Lucius Caelius Firmianus Lactantius (um 250 – 340)
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Inhaltsverzeichnis
37. Jesus Christus
Ich will mich nun des näheren über die weise Religion oder die religiöse Weisheit verbreiten. Im Anbeginn, vor Grundlegung der Welt, hat Gott aus dem Quell seiner Ewigkeit und aus seinem göttlichen und immerwährenden Geiste sich selbst einen Sohn erzeugt, der unvergänglich, getreu, das wahre Abbild der väterlichen Macht und Erhabenheit war. Dieser ist die Kraft und die Vernunft Gottes, dieser das Wort und die Weisheit Gottes. Dieser war nach Hermes der Meister, nach der Sibylla der Ratgeber, dessen Gott sich bediente, um den herrlichen und wunderbaren Bau dieser Welt ins Werk zu setzen. Und von allen Engeln, die Gott aus seinem Hauche gebildet hat, ist er allem zur Teilnehmerschaft an der höchsten Macht erkoren, allein Gott benannt worden. »Denn alles ist durch ihn, und ohne ihn ist nichts« (Joh. 1, 3). Über den ersten und zweiten Gott hat auch Plato nicht so fast als Weltweiser denn als Seher sich ausgesprochen, vielleicht im Anschluss an Trismegistus. Platos Worte füge ich in der Übersetzung aus dem Griechischen an: »Der Herr und Schöpfer des Alls, den wir Gott zu nennen pflegen, hat einen zweiten sichtbaren und wahrnehmbaren Gott geschaffen. Wahrnehmbar (sensibilis) nenne ich ihn, nicht weil er selbst wahrnimmt, sondern weil er wahrgenommen und geschaut wird. Dieser war der erste, alleine und einzige, den Gott geschaffen hat, und darum erschien er ihm vollkommen gut und aller Güter voll« (Diese Stelle findet sich nicht in den echten Schriften Platos). Auch die Sibylla von Erythrä nennt ihn »Gott, den Gott zum Führer von allen gemacht hat«; und eine andere Sibylla sagt: »Man muss Gott, den Sohn Gottes, erkennen, wie die Stellen darlegen, die wir in den Unterweisungen angeführt haben«. Vom Sohne Gottes haben, von göttlichem Geiste erfüllt, die Propheten geweissagt. Unter diesen gibt vor allem Salomon Zeugnis im Buch der Weisheit, und ebenso dessen Vater, der Verfasser himmlischer Loblieder, beide hochberühmte Könige, die den Zeiten des Trojanischen Krieges um hundertachtzig Jahre vorausgegangen sind; beide bezeugen von ihm, dass er aus Gott geboren ist. »Sein Name ist niemand bekannt außer ihm selbst« (Offenb 19, 12) und dem Vater, wie Johannes in der Offenbarung lehrt. Hermes sagt von ihm: »Sein Name kann von einem sterblichen Munde nicht ausgesprochen werden.« Die Menschen jedoch legen ihm zwei Benennungen bei: J e s u s, d: h, Heiland, und C h r i s t u s, d. h. König; Heiland deswegen, weil er die Wiederherstellung und das Heil aller ist, die durch ihn an Gott glauben; und Christus deshalb, weil er am Abschluss dieser Weltzeit vom Himmel kommen wird, um die Welt zu richten und nach der Auferstehung der Toten sich ein ewiges Reich zu gründen. S. 172f.
