Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775 – 1854)

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Inhaltsverzeichnis

Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod , Wer mich siehet, siehet den Vater , Der Wind wehet, wo er will , Die Zeugung des Sohnes , Gott .

Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod
... das Böse ist nur bös, inwiefern es über die Potentialität hinausgeht; auf das Nichtsein aber, oder den Potenzzustand reduziert, ist es, was es immer sein sollte, Basis, Unterworfenes, und als solches nicht mehr im Widerspruch mit der Heiligkeit noch der Liebe Gottes. Das Ende der Offenbarung ist daher die Ausstoßung des Bösen vom Guten, die Erklärung desselben als gänzlicher Unrealität. Dagegen wird das aus dem Grunde erhobene Gute zur ewigen Einheit mit dem ursprünglichen Guten verbunden; die aus der Finsternis ans Licht Gebornen schließen sich dem idealen Prinzip als Glieder seines Leibes an, in welchem jenes vollkommen verwirklicht und nun ganz persönliches Wesen ist. Solange die anfängliche Dualität dauerte, herrschte das schaffende Wort in dem Grunde, und diese Periode der Schöpfung geht durch alle hindurch bis zum Ende. Wenn aber die Dualität durch die Scheidung vernichtet ist, ordnet das Wort oder das ideale Prinzip sich und das mit ihm eins gewordene reale gemeinschaftlich dem Geist unter, und dieser, als das göttliche Bewußtsein, lebt auf gleiche Weise in beiden Prinzipien; wie die Schrift von Christus sagt: Er muß herrschen, bis daß er alle seine Feinde unter seine Füße lege. Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod (denn der Tod war nur notwendig zur Scheidung, das Gute muß sterben, um sich vom Bösen, und das Böse, um sich vom Guten zu scheiden). Wenn aber alles ihm Untertan sein wird, alsdann wird auch der Sohn selbst Untertan sein dem, der ihm alles untergetan hat, auf daß Gott sei Alles in Allem. Denn auch der Geist ist noch nicht das Höchste; er ist nur der Geist, oder der Hauch der Liebe. Die Liebe aber ist das Höchste. Sie ist das, was da war, ehe denn der Grund und ehe das Existierende (als getrennte) waren, aber noch nicht war als Liebe, sondern - wie sollen wir es bezeichnen?
Aus: F. W. J. Schelling: Über das Wesen der menschlichen Freiheit Einleitung und Anmerkungen von Horst Fuhrmann Reclams Universalbibliothek Nr. 8913 (S.125f.) © 1964 Philipp Reclam jun., Stuttgart
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Reclam Verlages

Wer mich siehet, siehet den Vater
Wer mich siehet, siehet den Vater, sagt Christus, aber er setzt hinzu: Ich bin der Weg, und: Niemand kommt zum Vater als durch mich.

Lassen wir endlich noch einen allgemeinen Grundsatz entscheiden. Dieser ist, daß wirkliche Religion von wirklicher nicht verschieden sein kann. Sind nun natürliche und geoffenbarte beide wirkliche Religion, so kann dem letzten Inhalt nach zwischen beiden keine Verschiedenheit sein; beide müssen dieselben Elemente enthalten, nur ihre B e d e u t u n g wird eine andere sein in dieser, eine andere in jener, und da der Unterschied beider nur ist, daß die eine die natürlich, die andere die göttlich gesetzte Religion ist, so werden d i e s e l b e n Prinzipien, die in jener bloß natürliche sind, in dieser die Bedeutung göttlicher annehmen.

Ohne Präexistenz ist Christus nicht Christus. Er existierte als natürliche Potenz, ehe er als göttliche Persönlichkeit erschien. Er war in der Welt (en tô kosmô ên), können wir auch in dieser Beziehung von ihm sagen. Er war kosmische Potenz, wenn auch für sich selbst nicht o h n e G o t t, wie der Apostel zu ehemaligen Heiden sagt: ihr wart o h n e G o t t (ihr hattet kein unmittelbares Verhältnis zu Gott), ihr wart in der Welt (in dem was nicht Gott ist, im Reich der kosmischen Mächte) (Eph. 2,12). Denn dieselben Potenzen, in deren Einheit Gott Ist und sich offenbart - eben diese in ihrer Disjunktion und im Prozeß sind außergöttliche, bloß natürliche Mächte, in denen Gott zwar nicht überall nicht, aber doch nicht nach seiner Gottheit, also nicht nach seiner W a h r h ei t ist. Denn in seinem göttlichen Selbst ist er Einer und kann weder Mehrere sein noch in einen Prozeß eingehen.

