt sich ihm wie ein Blitz jene höhere innere Welt, und er nimmt nun ihr Andenken wie eine Ahnung in sich auf, findet aber keine Worte, sie auszusprechen.

Dies ist, wie Jakob Böhme sagt: »Davon kann ich‘s nicht weitere bringen, als vom Herzen ins Hirn, vor den fürstlichen Strahl der Sinne, da wird es in den Festen des Himmels verschlossen und geht nicht wieder zurück durch die Quellgeister in die Mutter des Herzens, dass es könnte auf die Zunge kommen; so dies geschähe, wollte ich‘s mündlich sagen und derselben verkündigen. Will es daher in seinem Himmel lassen stehen und nach meinen Gaben schreiben. Der Seelen nach sehe ich‘s wohl, aber die Feste des Himmels ist dazwischen, in welcher sich die Seele verbirgt und alldaselbst ihre Strahlen vom Lichte Gottes (vom Geiste, der im Zentrum sitzt) empfähet, geht derowegen durch die Feste des Himmels, wie es wetterleuchtet (Blitze eines Schauens, einer Erleuchtung, für die sich keine Worte finden), aber ganze sanfte gleich einer lieblichen Wonne.«

Jener Lichtstrahl, den die Seele ins Zentrum des Lebenskreises sendet, ist der religiöse Lichtstrahl aus höherer Sphäre, der unsere Seele füllt, und diese Fülle auf alles andre ergießt, so dass wir die ganze Welt in einem ganz andern Lichte betrachten, als wir es aus der Nebelhöhle unsers sinnlichen und sündlichen Seelenlebens zu tun vermögen. Ins Heilige aber, wohin jener Lichtstrahl geht, gibt es nur ein verhülltes (mystisches) Schauen, und dieses verhüllte Schauen ist der Glaube, der zwar schon alle Kraft der Wahrheit in sich trägt, aber verhüllt wie die Blume in der Knospe. Dieses verhüllte Schauen wird jenseits für den, der es hat, einst ein offenes Werden, und dann wird sich der Glaube, wie Paulus will, in ein Schauen verwandeln, und aus der Knospe wird sich die Lichtblume entfalten, und dies ist Christus. S. 142-152
Aus: Justinus Kerner, Die Seherin von Prevorst, J. F. Steinkopf Verlag Stuttgart

Das Mittelreich
Nicht selige Geister sind es, die aus diesem Zwischenreiche erscheinen, nicht reine, durch himmlisches Licht erleuchtete Geister; nein, es sind Hinübergegangene aus der gemeinen Menschenwelt, denen ihre Werke, ihre Begierden und Gewohnheiten, die Irrtümer, die sie in dieser Welt hatten, nachfolgten.

Von diesem Gesichtspunkt aus nehme man die unsrer Seherin aus diesem in unsre Welt hereinragenden Geisterreich im Luftbilde des Nervengeistes sichtbar und hörbar gewordenen Wesen ihr Begehren und Glauben mit all seinem Irrwahn, und sei nicht der Meinung, Geister können nur geistig sein, und sollten wenigstens vermittelst eines ästhetischen Reizes die Phantasie befriedigen. Hier fällt alles Idealische weg, eben weil die menschliche Hülle wegfällt, die den Heuchler, den Boshaften usw. deckte, und erscheint nun jedes Laster und Verbrechen in seiner Nacktheit, weil es sich in dem leichten Überwurfe, der der Seele noch bleibt (dem Nervengeiste), weit deutlicher ausdrückt als in Fleisch und Blut.

Man denke sich einmal den vom Leibe losen Geist eines Menschen, dessen Seele im Leben selbst sich nur halbtierisch kundgab; und wie viele Menschen der Art sieht man auf dem Markte des Lebens! Die Neigungen und Laster eines solchen Menschen, fällt der Leib ab, bleiben nicht im Leibe, sie bleiben in der Seele zurück, der der Leib gehorchen musste, und wie wird sich dann ein solcher Geist gebärden, in dem immer noch jene Leidenschaften und Neigungen leben, für den aber kein Leib und keine Sinnenwelt mehr existiert, die sie ausführen! — Wird so ein Geist mit seiner Schwere nicht immer noch zur Sinnenwelt zurückstreben, wo sein Schatz ist? — »Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.«

Hat der Mensch im Leben immer nur die Welt geliebt und in ihr seinen Schatz gesucht, so bleibt auch nach dem Tode sein Herz (sein Geist) an dieselbe gebunden und kann sich nicht losmachen. Aber eben dieses Nicht = losmachen = Können ist eine Pein, weil zum Genusse des Irdischen der Körper fehlt, der Genuss der höheren Glückseligkeit aber verboten ist, und das ist die gerechte Strafe des Erdenbannes, dem diese Unseligen zu ihrer Besserung hingegeben sind.

