Anton Mahnic (1850 –1920)

Slovenisch-kroatischer Philosoph und Theologe, der nach dem Theologiestudium in Wien als Theologieprofessor in Görz und Laibach tätig war und dann als Bischof auf der Insel Krk (Veglia) im Quarnero wirkte, jener letzten Zufluchtstätte römisch-slavischer Liturgie in glagolitischer Schrift. Mahnic war der ideologische Begründer einer geistigen Bewegung, die bei den Slovenen dem entstehenden Liberalismus in Politik und Kultur einen rigorosen katholischen Idealismus entgegensetzte. Er förderte damit eine Differenzierung des slovenischen geistigen Lebens und trug indirekt zur Festigung einer national-liberalen Geistesrichtung bei. Auch in der zweiten Hälfte seines Wirkens, unter dem kroatischen Volke, sah Mahnic seine Aufgabe in erster Linie im Kampfe gegen den liberalen Intellektualismus und die geistigen Strömungen, die das fin de siècle nach Kroatien brachte. Als Bischof von Krk nahm er sich auch der sozialen und nationalen Nöte der kroatischen Inselbewohner im Quarnero an. Kernsätze seiner metaphysisch-idealistischen Philosophie, dem Buche »Vec luci« (Mehr Licht, 1912), entnommen, mögen hier das Denken des Priester-Philosophen Mahnic charakterisieren, dessen geistiges Profil uns heute viel milder erscheint als seinen gegnerisch eingestellten Zeitgenossen.

Siehe auch Wikipedia


Metaphysische Dreiheit
Über der sichtbaren Welt, in der wir leben, erhebt sich eine zweite, übersinnliche, metaphysische Welt. Das ist das Reich der Ideen .Es wäre falsch zu glauben, diese zwei Welten, die sinnliche und die übersinnliche, die reale und die ideelle, wären voneinander so getrennt, dass zwischen ihnen keine Beziehung herrscht. Nein, die sinnliche Welt ist der übersinnlichen nachgeformt, die sichtbaren Dinge haben ihre Vorbilder in den Ideen der übersinnlichen Welt. Ebenso entwickelt sich unsere Welt nach Gesetzen, deren Ursachen im Metaphysischen liegen. Das gleiche gilt vom Menschen. Sein Leben kann sich weder natürlich entwickeln noch vollkommener werden, wenn wir es vom Übersinnlichen trennen, und es vom Licht und der Kraft der metaphysischen Welt nicht mehr erreicht werden kann. In unsere Welt gehören eben die Gottesidee, der Ewigkeitsgedanke, die Auffassung von Gut und Böse mit ihrer Polarität, der Unsterblichkeitsgedanke, das Bewusstsein einer Vergeltung usw. — Nehmt diese Gedanken dem Menschen weg und ihr werdet sehen, dass die Menschheit zu verfallen beginnt.

Ja, entzieht man dem Menschen die Metaphysik, so stößt man ihn ins Nichts, in den Nihilismus, und der Mensch muss früher oder später aufhören, Mensch zu sein! Da ist jener folgenschwere Schritt, den Kant getan hat: er zerstörte das Reich der Metaphysik. Das 19. Jahrhundert und vor allem sein eigenes Volk ernten von dieser Philosophie die Früchte des Nihilismus in Glaubensdingen, in der Wissenschaft, in der Ethik und in der Soziologie. Beseitigt nur aus der Welt die metaphysischen Wahrheiten und versuchet es dann, ob es euch gelingt, die Menschheit zu erhalten!

Des Menschen edelstes
[hochherzig, großmütig, selbstlos, von vornehmer Gesinnung] Tun und heiligste Pflicht ist es, sich aus der Realität des Alltags in die metaphysische Welt zu erheben, den Verstand zu schärfen, seinen Geist am Feuer übersinnlicher Ideen, dem Widerschein ewiger Wahrheit, zu entzünden, damit er seine Gedanken und Taten danach ausrichten könne.

Heutigentags wird alles Erdenkliche gelehrt, man schreibt und diskutiert über alles mögliche, nur diese eine und edelste menschliche Betätigung wird vernachlässigt. Die Gliedmaßen der Tausendfüßler zu zählen, die Härtegrade der Metalle zu bestimmen, erscheint uns heute wichtiger, als darüber nachzudenken: Gibt es einen Gott, und bin ich unsterblich oder nicht?

Die Folgen einer solchen Einstellung spürt unser Europa: die Welt ist ins Wanken geraten, das Leben hat den sicheren Boden unter den Füßen verloren. Das Boot hat sich vom Anker, der an den unerschütterlichen Wahrheiten der Metaphysik befestigt war, gelöst — wir segeln ins Ungewisse
[in das Unbekannte, ins Nichtwissen] , getrieben von den aufgepeitschten Wellen, vor uns gähnt ein Abgrund.

Dieser Abhandlung gaben wir die Überschrift: Metaphysische Dreiheit. Diese Trias
[Dreiheit, Dreizahl] kommt in den Worten: wahr, gut und schön zum Ausdruck. Wir nannten sie metaphysisch, weil nur metaphysisches Nachdenken zu ihrer Erkenntnis führt.