Bibliothek der Kirchenväter, Lactantius: Auszug aus den göttlichen Unterweisungen, Ziffer 37, 1919 Kempten & München, Verlag der Jos. Köselschen Buchhandlung
38. Die Menschwerdung
Damit dir aber nicht etwa Bedenklichkeit aufsteige, warum wir den, der vor der Welt aus Gott geboren ist, Jesus Christus nennen, der vor dreihundert Jahren vom Menschen geboren wurde, so will ich dir das Verhältnis kurz auseinandersetzen, Christus ist zugleich Sohn Gottes und Sohn des Menschen. Denn er hat eine zweifache Geburt: die erste ist von Gott im Geiste vor Entstehung der Welt; die zweite ist aus dem Menschen im Fleische unter der Herrschaft des Augustus. In dieser Menschwerdung liegt ein herrliches und erhabenes Geheimnis, auf dem das Heil der Welt, die Religion des höchsten Gottes und die ganze Wahrheit beruht: Denn von der Zeit an, wo sich die ruchlosen und unseligen Götterdienste durch tückische Kunstgriffe der Dämonen eingeschlichen hatten, verblieb nur bei den Hebräern allein die Verehrung des wahren Gottes; diese behielten den ererbten Gottesdienst, den sie nicht durch ein Gesetz überkommen, sondern durch Überlieferung fortgepflanzt hatten, nach väterlicher Sitte bei bis zur Zeit, wo sie unter Führung des Moses, des ersten der Propheten, aus Ägypten zogen; durch Moses hat ihnen dann Gott das Gesetz auferlegt. Diese, die in der Folge Juden genannt wurden, oblagen also dem Dienst Gottes unter den Banden des Gesetzes. Aber auch sie irrten allmählich zu unheiligen Gebräuchen ab und gewährten fremden Göttern Eingang; sie verließen den väterlichen Gottesdienst und opferten empfindungslosen Bildern. Darum schickte Gott Propheten an sie, die von göttlichem Geiste erfüllt waren; diese mussten ihnen die Sünden vor Augen halten, um sie zur Sinnesänderung zu bewegen; sie mussten ihnen mit kommender Rache drohen und ihnen ankündigen, wenn sie bei ihren Verirrungen beharrten, so würde Gott einen neuen Gesetzgeber schicken, der dem undankbaren Volke das Erbe entziehen und ein anderes, treueres Volk von den auswärtigen Stämmen um sich versammeln würde. Aber die Juden verblieben nicht nur bei ihrer Untreue, sondern töteten such noch die Boten, die Gott zu ihnen sandte. Daher sprach Gott das Urteil über sie wegen ihrer Missetaten und schickte fürder keine Propheten mehr zum widerspenstigen Volke; Gott schickte vielmehr seinen Sohn, um die Völker insgesamt zur Gnade Gottes zu berufen. Doch schloss er die Juden trotz ihrer Pflichtvergessenheit und Undankbarkeit nicht von der Hoffnung des Heiles aus, sondern schickte gerade an sie zunächst den Sohn; würden sie vielleicht willfährig sich zeigen, so sollten sie die empfangene Gabe nicht verlieren; würden sie aber ihren Gott nicht aufnehmen, dann sollten sie des Erbes für verlustig erklärt und die Heiden zur Kindschaft Gottes berufen werden. Daher befahl der höchste Vater dem Sohn, auf die Erde herabzusteigen und menschlichen Leib anzunehmen, um in der Leidensfähigkeit des Fleisches Tugend und Geduld nicht bloß in Worten, sondern auch in Werken zu lehren. So ward er also als Mensch ohne Vater wiedergeboren aus der Jungfrau; und gleichwie er bei der ersten geistigen Geburt aus Gott allein gezeugt und zu Heiligem Geiste geworden ist, so sollte er bei der zweiten fleischlichen Geburt aus der Mutter allein geboren und zu heiligem Fleische werden, damit durch ihn das Fleisch, das der Sünde anheim gefallen war, vom Untergange gerettet würde. S. 173f.
Bibliothek der Kirchenväter, Lactantius: Auszug aus den göttlichen Unterweisungen, Ziffer 38, 1919 Kempten & München, Verlag der Jos. Köselschen Buchhandlung
39. Die Weissagungen von der Geburt Christi
Den ganzen Gang der heiligen Geschichte haben so, wie ich ihn dargelegt, die Propheten vorausverkündigt. Bei Salomon steht geschrieben: »Gesegnet ward der Schoß der Jungfrau, und sie empfing und ward in vieler Erbarmung Mutter und Jungfrau« (Diese Stelle findet sich in den sog. Psalmen oder Oden Salomons Nr. 19 ). Bei Jesaias heißt es: »Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und seinen Namen sollt ihr Emanuel nennen« ( Jes. 7, 14. ), d. h. Gott mit uns. Denn er war mit uns auf Erden, indem er sich mit dem Fleische umkleidet hat, und war nichtsdestoweniger Gott im Menschen und Mensch in Gott. Seine Gottheit bezeugt Jesaias mit den Worten: »Sie werden vor dir sich beugen und zu dir flehen: Denn in dir ist Gott, und wir wussten es nicht, Gott Israels. Verwirrung und Furcht erfasst all deine Widersacher, und sie fallen der Beschämung anheim. (Jes. 45, 14-16, Cypr. Testim. Il 6. Die Schriftstellen sind nach der Itala angeführt und finden sich zum größten Teile, oft auch in der gleichen Reihenfolge, im zweiten Buche der Testimonia des hl. Cyprian). Ebenso Jeremias: »Dieser ist unser Gott, und kein anderer kommt in Betracht außer ihm; dieser hat alle Wege der Weisheit gefunden und sie Jakob gegeben, seinem Knechte, und Israel, seinem Auserwählten. Hernach ist er auf Erden erschienen und unter den Menschen gewandelt« (Bar. 3, 36-38). Seine Menschheit bezeugt der nämliche Jeremias, indem er sagt: »Mensch ist er, und wer hat ihn erkannt?« (Jer.17, 9; Cypr. II 10) Ebenso Jesaias mit den Worten: »Senden. wird ihnen der Herr einen Menschen, der sie erlösen und beim Gerichte sie heilen wird« (Jes. 19, 20). Und endlich Moses im Buch Numeri: »Ein Stern wird aufgehen aus Jakob und ein Mensch sich erheben aus Israel« (Num. 24, 17). Darum also hat er als Sohn Gottes Fleisch angenommen, um Mittler zwischen Gott und dem Menschen zu werden und den Menschen durch seine Lehre und durch Überwindung des Todes zu Gott zu führen. S. 175f.