Jakob Böhme, dieser Seher, sagt (siehe dessen Menschwerdung Christi, III. T. 4, 3):

»So nun der Leib zerbricht und stirbt, so behält die Seele ihre Bildnis als ihren Willensgeist. Jetzt ist er zwar von dem Leibesbilde weg, denn im Sterben ist eine Trennung; alsdann erscheint die Bildnis mit und in den Dingen, was sie allhier hat in sich genommen, damit sie ist infiziert worden, denn denselben Quell hat sie in sich. Was sie allhier liebte und ihr Schatz gewesen und darein der Willensgeist einging, nach demselben figuriert sich nun auch die seelische Bildnis. Hat einer bei Lebenszeiten sein Herz und Gemüt zum Beispiel in Hoffart gewendet, so quillet derselbe Schatz im Seelenfeuer in der Bildnis immer auf, und fährt über die Liebe und Sanftmut als über Gottes Freiheit aus, und kann diese nicht ergreifen noch besitzen, sondern quillet also in sich in solcher Angstqual, und figuriert sich der Willensgeist immer nach den irdischen Dingen, darein sein Wille ging. Glänzet also damit im Seelenfeuer und steiget immer in Hoffart auf, und will im Feuer über Gottes Sanftmut ausfahren; denn er kann nun keinen andern Willen schöpfen, und nicht in das heilige Mysterium eingehen, darin er möchte einen andern Willen fassen, sondern er lebt nur bloß in sich selber, und hat nichts, mag auch nichts erreichen, als was er bereits im äußern Leben in sich gefasst. Und also geht es auch einem Geizigen, welcher in seiner Bildnis die Geizsucht magisch hält, und der immer viel haben will, und dem nun immer in seinem Willensgeiste das figuriert wird, damit er bei Leibesleben umging; weil ihn aber dasselbe Wesen verlassen und sein Wesen nicht mehr irdisch ist, so führet er doch den Willensgeist in dieser Gestalt, plaget und quälet sich doch damit.«

Man meint, J. Böhme habe in dieser Schilderung alle jene Gestalten unsrer Seherin vor sich gehabt, so sehr sehen sie einander gleich. Nach H. nimmt die Seele ihren moralischen Wert oder Unwert als bleibend in ihren Lebenskreis auf, während der Sonnenkreis, der der Seele zur Bewegung nach außen und zur Reflexion nach innen diente, nach vollendeten Zyklen mit dem Tode abfällt. Der moralische Wert oder Unwert figuriert sich nun im Willensgeist nach Art und Weise, was die Seele während des Lebens vorzugsweise geliebt hat: denn wo euer Schatz ist, da ist ja auch euer Herz. Jedes Laster, jede Schuld, jedes Verbrechen, überhaupt jede schwere Sünde figuriert sich im Willensgeiste gerade so, als ob er seine Richtung noch in die Welt hätte. Das Figurieren selbst geschieht durch den Nervengeist, den die Seele mit sich nimmt, und der eben die bloß moralischen Charaktere und Gepräge plastisch in sich aufnimmt und ihnen Gestalt gibt, d. h. die Seele nimmt, wie sie ist, durch ihn bildliche Form an. Da aber die falsche Erkenntnis und das Gefühl schon im Willensgeiste steckt, so muss er jetzt in sich selber leben, da ihm alle Hilfsmittel neuer Erkenntnisse und neuer Gefühle, die ihm während des Lebens offenstanden, mit der Trennung entschwunden sind. Hier fühlt man erst, was es um die Liebe im christlichen Sinne ist, denn sie öffnet dem Willensgeist alle Wege zum Himmelreich, und beflügelt ihn mit himmlischem Äther, während der in die Selbstsucht sich hineinlebende Willensgeist sich alle Wege verschließt, und durch die Last der Sünde immer weiter abwärts gezogen wird. Böhme spricht hier beispielsweise nur von Hoffart und Geiz. In den Gestalten unsrer Seherin figuriert sich auch die Schuld und das Verbrechen.

