Gertrude Sartory (1923 - )

Fest der Metamorphose
Was für ein Tag, dieser 6. August! Welch mystischer Ton, tief staunend und ergriffen, in den Texten und Melodien des Festes — auch in der westkirchlichen Liturgie und erst recht in der ostkirchlichen! Wenn die »Verklärung Christi« gefeiert wird, Seine metamórphosis (»Metamorphose«), wie sie in den griechisch geschriebenen Evangelien genannt wird. Die »Umgestaltung« Seines Leibes. Denn darum geht es im offenbarenden Licht auf dem Tabor. Um das, was die drei Jünger — Petrus, Jakobus und Johannes — auf dem »hohen Berg« zu sehen bekommen, wohin Jesus sie mitgenommen hat.

Umgestaltet ward Er vor ihnen,
und es erstrahlte Sein Angesicht wie die Sonne,
Seine Gewänder aber wurden weiß wie das Licht.
(Mt 17,2)

So sollten sie Ihn sehen, jetzt, bevor die Tage Seines Leidens beginnen. Bevor man Ihn so zurichten wird, dass keiner mehr Ihn ansehen mag und Er der »Mann der Schmerzen« sein wird, von dem Jesaja in seinem Lied vom leidenden »Gottesknecht« gesprochen — bevor also Jesus jenem »unmenschlich Entstellten« gleichsehen wird, dessen Aussehen und Gestalt »nicht mehr die der Menschenkinder« ist, von allen gemieden, ja »verabscheut« (Jes 53)!

Welch ein Kontrast! Dort der bis zur Unkenntlichkeit entstellte Leib des am Kreuz Hängenden, entwürdigt, nackt — jetzt und hier aber auf dem Tabor der sonnengleich Erstrahlende, gehüllt in Gewänder, deren Weiß leuchtet wie das Licht. Und genau dieser Kontrast ist die »Botschaft« der offenbarenden Metamorphose auf dem Hohen Berg vor den Augen der Jünger! Darum sollen sie über das Gesehene erst nach Seiner Auferstehung sprechen. War doch Seine »Metamorphose« nicht erstlich eine Enthüllung Seiner irdisch verhüllten »Gottheit«. Die Schau Seiner Umgestaltung sollte die verborgene GEIST-Herrlichkeit gerade Seines Menschenleibes offen—baren, so, wie sie kraft des »Übergangs« (»Pascha«) durch Leiden und Sterben in der Auferstehung »zu Tage kommen« wird.

In den Evangelien folgt das Geschehen auf dem Verklärungsberg fast unmittelbar auf jene erste Ankündigung Seines Leidens, welche die Jünger, vorab den Petrus, so sehr erregt und irritiert hatte. Denn nach dem Christusbekenntnis des Petrus »begann« Jesus, wie Matthäus sagt, Seinen Jüngern »anzuzeigen«, »dass Er müsse nach Jerusalem gehen und vieles leiden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten — und getötet werden — und am dritten Tage auferstehen« (Mt 16, 21). Vor dem Hintergrund dieser Vorhersage spielt sich die Metamorphose auf dem Tabor ab. Sie lässt im Voraus sehen, was letztlich auf endgültige Weise zum Erscheinen kommen wird. Nicht Vernichtung wird das Ende sein, sondern überwältigende Herrlichkeit. Die künftige Herrlichkeitsgestalt ist gleichsam keimhaft schon da. Der irdische Leib (der malträtierbare) wird wie eine Hülle abfallen und der »wahre« Leib, der bleibende, von göttlichem Licht durchleuchtete, wird sichtbar werden.

Ein Prozess der »Umgestaltung«, wie wir ihn als eine grundsätzliche Möglichkeit des Lebens sogar schon im Reiche der Natur beobachten können. Wenn wir etwa die Metamorphose bestaunen, in der eine Raupe sich in einen Schmetterling verwandelt, scheint doch die Raupe mit einem Schmetterling nichts gemein zu haben, — diese mühsam Dahinkriechende, deren Horizont gerade bis zum nächsten grünen Blatt reicht, und der frei in Luft und Licht sich tummelnde Falter. Und doch hat der Schmetterling nichts, was nicht in der Raupe schon angelegt gewesen wäre, schon da war. Sich nur noch hatte ent-wickeln müssen, ent-falten ..., um schließlich den Raupen-Leib abstreifen zu können nach dem todesähnlichen Wartezustand in der Phase der Verpuppung.

Metamorphose: Geheimnis des Lebens,
Hoffnung nicht nur auf das, was nach dem Tod »kommt«, sondern eine eigene Art der Gewissheit, dass das Kommende schon »da« ist. Bereits am Wirken ist! Auch in uns! Umgestaltend von innen, bis es auch »außen« in Erscheinung tritt. Der Tabor offenbart den Gläubigen aller Zeiten in der Verklärung ihres »Hauptes« ihre eigene zukünftige Verklärung, — jene Metamorphose, in der auch ihr Leib der Niedrigkeit umgestaltet werden wird in einen Leib der Herrlichkeit.