Bibliothek der Kirchenväter, Lactantius: Auszug aus den göttlichen Unterweisungen, Ziffer 39, 1919 Kempten & München, Verlag der Jos. Köselschen Buchhandlung
40. Die Werke, das Leiden und Sterben Christi
Nach diesen Ausführungen über die zweifache Geburt Christi wollen wir nun einiges über seine Macht und seine Werke sprechen.. Es waren große und wunderbare Dinge, die er unter den Menschen vollbrachte. Die Juden sahen diese Werke, schrieben sie aber einer geheimen Zaubermacht zu, ohne zu beachten, dass sein ganzes Wirken von den Propheten vorausgesagt war. Jegliche Krankheit, jede Art von Siechtum fand alsbald Heilung bei ihm, und zwar nicht durch irgendein Heilmittel, sondern durch die Kraft und Macht seines Wortes. Bresthafte wurden hergestellt, Lahme aufgerichtet; den Blinden gab er das Gesicht, den Stummen die Sprache wieder und den Tauben das Gehör. Die vom Aussatze Entstellten fanden Reinigung; den vom Anfall der Dämonen in Raserei Gestürzten gab er wieder den natürlichen Verstand, Verstorbene und bereits Begrabene rief er zu Licht und Leben zurück. Mit fünf Broten und zwei Fischen sättigte er fünftausend Menschen. Ebenso wandelte er über dem Meere und gebot beim Sturm dem Winde, sich zu legen, und es trat allsogleich Stille ein. All dieses finden wir in den Büchern der Propheten und in den Weissagungen der Sibyllen vorausgesagt, Ob dieser Wunderwerke strömte eine große Menge Volkes bei ihm zusammen und hielt ihn, wie er es auch wirklich war, für den Sohn Gottes und den von Gott gesandten Messias. Dadurch wurden die Priester und die Häupter der Juden mit Missgunst erfüllt, und zugleich reizte sie der Zorn, weil er ihnen ihre Sünden und Ungerechtigkeiten vor Augen hielt; sie traten darum zusammen, um ihn zu töten. Dies hatte schon vor mehr als tausend Jahren Salomon im Buche der Weisheit vorausverkündigt mit den Worten: »Lasst uns umgarnen den Gerechten; denn er ist uns widerwärtig und wirft uns die Sünden gegen das Gesetz vor. Er rühmt sich, die Wissenschaft Gottes zu haben und nennt sich den Sohn Gottes. Er ist uns zur Bloßstellung unserer Gedanken geworden; beschwerlich ist uns schon sein Anblick; denn unähnlich dem Leben anderer ist sein Leben und verschieden seine Wege. Als Spötter sind wir von ihm erachtet worden; von unseren Wegen hält er sich fern wie vor Unreinigkeiten und zieht das Ende der Gerechten vor und rühmt sich, den Herrn zum Vater zu haben. Lasst uns also sehen, ob seine Reden wahr sind, und versuchen, was er für einen Ausgang mit ihm nehmen wird. Mit Schmach und Martern lasst uns ihn prüfen und seinen Gehorsam kennen lernen und seine Geduld erproben. Zum schmählichsten Tode wollen wir ihn verurteilen. So dachten sie in ihrer Verirrung; denn ihre Torheit hat sie verblendet, und sie kannten nicht die Geheimnisse Gottes« (Weish. 2, 12f.). Diese Stellen lasen wohl die Juden, bewahrten sie aber nicht im Sinne. Darum reizten sie das Volk gegen Christus als einen Gottlosen auf, um ihn zu ergreifen, vor Gericht zu schleppen und mit ruchlosem Geschrei seinen Tod zu verlangen. Als Verbrechen aber machten sie gerade das geltend, dass er sich Sohn Gottes nannte und dass er das Gesetz aufhob, indem er am Sabbate heilte. Das Gesetz aber erklärte Christus nicht aufzuheben, sondern vollkommen zu erfüllen. Pontius Pilatus, der damals als Legat über Syrien die Gerichtsbarkeit führte, erkannte wohl, dass diese Angelegenheit nicht zum Amtsbereiche