Die andre Welt ist eine aufrichtige Welt, wo der Heuchler uns nicht täuschen kann: denn die Lüge wird an ihrer Farbe erkannt, jedes Laster wird zur Grimasse, der Betrug zum Scheusal und schwere Verbrechen zum Ungeheuer. Unsre Seherin besitzt bloß die Kunst, die Form an sich, d. h. ohne Stoff, und das Kleid der Farben an sich, d. h. ohne Zettel und Eintrag zu sehen. Denn warum sollte die Form und die Farbe nicht auch etwas an sich sein, in einer Welt, wo der Stoff nicht mehr gilt? Wenn unsre Logik überall Form und Stoff unterscheidet, so muss sie doch auch zugeben, dass es eine Form ohne Stoff gebe, und dass die Form noch übrigbleibe, wenn der Stoff wegfalle.

Es gibt Spiegel, welche das einfallende Bild so reflektieren, als ob dasselbe vor dem Spiegel im Raum schwebte, und mit allen Farben und Zeichen daselbst sichtbar wäre. Was hat jetzt ein solches Bild für einen Stoff? Bei den abgeschiedenen Seelen ist es nicht anders. Alles was in ihnen ist, wird zum stofflosen Bilde. Der Wüstling wird in Gestalt — vielleicht irgendeines Tieres erscheinen, zu welchem er sich schon während seines Lebens bekannte. Die Missetat etwa einer Kindsmörderin wird im Bilde heraustreten, und ein solches Weib mag dann mit einem erwürgten Kinde auf dem Arm erscheinen. Und so durch alle Rubriken durch. — Wo der Stoff abgeworfen ist, da wird jede Seele die andre an dem Luftbilde erkennen, welches Geistes Kind der vormalige Mensch war. In den Metamorphosen fällt immer das unterste Glied weg, während oben ein andres sich ansetzt. Lassen wir auf dieser Welt den Stoff hinweg, so wird dann die Form das unterste Glied und vertritt die Stelle des Stoffes.

Darum dürfen wir wohl annehmen, dass die plastische Kraft des Nervengeistes, soweit er sich während des Lebens in seinem Typus ausgebildet hat, auch nach dem Tode mit der Seele vereint bleibe und die Seele des weggefallenen Stoffes vertrete, der ja nur das Vehikel des Bildens war. Nur auf der Erde ist ein so grobes Vehikel zum Bilden nötig. In der andern Welt ist die Stoffheit auf ein Minimum reduziert.

Für die Frommen gibt der Himmel seinen Äther her, und der Nervengeist bildet aus ihm ein weißes Lichtgewand, das moralische Licht verbildlicht sich im äußern Lichtstoff; für die Gottlosen gibt die Hölle einen schwarzen Dunst her, in welchen sie sich kleiden: denn auch die moralische Schwere (die Sünde) verbildlicht sich im finstern Dunste. »Weiß«, sagt Pythagoras, »ist das Licht und alles Gute; schwarz die Nacht und das Böse.«

Nur in dieser Welt hat die Seele einen so massiven Leib nötig, um das, was ihr aufgetragen ist, auszuführen. In der andern Welt hat sie eine andre Aufgabe, wozu sie des groben Stoffes nicht mehr bedarf.

Was wir Raumfüllung nennen, ist nichts als ein Widerstand den zwei Körper einander erfahren, d. h. der Kopf kann nicht durch die Wand hindurch, außer er bohrt sich vorher ein Loch; der Widerstand aber gilt nur, wo Stoff dem Stoff begegnet, wo hingegen die Stoffheit aufhört, da gibt es auch keinen Widerstand im Raume. Daher treten die stofflichen Bilder der abgeschiedenen Seelen ebenso leicht durch die Wand hindurch als durch ein offenes Fenster.

Alles liegt daran, dass man den Nervengeist nicht mit den Imponderabilien und noch weniger mit den Ponderabilien verwechselt; er steht um eine ganze Potenz höher als alle physischen und chemischen Kräfte. Wo er frei wirkt, wie in den abgeschiedenen Seelen, da gibt es für ihn keinen Widerstand aus der physischen Welt, vielmehr vermag er die physischen Kräfte sich als eines Vehikels zu seinen Äußerungen zu bedienen, ohne dass wir sehen, wie dieses zugeht.

