Max Karl Ernst Ludwig Planck (1858 - 1947)

  Deutscher Physiker; Professor in Kiel und Berlin, 1930-37 und 1945-46 Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, einer der bedeutendsten Physiker des 19./20. Jahrhunderts. Als Begründer der Quantentheorie hat er die moderne Physik mitgeprägt. Ausgehend von Untersuchungen zur Thermodynamik und zur Entropie, wandte er sich 1894 Problemen der Wärmestrahlung zu und entdeckte dabei eine neue Naturkonstante, die später nach ihm Plancksches Wirkungsquantum genannt wurde. Durch eine Interpolation zwischen dem Wienschen und Rayleigh-Jeansschen Strahlungsgesetz leitete er 1900 das Plancksche Strahlungsgesetz ab. Gegenüber der Einsteinschen Lichtquantenhypothese blieb er lange skeptisch, erkannte aber sofort die Tragweite der von Albert Einstein 1905 begründeten speziellen Relativitätstheorie; dass sich diese so rasch in Deutschland durchsetzen konnte, war vor allem sein Verdienst. 1918 erhielt er den Nobelpreis für Physik.
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft
stiftete zu seinem 70. Geburtstag die Max-Planck-Medaille, deren erster Preisträger Planck selbst war. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. umbenannt.

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Religion und Naturwissenschaft
Religion ist die Bindung des Menschen an Gott. Sie beruht auf der ehrfurchtsvollen Scheu vor einer überirdischen Macht, der das Menschenleben unterworfen ist und die unser Wohl und Wehe in ihrer Gewalt hat. Mit dieser Macht sich in Übereinstimmung zu setzen und sie sich wohlgesinnt zu erhalten, ist das beständige Streben und das höchste Ziel des religiösen Menschen. Denn nur so kann er sich vor den ihm im Leben bedrohenden Gefahren, den vorhergesehenen und den unvorhergesehenen, geborgen fühlen und wird des reinsten Glückes teilhaftig, des inneren Seelenfriedens, der nur verbürgt werden kann durch das feste Bündnis mit Gott und durch das unbedingte gläubige Vertrauen auf seine Allmacht und seine Hilfsbereitschaft. Insofern wurzelt die Religion im Bewusstsein des einzelnen Menschen.

Aber ihre Bedeutung geht über den Einzelnen hinaus. Nicht etwa hat jeder Mensch seine eigene Religion, vielmehr beansprucht die Religion Gültigkeit und Bedeutung für eine größere Gemeinschaft, für ein Volk, für eine Rasse, ja in letzter Linie für die gesamte Menschheit. Denn Gott regiert gleicherweise in allen Ländern der Erde, ihm ist die ganze Welt mit ihren Schätzen wie auch mit ihren Schrecknissen untertan, und es gibt im Reich der Natur wie im Reich des Geistes kein Gebiet, das er nicht allgegenwärtig durchdringt.

Daher führt die Pflege der Religion ihre Bekenner zu einem umfassenden Bunde zusammen und stellt sie vor die Aufgabe, sich über ihren Glauben gegenseitig zu verständigen und ihm einen gemeinsamen Ausdruck zu geben. Das kann aber nur dadurch geschehen, dass der Inhalt der Religion in eine bestimmte äußere Form gefasst wird, die sich durch ihre Anschaulichkeit für die gegenseitige Verständigung eignet. Bei der großen Verschiedenheit der Völker und ihrer Lebensbedingungen ist es nur natürlich, daß diese anschauliche Form in den einzelnen Erdteilen stark variiert und daß daher im Verlauf der Zeiten sehr viele Arten von Religionen entstanden sind. Allen Arten gemeinsam ist wohl die nächstliegende Annahme, sich Gott als Persönlichkeit oder wenigstens als menschenähnlich vorzustellen. Darüber hinaus ist für die verschiedensten Auffassungen der Eigenschaften Gottes Platz. Eine jede Religion hat ihre bestimmte Mythologie und ihren bestimmten Ritus, der bei den höher ausgebildeten Religionen in die feinsten Einzelheiten hinein entwickelt ist. Daraus ergeben sich für die Ausgestaltung des religiösen Kultus bestimmte anschauliche Symbole, die geeignet sind, unmittelbar auf die Einbildungskraft weiter Kreise im Volke zu wirken, ihnen dadurch das Interesse für religiöse Fragen zu wecken und ein gewisses Verständnis für das Wesen Gottes nahezubringen.