So wie Gott der Schöpfer selbst dreieinig ist oder eins in drei Personen,
so trägt auch jedes Ding, das Werk seiner Hände, die Zeichen einer Trinität in sich. Jedes Ding an sich ist eins und einzigartig, weil es als solches determiniert ist, es ist nur das, was es ist und nichts anderes. Und jedes Ding ist richtig und wahrhaftig, gut und schön. Es ist wahr, weil es mit der Idee, die Gott von Ewigkeit her von ihm hatte, und nach der er es erschuf, übereinstimmt
[identisch ist] . Es ist gut, weil es dem Zwecke entspricht, für den es Gott erschaffen hat. Es ist schön, weil sich in ihm die Weisheit des göttlichen Gedankens widerspiegelt. Die metaphysischen Begriffe des Wahren, Guten und Schönen decken sich: was wahr ist, ist auch gut und schön.

Genau so wie Gott seinen Werken den Stempel des Wahren, Guten und Schönen aufgedrückt hat, so hat er auch den Menschen mit einer dreifachen Fähigkeit ausgestattet, mit Verstand, mit Willen und mit ästhetischem Empfinden. Die Dinge sind daher in dreifacher Hinsicht Gegenstand des menschlichen Interesses: soweit sie wahr sind, beschäftigen sie seinen Verstand, soweit sie gut sind, sind sie Sache seines Willens und ihre Schönheit belebt und adelt sein ästhetisches Empfinden.

Gott hat nämlich den Menschen vor eine große Aufgabe gestellt. Er soll in gewissen Grenzen das göttliche Schöpfertum in der Natur und an sich selbst fortsetzen und sich auf diese Weise ein Gebäude der Vollkommenheit errichten, das ihn dem Himmel näher bringt. Das letzte Ziel des Menschen ist Gott. Deshalb hat ihn der Schöpfer mit einem Verstand ausgestattet, ihm einen freien Willen gegeben und ihm ein Gefühl für Schönheit geschenkt. Der Verstand weitet ihm den Horizont der Erkenntnis und führt ihn ein in das Reich der Ideen. Der Wille befähigt ihn, nach den Vorbildern, die ihm sein Verstand in den Ideen zeigt, Neues zu bilden. Das Gefühl fürs Schöne aber wärmt sein Herz und unterhält das Feuer heiliger Begeisterung, wenn einmal der Wille nach schweren Anstrengungen um das Gute schwach wird.

Wenn aber der Mensch das göttliche Schöpfertum fortzusetzen und zu ergänzen hat, ist es auch offenkundig, dass er dies nur im Sinne jener Gesetze tun kann, nach denen Gott selbst die Welt erschaffen hatte, und deren Zeichen wir an den göttlichen Geschöpfen vorfinden. Gott hat die Dinge in einer unteilbaren Dreiheit des Wahren, Guten und Schönen erschaffen. So muss auch der Mensch seine Schöpfungen nach dem Vorbild dieser metaphysischen Dreiheit gestalten. Sie müssen metaphysisch wahr, gut und schön sein. Sie sind metaphysisch richtig, wenn sie mit der göttlichen Idee und den Gesetzen der ewigen Wahrheit im Einklang stehen. Sie sind metaphysisch gut, wenn sie mit den letzten Zweckbestimmungen der göttlichen Schöpfung übereinstimmen. Sie sind metaphysisch schön, wenn man aus ihnen die Weisheit des göttlichen Gedankens leuchten sieht.

Das Wichtigste dabei ist, dass wir richtig erkennen, welches Verhältnis zwischen dem Wahren einerseits und dem Guten und Schönen andrerseits besteht.

Das Wahre, Gute und Schöne
bilden eine untrennbare Dreiheit. Das Wahre bildet die unumgänglich notwendige Basis und die Voraussetzung für das Gute und Schöne. Es kann etwas nicht gut und schön sein, wenn es nicht wahr ist, d.h. wenn es mit den Gesetzen der Wahrheit nicht im Einklang steht. Übertragen wir das auf das menschliche Handeln: der Mensch kann niemals etwas Gutes oder Schönes vollbringen, wenn seine Handlungen nicht mit der Wahrheit übereinstimmen. Wer nicht richtig denkt, kann auch nicht gut — nämlich objektiv gut — handeln. Sein Handeln kann auch nicht schön sein. Ein ethisch gutes Leben ist nur auf der Grundlage der richtigen Erkenntnis möglich. Die Heiligkeit ist Frucht der Wahrheit, Irrtum aber führt zur Unmoral. Die Sünde ist ihre natürliche Frucht. Ebenso ist schön nur jene Handlung zu nennen, die gut ist, weil nur aus einer solchen der Gedanke Gottes leuchtet. Die Sünde ist der Feind des göttlichen Gedankens, ist seine Negierung durch die Tat und ist daher unschön. Diese metaphysischen Wahrheiten sprechen wir unwillkürlich aus, indem wir das, was gut ist, auch als schön bezeichnen, und das, was schlecht ist, häßssich nennen. Diese Wahrheiten aber kommen am augenscheinlichsten in der überirdischen Verherrlichung der Heiligen zum Ausdruck. Moralisches Gutsein vereinigt sich mit der Glorie überirdischer Schönheit.

Diese Wahrheiten haben ein großes Gewicht, aus ihnen entspringen die fundamentalen Direktiven des menschlichen Lebens .
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Enthalten in: Slavische Geisteswelt. West- und Südslavien, Mensch und Welt. (S.128-131)
Herausgegeben von St. Hafner, O. Turecek und C. Wytrzens, Holle Verlag