Unsre Seherin hat recht, die Seelen aus dem Mittelreiche müssen weit unwissender sein, als sie im Leben waren. Denn eben weil sie aus dem Weltzusammenhange herausgerissen sind, in welchem ihre ganze Weisheit bestand, so bleibt nichts mehr übrig, als ihre alte Neigung ohne Befriedigung und das Andenken an ihre Schuld. Plato sagt: »Wer hier lasterhaft lebte, ist nach dem Tode tierischer, als er hier war.«

Es lässt sich leicht denken, dass gleich zu gleich sich geselle und alle zusammen in gleicher Geistesarmut sich befinden, wo weder Lehre noch Unterricht mehr möglich ist. Ist einmal die Scheidung des Guten von dem Bösen geschehen, so muss es dem letztem unendlich schwer werden, sich aus sich selbst emporzuhelfen, da sie von den Guten nichts mehr lernen und absehen können. Darum ist die Zeit der Versäumnis auf dieser Erde für immer verloren, weil eine lange, lange Nacht darauf folgt, die eine zehnfache Mühe erfordert, das letzte glimmende Fünkchen des Guten nicht ersterben zu lassen, und die moralische Schwere, die stärker zieht als die physische, zu überwinden. Die moralischen Gesetze für Lohn und Strafe nach dem Leben sind ebenso genau abgewogen als die physischen auf der Erde, und jeder Geist wird Lohn oder Strafe als die natürliche Folge seiner Handlungen erkennen.

Der Böse trägt seine Sündenschuld in einem einzigen Bild in sich, unvertilgbar, wie in eine Tafel eingeätzt. Demnach muss es eine Menge Stufenordnungen geben nach den Graden der Verklärung oder Verworfenheit. Aber zwischen dem Reiche des Lichts und der Finsternis ist das Reich der Dämmerung, und so ist zwischen Himmel und Hölle das Zwischenreich. Wer in der Hölle ist, der steigt nicht mehr herauf in die Welt; wer im Himmel ist, der steigt nicht mehr herab, außer aus Liebe und zum Schutz für die Menschen. Es bleiben daher nur die Weltsüchtigen noch übrig, welche das Reich der Dämmerung füllen. Diese sind es, welche mit ihren Grundneigungen an die Erde gebannt sind, und zahlreich, wie ein luftiges Heerlager, sie umgeben. Aus diesem Reiche sind die Gestalten, welche sich bei unsrer Seherin auch aus früheren Jahrhunderten einfanden, und wovon mehrere sich durchs Gebet erhellten und verschwanden. Die Buße führt bei den Empfänglichen auch zur Besserung; aber wie lange mag es anstehen, bis nicht nur Betrug, Mord und alle Laster gebüßt, sondern auch die Grundneigungen, welche sie hervorbrachten, vertilgt sind? Hier erkenne der Mensch die Zeit der Versäumnis! Denn im Leben sind alle Gnadenwege geöffnet, und Jahre vermögen das schon, was nach dem Leben Jahrhunderte nicht vermögen.

Wohl weiß ich auch, dass, ehe der Verstand des Menschen, der sich seinen Gott, seinen Himmel und seine Hölle, nach seinem Belieben und seinen Wünschen immer gerne selbst konstruiert und gern überall die ihm so ganz bequeme Gnade und Liebe Gottes vor sich herschiebt, sich so gefangennimmt, an das zu glauben, was kraft seines Stolzes und seiner Lebenslust ihm zu glauben so höchst unangenehm und widrig ist, er lieber alle Künste des Scharfsinns und der Dialektik beschwört, kann er sich dadurch nur in diesem kurzen Moment des Lebens eine ihm bevorstehende Zukunft anschwatzen, die seinen Wünschen und Gefühlen in diesem Leibe entspricht. Wohl fällt es auch dem Stolze des Menschen gar schwer, zu glauben, dass er einst in einen Zustand komme, in dem die Nichtigkeit seines Innern erst ans Licht trete, wo die Maske fällt, unter der er sich hier im Leben zu verstecken und auf dem Markte zu glänzen suchte. Schwer auch fällt es dem so genannten Geistreichen, an Geister zu glauben, die sich nicht geistreich zeigen. Jeder Mensch sollte es nach dem Tode doch wenigstens zur geistreichen Erkenntnis eines Hegel gebracht haben.

