Mechthild von Magdeburg (1210 – 1283)

  Deutsche Mystikerin, die seit 1270 Zisterzienzerin in Eisleben war. Kindlich unbefangener Glaube, kosmische Visionen und die innere Gewissheit, bräutliche Geliebte Gottes zu sein, kennzeichnen Inhalt und Stil ihres Werkes. Ihr Buch »Das fließende Licht der Gottheit« ist das erste große Werk der deutschen Mystik. Es ist nur in der mittelhochdeutschen Übertragung erhalten und zeugt von großer dichterischer Kraft.

Siehe auch Wikipedia und Heiligenlexikon








Kath. Pfarrkirche St. Gordian und Epimachus, Merazhofen, Stadt Leutkirch im Allgäu, Landkreis Ravensburg
Chorgestühl, 1896, Bildhauer: Peter Paul Metz
Mechthild von Magdeburg


Photo: Andreas Praefcke
 

Das fließende Licht der Gottheit
Dieses Buch soll man freudig empfangen, denn Gott selbst spricht die Worte.
Dies Buch, das sende ich nun als Boten allen geistlichen Leuten, bösen und guten, - denn wenn die Säulen fallen, so kann das Bauwerk nicht bestehen, - und es verkündet alleine mich und offenbart rühmlich meine Vertraulichkeit. Alle, die dies Buch wollen verstehn, die sollen es zu neun Malen lesen. S.39

Dies Buch heißt: Das fließende Licht der Gottheit.
Eja, Herr Gott, wer hat dies Buch gemacht? – Ich habe es gemacht in meiner Unmacht, da ich mich meiner Gabe nicht zu enthalten vermag. – Eja, Herr, wie soll dies Buch heißen, allein dir zu Ehren? – Es soll heißen: Das Licht meiner Gottheit, in all die Herzen fließend, die da leben ohne Falsch. S.39

Der Inhalt dieses Buches ist gesehen, gehört und empfunden an allen Gliedern.
Ich kann und vermag nichts zu schreiben, ich sehe es denn mit den Augen meiner Seele und höre es mit den Ohren meines ewigen Geistes und empfinde an allen Gliedern meines Leibes die Kraft des Heiligen Geistes. S.135

Diese Schrift ist aus Gott geflossen.
Diese Schrift, die in diesem Buche steht, die ist geflossen aus der lebendigen Gottheit in Schwester Mechthildens Herz und ist also getreulich hierher gesetzt, wie sie von Gott aus ihrem Herzen gegeben ist und geschrieben von ihren Händen. S.200

Dies Buch ist von Gott gekommen.
Selbstbekenntnis Mechthilds von Magdeburg
All mein Lebtag, ehe ich dieses Buch begann, und ehe von Gott ein einzig Wort davon in meine Seele kam, da war ich einer der einfältigsten Menschen, die je in geistlichem Leben waren. Von des Teufels Bosheit wußte ich nichts, der Welt Schwachheit kannte ich nicht, geistlicher Leute Falschheit war mir auch unkund. (Ich muß sprechen, zu Gottes Ehre und auch wegen des Buche Lehre.) Ich unwürdige Sünderin ward in meinem zwölften Jahre, als ich allein war, also fließend heftig vom Heiligen Geiste gegrüßt, daß ich es nimmer über mich brächte, mich je zu einer großen täglichen Sünde zu erbieten. Dieser vielliebe Gruß kam alle Tage und machte mir minniglich leid aller Welt Süßigkeiten und er wächst noch alle Tage. Dies geschah über einunddreißig Jahre.