des römischen Richters gehöre und schickte Christus zum Vierfürsten Herodes. Schließlich gestattete er den Juden, in Sachen ihres Gesetzes selbst zu entscheiden. Nachdem sie so die Vollmacht zum Verbrechen erlangt hatten, schlugen sie Christus ans Kreuz. Doch vorerst geißelten sie ihn, gaben ihm Backenstreiche, krönten ihn mit Dornen, spien ihm ins Angesicht und gaben ihm als Speise und Trank Galle und Essig; und während all diesem wurde kein Laut von ihm gehört. Dann warfen die Henker über sein Unter- und Obergewand das Los, hingen ihn am Balken auf und nagelten ihn an, während die Juden tags darauf das Pascha, d, h, ihren großen Festtag begehen wollten. Der Untat folgten Wunderzeichen, um den Juden den Frevel, den sie auf sich geladen, zum Bewusstsein zu bringen. In demselben Augenblicke, wo er den Geist aufgab, trat ein großes Erdbeben ein, und es entstand eine solche Verdunklung der Sonne, dass der Tag in Nacht verwandelt wurde. S. 176f.
Bibliothek der Kirchenväter, Lactantius: Auszug aus den göttlichen Unterweisungen, Ziffer 40, 1919 Kempten & München, Verlag der Jos. Köselschen Buchhandlung
41. Die Weissagungen von Christi Leiden und Sterben
Alle diese Ereignisse hatten die Propheten vorausgesagt. So heißt es bei Jesaias: »Ich bin nicht widerspenstig und widerspreche nicht; meinen Rücken bot ich den Geißeln und meine Wangen den Backenstreichen; mein Angesicht habe ich vor der Schmach des Anspeiens nicht abgewandt« (Jes. 50, 5f.). Und vom Schweigen Christi heißt es: »Gleichwie ein Schaf ist er zur Opferung geführt worden, und wie ein Lamm, das ohne Laut ist vor dem, der es schert, hat er seinen Mund nicht geöffnet« (Jes. 53, 7). David sagt im 34. Psalme: »Sie häuften Geißelstreiche auf mich und kannten nicht ihre Zahl; es ermattete ihr Arm, aber es änderte sich nicht ihr Sinn; an mir versuchten sie ihre Kraft und knirschten mit den Zähnen wider mich« (Ps. 34, 15f.). Ebenso spricht er von Speise und Trank im 68. Psalme: »Und sie gaben zur Speise mir Galle, und in meinem Durste gaben sie mir Essig zum Trank« (Ps. 68, 22.). Und vom Kreuze Christi heißt es: »Sie haben meine Hände und meine Füße durchbohrt und alle meine Gebeine gezählt; sie selbst aber haben mich betrachtet und beschaut, haben meine Kleider geteilt und über mein Gewand das Los geworfen« (Ps. 21, 17.). Moses sagt im Deuteronomium: »Und dein Leben wird in der Schwebe sein vor deinen Augen, und du wirst fürchten Tag und Nacht und deinem Leben nicht trauen« (Deut. 28, 66; Cypr. II 20.). Ebenso im Buch Numeri: »Der Herr wird nicht geängstigt (suspenditur) wie der Mensch und erfährt nicht Drohungen wie des Menschen Sohn« (Num. 23, 19; Cypr. II 20. Nach der Vulgata lautet die Stelle: »Gott ist nicht wie ein Mensch, dass er trügt, und wie ein Sohn des Menschen, dass er sich ändert). Und bei Zacharias heißt es: »Sie werden auf mich hinschauen, den sie durchbohrt haben« (Zach. 10, 12.). Über die Verdunklung der Sonne sagt Amos: »An jenem Tage, spricht der Herr, wird die Sonne am Mittag hinabsinken und der Tag des Lichtes sich verfinstern; in Trauer werd' ich eure Feste wandeln und eure Gesänge in Wehklagen« (Am. 8, 9f.). Ebenso spricht Jeremias über die Stadt Jerusalem, in der Christus gelitten hat: »Die Sonne ging für sie unter, als es noch mitten im Tage war; Schimpf und Schmach hat sie getroffen; was noch übrig ist, will ich dem Schwerte weihen« (Jer. 9,9). Und das war nicht umsonst