Nun aber kommen hier Geister läppisch und albern, nach Bibelstellen und Gesängen schmachtend, beim Namen Jesu helle werdend und behauptend, dass nur in diesem Freude und Frieden zu finden sei. An solche Geister können die so genannten Geistreichen nun vollends gar nicht glauben, und es sind solche Erscheinungen ihnen nur Produkte der kranken Phantasie einer von einem württembergischen Schulmeister einst gut dressierten Schülerin.

»Dass jede im Mittelreiche befindliche Seele an jeden höhern Geist (und deren wird es hoffentlich keine geringe Anzahl geben) sich wenden könne, um durch Anleitung und Unterricht mit Gebet und Glauben sich für das höhere Leben zu befähigen, und dass in diesem Falle die Fortschritte weit größer seien, als wenn sich die niedrigen Geister nur an Menschen halten — dass es übrigens sehr schwer halte, bis solche verstockte Seelen sich wieder zu Gott aufrichten.« — So sagt die Seherin ausdrücklich.

Das so oft schon für die Unsterblichkeit der Seele als Symbol gebrauchte Bild der Raupe weist uns auch auf einen solchen Mittelzustand (Hades, Zwischenreich) nach dem Tode hin.

Aus der Raupe entsteht nach dem Hinsterben nicht sogleich der Schmetterling, sondern es geht diesem ein langer Zwischenzustand, der der Puppe, voraus.

In diesem sich selbst anheimgestellt, ohne die gewöhnliche irdische Ernährung, abgeschlossen vom Sonnenlicht und dem Grünen der Flur, gleichsam in dem Lande der Schatten und des Todes, bildet sich nach und nach der Schmetterling, der um so vollkommener und glänzender sich entfaltet, je mehr Stille und Dunkel den Ort der Verwandlung umgab.

Diejenigen, welche vermeinen, sogleich nach dem Tode in einen Sternenhimmel voll Seligkeit aufgenommen zu werden, diejenigen, welche uns vorwerfen, dass wir vor Sternschnuppen die Sterne nicht sehen, möchten sich wohl gerade so täuschen, als der Wanderer sich täuscht, der ein glänzendes Schloss auf der Höhe erblickt und sich der baldigen Aufnahme in dasselbe erfreut, dem aber das tiefe finstere Tal noch bedeckt ist, das er erst zu durchgehen hat, bis er jenen Glanz nach vielen Mühen erreicht.

Wohl ist mir bekannt, dass die so genannten Verständigen und auch die so genannten Geistreichen dieses, und überhaupt auch unsern Glauben, Phantasterei nennen.

Möchten sie doch bedenken, wie nicht unsre Phantasie, sondern ein ganz naturgemäßer Weg uns zu diesem Glauben führt! Viele Erfahrungen glaubwürdiger Menschen, die Erscheinungen magnetischer Zustände, aus welchen bis zur geschichtlichen Evidenz erhobene Tatsachen hervorgingen und manche Andeutungen göttlicher Offenbarung, waren unsre Wegweiser, ganz gegen unsre eigene Phantasie.

Dagegen nehmen diejenigen, die uns Phantasten nennen, ihren Himmel und ihre Hölle aus ihrem eigenen, eitlen Wissen und aus ihrer durch Weltbildung irren Phantasie.

Auch ihnen sind Geistererscheinungen willkommen, aber nur in Novellen und Romanen, und sie sind die starken Geister, die bei wirklicher Erscheinung eines Geistes in Wahnsinn versetzt würden, ihr Glasschädel und ihr ganzes Wissen und Wesen würde dadurch zu mächtig zerrissen. Aber mit welchem Verwundern werden umso mehr sie dereinst nach dem Verschwinden ihrer Isolierung durch den Tod, in einem von ihnen so streng verworfenen, nie geglaubten Zustand erwachen!

Nehmen wir alles zusammen, unerschütterlich bleibt:

1. Dass die moralische Schwere (die Sünde) ebenso gut wie die physische Schwere nach unten zieht und ihre Verwandtschaft mit der Welt nicht fahrenlassen kann.