Ich wußte von Gott nicht mehr denn das christliche Glaubensbekenntnis allein, und darnach strebte ich stets mit Fleiß, daß mein Herz werde rein. Gott selber ist des mein Zeuge, daß ich ihn nie mit Willen noch mit Begehren bat, er solle mir diese Dinge geben, die in diesem Buche sind geschrieben. Ich dachte auch nie, daß es einem Menschen könne geschehen. Dieweil ich bei meinen Verwandten und Bekannten war, denen ich stets die liebste war, hatte ich keine Kunde dieser Dinge. Damals hatte ich schon lange vorher begehrt, daß ich ohne meine Schuld verschmäht würde. Und so zog ich aus Liebe zu Gott in eine Stadt, wo mich niemand kannte, außer einem Menschen allein. Vor demselben hatte ich Sorge, daß mir die heilige Verschmähung und die lautere Gottesliebe durch ihn entzogen würde. Damals ließ mich Gott nirgends allein und brachte mich in so minnigliche Süßigkeit, in so heilige Erkenntnis und in so unbegreifliche Wunder, daß ich irdische Dinge wenig genießen konnte. Damals zuerst ward mein Geist in meinem Gebete entrückt zwischen den Himmel und das Luftreich. Da sah ich mit meiner Seele Augen in himmlischer Wonne die schöne Menschheit unseres Herrn Jesu Christi, und ich erkannte ihn an seinem hehren Antlitze . . . Die heilige Dreifaltigkeit: des Vaters Ewigkeit, des Sohnes Leid, des Heiligen Geistes Süßigkeit.

Die Seele rühmt sich manniger Dinge. Ihr sind zwei Engel gegeben und zwei böse Teufel, und zwölf Tugenden streiten wider das Fleisch.
Da sah ich den Engel, dem ich befohlen ward in der Taufe, und meinen Teufel. Da sprach unser Herr: Ich werde dir diesen Engel nehmen und werde dir zwei dafür geben, die werden dich in diesen Wundern hegen. Als die Seele die zwei Engel ansah, oh, wie heftig sie in demütiger Ohnmacht erschrak! Und sie legte sich zu den Füßen unseres Herrn und dankte ihm und klagte ihm sehr, daß sie also unwürdig wäre, daß solche Fürsten seien ihre Kämmerer. Der eine Engel war ein Seraph, und er ist ein Minnebrenner und ein heiliger Erleuchter der begnadeten Seele. Der andere Engel war ein Cherub; der ist ein Bewahrer der Gaben und ordnet die Weisheit in der minnenden Seele.

Dann ließ unser Herr zwei Teufel hervorkommen, die waren große Meister und waren aus Luzifers Schule genommen und waren auch selten herausgekommen. Als die Seele die viel greulichen Teufel ansah, da erbebte sie ein wenig, vertraute aber auf unseren Herrn und nahm sie dennoch recht gern. Der eine Teufel ist ein Träger in schönem Engelgewande. O, was der mir zuerst mannige falsche Listen vorlegte! Er kam einmal während der Messe von der Höhe hernieder und sprach: Ich bin sehr schön: Willst du mich nicht anbeten? – Da antwortete die Seele: Man soll Gott allein anbeten in allem Gutem und in aller Not. – Da sprach er: Willst du nicht wenigstens aufsehen, wer ich sei? – Da zeigte er unter der Luft eine schöne falsche Klarheit, die mannigen Ketzer hat verleit’, und sprach: In diesem Throne auf diesem Stuhle wirst du allein die höchste Jungfrau sein, und ich der schönste Jüngling bei dir. – Da sprach sie abermals: Der wäre nicht weise, der das Ärgste nähme, da er doch wohl zum Besten käme. - Da sprach er: Nun du dich mir nicht geben willst, - du bist also heilig und ich also demütig, so werde wenigstens ich dich anbeten. – Da sprach sie: Dir wird keine Gnade dafür gegeben, daß du einen Pfuhl anbetest. – Da wies er gemalt die fünf Wunden an Händen und Füßen [und Brust] und sprach: Nun siehst du wohl, wer ich bin. Willst du nach meinem Rate leben, so will ich dir die große Ehre geben. Du solltest den Leuten diese Gnade erzählen, es käme viel Gutes davon. – Da sprach sie, und sie verdroß viel sehre seine unnütze Märe; jedoch hörte sie die gerne, auf daß sie desto weiser wäre: Du sagst mir, daß du Gott seist; nun sage mir, wer denn der ist, der jetzt hier in des wahren Priesters Händen ist, des lebendigen Gottes Sohn? – Da wollte er weg, und ich sprach: Beim allmächtigen Gotte mahne ich dich, daß du nun hörest mich. Ich weiß deine Absicht wohl. Würde ich allen Leuten [die Geheimnisse] meines Herzens sagen. So würde es [mir] eine kurze Weile wohl behagen; dann aber wärest du mit Fleiß darnach bestrebt, daß sich das Spiel zerschlägt. Das tätest du darum, daß ich fiel in Verzweiflung und in Traurigkeit und in Unglauben und in Unkeuschheit, und danach in ewiges Herzeleid. Und auch darum tust du es, daß du so zu mir kommst: ich soll wähnen, daß ich heilig sei. Ja, du viel alter Trüger, dieweil mir Gott beisteht, so verlierst du alle deine Mühe. – Da rief er: Wehe über deinen Zauber! Nun laß mich von hinnen fahren, ich werde dich nie mehr beschweren.