gesagt. Denn nach kurzer Zeit überwältigte Kaiser Vespasian die Juden und verheerte ihr Land mit Feuer und Schwert; die Belagerten bezwang er durch Hunger, zerstörte Jerusalem von Grund aus und führte die Gefangenen im Triumphe auf; dem Überrest, der noch geblieben war, untersagte er das Betreten ihres Landes, und nie sollte ihnen die Rückkehr zum heimatlichen Boden gestattet sein. Und das hat Gott wegen des Kreuzes Christi über sie verhängt, wie es in ihren hl. Schriften früher Salomon bezeugt hat mit den Worten: »Und Israel wird dem Verderben anheim fallen und dem Hohn der Völker; und dieses Haus wird verödet sein; und jeder, der daran vorübergeht, wird staunen und fragen: Was hat denn dieses Land, was hat dieses Haus verschuldet, dass Gott über sie diese Übel gebracht hat? Und man wird antworten: Weil sie den Herrn ihren Gott verlassen und ihren König, den von Gott geliebten, verfolgt und ihn gekreuzigt haben in großer Erniedrigung, darum hat Gott diese Übel über sie verhängt« (3 Kön. 9, 7f.). Was hätten auch die nicht an Strafe verdient, die den Herrn, der zu ihrem Heile gekommen, war, gemordet haben? S. 176-178
Bibliothek der Kirchenväter, Lactantius: Auszug aus den göttlichen Unterweisungen, Ziffer 41, 1919 Kempten & München, Verlag der Jos. Köselschen Buchhandlung
42. Die Auferstehung und Himmelfahrt
Hernach nahmen sie den Leib des Herrn vom Kreuze herab und legten ihn ins Grab. Aber am dritten Tag entstand vor Anbruch des Lichtes ein Erdbeben, der Stein, mit dem sie das Grab verschlossen hatten, ward weggewälzt, und der Herr stand von den Toten auf. Im Grabmal fand sich nur die Leinwand, die den Leib umhüllt hatte. Seine Auferstehung am dritten Tage hatten die Propheten schon längst vorausverkündigt. So spricht David im 15. Psalme: »Du wirst meine Seele nicht im Totenreiche lassen und deinen Heiligen nicht die Verwesung schauen lassen« (PS. 15, 10. ). Ebenso spricht Oseas: »Dieser mein Sohn, der weise; darum wird er nicht bestehen beim Untergang seiner Kinder; aus der Hand der Unterwelt will ich ihn reißen. Wo ist dein Urteil, o Tod, wo ist dein Stachel? (Os.13,13. In der Vulgata heißt es : Ephraim filius non sapiens.) Und wiederum: »Nach zwei Tagen wird er uns neu beleben, am dritten Tage« (Os. 6, 3). Nach der Auferstehung begab sich Christus nach Galiläa, sammelte die Jünger, welche die Furcht verscheucht hatte, wieder um sich, gab ihnen die Aufträge, die er beobachtet wissen wollte, und ordnete die Verkündigung des Evangeliums auf dem ganzen Erdkreise an. In ihr Inneres hauchte er den Heiligen Geist und gab ihnen die Macht, Wunderbares zu vollbringen, damit sie mit Wort und Tat für das Heil der Menschen wirkten. Und jetzt erst, am vierzigsten Tage, kehrte er, in einer Wolke entrückt, zum Vater zurück. Dieses hatte Daniel schon längst verkündet mit den Worten: »Ich schaute im Traumgesicht der Nacht; und siehe, auf den Wolken des Himmels kam einer in Gestalt des Menschensohnes und gelangte bis zum Alten der Tage; und die den Thron umstanden, stellten ihn dem Ewigen dar. Und gegeben ward ihm Reich und Ehre und Herrschaft; und alle Völker, Geschlechter und Zungen dienen ihm. Seine Macht ist ewig; sie wird nie vergehen, und nie wird sein Reich zerfallen« (Dan. 7, 13f.). Ebenso spricht David im 109. Psalme: »Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis dass ich dir die Feinde lege zum Schemel deiner Füße« (Ps. 109, 1). S. 180f.
