Hermann Oberth (1894 – 1989)

Deutscher Mathematiker und Physiker; Pionier der Raumfahrt, entwarf 1917 eine Großrakete (Treibstoff Alkohol und Sauerstoff; Nutzlast 10 t), beschrieb 1923 die wesentlichen Elemente der heutigen Großraketen, machte 1938-40 Raketenversuche an der TH in Wien, kam 1941 an die Heeresversuchsanstalt Peenemünde; 1955—58 arbeitete er in den USA.

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Ich glaube an die Existenz einer körperlosen Seele
Es scheint zwar einen Gott zu geben, der das Geistesleben seiner Geschöpfe, besonders das des Menschen, immer weiter entwickelt, noch ist aber unser Gehirn keineswegs ein Organ zur Erkenntnis der absoluten Wahrheit. Es ist entstanden, um uns in unserer Umgebung zurechtzufinden, also als Organ im Kampf ums Dasein. Was wir dazu brauchen, das begreifen wir. Was wir dazu nicht brauchen, das können wir im allgemeinen auch noch nicht begreifen. Hiermit soll aber nicht ausgeschlossen sein, dass wir manches verstehen können, was der Steinzeitmensch vielleicht nicht begriffen hätte. Eigentlich sind wir über das, was uns unsere Sinne lehren, schon irgendwie hinausgekommen. Um hierfür ein Beispiel zu nennen:
Wir wissen im Grunde nicht, was ein Elektron eigentlich ist. Es gibt Fälle, wo wir es uns als kleines elektrisch geladenes Körnchen vorstellen können, es gibt aber auch Fälle, wo wir uns die kleinsten Körper nicht materiell, sondern als eine Art Wellen in einem Urstoff denken. Wir nennen diesen Urstoff »luftleeren Raum« und denken nicht weiter darüber nach.

Früher neigte man dazu, alles, was man nicht verstand, auf die Einwirkung menschen-ähnlicher oder wenigstens menschlich fühlender Götter zurückzuführen. Wenn z. B. der Wind wehte, glaubte man, da blase ein unsichtbarer Gott. Wir wissen, dass Winde durch Unterschiede im atmosphärischen Luftdruck entstehen. Wenn irgendeine Seuche ausbrach, so glaubte man, sie sei durch eine Gottheit hervorgerufen, und suchte diese durch den Bau eines Tempels, durch Gebete und Opfer zu besänftigen, wir forschen nach den wirklichen Ursachen der Krankheit oder den physikalischen Gesetzen im Weltgeschehen.

Manches hat sich von diesem Aberglauben bis in unsere Zeit hinein gerettet. So stiftet z. B. mancher Bauer dem St. Leonhard eine Kerze, wenn sein Vieh krank ist, statt zum Tierarzt zu gehen. So versuchen es auch viele Leute mit dem Gesundbeten, oder wenigstens nehmen sie es zur Hilfe dazu. Ja, alle unsere Religionen und kirchlichen Bekenntnisse stammen noch aus dieser Zeit, und unsere technische und auf Forschung beruhende Wissenschaft ist daher heute bestrebt, möglichst ohne Gottesglauben auszukommen, nicht zuletzt auch viele Parapsychologen.

Ich denke aber, hier sind wir über das Ziel hinausgeschossen. Die Parapsychologie befasst sich gerade mit den Dingen, die rein naturwissenschaftlich nicht zu erklären sind, wie z. B.:

1. die Übung: Ich meine, dass einem Lebewesen alles besser gelingt, je öfter es es bei nicht allzu großen Widerständen wiederholt usw.

2. das Bewusstsein: In der materiellen Welt geschieht nichts »von selbst«, denn jeder Vorgang ist durch frühere Vorgänge verursacht worden. Wenn jemand z. B. etwas spricht, so ist dazu unter anderem notwendig, dass seine Sprechwerkzeuge von ihren motorischen Nerven bestimmte Impulse erhalten. Die motorischen Nerven aber sind ebenfalls materielle Gebilde. Sie vermitteln ihre Impulse nur, wenn sie durch andere materielle Vorgänge dazu veranlasst worden sind. Normalerweise empfangen sie die Befehle von bestimmten Gehirnzellen, die ihrerseits wieder von anderen Gehirnbahnen und Nervenzellen dazu angeregt worden sind. Wenn wir dann die Vorgänge beim Aussprechen des Satzes »Ich fühle, dass ich ein Bewusstsein habe« weiter zurückverfolgen könnten, so müssten wir schließlich zu dem Punkt kommen, wo der Träger des Bewusstseins auf Gehirnzellen eingewirkt und Vorgänge veranlass hat, die ohne ihn nicht zustande gekommen wären. Vielleicht wird die Menschheit einmal imstande sein, in das menschliche Gehirn hineinzublicken und zu sehen, was geschieht, wenn jemand an sein Ich-Bewusstsein denkt.

Ich glaube daher an die Existenz einer körperlosen Seele, wenn es auch manche Dinge gibt, die dem zu widersprechen scheinen, z. B. dass wir uns in der Regel bei Ausfall der Gehirntätigkeit an nichts mehr erinnern können.

Es sind aber zu viele Dinge glaubhaft berichtet, die für die Annahme einer den Tod überdauernden Seele sprechen. Ich erinnere hier z. B. an die Wunderheilungen von Lourdes, an die drei Bücher von Dr. Mattiesen »Das persönliche Überleben des Todes«, Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin 1968, und an verschiedene spiritistische Berichte, wenn wir bei diesen allerdings auch vorsichtig sein und überlegen müssen, wie leicht Legenden entstehen können.

Keineswegs möchte ich an einen Gott glauben, der ein guter, alter Mann ist und dem es um jeden Spatzen leid tut, der vom Dache fällt. Was wir Menschen uns antun, ist vielleicht noch nicht einmal das Grässlichste, was es gibt. Die Schlupfwespen z. B. legen ihre Eier in lebende Raupen, die dann bei lebendigem Leibe von den Wespenmaden ausgefressen werden. Weiter gibt es die sogenannten Lernäen, die den Fischen in die Augen dringen. Es gibt Krebsgeschwülste, usw.

Trotzdem ist zu beobachten, dass das Leben auf der Erde vom Ungeordneten und Primitiven zum Geordneten und Komplizierten, also vom Chaos zum Kosmos strebt.

Ich denke deswegen, dass sich das Leben auf der Erde schon so weit entwickelt hat, dass wir in bezug auf die Zukunft guter Hoffnung sein dürfen.

Wer sich weiter für diese Fragen interessiert, den verweise ich besonders auf meine Schriften »Stoff und Leben« und »Wählerfibel für eine Weltparlament«.
Aus: Jan Brauers (Hrsg.), Mein Gottesbild, Fünfzig Beiträge namhafter Autoren (S.238-241)
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