E s k o m m t d i e Z e i t, sagt Christus in der früher schon angeführten Stelle, und ist schon jetzt, nämlich dem Anfang nach, daß die wahrhaftigen Anbeter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit; also bis zu dieser Zeit beten auch die Juden den Vater nicht im Geiste an, der Zugang zu ihm in seiner Wahrheit wurde beiden eröffnet, denen die nah und denen die fern waren; (Eph. 2, 17.18) denen die unter dem Gesetz der Offenbarung ebensowohl als denen die unter dem bloß natürlichen Gesetz standen; woraus denn erhellt, daß auch in der Offenbarung etwas war, wodurch das Bewußtsein von dem Gott im Geist abgehalten war, und daß Christus in seiner Erscheinung eben darum das E n d e der Offenbarung ist, weil er dieses Gott Entfremdende hinwegnimmt.
Aus: F. W. J. Schelling: Ausgewählte Schriften Band 5, 1842-1852 Erster Teilband (S.258-260) suhrkamp taschenbuch wissenschaft stw 525

Der Wind wehet, wo er will
Im Geistigen ist der Anfang nicht außer dem Ende, und das Ende nicht außer dem Anfang, der Anfang ist eben da, wo auch das Ende, und das Ende eben da, wo auch der Anfang, wie Christus den Geist beschreibt, indem er ihn mit dem Wellen des Windes vergleicht: Der Wind wehet, wo er will (d.h. jeder Punkt ist ihm gleichgültig), und du hörest sein Sausen wohl, aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt, d.h. du kannst in ihm den Anfang nicht von dem Ende trennen, er ist überall Anfang und überall Ende, jeder Punkt seiner Bahn kann als Anfang und kann als Ende betrachtet werden. Wenn demnach eine solche Einheit, als wir in »dem was sein wird« gesetzt haben, nur in einem Geist denkbar ist, so haben wir damit gewonnen, daß »das was sein wird« G e i s t ist, und zwar - als A l l h e i t - der vollendete, in sich selbst beschlossene und in diesem Sinn absolute Geist.
Aus: Friedrich Wilhelm Schelling, Philosophie der Offenbarung (S.67f.) Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie von Platon bis Nietzsche
Veröffentlichung auf Philo-Website mit freundlicher Erlaubnis des Verlages der Directmedia Publishing GmbH, Berlin

Die Zeugung des Sohnes
Der Anfang der Schöpfung ist auch der Anfang der Zeugung des Sohnes. Nun ist aber auch jener Akt oder jenes Wollen, mit dem die Schöpfung anhebt, nicht als ein bloß vorübergehendes, es ist als ein bleibendes, immerwährendes und in d i e s e m Sinn ewiges zu denken. Der Vater setzt nicht etwa einmal oder momentan die Spannung der Potenzen und geht alsdann davon weg, etwa wie der Mensch von einer einmal getanenen Sache weggeht, denn die Potenzen können nie anders aus der Einheit hervortreten, als wie sie das erstemal hervorgetreten sind; Christus sagt ausdrücklich: Mein Vater wirket bis jetzt, ho patêr mou heôs arti ergazetai. Der Akt oder das väterliche Wollen, durch welches die zuvor als möglich ersehene Spannung nun wirklich gesetzt wird, dieses Wollen ist zwar kein voraussetzungsloses, blindes, notwendiges - es ist ein schon vermitteltes Wollen, aber darum doch nicht einzeitliches, selbst in der Zeit begriffenes oder auf einen Moment eingeschränktes, es ist vielmehr das die Zeit erst einsetzende - Zeit und Ewigkeit selbst erst scheidende - Wollen, das insofern selbst nicht von der Zeit ergriffen sein kann, sondern als das Setzende der Zeit über der Zeit ist und immer über ihr bleibt. Und so wie dieses Wollen, dieser Aktus, ist daher auch die Zeugung eine immerwährende und in diesem Sinn ewige. Ewig, d.h. immerwährend, setzt der Vater die Spannung, und hört nicht auf sie zu setzen, damit ewig, d.h. immerwährend, der Sohn geboren werde, und so eine ewige Freude der Überwindung und des Überwundenwerdens entstehe. In d i e s e m Sinn behaupten wir also selbst eine ewige Zeugung des Sohnes, aber die von den Theologen behauptete ist nicht in diesem Sinn gemeint.