Bibliothek der Kirchenväter, Lactantius: Auszug aus den göttlichen Unterweisungen, Ziffer 42, 1919 Kempten & München, Verlag der Jos. Köselschen Buchhandlung
43. Verwerfung der Juden und Berufung der Heiden
So sitzt also Christus zur rechten Hand Gottes; und wenn er wiederkommt zum Gericht über den Erdkreis, so wird er den Fuß auf den Nacken seiner Feinde setzen, die ihn gekreuzigt haben. Es bleibt demnach den Juden keine Hoffnung übrig, als wenn sie sich zur Buße wenden, wenn sie das Blut von sich abwaschen, mit dem sie sich befleckt haben, und auf den hoffen, den sie getötet haben. Darum sagt Esdras: »Dieses Osterlamm ist unser Erlöser und unsere Zuflucht. Bedenkt es und nehmt es zu Herzen, dass wir zuerst ihn erniedrigen müssen am Kreuze; und hernach werden wir auf ihn hoffen (Die Stelle findet sich nicht bei Esdras). Die Enterbung der Juden, die Christus verworfen haben, und die Aufnahme der Heiden, denen wir entstammen, wird durch die hl. Schriften bestätigt. Jeremias sagt: »Ich habe mein Haus verlassen, mein Erbe preisgegeben in die Hand der Feinde. Geworden ist mir mein Erbe wie der Löwe im Walde; es erhob laut wider mich die Stimme; darum bin ich ihm gram geworden« (Jer. 12, 7f.). Ebenso Malachias: »Ich habe kein Wohlgefallen mehr an euch, spricht der Herr, und ein Opfer werde ich nicht gnädig mehr aufnehmen aus euren, Händen; denn vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang wird mein Name verherrlicht werden bei den Völkern« (Mal. 1, 10). Auch Jesaias spricht: »Ich komme, zu sammeln alle Völker und Zungen, und sie werden kommen und meine Herrlichkeit schauen« (Jes. 66, 18). Und an anderer Stelle lässt der Prophet den Vater zum Sohne sprechen: »Ich, der Herr dein Gott, habe dich berufen zur Gerechtigkeit; ich werde deine Hand halten und dich stärken. Gegeben habe ich dich zum Bunde für mein Volk, zum Lichte für die Heiden, auf dass du öffnest die Augen der Blinden, dass du aus den Banden ans Licht führest die Gebundenen, und aus dem Haus des Verließes die, so in der Finsternis sitzen« (Jes. 42, 6 f.). S. 181f.
Bibliothek der Kirchenväter, Lactantius: Auszug aus den göttlichen Unterweisungen, Ziffer 43, 1919 Kempten & München, Verlag der Jos. Köselschen Buchhandlung
44. Christus, die wahre Weisheit
Wenn also Gott die Juden verworfen hat, wie die untrüglichen hl. Schriften verkündigen, und wenn er, wie wir es mit Augen sehen, die Heiden aufgenommen und sie aus den Finsternissen des gegenwärtigen Weltlebens und aus den Banden der Dämonen erlöst hat, so bleibt für den Menschen nur eine Hoffnung übrig, und diese liegt im Anschluss an die wahre Religion und an die wahre Weisheit, die Christus ist; wer Christus nicht kennt, der bleibt von Wahrheit und Gott immer durch eine Kluft getrennt. Mögen nur die Juden oder die Weltweisen auf ihren höchsten Gott sich nichts zugute halten: wer den Sohn nicht kennt, kann auch den Vater nicht kennen. Dies ist die Weisheit und dies das Geheimnis des höchsten Gottes. Durch Christus will Gott erkannt und geehrt werden. Aus dem Grunde hat Gott die Propheten vorausgesandt, um von der Ankunft des Sohnes zu weissagen, damit, wenn sich alle Vorhersagungen an ihm erfüllt hätten, die Menschen an ihn als den Sohn Gottes und wahren Gott glaubten. Man darf dies jedoch nicht so verstehen, als ob in Gott eine Zweiheit wäre. Denn der Vater und der Sohn sind eins. Der Vater liebt den Sohn und teilt ihm alles mit; und der Sohn willfährt getreulich dem Vater und will nichts, als was der Vater will; man kann daher eine so natürliche Unzertrennlichkeit nicht auseinander reißen; man kann die nicht als zwei bezeichnen, in denen Wesenheit, Wille und Treue eine einzige ist. So ist also der Sohn durch den Vater und der Vater durch den Sohn. Beiden muss man eine Ehre erweisen als einem einzigen Gott, und zwischen beiden so die Verehrung teilen, dass die Teilung selbst durch unlösbaren Zusammenhang verbunden bleibt. Keiner von beiden bleibt dem übrig, der den Vater vom Sohn oder den Sohn vom Vater scheidet. S. 182