Der andere Teufel, der mir gegeben ward, der ist ein Friedensbrecher und ein Meister der heimlichen Unkeuschheit. Jedoch hat ihm Gott das verboten, er darf niemals selbst zu mir kommen. Aber dafür sendet er mir verkehrte Leute als [seine] Boten, die mir mein Gutes verdrehen und nehmen mir meine Ehre, soviel sie mit Worten vermögen. Auch darauf geht er aus: wenn fromme Leute beisammen sind und sie reden etwas Unnützes nach unpassender Weise, so kann ich Arme da nicht unbetrübt bleiben. Das war mir [bisher] nie geschehen.

In einer Nacht war ich in der ersten Schlafenszeit in meinem Gebete. Da kam dieser Teufel in der Luft gefahren und belauerte weithin die sündige Erde. Er war groß wie ein Riese, er hatte einen kurzen Schwanz und eine krumme Nase. Sein Haupt war ihm groß wie ein Zuber, und aus seinem Munde kamen feurige Funken gefahren in schwarzer Flamme. Da lachte er mit falschem Grimme und mit viel greulicher Stimme. Da fragte ihn die Seele, warum er lache, was er suche und was er treibe. – Da antwortete er und sprach: Da ich selber nicht peinigen darf, so freue ich mich wenigstens dessen, daß ich derer so viele finde, die Engel scheinen und es gerne für mich tun, daß sie dich peinigen. – Nun spricht er abermals: Ich bin geistlicher Leute Kämmerer und ich suche an ihnen zweierlei Schwächen, bis sie allerschnellst von Gott scheiden. Das eine ist [schein-]heilige oder heimliche Unkeuschheit. Wenn ein Mensch in heiligem Leben ohne rechte Notdürftigkeit und in allen seinen fünf Sinnen Gemächlichkeit seines Fleisches sucht, so werden sie unkeusch, das ist stumpf und träge, und die wahre Gottesminne erkaltet. Das Zweite ist verborgener Haß in offenbarer Zwietracht. Das ist eine mir also nütze Sünde, daß es mein Gewinn ist, wenn ich sie am nächsten Tage ungewandelt finde. Denn das ist das Fundament langer Bosheit und der Verlust aller Heiligkeit.

Da sprach die Seele: Du hast doch von Natur aus nichts Gutes in dir; wie kann das sein, daß du mir diese nütze Rede von deiner Bosheit vorbringst? – Da sprach er abermals: Wohin ich mich auch wende, Gott hat mich so fest in seinen Händen, daß ich nichts vermag zu tun, er führe mich denn dazu. –

Ich unseliger Mensch! Ich hatte in meiner ersten Kindheit so große Sünde getan, daß ich zehn Jahre im Fegefeuer hätte sein müssen, wäre ich ohne Reue und ohne Beicht geblieben. Nun, lieber Herr, wenn ich sterbe, so will ich dir zu Liebe gerne noch darinnen leiden. Das spreche ich nicht aus meinem Verstand und Sinne, es treibt mich dazu die Minne. -

