Alfred Rosenberg (1893 – 1946 hingerichtet)

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Jesus als Herr

Und jetzt dürfen wir auch sagen, dass die Liebe Jesu Christi die Liebe eines seines Seelenadels und seiner starken Persönlichkeit bewußten Mannes gewesen ist. Jesus opferte sich als Herr, nicht als Knecht. Von dem »Adel der Seele« ging auch sein großer Nachfolger, Meister Eckehart, aus, dessen Liebe im Dienste dieses Wertes gleichfalls eine starke, bewußte, durchaus unsentimentale war. Diese Liebe diente nicht in »schlotternder Furcht«, wie es Ignatius forderte, sie diente nicht einem System der Seelenknechtung und Rassenvernichtung, sondern sie diente einzig und allein der ehrbewußten Freiheit. Und auch Martin Luther wußte nur zu gut, was er sagte, als er kurz vor seinem Tode schrieb: »Diese drei Worte, frei - christlich - deutsch, sind dem Papst und römischen Hofe nichts denn eitel Gift, Tod, Teufel und Hölle: er kann sie nicht leiden, weder sehen noch hören: da wird kein anderes aus, das ist gewiß.«

Man hat das Wesen des Germanen in seiner Treue erblicken wollen; natürlich meinte man damit nicht die Leichnams-Treue des Loyola, wohl aber die Treue zum »selbstgewählten Herrn«. Nun haben in der Geschichte tatsächlich viele Germanen sich fremde Herren gewählt und ihnen »treu« gedient: als Soldaten, Philosophen, Kirchenlehrer. Wir werden diese Männer heut nicht als treu, sondern als fahnenflüchtig bezeichnen. Treu ist nur, wer seiner eigenen Freiheit treu bleibt. Viele haben dies innerhalb der noch nicht erstarrten Kirche vermocht, wenn auch fast alle Großen unter ihnen mit Kerker, Gift und Dolch bedroht wurden; seit der Herrschaft des Jesuitismus kann kein nordischer Mensch bewußt Germane und zugleich Anhänger des Loyola sein. »Das eine über alles, sei dir selber treu«, gilt allein, wenn eine innere und äußere deutsche Wiedergeburt erfolgen soll; die »Ehrfurcht vor uns selbst«, wie sie Goethe forderte, »eins mit sich selbst« sein, wie es Meister Eckehart lehrte und lebte. Ehre und Freiheit sind Ideen, die Treue eine Betätigung. Ehre äußert sich in freier Treue zu sich selbst.

Religion Jesu
Ich glaube ganz genau zu wissen, welche Kämpfe im religiösen Leben durch den Gedanken einer Deutschen Nationalkirche heraufbeschworen werden. Aber eines glaube ich ebenfalls zu wissen: daß das schon seit Jahrzehnten vor sich gehende Suchen von Hunderttausenden das Erwachen eine neuen echten Lebensgefühls ankündigt, daß diese Menschen der alten platten Skepsis müde sind, über das individuelle Erlebnis hinaus aber auch nach einer Gemeinsamkeit suchen. Nie sind aber in der Weltgeschichte alte Formen dadurch erneuert worden, daß sich Gehalt und Gestalt der einen Wesenheit einfach der Erscheinung einer schon bestehenden anderen eingliedert, vielmehr mußten beide durch eine Zusammenschau überwölbt, vereinigt werden. Man muß das letzte Werk H. St. Chamberlains »Mensch und Gott« lesen, um klar zu begreifen, was vorgeht: es ist das Suchen nach einem unmittelbaren Weg zur Persönlichkeit Christi. Herder forderte einst, daß die Religion an Jesum zu einer Religion Jesu werde. Gerade das erstrebte Chamberlain. Ein ganz freier Mann, der über die Gesamtkultur unserer Zeit innerlich verfügt, hat das feinste Gefühl für die große übermenschliche Einfalt Christi gezeigt und Jesus als den dargestellt, als der er einst erschienen war: als Mittler zwischen Mensch und Gott.
Um zu ihm zurückzufinden, muß ein großes seelisches Ringen ausgekämpft werden, wollen wir nicht an innerer Unwahrhaftigkeit ersticken und jämmerlich zugrunde gehen: das Vonsichweisen des fremden Propheten und das Ergreifen jener Menschenhände, die sich um die Hebung der schönsten Eigenschaften der germanischen Seele verdient gemacht haben. Der Mythus des römischen Stellvertreters muß hierzu ebenso überwunden wie der Mythus des »heiligen Buchstabens« im Protestantismus. Im Mythus der Volksseele und Ehre liegt der neue bindende, gestaltende Mittelpunkt. Ihm zu dienen ist Pflicht unseres Geschlechts. Die neue rettende Gemeinschaft begründen wird wohl erst ein späteres .
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Aus: Alfred Rosenberg: Der Mythus des 20. Jahrhunderts, Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltungskämpfe unserer Zeit S.622f.
Hoheneichen-Verlag München