So tritt die Gottesverehrung durch die systematische Zusammenfassung der mythologischen Überlieferungen und durch die Innehaltung feierlicher ritueller Gebräuche symbolisch in die äußere Erscheinung, und im Verlauf der Jahrhunderte steigert sich die Bedeutung solcher religiösen Symbole immer weiter durch unablässige Übung und durch regelmäßige Erziehung von Geschlecht zu Geschlecht. Die Heiligkeit der unfaßbaren Gottheit überträgt sich auf die Heiligkeit der faßbaren Symbole. Daraus erwachsen auch für die Kunst starke Antriebe, und in der Tat hat die Kunst dadurch, dass sie sich in den Dienst der Religion stellte, die kräftigste Förderung erfahren. [...]

Nun, daß die Naturgesetze nicht von den Menschen erfunden worden sind, sondern daß ihre Anerkennung ihnen von außen aufgezwungen wird, haben wir wohl schon ausführlich genug besprochen. Von vornherein könnten wir uns die Naturgesetze, ebenso wie die Werte der universellen Konstanten auch ganz anders denken, als sie in Wirklichkeit sind. [...]

Es gibt indessen ein anderes, viel umfassenderes Gesetz, welches die Eigentümlichkeit hat, dass es auf jedwede den Verlauf eines Naturvorganges betreffende sinnvolle Frage eine eindeutige Antwort gibt, und dies Gesetz besitzt, soweit wir sehen können, ebenso wie das Energieprinzip genaue Gültigkeit, auch in der allerneuesten Physik. Was wir aber nun als das allergrößte Wunder ansehen müssen, ist die Tatsache, daß die sachgemäßeste Formulierung dieses Gesetzes bei jedem Unbefangenen den Eindruck erweckt, als ob die Natur von einem vernünftigen, zweckbewussten Willen regiert würde.

Ein spezielles Beispiel möge das erläutern. Bekanntlich wird ein Lichtstrahl, der in schräger Richtung auf die Oberfläche eines durchsichtigen Körpers, etwa auf eine Wasserfläche, trifft, beim Eintritt in den Körper von seiner Richtung abgelenkt. Die Ursache für diese Ablenkung ist der Umstand, daß das Licht sich im Wasser langsamer fortpflanzt als in der Luft. Eine solche Ablenkung oder Brechung findet also auch in der atmosphärischen Luft statt, weil in den tieferen, dichteren Luftschichten das Licht sich langsamer fortpflanzt als in den höheren. Wenn nun ein Lichtstrahl von einem leuchtenden Stern in das Auge eines Beobachters gelangt, so wird seine Bahn, wenn der Stern nicht gerade senkrecht im Zenith steht, infolge der verschiedenen Brechungen in den verschiedenen Luftschichten eine mehr oder weniger komplizierte Krümmung aufweisen. Diese Krümmung wird nun durch das folgende einfache Gesetz vollkommen bestimmt: unter sämtlichen Bahnen, die vom Stern in das Auge des Beobachters führen, benutzt das Licht immer gerade diejenige, zu deren Zurücklegung es, bei Berücksichtigung der verschiedenen Fortpfianzungsgeschwindigkeiten in den verschiedenen Luftschichten, die kürzeste Zeit braucht. Die Photonen, welche den Lichtstrahl bilden, verhalten sich also wie vernünftige Wesen. Sie wählen sich unter allen möglichen Kurven, die sich ihnen darbieten, stets diejenige aus, die sie am schnellsten zum Ziele führt.

Dieser Satz ist einer großartigen Verallgemeinerung fähig. Nach allem, was wir über die Gesetze der Vorgänge in irgendeinem physikalischen Gebilde wissen, können wir den Ablauf eines jeden Vorganges in allen Einzelheiten durch den Satz charakterisieren, daß unter allen denkbaren Vorgängen, welche das Gebilde in einer bestimmten Zeit aus einem bestimmten Zustand in einen andern bestimmten Zustand überführen, der wirkliche Vorgang derjenige ist, für welchen das über diese Zeit erstreckte Integral einer gewissen Größe, der sogenannten Lagrangeschen Funktion, den kleinsten Wert besitzt. Kennt man also den Ausdruck der Lagrangeschen Funktion, so lässt sich der Verlauf des wirklichen Vorganges vollständig angeben.

