Christoph Ernst Luthardt (1823 -1902)

Deutscher evangelisch-lutherischer Theologe, der ein Vertreter des strengen Luthertums und Mitglied der neulutherischen Erweckungsbewegung war. In den theologischen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts war Luthardt einer der Wortführer. 1868 war er maßgeblich involviert in die Gründung der Allgemeinen evangelisch-lutherischen Konferenz, aus der sich 1947 der Lutherische Weltbund, eine freie Vereinigung aller lutherischen Weltkirchen, entwickelte.

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Inhaltsverzeichnis
Die Krankheit unserer Natrur
Recht und Gewalt
Frieden

Die Krankheit unserer Natur
Nichts ist heil an meinem Fleisch ob Deinem Zürnen, durch meine Sünde nichts gesund an meinem Gebein. Ps 37,4
Man braucht die Sünde nicht erst schwarz zu malen: die tiefen Schatten, die sie in das Menschenleben wirft, sind dunkel genug. Reden wir mild von ihr! Man kann nicht milder von ihr reden, als wenn man sie eine Verirrung des Herzens nennt: statt sein Herz Gott zu schenken, hat sich der Mensch die Welt als seine Liebe erwählt, die Welt der vergänglichen Güter und Freuden. Aber es ist eine verhängnisvolle Verirrung. Denn sie rückt uns aus unserem richtigen Zentrum hinaus und zerstört die Harmonie unseres Daseins. Wir sind für Gott geschaffen und sollen in Ihm den Mittelpunkt unseres Lebens finden.

In der biblischen Erzählung vom Sündenfall lasst sich die tiefe seelische Einsicht nicht verkennen, die in ihr niedergelegt ist. Es sind drei Worte, die bedeutungsvoll hervortreten:

»Sollte Gott gesagt haben ?«, das ist das erste; es erschüttert den Glauben an Gott, indem sich der Mensch innerlich von Gott loslöst.

»Ihr werdet sein wie Götter«, ist das zweite Wort, ein Wort der hochmütigen Selbstvergötterung anstelle Gottes. Da kennt dann der Mensch nichts Höheres als sich selbst.

»Und das Weib sah, da
ss vom Baume gut zu essen war, und nahm von der Frucht und aß.« Das ist das dritte Wort: die Sünde wird zur sinnlichen Weltlust, welcher der Genuss das Ziel des Daseins ist.

Das sind die drei Stufen und Seiten der Sünde:


Unglaube, Selbsterhebung und Wollust. Sie hat in drei allgemeinen Geistesrichtungen geschichtliche Gestalt gewonnen:

»Sollte Gott gesagt haben?«, ist das Wort des Rationalismus —

»Ihr werdet sein wie Götter«
, ist das Wort des Pantheismus


»Das Weib schaute und aß«
, das Bild des Materialismus. (August 31)
Aus: Jahrbuch des Christen. Mit Texten aus der Weltliteratur. Ausgewählt von Otto Karrer. Verlag Ars Sacra, Joseph Müller, München

Recht und Gewalt
Gebet dem Kaiser, was dem Kaiser, und Gott, was Gott gehört! Mt 22,21
Ehe es Staaten gegeben hat, hat es Recht gegeben. Die Schrift berichtet uns, dass die Grundelemente des Rechts auf Gottes Willen beruhen. Kain ward verflucht. Dadurch ist der Bestand der menschlichen Dinge unter den Schutz des Rechts, und dieses Recht unter den Schutz der Strafe gestellt. Weil die Menschen sündig sind und nicht von sich aus das Rechte und Nötige tun, so muß Recht und Strafe auf Erden sein, somit muß es auch obrigkeitliche Autoritäten geben.

Das Recht und seine Ausbildung fällt der Geschichte anheim, und so auch die Bildung der Staaten. Aber hinter diesem Wechselnden und Zufälligen steht ein Bleibendes: das ist die göttliche Grundlage des Rechts und der Rechtshandhabung durch die Obrigkeit, um die mannigfachen Lebensbewegungen der Menschen zu schützen
. (November 2)
Aus: Jahrbuch des Christen. Mit Texten aus der Weltliteratur. Ausgewählt von Otto Karrer. Verlag Ars Sacra, Joseph Müller, München

Frieden
Friede, nicht wie die Welt ihn gibt. Joh 14,27
Das sagt sich ein jeder, der auch nur etwas vom Christentum weiß, dass, wenn der Geist des Evangeliums herrschen würde unter den Völkern, auch der Friede unter ihnen regieren würde. Man hat oft von einem Zeitalter des Friedens geträumt und es von der Herrschaft der Humanität erhofft. Die Theorie der Friedensfreunde ist ein schöner Traum, aber ein Traum. Solange die Leidenschaften auf Erden eine Macht sein werden in der Brust des einzelnen und im Leben der Völker, das heißt, bis zum Ende des Weltlaufes, so lange werden auch Kriege sein trotz des Christentums (dem sich nicht alle wirklich unterwerfen). (April 23)
Aus: Jahrbuch des Christen. Mit Texten aus der Weltliteratur. Ausgewählt von Otto Karrer. Verlag Ars Sacra, Joseph Müller, München