Karl May [eigentlich Carl Friedrich May] (1842 - 1912)

Deutscher Schriftsteller und Volksschullehrer, der mehrere Freiheitsstrafen wegen verschiedener Betrugsdelikte verbüßte.
Das Urteil lautete auf 4 Jahre Zuchthaus und 2 Jahre Polizeiaufsicht. So schwer es mir fällt, dies für Öffentlichkeit niederzuschreiben, ich kann mich nicht davon enthalten, es muss so sein. aus Werke, Band 34: Ich. S. 185f
Karl May
war mit einer enormen produktiven Phantasie ausgestattet, die ihm ermoglichte aus dem Stegreif eine große Anzahl von spannenden und zu Herzen gehenden Abenteuerromanen zu schreiben, die vor allem die Jugend in ihren faszinierenden Bann zogen. Seine Werke umfassen 83 dickleibige Bände und sind zum Teil mit Pierre Brice als Winnetou und Lex Barker als Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi verfilmt worden. Der folgende Auszug stammt aus dem Buch »Lichte Höhen«.


Siehe auch Wikipedia

Werdet frei
Werdet frei!
Ihr windet euch in Ketten,
und der
Glaube nur kann euch befrein.
Werdet frei! Gern möchte Gott euch retten,

aber grad durch ihn wollt ihr´s nicht sein.
Ist´s so schwer, Verehrung dem zu zollen,
der da war und ist in Ewigkeit?
Werdet frei! Ihr braucht es nur zu wollen;
werdet frei, die ihr jetzt Sklaven seid!

Kam der Hauch des Herrn zur Erde nieder,
dass des Fleisches Ackerknecht er sei?
Öffnet ihm die Heimatpforte wieder;
macht ihn von Gesindediensten frei!
Längst schon ist des Himmels Ruf erschollen;
ihn zu hören, ist´s nun höchste Zeit.
Werdet frei! Ihr braucht es nur zu wollen;
werdet frei, die ihr jetzt Sklaven seid!

Hält die Fremde euch denn so gefangen,
daß ihr eure Heimat nicht mehr kennt?
Könnt ihr nicht mehr zu dem Wort gelangen,
das euch klar beim rechten Namen nennt?
Wenn sie es euch offenbaren sollen,
sind viel heilge Stimmen gern bereit.
Werdet frei! Ihr braucht es nur zu wollen;
werdet frei, die ihr jetzt Sklaven seid!

Aus: Karl May: Lichte Höhen, Band 49, S. 418, Karl-May-Verlag

Frage
Hast du gelebt? Oh, wolle Antwort geben:
Hältst du dein Dasein wirklich für ein Leben, das dich zurück zum wahren Leben führt?
wie weit bist du zum Urquell vorgedrungen ,
dem deine Seele, dem dein Sein entsprungen, dem deine ganze Strebenskraft gebührt?

Hast du geglaubt? Oh, wolle mir doch sagen ,
wie viele wohl von deinen Erdentagen den wahren, echten Sonnenschein gekannt!
Der Glaube gibt Unendlichkeit des Schauens
im klaren, warmen Lichte des Vertrauens und zeigt dir strahlend hell das Ursprungsland
.
Aus Karl May: Lichte Höhen, Band 49, Seite 31, Karl-May-Verlag

