Johannes Rist (1607 – 1667)

Deutscher Dichter und evangelischer Pfarrer, der weltliche und geistliche Gedichte und Lieder sowie einige Schauspiele verfasste. Rist gilt als wichtigster Vertreter von Martin Opitz in Norddeutschland, der die deutsche Sprache und die deutsche Poesie der neulateinischen Humanistendichtung und den ausländischen National-Literaturen als literaturfähige Sprache gleich stellen wollte. Zur Förderung dieses Zieles rief Rist 1660 den »Elbschwanenorden« ins Leben. Wie Opitz war auch er Mitglied der »Fruchtbringenden Gesellschaft«.

Siehe auch Wkipedia und Kirchenlexikon

Eine sehr ernstliche und ausführliche Betrachtung der zukünftigen unendlichen Ewigkeit
O Ewigkeit, du Donner/Wort,
O Schwert, das durch die Seele bohrt,
O Anfang sonder Ende!
O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit!
Ich weiß für großer Traurigkeit
Nicht, wo ich mich hinwende.
Mein ganz erschrocknes Herz erbebt,
Daß mir die Zung am Gaumen klebt.

Kein Unglück ist in aller Welt
Das endlich mit der Zeit nicht fällt,
Und ganz wird aufgehoben;
Die Ewigkeit hat nur kein Ziel,
Sie treibet fort und fort ihr Spiel,
Läßt nimmer ab zu toben;
Ja, wie mein Heiland selber spricht,
Aus ihr ist kein Erlösung nicht.

O Ewigkeit, du machst mir bang;
O Ewig, Ewig ist zu lang,
Hie gilt fürwahr kein Scherzen.
Drum, wenn ich diese lange Nacht
Zusampt der großen Pein betracht,
Erschreck ich recht von Herzen.
Nichts ist zu finden weit und breit
So schrecklich als die Ewigkeit!

Was acht ich Wasser, Feur und Schwert
Dies alles ist kaum nennenswert,
Es kann nicht lange dauren:
Was wär es, wenn gleich ein Tyrann,
Der funfzig Jahr kaum leben kann,
Mich endlich ließ vermauren
Gefängnis, Marter, Angst und Pein,
Die können ja nicht ewig sein.

Wenn der Verdammten große Qual
So manches Jahr, als an der Zahl
Hie Menschen sich ernähren,
Als manchen Stern der Himmel hegt,
Als manches Laub das Erdreich trägt,
Noch endlich sollte währen,
So wäre doch der Pein zuletzt
Ihr recht bestimmtes Ziel gesetzt.

Nun aber, wenn du die Gefahr
Viel hunderttausend tausend Jahr
Hast kläglich ausgestanden
Und von den Teufeln solcher Frist
Ganz grausamlich gemartert bist,
Ist doch kein Schluß vorhanden:

Die Zeit, so niemand zählen kann,
Die fänget stets von neuem an.

Liegt einer krank und ruhet gleich
Im Bette, das von Golde reich
Recht fürstlich ist gezieret,
So hasset er doch solchen Pracht
Auch so, daß er die ganze Nacht
Ein kläglichs Leben führet.
Er zählet alle Glockenschlag
Und seufzet nach dem lieben Tag.

Ach was ist das Der Hüllen Pein
Wird nicht wie Leibes Krankheit sein
Und mit der Zeit sich enden.
Es wird sich der Verdammten Schar
Im Feur und Schwefel immerdar
Mit Zorn und Grimm umwenden,
Und dies ihr unbegreiflichs Leid
Soll währen bis in Ewigkeit.

Ach Gott, wie bist du so gerecht!
Wie strafest du die bösen Knecht
Im heißen Pfuhl der Schmerzen!
Auf kurze Sünden dieser Welt
Hast du so lange Pein bestellt.
Ach, nimm dies wohl zu Herzen
Und merk auf dies, o Menschenkind:
Kurz ist die Zeit, der Tod geschwind.

Ach, fliehe doch des Teufels Strick!
Die Wollust kann ein Augenblick
Und länger nicht ergetzen.
Dafür wilt du dein arme Seel
Hernachmals in des Teufels Höhl
Hin zur Vergeltung setzen!
Ja, schöner Tausch! Ja wohl gewagt,
Das bei den Teufeln wird beklagt!

So lang ein Gott im Himmel lebt
Und über alle Wolken schwebt,
Wird solche Marter währen.
Es wird sie plagen Kalt und Hitz,
Angst, Hunger, Schrecken, Feur und Blitz
Und sie doch nie verzehren.
Denn wird sich enden diese Pein,
Wenn Gott nicht mehr wird ewig sein.

Die Marter bleibet immerdar,
Als anfangs sie beschaffen war,
Sie kann sich nicht vermindern.
Es ist ein Arbeit sonder Ruh,
Sie nimmt an Klag und Seufzen zu,
Bei jenen Satanskindern:
O Sünder, deine Missetat
Empfindet weder Trost noch Rat!

Wach auf, o Mensch, vom Sündenschlaf,
Ermuntre dich, verlornes Schaf,
Und bessre bald dein Leben!
Wach auf, es ist doch hohe Zeit,
Es kommt heran die Ewigkeit,
Dir deinen Lohn zu geben.
Vielleicht ist heut der letzte Tag;
Wer weiß noch, wie man sterben mag?

Laß doch die Wollust dieser Welt,
Pracht, Hoffart, Reichtum, Ehr und Geld
Dir länger nicht gebieten!
Schau an die große Sicherheit,
Die falsche Welt und böse Zeit
Zusamt des Teufels Wüten!
Vor allen Dingen hab in Acht
Die vorerwähnte lange Nacht.

O, du verfluchtes Menschenkind,
Von Sinnen toll, von Herzen blind,
Laß ab, die Welt zu lieben!
Ach, ach! Soll denn der Höllen Pein,
Da mehr denn tausend Henker sein,
Ohn Ende dich betrüben
Wo lebt ein so beredter Mann,
Der dieses Werk aussprechen kann

O Ewigkeit, du Donner/Wort,
O Schwert, das durch die Seele bohrt,
O Anfang sonder Ende!
O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit!
Ich weiß für großer Traurigkeit
Nicht, wo ich mich hinwende.
Herr Jesu, wenn es dir gefällt,
Eil ich zu dir ins Himmelszelt.

Aus: Deutsche Gedichte aus vier Jahrhunderten (S. 63ff.). Ausgewählt von Emil Staiger und Martin Hürlimann, Atlantis Verlag Zürich