Als ich zum geistlichen Leben kam und von der Welt Abschied nahm, da sah ich meinen Leib an. Der war kräftig bewaffnet gegen meine arme Seele mit großer Fülle starker Macht und mit vollkommener natürlicher Kraft. Da sah ich wohl, daß er mein Feind war. Und das sah ich auch: wollte ich dem ewigen Tod entgehen, so mußte ich mich niederschlagen. Da mußte es an ein Streiten gehen. Da sah ich auch meiner Seele Waffen an. Das war die hehre Marter unseres Herrn Jesu Christi. Damit wehrte ich mich. Da mußte ich stetig in großer Furcht stehen und alle meine Jugend große Fechterschläge gegen meinen Leib schlagen. Das war: Seufzen, Weinen, Beichten, Fasten, Wachen, Rutenschläge und stetig Anbeten. Dies waren die Waffen meiner Seele, damit überwand ich den Leib, also sehr, daß ich zwanzig Jahre lang nie anders war als müde, krank und schwach, zu allererst von Reue und Leid, danach vor guter Begehrung und geistlicher Mühsal, und dazu mannig schweres Siechtum von Natur. Hierzu kam die gewaltige Minne und erfüllte mich so heftig mit diesen Wundern, daß ich es nicht zu verschweigen wagte. Allein, da ward mir in meiner Einfalt viel Leid. Da sprach ich: Eja, gütiger Gott, was hast du an mir ersehen? Du weißt doch wohl, daß ich ein Tor bin, ein sündiger und armer Mensch an Leib und Seele. Diese Dinge solltest du weisen Leuten verleih’n, so könntest du dafür gepriesen sein. — Da zürnte unser Herr wider mich Arme sehr und fragte mich um ein Urteil: Nun sage mir, du bist doch mein? — Ja, Herr, das begehre ich von dir. — Darf ich also nicht mit dir tun, was ich will? — Ja, allerherzliebster, viel gerne! Sollte ich auch zunichte werden. — Da sprach unser Herr: Folge und vertraue mir in diesen Dingen! Du wirst auch lange krank sein und ich werde dich selber pflegen, und alles, was du bedarfst an Leib und an Seele, das werde ich dir geben.

Da ging ich Arme bebend in demütiger Scham zu meinem Beichtvater und sagte ihm diese Rede und begehrte auch seine Lehre. Da sprach er, ich solle fröhlich fortfahren; Gott, der mich geführt habe, werde mich wohl bewahren. Dann hieß er mich das, dessen ich mich oft weinend schäme, weil meine große Unwürdigkeit vor meinen Augen offen steht — das war, daß er einem schnöden Weibe befahl, aus Gottes Herzen und Mund dies Buch zu schreiben.

Also ist dies Buch von Gott gekommen und ist nicht aus menschlichem Sinne genommen.

S.115-122.

Nach Gottes Zug wäre der Mensch, wenn er ihm folgte, wie ein Engel. Und von der Bosheit des Teufels.
Wer sich recht hielte nach dem Zuge, der von Gott kommt, und nach dem Lichte, das er erkennt, der käme in also große Wonne und in also heilige Erkenntnis, daß kein Herz es tragen könnte. So wäre er wie ein Engel allezeit minniglich mit Gott vereint in allen Dingen. So würde er des Teufels Hölle und Gottes Himmelreich. Wenn der gute Mensch aber von dem Zuge [Gottes] abläßt, so sendet ihm Gott den Teufel zu, daß er ihn mit d e n Dingen versuche, die am allerschwersten sind, auf daß er ihn wieder erwecke. Aber unser lieber Herr, der entzieht dem Teufel seine Macht und beschirmt den Menschen, daß er ihn nicht zu Falle bringen kann. Der [Teufel] aber wähnt gar, ihm sei Erlaubnis gegeben, daß er den Menschen nach seinem Wissen zu Falle bringen könne; darum ist er also fleißig Tag und Nacht. O weh mir Armer, mir ist gar oft also geschehen.