2. Dass, wenn der Stoff (die Fleischmasse) abgeworfen ist, die Form noch übrigbleibt.

3. Dass die Form, eben weil sie ohne Stoff ist, sich nur in dem plastischen Schema oder typischen Luftbilde darstellen kann. S. 204-213
Aus: Justinus Kerner, Die Seherin von Prevorst, J. F. Steinkopf Verlag Stuttgart

Telekinetische Spukerscheinungen
Am 21., morgens 9 Uhr, warf es zum offenen Fenster ihres Zimmers (sie war allein und im Bette) mit Kies herein. Der Kies fuhr im Zimmer umher und wurde von mir noch auf dem Boden des Zimmers gesehen. Es war von dem Kiese, der vor dem Hause lag, und außen kein Mensch, der es hätte tun können, bemerkt worden. Eine Viertelstunde später, als ihre Schwester sich bei ihr im Zimmer befand, krachte und rauschte es wieder, wie früher In meiner Gegenwart, auf der Kommode, und gab zugleich Töne, als würfe man; es wurde aber diesmal kein Kies noch sonst etwas auf dem Boden des Zimmers bemerkt.

Bei diesem Werfen erinnerte ich mich, dass die Nachtwächtersfrau gleichfalls angab, es habe einmal nach ihrem Manne vom Ofen her mit Speis geworfen. Eine halbe Stunde später, als sie allein im Zimmer lag, wurde ein sechs Schritte von ihr vor dem Schreibtisch stehender Sessel auf einmal vom Boden bis an die Decke des hohen Zimmers in der freien Luft erhoben und kam dann langsam und still wieder hernieder.

Danach erschrak sie sehr und wurde halbwach. Um 12 Uhr, im Beisein ihrer Schwester, warf es wieder durch das offene Fenster mit Kies, abermals jedoch wurde kein Mensch außen bemerkt, von dem es hätte geschehen können. Der Kies ward von mir noch im Zimmer gefunden; es waren, wie das vorige Mal, nur wenige Stückchen. An diesem Abend, 7 Uhr, als in dem ganzen Hause kein Mensch, Frau H. mit unserm Dienstmädchen im untern Stock, wir aber in dem Garten nächst dem Hause waren, hörten sie und das Dienstmädchen in dem obern Zimmer ein Laufen, und riefen mir. Ich sprang sogleich hinauf, sah nichts, aber hörte, wo ich nur ging, ein Traben hinter mir her durch alle Zimmer und wieder zurück bis an die Treppe. Auch dieser Vorfall war unbegreiflich und durch nichts zu erklären.

Als sie an diesem Abend völlig halbschlafwach war, fragte ich sie: »Was ist es mit dem Werfen, dem Sessel, dem Traben?«

Sie seufzte tief und sagte dann: »Das tut alles der Schwarze. Ich will ihn nicht, ich spreche auch nicht mit ihm.«

Ich bat sie sehr, ihn zu mir zu senden.

Sie erwiderte: »Das steht nicht in meiner Macht, zu dem Weißen sagte ich es aber. Will es der Herr haben, so wird es geschehen, wo nicht, geschieht es nicht. Sich hören lassen wird er wohl noch.«

In der Nacht, 11 Uhr, als ich und meine Frau im gleichen Zimmer im obern Stock schliefen, wurden wir durch ein sanftes Klopfen, das an die Fenster unsres Schlafzimmers geschah, und zwar an die Fenster der zwei verschiedenen Seiten des Hauses zugleich, erweckt. Dies Klopfen war auch wieder ganz eigener Art, einer sanften und doch wieder sehr hörbaren Berührung ähnlich. Ich sah sogleich nach, bemerkte aber weder von außen noch von innen etwas, wodurch es hätte hervorgebracht werden können; und da es an zwei verschiedenen Seiten des Hauses zugleich geschah, so konnte es in jedem Falle nicht nur durch eine Hand geschehen.

Am 22., morgens, warf es wieder zum offenen Fenster herein in das Zimmer der Frau H.; und abends, als unser Dienstmädchen unter dem Hause stand, warf es nach demselben leicht wie mit feinem Kies. Sie konnte rings keinen Menschen erblicken, von dem es hätte geschehen können; überdies steht mein Haus ganz im Freien, fern von allen andern.

