Sri Nimbârka (vermutlich 14. Jahrhundert n. Chr.)

  Indischer Brahmane aus dem Telugu-Gebiet, der eine Sekte gründete, die Krishna als das Brahma und Râdhâ als Gemahlin Krishnas besonders verehrte. Nimbârkas Philosophie wird als »Sonderungs-Unsonderungs-Lehre« (Bhedâbheda-vâda) oder »Zweiheits-Nichtzweiheits-Lehre« (Dvaitâdvaita-vâda) bezeichnet, weil sie Monismus und Pluralismus ausgleichen sollte. Nach dieser Lehre ist Gott zwar bewirkende Ursache von Materie und Seele; diese sind aber nicht mit ihm identisch, weil Gott ein Wesen besonderer Art ist, das nicht nur beide überragt, sondern von dem sie auch total abhängig sind. Die Grundzüge dieser Lehre sind in folgendem Gedicht von zehn Strophen (Dasha-shlokî) dargestellt.

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Die Grundzüge der »Zweiheits-Nichtzweiheits-Lehre«
1. Die individuelle Seele ist ihrem Wesen nach Erkenntnis, von Krishna abhängig, fähig, mit einem Leibe verbunden oder von einem solchen getrennt zu sein, atom-groß, je entsprechend ihrem Körper (von anderen Seelen) verschieden, erkenntnishaft und in unendlich vielen (Exemplaren) vorhanden.

2. Die Seele ist mit der anfangslosen Mâyâ verbunden. Ihre wahre Natur erkennt man durch Gottes Gnade. Sie ist entweder erlöst oder an den Sansâra gebunden. Die Erlösten sind dies entweder von Ewigkeit her (wie Gatuda und andere Wesen in Vishnus Umgebung), oder sie haben das Heil erst erlangt, nachdem sie von der Weltwanderung frei wurden.

3.
Das Ungeistige (Leblose) ist von drei Arten:

erstens aus der Urmaterie (prakriti oder mâyâ) entstanden und deshalb von weißer, roter oder schwarzer Farbe (d.h. aus den drei Gunas bestehend);

zweitens nicht aus der Urmaterie entstanden, wie der »unstoffliche« Körper Gottes und die Paläste, Gärten usw. seiner himmlischen Welt;

drittens die Zeit.

4.
Laßt uns meditieren über Krishna, den lotusäugigen Hari. Er ist von Natur aus frei von allen Fehlern und eine einzige Fülle von restlos schönen Eigenschaften; als seine Glieder läßt er seine Machtentfaltungen (vyûhas, Inkarnationen usw.) aus sich hervorgehen; er ist das höchste Brahma, nach dem gestrebt wird.

5. Laßt uns immer denken an Râdhâ, die alle gehegten Wünsche erfüllt. Sie strahlt in Freude in vollendeter Schönheit an der linken Seite (Krishnas) und ist von Tausenden von Gefährtinnen umgeben.

6.
(Dieses Brahma)
ist beständig von den Menschen zu verehren, damit sie frei werden von der Fortdauer des Dunkels des Nichtwissens. So wurde von Sanandana und anderen Weisen zu Nârada gesagt, der (dann) die vollständige Wahrheit unmittelbar erfaßte.

7. Alle Erkenntnis von jewedem Ding ist nach der Offenbarung und der Überlieferung real (also keine Illusion), weil das Brahma ihr Selbst (ihre wahre Substanz) ist. Dieses ist die Lehre der Veda-Kenner. Aus der Offenbarung und den (Brahma-)Sûtras ergibt sich (aber auch) mit Gewissheit, dass es drei Weltprinzipien (Gott, Materie, Seelen) gibt.

8. Es läßt sich kein anderes Heil absehen außer (durch die Verehrung des) Fußlotus Krishna, welcher von Brahmâ und Shiva und anderen (Göttern) angebetet wird. Auf den Wunsch des Frommen offenbart sich (Vishnu), der unausdenkbare Kräfte hat und dessen Wesen unbegreiflich ist, aus Gnade in einer leicht meditierbaren Gestalt (d.h. als Fischavatâra usw.).

9. Gottes Gnade entsteht bei dem, der sich seiner Erbärmlichkeit bewußt ist. Dank dieser Gnade erwächst die Gottergebenheit (bhakti), d.h. eine besondere Art von Liebe zu der großen Seele (des Alls), zu (Vishnu), der keinen Herrn übet sich hat. Diese Bhakti ist entweder eine solche höchsten Grades oder eine Bhakti niederer Form, die ein Hilfsmittel (zur Erlangung) der höchsten (Bhakti) bildet.

10. Die folgenden fünf Dinge müssen die echten Gottesgläubigen kennen:

erstens
das Wesen des zu verehrenden Gottes,

zweitens das Verhältnis, in dem der Verehrer zu Gott steht,

drittens
die Wirkungen (Frucht) der Gnade,

viertens
die aus der Bhakti entspringende Gemütsstimmung und
fünftens die Natur des Hemmenden (das der Entwicklung der Bhakti entgegensteht wie Materialismus, Gleichgültigkeit gegen religiöse Ideen, Verehrung anderer Götter usw.)
. S.205ff.
Aus: Indische Geisteswelt. Eine Auswahl von Texten in deutscher Übersetzung. Eingeleitet und herausgegeben von Helmuth von Glasenapp. Band I Glaube und Weisheit der Hindus. Holle Verlag . Baden-Baden