Gott hat mir [einst] etwas also Herrliches gezeigt und versprochen zu leisten, daß ich es infolge meiner Unwürdigkeit nicht zu erhoffen wagte; und darum dankte ich ihm leider nicht dafür. Da kam der Teufel und wollte mir Pein antun. Da sprach ich: Was willst du? Du siehst doch wohl, daß Gott hier mit mir ist. Wie wagst du mich zu peinigen trotz seiner Gegenwart? - Da sprach der Teufel: Ich will auch jetzt, wie ich immer wollte, meinen Thron neben den seinen setzen. Ja, ich wollte ihn von dem Throne deiner Seele treiben, wenn ich könnte, und mich darauf setzen, und wollte gerne, daß Himmelreich, Paradies, Fegefeuer und Erde, daß die alle eine Hölle wären in der ewigen Hölle. – Da sprach ich: Wolltest du nicht, daß alles dies ein Himmelreich wäre, auf daß auch du zu Hulden kämest? – Da sprach er: Nein das kann ich nie tun. – Da sprach ich: O wehe, wie bist du so recht unselig, daß du dich vor Gott nicht schämst! – Da sprach er: Wer irgend etwas Gutes an sich hat, der ist nicht allzumal böse, Und wer sündigt, der verliert die Scham; denn schämte er sich, so täte er keine Sünde. Ich bin zudringlich wie eine Fliege und falle immer [über alles] her. Ich schone niemand. Doch wer sich mit Tugenden wehrt, der bleibt unbeschwert, und wer fest steht in Gott, der überwindet alle seine Herzensnot
. S.172-173

Von zehn Stücken des göttlichen Feuers aus der Edelkeit Gottes
Ein unwürdiger Mensch gedachte einfältiglich an die Edelkeit Gottes. Da gab ihm Gott zu erkennen in den Sinnen und zu schauen mit der Seele Augen ein Feuer, das brannte ohne Unterlaß in der Höhe über allen Dingen. Dieses Feuer hatte gebrannt ohne Beginn und wird noch brennen immer ohne Ende. Dies Feuer ist der ewige Gott, der in sich hat das ewige Leben und aus sich alle Dinge hat gegeben. Des Feuers Funken, die [aus ihm] geflogen sind, das sind die heiligen Engel. Des Feuers Strahlen, die [aus ihm] gekommen sind, das sind alle die Gottesheiligen. Denn ihr Leben, das hat der Christenheit mannigen schönen Strahl gegeben. Dieses Feuers Kohlen, die glühen auch jetzt noch; das sind alle die Seligen, die hier brinnen in der himmlischen Minne und leuchten mit gutem Vorbilde. Und die in den Sünden erkaltet sind, die können sich an diesen Kohlen wärmen. Des Feuers Glutstäubchen sind zerstoben und sind zu nichte geworden; das sind alle die seligen Leiber, die in der Erde noch warten des himmlischen Lohnes. Diese Feuers Meister wird erst kommen. Das ist Jesus Christus, dem sein himmlischer Vater die erste Erlösung und das letzte Gericht übertragen hat. Der wird am jüngsten Tage aus der [Asche jener heiligen] Funken dem himmlischen Vater die allerschönsten Becher machen, daraus er bei seinem ewigen Freudenfeste selbst trinken wird alle die Heiligkeit, die er mit seinem lieben Sohne in unsere Seele und in unsere menschlichen Sinne gegossen hat.

Ich werde trinken aus dir,
Und du wirst trinken aus mir
All das Gute, das Gott in uns bewahrt hat.
Wohl dem, der hier nun fest staht
Und nichts verschüttet, was Gott in ihn gegossen hat.


Dieses Feuers Rauch sind alle irdischen Dinge, die man oft gebraucht mit unrechter Lust. Wie schön sie auch leuchten in unseren Augen, wie lustlich sie spielen in unserem Herzen, sie tragen doch mannige Bitterkeit in sich verborgen. Denn sie verschwinden wie der Rauch und machen die Höchsten blind, ja, sie machen auch die Heiligen triefäugig.

Das Behagen dieses Feuers, das ist die wonnigliche Wollust, die unsere Seele innerlich von Gott empfängt mit so heiliger Wärme des göttlichen Feuers, daß auch wir entbrennen in dem göttlichen Feuer und mit Tugenden bestehn, damit wir nicht erlöschen.
Die Bitterlichkeit dieses Feuers, das ist das Wort, das Gott sprechen wird am jüngsten Tage: Geht von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer!
Der Glanz dieses Feuers , das ist die leuchtende Anschauung des göttlichen Antlitzes der heiligen Dreifaltigkeit, die unseren Leib und unsere Seele durchleuchten wird, also daß wir da die wunderbare Seligkeit sehen und erkennen, die wir jetzt und hier nicht können nennen.
Diese Dinge sind aus dem Feuer gekommen und fließen auch wieder darein zurück, jedes nach Gottes Ordnung und mit ewigen Lobe.
Wer mehr hiervon sprechen will, der lege sich in dieses Feuer und sehe und koste,

wie die Gottheit fließt,
wie die Menschheit gießt,
wie der heilige Geist ringt,
und mannig Herze zwingt,
daß es Gott mannigfaltig minnt.