Am Nachmittage dieses Tages war Frau H. allein in meinen Hof gegangen, kam aber sogleich wieder zurück und wurde halbwach. Hier sagte sie: sie habe ein großes Tier, fast so groß wie ein Hund, gesehen, aber mit langer Schnauze und großen rollenden Augen, es sei vor sie hingestanden, und es ihr dann gewesen, als wolle es auf sie zufahren. Sie habe zu ihm gesagt:

»Gehe in das Reich, wohin du gehörst! Alle guten Geister loben Gott den Herrn!«
worauf es auf einmal verschwunden. Die gleiche Erzählung machte sie auch wach.

Eine Stunde nachher, als sie allein im Zimmer war, kam wieder ein Tier zu ihr, fast in Gestalt eines Bären, mit fürchterlichen Augen, und sah sie starr an. Sie rief:

»Ihr Höllengeister, packet euch,
Ihr habt hier nichts zu schaffen,
Dies Haus gehört in Jesu Reich«


Auf dies verschwand die Gestalt. Sie wurde durch den Schrecken halbwach, verlangte fünf magnetische Striche, worauf sie ganz somnambul wurde und folgendes sprach:

»Da kann ich doch sehen, wie schwarz seine Seele ist, da er sich immer in solchen Bildern darstellt. Wie könnt‘ ich das er. tragen? Aber doch muss ich es heute sehen. Warum? Weil er sich heute an diesen nicht wenden kann, welcher beinahe selig ist. (Wahrscheinlich weil es Sonntag war.) Ich sehe ihn, bis dieser andre zu mir kommt, bis ich diesem auftrage, was er diesem schwarzen Ungeheuer sagen soll. Es ist kein Bild, das ich mir vorstelle, das soll man ja nicht glauben, und würde ich es halbwegs ertragen können, so würde ich es im wachen Zustande gar nicht sagen, weil man solche Bilder vielleicht wegstreiten kann. Ich fürchte mich nicht, er kann mir nicht schaden, insofern als ich schwach bin. In dieser Gestalt sehe ich ihn nicht mehr, irgendeine andre macht er.«

Am 22. April, nachts 12 Uhr, kam der weiße Geist wieder zu ihr: Sie fragte ihn: warum sich der Schwarze so oft sehen lasse und er sagte: »Weil er bei dir Ruhe finden will.« Sie erklärte ihm abermals, dass sie sich eines solchen nicht annehmen könne. Sie betete wieder eine Stunde lang mit dem weißen Geiste, der jedes Mal vor ihrem Bette mit zusammengelegten Händen kniete. Die ganze Nacht hörte man in ihrem Zimmer ein Rauschen, wie mit Papier, und ein Gehen, jedoch konnte man abermals nicht erforschen, woher diese Töne kamen.

Als wir am 23. April, nachts 8 Uhr, bei Licht am Abendessen saßen, schwebte fast am Fenster des obern Stocks, vor dem unser Tisch stand, eine Gestalt wie eine weiße Wolke, von allen gesehen, vorüber, und dabei hörte man am Fenster die gleichen Töne, wie in jener Nacht, nur sanfter tönend, und noch heller klingend. In der Nacht 11 Uhr, als wir schon alle zu Bette lagen, sprang die Schwester voll Bestürzung zu uns in den obern Stock, mit den Worten: sie hätte am Fenster ein Rasseln wie von Ketten gehört, und ihren Blick dahin gewendet, worauf sie beide zweimal hintereinander eine schwarze verzerrte Menschenfratze erblickt, die zweimal nacheinander zum Fenster hereingeschaut habe und dann verschwunden sei; die Erscheinung könne unmöglich Täuschung sein, sie hätten sie beide zugleich zu klar gesehen. Ich untersuchte sogleich vor dem Hause und um das Haus alles, konnte aber ringsum nichts erblicken, und schloss nun die Fensterläden im Zimmer der Frau H.

In der Nacht, 12 Uhr, kam der weiße Geist wie gewöhnlich zu ihr zum Gebet. Ich fragte sie am andern Morgen, ob sie ihm nichts vom Schwarzen gesagt, sie erwiderte aber, wie schon öfters, sie wolle von diesem durchaus nichts, und berühre ihn auch deswegen nie mit einer Silbe, aus Furcht, er nähere sich ihr dann mehr. S. 293-296
Aus: Justinus Kerner, Die Seherin von Prevorst, J. F. Steinkopf Verlag Stuttgart