Bibliothek der Kirchenväter, Lactantius: Auszug aus den göttlichen Unterweisungen, Ziffer 44, 1919 Kempten & München, Verlag der Jos. Köselschen Buchhandlung
45. Lehre und Beispiel Christi
Es erübrigt uns noch, dem Einwurf zu begegnen, als wäre es für Gott unschicklich und mit dem Wesen Gottes nicht vereinbar, sich mit einem sterblichen Leibe zu umkleiden, sich Menschen unterzuordnen, Schimpf und Schmach auf sich zu nehmen, Martern und Tod zu erdulden. über die Sache will ich meine Gedanken darlegen und einen unermesslichen Stoff in wenige Worte zusammenfassen. Wer etwas lehrt, der muss wohl auch tun, was er lehrt, um die Menschen zum Gehorsam zu bewegen; wenn er es nicht tut, so benimmt er seinen Vorschriften den Glauben. Es bedarf also der Beispiele, um den Vorschriften Nachdruck zu geben; und wenn einer dann widerspenstig sein will und die Ausführung der Gebote für unmöglich erklärt, so muss ihn der Lehrer sofort durch Werke widerlegen. Eine Lehre kann nicht vollkommen sein, wenn sie bloß in Worten besteht; sie ist erst dann vollkommen, wenn sie in Werken erfüllt wird.
Da Christus als Lehrer der Tugend zu den Menschen gesandt war, so musste er mit dem Worte auch das Werk verbinden, wenn seine Lehre vollkommen sein sollte. Ohne die Annahme des menschlichen Leibes hätte er das nicht vollbringen können, was er lehrte, so z. B., dass man nicht zürnen, dass man nicht nach Reichtum verlangen, nicht von Begierlichkeit sich fortreißen lassen dürfe, dass man den Schmerz nicht fürchten und den Tod verachten müsse. Das sind sicherlich Werke der Tugend, aber ohne Leiblichkeit kann man sie nicht vollbringen. Darum hat also Christus Fleisch angenommen, um seine Lehre von der notwendigen Überwindung der Begierlichkeit des Fleisches zuerst selbst zu erfüllen, damit niemand zu seiner Entschuldigung die Gebrechlichkeit des Fleisches vorschützen könnte. S.183
Bibliothek der Kirchenväter, Lactantius: Auszug aus den göttlichen Unterweisungen, Ziffer 45, 1919 Kempten & München, Verlag der Jos. Köselschen Buchhandlung
46. Das Geheimnis des Kreuzes
Ich will nun vom Geheimnis des Kreuzes sprechen; denn es soll niemand einwenden: »Wenn Christus den Tod auf sich nehmen musste, warum denn einen so entehrenden und schmachvollen Tod, warum nicht einen Tod, der etwas Ehrenvolles an sich gehabt hätte?« Ich wenigstens weiß von vielen, dass sie vor dem Namen des Kreuzes zurückschaudern und darum der Wahrheit den Rücken kehren, während doch eine tiefe Bedeutung und eine große Macht im Kreuze liegt. Da Christus zu dem Zwecke gesendet war, um gerade den Geringsten den Weg zum Heile zu eröffnen, so hat er sich selbst niedrig gemacht, um die Niedrigen zu erlösen. Daher nahm er jene Art des Todes auf sich, die man über Niedrige zu verhängen pflegt, um allen die Möglichkeit der Nachahmung zu gewähren. Und da er außerdem wieder auferstehen sollte, so durfte ihm kein Teil des Leibes verstümmelt und kein Gebein zerbrochen werden, wie es bei der Hinrichtung mit dem Schwerte geschieht. So verdiente also das Kreuz den Vorzug, das den Leib ohne Verletzung der Gebeine für die Auferstehung bewahrte. Dazu kommt noch der Umstand, dass Christus nach der freiwilligen Übernahme seines Leidens und Sterbens erhöht werden sollte. So sehr hat ihn aber das Kreuz in der