S.195-197

Wie Gott die Seele gemacht hat aus Wollust und Pein.
Ich sagte an einer Statt in diesem Buche, daß die Gottheit mein Vater ist von Natur. Das verstandest du nicht und sprachst: Alles was Gott mit uns getan hat, das ist nur aus Gnade und nicht von Natur. – Du hast recht, und ich habe auch recht. Nun höre ein Gleichnis! Wie guter Augen ein Mensch auch habe, er kann nicht über eine Meile Weges sehen; wie scharfe Sinne der Mensch auch habe, er kann unsinnliche Dinge nicht [anders] erfassen denn mit dem Glauben und greift [sonst] wie ein Blinder in der Finsternis. Die minnende [liebende] Seele, die alles minnt, was Gott minnt, und alles das haßt, was Gott haßt, die hat ein Auge, das Gott erleuchtet. Damit sieht sie in die ewige Gottheit, wie die Gottheit mit ihrer Natur in der Seele gewirkt hat. Er hat sie gebildet nach sich selbst, er hat sie eingepflanzt in sich selbst, er hat sich mit ihr allermeist vereint unter allen Kreaturen. Er hält sie in sich beschlossen und hat seiner göttlichen Natur so viel [in sie] ergossen, daß sie nicht anders sprechen, denn dies: daß er in aller [dieser] Einung mehr denn ihr Vater ist.

Der L e i b empfängt seine Würdigkeit vom Sohne des himmlischen Vaters in brüderlicher Genossenschaft und im [gemeinsamen] Lohne für die Mühsale. Auch der Gottessohn Jesus Christus hat sein Werk gewirkt in herzlicher Liebe, wegen [unsrer] Not in Armut, in Pein, in Mühsal, in Schmachheit bis an seinen heiligen Tod. Auch der heilige Geist hat, wie du sagst, seine Werke gewirkt mit seiner Gnade in aller unserer Gabe, die wir empfingen.

Dies Wirken ist also dreifach, doch hat es e i n ungeteilter Gott in uns gewirkt.

Zwei Dinge wirken ohne Unterlaß mit der Gotteskraft auf Erden und im Fegefeuer. Das eine davon wirkt allein in der Hölle, das andere allein im Himmel, das ist: Wonne ohne Pein im Himmelreich und Pein ohne Wonne in der Hölle
. S.197f.

Wie Gott gleich ist einer Kugel.
Wo war Gott, ehe er etwas schuf? – Er war in sich selber und in ihm waren alle Dinge gegenwärtig und offenbar, wie sie heute sind. Und wie war unser Herr damals gestaltet? – Recht in gleicher Weise wie eine Kugel, und alle Dinge [waren] in Gott beschlossen ohne Schloß und ohne Tür. Das Niederteil dieser Kugel, das ist eine grundlose Feste unter allen Abgründen; das oberste Teil der Kugel, das ist eine Höhe, darüber es nichts gibt. Der Umfang der Kugel, das ist ein unbegreiflicher Zirkel. Noch war Gott damals nicht Schöpfer geworden. Da er aber alle Dinge erschuf, da ward diese Kugel aufgeschlossen. [Ist also ein Riss im Ganzen entstanden?] Nein. Sie ist noch ganz und wird immer ganz bleiben. Als Gott Schöpfer ward, da wurden alle Kreaturen in sich selbst offenbar: der Mensch, um Gott zu minnen, zu genießen und zu erkennen und gehorsam zu bleiben; Vogel und Tier, um ihre Natur zu erkennen; die toten Kreaturen, um in ihrem Wesen zu bestehen. – Nun höre: was wir erkennen, das ist alles nichts, wenn wir Gott nicht wohlgeordnet in allen Dingen minnen, so wie er selber alle Dinge in wohlgeordneter Minne geschaffen hat und auch uns [das Gleiche] geboten und gelehrt hat. S.198f.