Irdische und himmlische Wahrheiten
Es gibt irdische Wahrheiten, und es gibt himmlische Wahrheiten. Die irdischen Wahrheiten werden uns durch die Wissenschaft, die himmlischen durch die Offenbarung gegeben. Die Wissenschaft pflegt ihre Wahrheiten zu beweisen; was die Offenbarung behauptet, wird von den Gelehrten höchstens als glaubhaft, nicht aber als bewiesen betrachtet. So eine himmlische Wahrheit steigt an den Strahlen der Sterne zur Erde nieder und geht von Haus zu Haus, um anzuklopfen und eingelassen zu werden. Sie wird überall abgewiesen, denn sie will geglaubt sein., aber das tut man nicht, weil sie keine gelehrte Legimitation besitzt. So geht sie von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, von Land zu Land ohne erhört und aufgenommen zu werden. Da steigt sie am Strahl der Sterne wieder himmelan und kehrt zu dem zurück, von dem sie ausgegangen ist. Sie klagt ihm weinend ihr Leid. Er aber lächelt mild und spricht: »Weine nicht! Geh wieder zur Erde nieder und klopfe bei dem eizigen an, dessen Haus du noch nicht fandest, beim Dichter. Bitte ihn, dich in das Gewand des Märchens zu kleiden, und versuche dann dein Heil noch einmal!«. Sie gehorcht. Der Dichter nimmt sie liebend auf und kleidet sie. Sie beginnt ihren Gang als Märchen nun von neuem, und wo sie anklopft, ist sie jetzt wilkommen. Man öffnet ihr die Türen und die Herzen. Man lauscht mit Andacht ihren Worten; man glaubt an sie. Man bittet sie zu bleiben, denn jeder hat sie liebgewonnen. Sie aber muss weiter, um zu erfüllen, was ihr aufgetragen worden ist. Doch geht sie nur als Märchen; als Wahrheit aber bleibt sie zurück. Und wenn man sie auch nicht seht, sie ist doch da und herrscht im Haus für alle Folgezeiten.
So, das ist das Märchen! Aber nicht das Kindermärchen, sondern das wahre, eigentlich, wirkliche Märchen, trotz seines anspruchsloesen, einfachen Kleides die höchste, schwierigste aller Dichtungen, der in ihm wohnenden Seele gemäß. Und einer jener Dichter, zu denen die ewige Wahrheit kommt, um sich kleiden zu lassen, wollte ich sein! [...]
Aus Karl May: Ich, Band 34, Seite S.158f, Karl-May-Verlag