Es ist gewiß nicht verwunderlich, dass die Entdeckung dieses Gesetzes, des sogenannten Prinzips der kleinsten Wirkung, nach welchem später auch das elementare Wirkungsquantum seinen Namen bekommen hat, seinen Urheber Leibniz, ebenso wie bald darauf dessen Nachfolger Maupertuis, in helle Begeisterung versetzt hat, da diese Forscher darin das greifbare Zeichen für das Walten einer höheren, die Natur allmächtig beherrschenden Vernunft gefunden zu haben glaubten.

In der Tat, durch das Wirkungsprinzip wird in den Begriff der Ursächlichkeit ein ganz neuer Gedanke eingeführt: zu der Causa efficiens, der Ursache, welche aus der Gegenwart in die Zukunft wirkt und die späteren Zustände als bedingt durch die früheren erscheinen läßt, gesellt sich die Causa finalis, welche umgekehrt die Zukunft, nämlich ein bestimmt angestrebtes Ziel, zur Voraussetzung macht und daraus den Verlauf der Vorgänge ableitet, welche zu diesem Ziele hinführen.

Solange man sich auf das Gebiet der Physik beschränkt, sind diese beiden Arten der Betrachtungsweise nur verschiedene mathematische Formen für ein und denselben Sachverhalt, und es wäre müßig zu fragen, welche von beiden der Wahrheit näherkommt. Ob man die eine oder die andere benutzen will, hängt allein von praktischen Erwägungen ab. Ein Hauptvorzug des Prinzips der kleinsten Wirkung ist, daß es zu seiner Formulierung keines bestimmten Bezugssystems bedarf. Daher eignet sich das Prinzip auch vorzüglich für die Ausführung von Koordinatentransformationen.

Doch für uns handelt es sich jetzt um allgemeinere Fragen. Wir wollen hier nur feststellen, daß die theoretisch-physikalische Forschung in ihrer historischen Entwicklung auffallenderweise zu einer Formulierung der physikalischen Ursächlichkeit geführt hat, welche einen ausgesprochen teleologischen Charakter besitzt, daß aber dadurch nicht etwa etwas inhaltlich Neues oder gar Gegensätzliches in die Art der Naturgesetzlichkeit hineingetragen wird. Es handelt sich vielmehr lediglich um eine der Form nach verschiedene, sachlich jedoch vollkommen gleichberechtigte Betrachtungsweise. Entsprechendes wie in der Physik dürfte auch in der Biologie zutreffen, wo der Unterschied der beiden Betrachtungsweisen allerdings wesentlich schärfere Formen angenommen hat.

In jedem Falle dürfen wir zusammenfassend sagen, daß nach allem, was die exakte Naturwissenschaft lehrt, im gesamten Bereich der Natur, in der wir Menschen auf unserem winzigen Planeten nur eine verschwindend kleine Rolle spielen, eine bestimmte Gesetzlichkeit herrscht, welche unabhängig ist von der Existenz einer denkenden Menschheit, welche aber doch, soweit sie überhaupt von unseren Sinnen erfaßt werden kann, eine Formulierung zuläßt, die einem zweckmäßigen Handeln entspricht. Sie stellt also eine vernünftige Weltordnung dar, der Natur und Menschheit unterworfen sind, deren eigentliches Wesen aber für uns unerkennbar ist und bleibt, da wir nur durch unsere spezifischen Sinnesempfindungen, die wir niemals vollkommen ausschalten können, von ihr Kunde erhalten. Doch berechtigen uns die tatsächlich reichen Erfolge der naturwissenschaftlichen Forschung zu dem Schlusse, daß wir uns durch unablässige Fortsetzung der Arbeit dem unerreichbaren Ziele doch wenigstens fortwährend annähern, und stärken uns in der Hoffnung auf eine stetig fortschreitende Vertiefung unserer Einblicke in das Walten der über die Natur regierenden allmächtigen Vernunft. [...]