Vom Anfange aller Dinge, die Gott aus Minne geschaffen hat.
(Mystische Deutung der Weltschöpfung und des Sündenfalles)
Eja, Vater aller Güte, ich unwürdiger Mensch danke dir dafür alle Treue, womit du mich aus mir selbst in dein Wunder geführt hast, also, Herr, daß ich in deiner vollkommenen Dreifaltigkeit habe gehört und gesehen den hohen Rat, der vor unserer Zeit ist geschehen, als du, Herr, in Dir allein warst beschlossen und niemand hattest zu deiner unzähligen Wonne Genossen. Da leuchteten die drei Personen also schön zusammen, eine jegliche schien durch die andere zu flammen und waren doch ganz beisammen. Der Vater war geziert in sich selbst mit dem starken Gemüte der Allmächtigkeit, und der Sohn war gleich dem Vater in unzähliger Weisheit, und der Heilige Geist ihnen beiden gleich in voller Gütigkeit. Da spielte der Heilige Geist dem Vater ein Spiel in großer Gültigkeit und schlug die heilige Dreifaltigkeit und sprach zu ihm: Herr, lieber Vater, ich will dir aus dir selbst einen freigebigen Rat geben, wir wollen nicht länger also unfruchtbar leben. Lasset uns haben ein geschaffenes Reich, und bilde die Engel mir gleich, daß sie seien mit mir ein Geist; und das andere wird der Mensch sein. Denn, lieber Vater, Freude heißt das allein, daß man lebt in liebendem Verein und in unzähliger Wonne vor deinen Augen allgemein.

Da sprach der Vater: Du bist ein Geist mit mir. Was du rätst und willst, das behagt auch mir.

— Als der Engel geschaffen war, ihr wißt wohl, wie es geschah — wäre auch der Engel Fall unterblieben, der Mensch hätte doch geschaffen sein müssen. Der Heilige Geist gab den Engeln seine Gütigkeit, daß sie uns dienen und sich freuen aller unserer Seligkeit. Dann sprach der ewige Sohn in großer Zucht: Lieber Vater, auch m e i n e Natur soll bringen Frucht. Da wir nun Wunderbares beginnen wollen, so laßt uns den Menschen bilden nach mir. Obwohl ich großen Jammer voraussehe, muß ich den Menschen doch ewiglich minnen. — Da sprach der Vater: Sohn, auch mich berührt eine kräftige Lust in meiner göttlichen Brust und ich töne vor lauter Minne. Wir wollen fruchtbar werden, auf das man uns wieder minne, und daß man unsere große Herrlichkeit ein wenig erkenne. Ich will mir selbst schaffen eine Braut, die soll mich grüßen mit ihrem Munde und mit ihrem Anblicke verwunden. Und dann erst geht es an das Minnen.

Da sprach der Heilige Geist zum Vater: Ja, lieber Vater, diese Braut werde ich dir zu Bette bringen. — Da sprach der Sohn: Vater, ich werde noch sterben vor Minne, du weißt es wohl. Aber doch wollen wir diese Dinge in großer Heiligkeit fröhlich beginnen. — Da neigte sich die heilige Dreifaltigkeit zu der Schöpfung aller Dinge und schuf uns, Leib und Seele, in unzähliger Minne. Adam und Eva waren gebildet und adelig geschaffen und nach dem ewigen Sohne, der ohne Anbeginn aus seinem Vater ist geboren. Dann gab der Sohn dem Adam seine himmlische Weisheit und seine irdische Gewalt, also daß er besaß in vollkommener Minne wahre Erkenntnis und heilige Sinne, und daß er gebieten konnte allen irdischen Kreaturen; das ist uns nun verloren.

