Rabi’a al-Adawiyya (8.Jahrhundert)

Irakische Mystikerin und Sufi-Meisterin aus Basra, die eine von ihrem Herrn freigelassene Sklavin war und ihr ganzes Leben der Hingabe und Verehrung Gottes widmete. Rabi’a hat den Begriff der reinen Gottesliebe in die islamische Mystik eingebracht. In Legenden wird sie des Öfteren mit dem großen Theologen Hasan al-Basri in Verbindung gebracht, der jedoch schon 728 gestorben ist, als sie noch Kinderschuhe trug.

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Gottesliebe
Mitten in der Nacht ging sie oftmals auf das Dach und rief:

»O mein Gott! Nun schweigt das Getümmel des Tages, die Stimmen schweigen, und im heimlichen Gemach erfreut sich das Mädchen des Geliebten, ich Einsame aber erfreue mich deiner Gegenwart, denn dich bekenne ich als meinen wahren Geliebten!«

Einst wallfahrtete Rabia nach Mekka. Als sie die Kaaba erblickte, zu deren Verehrung sie gekommen war, sprach sie:

»Ich bedarf des Herrn der Kaaba, was taugt mir die Kaaba? Ich bin so nahe an ihn herangekommen, dass sein Wort: >Wer mir eine Spanne naht, dem nahe ich eine Elle< von mir gilt — was soll mir noch die Kaaba?«

Von Hasan Basri ermahnt, eine Ehe einzugehen, sprach sie: »Mein Wesen ist längst schon ehelich gebunden. Deswegen sage ich, daß mein Sein in mir erloschen, in ihm (Gott) aufgelebt ist. Und seit jener Zeit lebe ich in seiner Gewalt, ja ganz bin ich er. Wer mich nun zur Braut verlangt, verlange mich nicht von mir, sondern von ihm«.

Hassan
fragte sie, wie sie sich zu dieser Stufe erhoben hätte. Sie sprach: »Dadurch, dass ich alles, was ich gefunden hatte, in ihm verlor«.

Als jener weiterfragte:
»Auf welche Weise hast du ihn erkannt?« antwortete sie: »O Hasan! Du erkennst auf eine bestimmte Art und Weise, ich aber ohne Weise«.

Sie sprach: »Eine innere Wunde meines Herzens verzehrt mich, die nur durch die Vereinigung mit meinem Freunde geheilt werden kann. Ich werde krank bleiben, bis ich am jüngsten Tage mein Ziel erreiche«.

Rabia sprach zu Gott:
»Ich bewahre mein Herz für den Umgang mit dir, und lasse meinen Leib mit denen verkehren, die nach meiner Gesellschaft verlangen. So ist mein Leib der Gefährte meines Besuchers, aber mein Vielgeliebter ist der Gefährte meines Herzens«.
S.77f.
Aus: Sloterdijk (Hrsg.): Mystische Zeugnisse aller Zeiten und Völker gesammelt von Martin Buber, Diederichs DG 100