Für den religiösen Menschen ist Gott unmittelbar und primär gegeben. Aus ihm, aus seinem allmächtigen Willen, quillt das Leben und alles Geschehen in der körperlichen wie in der geistigen Welt. Wenn er auch nicht mit dem Verstand erkennbar ist, so wird er doch durch die religiösen Symbole in der Anschauung unmittelbar erfaßt und legt seine heilige Botschaft in die Seele derer, die sich ihm gläubig anvertrauen. Im Gegensatz dazu ist für den Naturforscher das einzig primär Gegebene der Inhalt seiner Sinneswahrnehmungen und der daraus abgeleiteten Messungen. Von da aus sucht er sich auf dem Wege der induktiven Forschung Gott und seiner Weltordnung als dem höchsten, ewig unerreichbaren Ziele nach Möglichkeit anzunähern. Wenn also beide Religion und Naturwissenschaft, zu ihrer Betätigung des Glaubens an Gott bedürfen, so steht Gott für die eine am Anfang, für die andere am Ende alles Denkens. Der einen bedeutet er das Fundament, der anderen die Krone des Aufbaues jeglicher weltanschaulicher Betrachtung.

Diese Verschiedenheit entspricht der verschiedenen Rolle, welche Religion und Naturwissenschaft im menschlichen Leben spielen. Die Naturwissenschaft braucht der Mensch zum Erkennen, die Religion aber braucht er zum Handeln Für das Erkennen bilden den einzigen festen Ausgangspunkt die Wahrnehmungen unserer Sinne; die Voraussetzung einer gesetzlichen Weltordnung dient hier nur als die Vorbedingung zur Formulierung fruchtbarer Fragestellungen. Für das Handeln ist aber dieser Weg nicht gangbar, weil wir mit unseren Willensentscheidungen nicht warten können, bis die Erkenntnis vollständig oder bis wir allwissend geworden sind. Denn wir stehen mitten im Leben und müssen in dessen mannigfachen Anforderungen und Nöten oft sofortige Entschlüsse fassen oder Gesinnungen betätigen, zu deren richtiger Ausgestaltung uns keine langwierige Überlegung verhilft, sondern nur die bestimmte und klare Weisung, die wir aus der unmittelbaren Verbindung mit Gott gewinnen. Sie allein vermag uns die innere Festigkeit und den dauernden Seelenfrieden zu gewährleisten, den wir als das höchste Lebensgut einschätzen müssen; und wenn wir Gott außer seiner Allmacht und Allwissenheit auch noch die Attribute der Güte und der Liebe zuschreiben, so gewährt die Zuflucht zu ihm dem trostsuchenden Menschen ein erhöhtes Maß sicheren Glücksgefühls. Gegen diese Vorstellung lässt sich vom Standpunkt der Naturwissenschaft nicht das Mindeste einwenden, weil ja die Fragen der Ethik, wie wir schon betont haben, gar nicht in ihren Zuständigkeitsbereich gehören.

Wohin und wie weit wir also blicken mögen, zwischen Religion und Naturwissenschaft finden wir nirgends einen Widerspruch, wohl aber gerade in den entscheidenden Punkten volle Übereinstimmung. Religion und Naturwissenschaft - sie schließen sich nicht aus, wie manche heutzutage glauben oder fürchten, sondern sie ergänzen und bedingen einander. Wohl den unmittelbarsten Beweis für die Verträglichkeit von Religion und Naturwissenschaft auch bei gründlich-kritischer Betrachtung bildet die historische Tatsache. daß gerade die größten Naturforscher aller Zeiten, Männer wie Kepler, Newton, Leibniz, von tiefer Religiosität durchdrungen waren. Zu Anfang unserer Kulturepoche waren die Pfleger der Naturwissenschaft und die Hüter der Religion sogar durch Personalunion verbunden. [...]

Es ist der stetig fortgesetzte, nie erlahmende Kampf gegen Skeptizismus und gegen Dogmatismus, gegen Unglaube und gegen Aberglaube, den Religion und Naturwissenschaft gemeinsam führen, und das richtungweisende Losungswort in diesem Kampf lautet von jeher und in alle Zukunft: Hin zu Gott!
Aus: Max Planck, Vorträge und Erinnerungen (S.321-333)
5. Auflage 1949, Reprog. Nachdruck 1983
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