Dann gab Gott Adam aus herzlicher Liebe eine wohlgezogene, edle, schmucke Jungfrau, das war Eva, und verlieh ihr seine minnigliche rechte Wohlgezogenheit, die er selbst seinem Vater zu Ehren übt: Ihre Leiber sollten rein sein, denn Gott schuf ihnen niemals Glieder der Schande, und sie waren gekleidet mit Engelsgewande. Ihre Kinder sollten sie gewinnen in heiliger Minne, so wie die Sonne spielend in das Wasser scheint und doch das Wasser unzerbrochen bleibt. Aber als sie aßen die verbotene Speise, da wurden sie schmählich verändert am Leibe, wie wir es noch zeigen. Hätte uns die heilige Dreifaltigkeit also häßlich geschaffen, so könnten wir uns wegen der edelen Natur ihres Geschöpfes niemals schämen.
Der himmlische Vater verlieh der Seele seine göttliche Minne und sprach: Ich bin Gott aller Götter, du bist aller Kreaturen Göttin und ich gebe dir mein festes Versprechen, daß ich dich nie verwerfe. Wenn du dich nicht selbst verlierst, so leisten dir meine Engel ohne Ende Dienst. Ich werde dir meinen Heiligen Geist als Kämmerer geben, so kannst du nicht aus Unwissenheit eine Todsünde begehen, und vollen freien Willen gebe ich dir. Lieb vor allem Lieb, nun sieh dich nur weislich für! Du wirst halten ein leichtes Gebot, auf das du gedenkst, ich bin dein Gott. — Die Seele: Die viel reine Speise, die ihnen Gott gelobt hat im Paradiese, die sollte in großer Heiligkeit bei ihrem Leibe bleiben. Aber als sie die ungenehme Speise, die nicht gebührte ihrem Leibe, hatten gegessen, da wurden sie (erfüllt) von dem Gifte, so voll gemessen, daß sie verloren der Engel Reinheit und vergaßen ihre magdliche Keuschheit.

Da schrie die Seele in großer Finsternis mannig Jahr nach ihrem Lieb mit verbannter Stimme und rief: O lieber Herr, wohin kam deine übersüße Minne? Wie sehr hast du verstoßen deine eheliche Königinne! (Dies ist der Propheten Sinn.) O großer Herr, wie kannst du ertragen diese lange Not, ohne daß du tötest unseren Tod? Du willst doch werden gebor’n! Doch, Herr, alle deine Taten sind vollkommen, so auch dein Zorn!
Da hub sich abermals hoher Rat in der heiligen Dreifaltigkeit. Da sprach der ewige Vater: Mich reut meine Mühe. Denn ich hatte meiner heiligen Dreifaltigkeit eine also rühmliche Braut gegeben, daß die höchsten Engel ihr dienstbar hätten sein sollen. Ja, wäre selbst Luzifer in seiner Herrlichkeit verblieben, sie hätte seine Göttin sein sollen. Denn ihr allein war das Brautbett gegeben. Dann aber wollte sie mir nicht länger gleich sein. Nun ist sie verdorben und gräulich gestalt; wer wollte diesen Unflat zu sich nehmen?

Eja, da kniete der ewige Sohn vor seinem Vater nieder und sprach: Lieber Vater, ich will es tun, gibst du mir deinen Segen. Ich will gerne die blutige Menschheit an mich nehmen, und ich will des Menschen Wunden salben mit dem Blute meiner Unschuld und will alles Menschenleid verbinden mit dem Tuche der Verbannung und Schmach bis an mein Ende, und ich will dir, trauter Vater, des Menschen Schuld mit menschlichem Tode vergelten. — Da sprach der Heilige Geist zum Vater: O allmächtiger Gott, laß uns eine schöne Prozession halten und in großer Herrlichkeit unvermischt von dieser Höhe hinabwandeln. Ich bin doch zuvor Mariens Kämmerer gewesen! — Da neigte sich der Vater in großer Minne zu ihrer beider Willen und sprach zum Heiligen Geiste: Trage mein Licht vor meinem lieben Sohn in alle die Herzen, die er mit meinen Worten bewegen wird; und du, Sohn, nimm dein Kreuz auf! Ich werde mit dir wandeln auf allen deinen Wegen, und ich werde dir eine reine Jungfrau zur Mutter geben, damit du die unedle Menschennatur rühmlicher tragen kannst. – Dann ging die schöne processio mit großen Freuden hernieder in das templum Salomonis; da wollte der allmächtige Gott neun Monate Herberge nehmen
. S. 90-94
Aus: Mechthild von Magdeburg, Das fließende Licht der Gottheit. In Auswahl und übersetzt von Dr. Wilhelm Oehl
Deutsche Mystiker Band II, Verlag der Kösel’schen Buchhandlung Kempten und München