Die metamórphosis Christi zielt auf unsere eigene »Umgestaltung«. Denn was hätte ER, der ewige SOHN des VATERS, an Herrlichkeit zu gewinnen gehabt? Mensch wurde Er »um unseres Heiles willen«, wie wir im Credo, im Großen Glaubensbekenntnis, die Quintessenz Seines ganzen Heilswerks, formulieren. Er entäußerte sich Seiner »Gottesgestalt« (Phil 2>, um in »Menschengestalt« unser aller leib—seelisches Wesen »verklärbar« zu machen, — fähig, von göttlichem Licht durchstrahlt, zu einer Herrlichkeitsgestalt umgewandelt zu werden. Durch Leiden und Tod zur Auferstehung! Durch diesen Weg hat ER auch für uns dem scheinbaren Fiasko des Todes den Beginn neuen Lebens »einprogrammiert«. Eines Lebens in sichtbar gottdurchleuchteter Leiblichkeit!

»Wie Ich, so ihr!« Das ist die prophetisch noch verhüllte, die un-ausgesprochene Botschaft der Verklärung auf dem Tabor. »Wie Er, so wir!« Das ist die ausgesprochene Botschaft der Kirche. Denn wir können uns ja leider nicht vorstellen, was in der »Auferstehung« mit uns geschieht, wenn unser erdhafter, unser verweslicher Leib längst in seine Atome zerfällen ist. Wir wissen nicht, »wie« wir dereinst in auch leiblicher Weise existieren werden. Desto mehr sollen wir uns daran halten, dass auch uns eine Art Metamorphose widerfahren wird, wie sie sich auf dem Berge vor den Augen der jünger abgespielt hat, dass auch unsere Leibesnatur also sich als »verklärbar« erweisen wird. Und zwar aufgrund der Umgestaltungskraft, die vom Leibe Christi ausgeht! Denn reicht auch keines Menschen Phantasie aus, sich menschliche Leiblichkeit im Status der Auferstehung auszumalen, . . . »ein Faktum« jedenfalls steht fest: Wir werden Christus ähnlich sein. Das ist nach dem ersten Brief des heiligen Johannes (Kap. 3) der einzig gewisse Punkt in unserm Rätselraten, wie wir dereinst sein werden.

Geliebte, schon sind wir Kinder Gottes,
aber noch ist nicht zur Erscheinung gekommen,
was wir sein werden.
Wir wissen, dass, wenn Er erscheint,
wir Ihm ähnlich sein werden,
weil wir Ihn sehen, wie er ist.

Da wird dann also offenbar, was zeitlebens so irritierend, fast zum Verzweifeln verborgen geblieben: Sie war wirklich schon »da«, die »neue Kreatur« (wie Paulus es voraussetzt in 2 Kor 5). Wie der Schmetterling in der Raupe! Nun kommt zum »Erscheinen«, was unsichtbar während des irdischen Lebens sich entwickelt hat. Unsere gleichsam rundum erneuerte leib—seelische Individualität: neu gestaltet, umgestaltet, Christus gleich-gestaltet. Seit der Taufe mehr und mehr sich ausbildend. Durch Christi Leib und Christi Blut sakramental genährt. Denn dass die Wirkung der Heiligen Kommunion sich nicht auf den inneren Wachstumsprozess der individuellen Seele beschränkt, dass vielmehr auch der dieser Seele zugehörige Leib zum Leben der Auferstehung sozusagen »formiert« wird, deuten ja schon die verschiedensten Gebete und Spendeformeln in den Liturgien der Kirche an. Als »Heil-Mittel für Seele und Leib« wird dem Gläubigen das Brot des Lebens, der Kelch des Heiles gereicht!

Könnten wir nur etwas von diesem inneren (»virtuell« sich mehr und mehr heranbildenden) Leib sehen! Von der unvorstellbaren Schönheit, wie nur der göttliche Künstler selbst — der Creator Spiritus, der HEILIGE GEIST — sie in uns ausbilden kann. Das würde uns aufrichten. Besonders dann, wenn einer mit dem fortschreitenden Verfall der irdischen Gestalt seines Leibes — durch Krankheit oder Altern! — konfrontiert ist (bei jedem Blick in den Spiegel aufs Neue) und sich damit abfinden muss. Bevor ER leiblich in den Torturen Seiner Passion bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet wurde, ließ Jesus sich von den Jüngern in Seiner künftigen Auferstehungs-Herrlichkeit sehen. Wir nachgeborenen Jünger aber, wir können, wir dürfen zugleich am Fest der Metamorphose im Lichte des Tabor auch unsere eigene, dereinst sichtbar werdende Schönheit im verklärten Christus anschauen. Dem wir ja ähnlich sein werden, wenn Er erscheint.
Aus: Gertrude Sartory, Wahrheit,von der ich lebe. Entdeckungen auf dem Glaubensweg (S.139-143)
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