Montanus (um 150 n. Chr.)

Phrygischer Stifter einer altkirchlichen pneumatisch-enthusiastischen Sekte, die sich selbst den Namen »Neue Prophetie« gab, jedoch von ihren kirchlichen Gegnern als phrygische oder kataphrygische Häresie bekämpft und ab dem 4. Jahrhundert allgemein als »Montanismus« bezeichnet wurde.

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Montanismus
Um das Jahr 156 p. C. trat in dem schon durch den Kybelekultus zur Schwärmerei disponierten Phrygien zu Ardabau ein gewisser Montanus , bis vor kurzem noch heidnischer Priester, nach seiner Bekehrung zum Christentum auf, berief sich auf seine ihm in ekstatischen Zuständen zuteil gewordenen Visionen, erklärte sich für den von Christo verheißenen Parakleten und verkündigte, unterstützt von den beiden Prophetinnen Priscilla und Maximilla (gestorben: 179), das unmittelbare Bevorstehen der so lange von der Kirche vergeblich erwarteten Wiederkunft Christi, das mit ihr anbrechende, in der Apokalypse geweissagte tausendjährige Reich und das Herabkommen des himmlischen Jerusalems, als dessen Stätte Pepuza, ein im westlichen Teile Phrygiens gelegenes Städtchen, auserwählt sei.

Die Kirche, so lehrte er, sei nunmehr aus dem Kindesalter des alttestamentlichen Prophetismus und dem Jünglingsalter der Zeit Christi und der Apostel in ihr Mannesalter, aus dem Reiche des Vaters und des Sohnes in das des Geistes getreten, welchem entsprechend er für seine Prophezeiungen eine höhere Stufe gegenüber den Propheten und dem Evangelium beanspruchte.

Ohne im übrigen das Dogma der Kirche anzutasten, eiferte er gegen die in ihr eingerissene Verweltlichung, erklärte die zweite Ehe für Ehebruch, verlangte, dass beim Gottesdienst nicht nur die verheirateten Weiber, sondern, gegen die übliche Praxis, auch die Witwen und Jungfrauen nur verschleiert erscheinen dürften, steigerte die in der Kirche herrschenden Fastenübungen und ermahnte zu geflissentlicher Aufsuchung des Martyriums.

Am meisten Anstoß mochte es wohl erregen, dass er die in der Kirche sich bereits anbahnende Hierarchie nicht anerkannte, Pepuza für den Sitz des Patriarchen erklärte und alle Christen zu seinen Anhängern zu machen suchte. Seine Aussprüche und die seiner Prophetinnen wurden gesammelt und höher gestellt als die Offenbarungen des Evangeliums. Die von Montanus als unmittelbar bevorstehend geweissagte Wiederkunft Christi und die geforderte würdige Vorbereitung auf dieselbe durch ein heiliges, asketisches Leben entfesselte in der Kirche eine mächtige Bewegung, rief aber auch den heftigsten Widerspruch hervor, zunächst in Kleinasien, wo schon um 170 p. C. die Montanisten durch mehrere Synoden aus der Kirche ausgeschieden wurden, dann aber auch in Rom, wo namentlich Praxeas gegen dieselben eiferte.

Eine starke Stütze erfuhr der Montanismus in Afrika dadurch, dass Tertullian mit der ganzen Macht seiner Persönlichkeit für denselben eintrat, und noch lange erhielt sich der, Montanismus gegenüber der Bekämpfung durch die Apologeten und der Verfolgung von seiten Constantins und anderer Kaiser; noch Augustin fand in Karthago eine kleine Gemeinde von Tertullianisten vor und führte sie in den Schoß der Kirche zurück, und erst gegen 500 p. C. erlosch der Montanismus, während die asketischen Tendenzen, denen er seine eigentliche Kraft verdankte, in weniger phantastischen Formen in der christlichen Kirche, eben weil sie derselben wesentlich sind, auch weiterhin fortdauerten.
S.316f.
Aus: Paul Deussen, Allgemeine Geschichte der Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Religionen, Zweiter Band, Zweite Abteilung: Die Biblisch-Mittelalterliche Philosophie, Leipzig: F. A. Brockhaus. 1919