Johann Konrad Wilhelm Löhe (1808 – 1872)

  Deutscher Theologe und evangelischer Pfarrer, der auch als »fränkischer Diakonissenvater« bekannt wurde, weil er in Neudettelsau ein Mutterhaus für Diakonissen ins Leben gerufen hat.

Siehe auch Wikipedia, Heiligenlexikon, und Kirchenlexikon

 

 

Die Predigt und Gottes Wort
So wie das Licht der Sonne in den Spiegel und aus demselben heraus nur desto heller und klarer fällt, so fällt das göttliche Wort in die Seele des Predigers und ergießt sich dann aus derselben über die Gemeinde desto fasslicher und annahender. Das gelesene Wort ist Gottes eigene, ungefälschte Rede, die Predigt aber ist das Wort des Herrn, wie es aus einem Menschenherzen, darinnen es aufgenommen und gleichsam menschlich geworden ist, wieder hervorkommt. Die Predigt kann freilich nicht Anspruch machen, mit dem Worte, das Gottes Finger geschrieben, in einer Reihe zu stehen. Sie ist Gottes Wort, wenn sie es ist und soweit sie es ist, soweit sie nämlich aus dem Wort entsprungen und demselben getreu ist. Sie ist, weil sie aus dem Herzen des Menschen kommt, irrtumsfähig, bedarf immer der Vergleichung mit dem göttlichen Worte und daher offene, wachsame Hörer, die das Aug’ im göttlichen Buche, das Ohr aber bei der Predigt des Hirten haben, die durch die Predigt das Wort verstehen, durch’s Wort aber die Predigt richten lernen.

Es gibt Prediger, welche keine Kritik ihrer Gemeinden vertragen wollen, auch nicht des Inhalts ihrer Rede, und sich gegen jede, auch die bescheidenste und gegründetste Einrede oder Erkundigung mit strotzendem Stolze wehren. Ihre Gemeinden sollen nur annehmen, was sie sagen, als wären sie selbst, die Prediger, unfehlbar und müsste eine jede Gemeinde nur hinnehmen, was alles ihr Lehrer sagt. Rechte Prediger aber finden keine Süßigkeit darinnen, wenn ihre Gemeinden alles, was sie sagen, unbesehen als Gottes Wort annehmen; sie wollen, dass ihre Gemeinden ihr Wort mit Gottes Wort vergleichen, sie rufen selbst den Geist des Prüfens und Forschens hervor, lehren ihre Kirchenkinder die heilige Pflicht, nach dem Beispiel der Beroenser, in der Schrift zu forschen, ob sich auch alles so verhält, wie die Prediger sagen; sie rufen ihnen zu: »Hütet euch vor falschen Propheten« und: »Prüfet alles, und das Gute behaltet« und machen dabei die fröhliche Erfahrung, dass ihre Gemeinden nicht bloß wachsamer werden und forschender, sondern auch mit zunehmender Bewährung mehr Vertrauen zu ihnen gewinnen. Der treue Lehrer kann nur gewinnen, wenn sein Wort nach Gottes Wort in die Frage gezogen und geprüft wird, der ungetreue soll aber ja nicht gewinnen. Die Schafe Jesu hören Seine Stimme, der Stimme der Fremden folgen sie nicht.
S. 25f.

Gebet
Jesus Christus, dir ergeb ich mich,
wie du’s schickst, nehm ich es williglich,
Soll ich leiden um der Wahrheit willen,
wird sie mich mit Himmelstrost erfüllen;
Wort der Wahrheit, bringst du Tränen hier.
Ei so sei’s, dort lacht der Himmel mir.

Ich hab stark geeifert um dein Wort;
Willst du darum ferne gehen, mein Hort?
Lass mich, bitt’ ich, nicht alleine gehen,
sonst muss ich in Schand gewiss bestehn.
Hilf, lass durch mich siegen deine Stimm’,
ach, Barmherz’ger, mein Gebet vernimm!

Willst du rächen meiner Predigt Schuld?
Ich vergönne allen Gnad und Huld.
Nur mein Wort ist oft so ungeschickt,
dass es die Gemeinde nicht erquickt.
Deck’ die Sünd’: ich will ja nicht zerstreun,
sammle durch mich, aller Sieg sei dein.

Dein Geist bessre, was ich schlecht gemacht,
nimm nur du zu, lass mich sein veracht’.
Zieh von mir dein Volk, nun zieh’s zu dir,
schließe mir, nur öffne dir die Tür:
Wenn nur siegt dein’ starke Gnadenhand,
mag ich dann sein von der Herd’ verbannt.
S. 91f.
Enthalten in: Das teure Predigtamt. Gebete und Weisungen für den Dienst am Wort aus dem Schatz der Kirche. Im Furche-Verlag Berlin