Konzeption des deutschen Edelmenschentums

Aber was war denn eigentlich das, was was ich geben wollte? Das war vielerlei und nichts Alltägliches. Ich wollte Menschheitsfragen beantworten und Menschheitsrätsel lösen. [... ] Es mag bei der Ausführung dann wohl mancher Fehler unterlaufen sein, denn ich bin ein irrender Mensch; mein Wollen ist aber gut und rein gewesen. Ich wollte meine psychlogischen Erfahrungen zur Veröffentlichung bringen.. Ein junger Lehrer, der bestraft worden ist, seine psychologischen Erfahrungen? Ist das nicht noch lächerlicher als das Vorhergegangene? Mag man es dafür halten; aber ich habe an hundert und wieder hundert unglücklichen Menschen gesehen. dass sie nur darum in das Unglück geraten sind und nur darum darin steckenblieben, weil ihre Seelen, diese kostbaren Wesen der ganzen irdischen Schöpfung, vollständig vernachlässigt worden waren. Der Geist [hier wohl im Sinne von Denken, Lernen etc zu verstehen] ist das verzogene, eingebildete Lieblingskind, die Seele das zurückgesetzte, hungernde und frierende Aschenbrödel. Für den Geist sind alle Schulen da, von der ABC-Schützen-Schule bis hinauf zur Universität, für die Seele aber keine einzige. Für den Geist werden Millionen Bücher geschrieben, wie viele für die Seele? Dem Menschengeiste werden tausend und aber tausend Denkmäler gesetzt; wo stehen die, welche bestimmt sind, die Menschenseele zu verherrlichen? Wohlan sage ich mir, so will ich es sein, der für die Seele schreibt, ganz nur für sie allein, mag man darüber lächeln oder nicht! Man kennt sie nicht. Darum werden viele meiner Werke entweder nicht oder falsch verstehen, aber das soll mich ja nicht hindern zu tun, was ich mir vorgenommen habe.
Das war eigentlich genug für einen Menschen: aber ich wollte nicht das allein, ich wollte noch viel mehr. Ich sah um mich herum das tiefste Menschenelend liegen ; ich war für mich dessen Mittelpunkt. Und hoch über uns lag die Erlösung, lag die Edelmenschlichkeit, nach der wir emporzustreben hatten. Diese Aufgabe war aber nicht allein die unsrige, sondern sie ist in allen Menschen erteilt; nur dass wir, die wir um so tiefer lagerten als die anderen, weit mehr und weit mühsamer aufzusteigen hatten als sie. Aus der Tiefe zur Höhe, aus Ardistan nach Dschinnistan, vom niederen Sinnenmenschen zum Edelmenschen empor. Wie das geschehen müsse, wollte ich an zwei Beispielen zeigen, an einem orientalischen und an einem amerikanischen. Ich teilte mir die Erde für diese meine besonderen Zwecke in zwei Hälften, in eine amerikanische und eine asiatisch-afrikanische. Dort wohnt die indianische und hier die semitisch-mohammedanische. An diese beiden Rassen wollte ich meine Märchen, meine Gedanken und Erläuterungen knüpfen. Darum galt es, mich vor allen Dingen mit den orientalischen und indianischen Sprachen und Dialekten zu beschäftigen. Der unwandelbare Allah-Glaube der einen und der hochpoetische Glaube an den »großen, guten Geist« der anderen harmonisierte mit meinem eigenen, unerschütterlichen Gottesglauben. In Amerika sollte eine männlliche und in Asien eine weibliche Gestalt das Ideall bilden, an dem meine Leser ihr ethisches Wpllen emporzuranken hätten. Die eine ist mein Winnetou, die andere Marah Durimeh geworden. Im Westen soll die Handlung aus dem niedrigen Leben der Savanne und Prärie nach und nach bis zu den reinen und lichten Höhen des Mont Winnetou emporsteigen. Im Osten hat sich aus dem Treiben der Wüste bis nach dem hohen Gipfel des Dschebel Marah Durimeh. Darum beginnt mein erster Band mit dem Titel »Durch die Wüste«. Die Hauptperson aller dieser Erzählungen sollte der Einheit wegen eine und dieselbe sein, ein beginnender Edelmensch, der sich nach und nach von allen Schlacken des Anima-Menschentums reinigt. Für Amerika sollter Old Shatterhand, für den Orient aber Kara Ben Nemsi heißen, denn dass er ein Deutscher zu sein hatte, verstand sich ganz von selbst. Er musste als selbst erzählend, also als »Icherzähler« dargestellt werden. Sein Ich ist keine Wirklichkeit, sondern dichterische Imagination. Doch, wenn dieses »Ich« auch nicht selbst existiert, so soll doch alle, was von ihm erzählt wird, aus der Wirklichkeit geschöpft sein und zur Wirklichkeit werden. Dieser Old Shatterhand, dieser Kara Ben Nemsi, also dieses »Ich« als jene große Menschheitsfrage gedacht, die von Gott selbst geschaffen wurde, als er durch das Paradies ging, um zu fragen: »Adam (d. i. Mensch), wo bist du? Edelmensch, wo bist du? Ich sehe nur gefallene, niedrige Menschen!«. Diese Menschheitsfrage ist seitdem durch alle Zeiten und alle Länder des Erdkreises gegangen, laut rufend und laut klagend, hat aber nie eine Antwort erhalten. Sie hat Gewaltmenschen gesehen zu Millionen und aber Millionen, die einander bekämpften, zerfleischten und vernichteten, nie aber einen Edelmenschen, der den Bewohnern von Dschinnistan glich und nach ihrem herrlichen Gesetz lebte, dass ein jeder ein Engel seines Nächsten zu sein habe, um nicht an sich selbst zum Teufel zu werden. Einmal muss und wird die Menschheit so hoch gestiegen sein, dass auf die bis dahin vergebliche Frage von irgenwoher die beglückende Antwort: »Hier bin ich. Ich bin der erste Edelmensch, und andere werden mir folgen!« So geht auch Old Shatterhand und so geht auch Kara Ben Nemsi durch die Länder, um nach Edelmenschen zu suchen. Und wo er keinen findet, da zeigt er durch seine eigenes edelmenschliches Verhalten, wie er sich ihn denkt. Und diser imaginäre Old Shatterhand, dieser imaginäre Kara Ben Nemsi, dieses imaginäre »Ich« hat nicht imaginär zu bleiben, sondern sich zu realisieren, zu verwirklichen und zwar in meinem Leser, der innerlich alles mit erlebt und darum gleich meinen Gestalten emporsteigt und sich veredelt. In dieser Weise trage ich meinen Teil zur Lösung der großen Aufgabe bei, dass sich der Gewaltmensch, als der niedrige Mensch, zum Edelmenschen entwickeln könne. [...]
Aus Karl May: Ich, Band 34, Seite S.160ff, Karl-May-Verlag