Nâmdev (14. Jahrhundert)

Indischer Weiser, der aus der Kaste der Schneider in einem Dorf bei Karhâd in der Präsidentschaft von Bombay stammte. Von einem starken religiösen Bedürfnis geleitet, begann er seine in Marâthi und Hindi verfassten religiösen Lieder dem im Kloster Pandhapur verehrten Krishna zu widmen und seinen Kult zu verbreiten. In seiner Mystik setzte er Krishna mit dem Absoluten (Brahma) gleich. Das, was wir als Existierendes wahrnehmen, ist nur eine von Krishna (oder Govinda, Mûrari, Bîthal, wie er auch genannt wird) inspirierte Erscheinungsform. Die Vielheit ist reines Blendwerk (Mâya).

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1.
Jedes Ding durchdringt der Eine, wohin auch die Blicke schweifen,
Durch der Mâyâ Bild bezaubert, kann kaum jemand ihn begreifen.
Alles ist Govinda, ohne ihn ist nichts, er ist der Eine,
Gleich der Schnur, auf die gereiht sind hunderttausend Edelsteine.

Meer und Welle, Schaum und Blase andres nicht als Wasser ist es,
Und das Weltall ist nichts andres als das Spiel des Brahma, wisst es.

Wahngebilde, Traumgestalten sieht man an für Wirklichkeiten,
Durch Belehrung wach geworden, ließ ich mich zur Wahrheit leiten.

Spricht Nâmdev: sieh Gottes Werke, tief im Herzen seiner denkend,
In dem Innern jedes Dinges ist Murâri, alles lenkend.

2.
Wasser in den Krug man füllte, und herein man drauf das Wasser um den Gott zu baden trug.
Millionen Wesen leben in dem Wasser, Gott ist drinnen, wen zu baden dient der Krug?

Rahâu
Wo ich bin und wo ich gehe,
Überall ich Bîthal sehe,
Wonnig spielt er in der Welt.

Blumen brachte man in Fülle, Kränze wurden draus geflochten um den Gott zu ehren nun,
Doch den ersten Duft der Blumen sogen Bienen, in den Bienen ist der Gott. Was wollt ihr tun?

Milch ward dann herbeigetragen, und man kochte, um dem Gotte Speise zu bereiten, Khir.
Doch die Milch war erst gekostet von dem Kalbe, in dem Kalbe ist der Gott. Was tut denn ihr?

Hier ist Bîthal, dort ist Bîthal, Bîthal ist an jedem Orte, ohne ihn die Welt ist nichts.
Überall die Welt erfüllt er, fort und fort allgegenwärtig, Nâmdev, ihn anbetend, spricht‘s.

Aus: Indische Gedichte aus vier Jahrtausenden. In deutscher Nachbildung von Otto von Glasenapp (S. 84f.) G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1925