Wirklichkeit und Augenscheinlichkeit erhöht, dass aller Welt seine Erhabenheit und Macht zugleich mit seinem Leiden kundbar geworden ist. Denn mit der Ausbreitung der Arme am Kreuze hat er gleichsam seine Flügel nach dem Aufgang und dem Niedergang ausgestreckt, damit unter diesen Flügeln alle Völker beider Weltteile sich zur Ruhe versammelten. Wie groß aber die Wirksamkeit und Macht dieses Zeichens ist, tritt klar zutage, wenn die ganze Rotte der Dämonen durch dieses Zeichen vertrieben und verjagt wird. Und wie Christus vor seinem Leiden die Dämonen durch sein allmächtiges Wort verscheucht hat, so werden auch jetzt die unreinen Geister, die sich in die Leiber der Menschen eingeschlichen haben, durch den Namen und das Zeichen des Leidens Christi ausgetrieben, indem sie sich wie unter Folterqualen als Dämonen bekennen und der züchtigenden Hand Gottes weichen. Was sollen also die Griechen von ihren Götterdiensten und mit ihrer Weisheit erhoffen, wenn sie sehen, dass ihre Götter, deren dämonisches Wesen sie nicht in Abrede stellen können, durch das Kreuz von den Menschen glorreich überwunden werden? S.183 f.
Bibliothek der Kirchenväter, Lactantius: Auszug aus den göttlichen Unterweisungen, Ziffer 46, 1919 Kempten & München, Verlag der Jos. Köselschen Buchhandlung
47. Der Hass gegen die Wahrheit
So bleibt also den Menschen nur eine Hoffnung des Lebens, nur ein Hafen des Heiles und eine Zuflucht der Rettung übrig, wenn sie die Irrtümer ablegen, in denen sie befangen waren, wenn sie die Augen ihres Geistes öffnen und Gott erkennen, in dem allein die Wohnstätte der Wahrheit ist; wenn sie die irdischen Dinge und die irdischen Gebilde verachten, die Philosophie, die vor Gott Torheit ist, für nichts halten und der wahren Weisheit, d, h. der Religion, das Herz öffnen, um so zu Erben der Unsterblichkeit zu werden. Aber sie widerstreben ja nicht so fast der Wahrheit als ihrem eigenen Heile; und wenn sie solche Worte hören, so verabscheuen sie dieselben als unsühnbaren Gräuel. Und nicht einmal das Anhören ertragen sie, gleich als würden sonst ihre Ohren von Schändung des Heiligen entweiht; und selbst auch der Schmähungen enthalten sie sich nicht; vielmehr brechen sie in die furchtbarsten Verwünschungen aus. Und haben sie Macht erlangt, so verfolgen sie die Christen als Feinde des Staates, ja noch mehr als Feinde. Denn dieser wartet im Fall des Unterliegens Tod oder Knechtschaft, aber nach Ablegung der Waffen keine Marter mehr - und doch hätten die alles zu erleiden verdient, die es anderen antun wollten -, und zwischen den Spitzen der Schwerter findet eine Stätte das Erbarmen. Unerhört ist die Grausamkeit, wenn die Unschuld nicht einmal mehr das Los besiegter Feinde verdient. Und was ist die Ursache dieser Wut? Weil sie mit den Waffen der Vernunft nicht aufkommen können, so greifen sie zu den Mitteln der Gewalt; ohne Untersuchung verurteilen sie die Christen als die schuldbarsten Menschen, weil sie den Beweis ihrer Unschuld nicht erbracht wissen wollen. Und in ihrem unvernünftigen Hasse gönnen sie ihnen nicht einmal einen raschen und einfachen Tod, sondern zerfleischen sie mit ausgesuchten Martern, um dem Hass genüge zu tun, den nicht irgendeine Schuld, sondern die Wahrheit erzeugt. Diese ist Leuten, die ein schlechtes Leben führen, darum verhasst, weil sie mit Ärger sehen, dass es Menschen gibt, denen ihr Tun und Treiben nicht gefallen kann. Diese suchen sie auf jede Weise auszurotten, um frei und unbehelligt sündigen zu können. S.185f.
Bibliothek der Kirchenväter, Lactantius: Auszug aus den göttlichen Unterweisungen, Ziffer 47, 1919 Kempten & München, Verlag der Jos. Köselschen Buchhandlung