Zeugung überhaupt wird der Vorgang genannt, in welchem irgend ein Wesen ein anderes von sich unabhängiges, ihm übrigens gleichartiges, nicht unmittelbar als w i r k l i c h, wohl aber in die Notwendigkeit setzt sich selbst (proprio actu) zu verwirklichen. Jene absolute Persönlichkeit, die wir uns als den Vater denken, setzt also den Sohn nicht unmittelbar als w i r k l i c h, nicht d a r i n besteht die Zeugung, diese geschieht vielmehr dadurch, daß der Sohn (d.h. das was der Sohn sein wird) aus dem ursprünglichen Sein gesetzt, n e g i e r t, potentialisiert, und vielmehr als nicht s e i e n d, denn als seiend, gesetzt wird. Aber eben diese Negation setzt ihn, der seinem Wesen nach das rein, aber eben darum das potenzlos, das unvermögend Seiende ist, in die Notwendigkeit, sich zu verwirklichen, also das Entgegenstehende zu überwinden. Die Zeugung besteht vielmehr in einer Ausschließung (exclusio) als in einem Setzen, aber eben dieses Ausschließen gibt das rein Seiende, das, weil es dies ist, s i c h s e l b s t nicht hat, sich selbst, setzt es als für sich seiende Potenz, und gerade die Negation gibt ihm die Kraft, die es für sich selbst und ohne Vermittlung einer Negation gar nicht finden könnte, die Kraft actu zu sein; actu nämlich kann es nur sein, indem es den ihm entgegenstehenden Aktus (den aktiv gewordenen Willen, der eigentlich ruhen, nicht wirken sollte) wieder zur Potenz überwindet, und dadurch sich selbst zum reinen Aktus wiederherstellt, wo es dann nicht mehr bloß das Gezeugte des Vaters ist, sondern - der Sohn (der eigentlichste Ausdruck, der sich für dieses Verhältnis finden läßt).

Diese aus unsern Prinzipien fließende Theorie stimmt aber aufs genaueste mit dem überein, was Christus selbst über das Verhältnis des Vaters zu dem Sohn bei Johannes (5, 26) äußert, wo er sagt: Denn gleichwie der Vater Leben hat i n s i c h s e l b s t (echei zôên en heautô), so hat er auch dem Sohn g e g e be n (edôke) das Leben zu haben in ihm selbst. »Das Leben in sich selbst« bedeutet eben das Leben als eigne Persönlichkeit. Dieses Leben hat der Vater als ein ungegebenes, ursprüngliches. Er k a n n - denn das Leben besteht im Können - unmittelbar, w a s e r w i l l, dem Sohn aber muß das Können, die Potenz, erst gegeben werden, denn er ist in sich das Sein ohne alles Können, und insofern ohne alle Macht.

Die v ä t e r l i c h e Potenz, das an sich Seiende Gottes, ist das u n m i t t e l b a r sein Könnende, die Potenz des Sohnes aber ist als Potenz, d.h. als Können, nur m i t t e l b a r, nämlich nur durch Ausschließung von der ersten zu setzen. Die erste Potenz ist das nur nicht selbstisch Seiende, aber doch selbstisch sein Könnende, diese aber (die Potenz des Sohns) ist eigentlich Nichtpotenz, sie wird erst zur Potenz e r h ö h t, sie ist das für sich selbst schlechthin Unselbstische, gar nicht selbstisch sein Könnende. Das Wesen des Sohns ist, der Wille zu sein, der nicht das Seine sucht.

Der Sohn hat gleichsam keinen eignen Willen, sondern sein Wille ist eigentlich nur der in ihn gelegte Wille des Vaters, nämlich der w a h r e Wille des Vaters, den dieser nicht unmittelbar zeigen kann, und den er daher in die zweite Persönlichkeit, in den Sohn legt. Hieraus eine zweite E i g e n t l i c h k e i t des Begriffs der Zeugung. Man erfreut sich wohl im menschlichen Leben zwischen Vater und Sohn außer der physischen auch eine moralische Ähnlichkeit zu finden; eine große Beglaubigung der Abkunft sind in vielen Fällen die moralischen Eigentümlichkeiten, die vom Vater auf den Sohn, oder (wie man bemerkt haben will, noch entfernter) vom Ahnherrn auf den Enkel übergehen. Dies ist aber bei menschlichen Abstammungen ungemein vielen Zufällen unterworfen, dagegen ist man berechtigt, in jener Urzeugung, von der erst alle andere sich ableitet, dieses Verhältnis in der größten Vollkommenheit zu erwarten. Doch findet hier noch das Besondere statt, daß der Vater seinen wahren Willen nicht u n m i t t e l b a r zeigen kann, daß er unmittelbar nur das Kontrarium, das Wiederspiel von dem, was er eigentlich will, darzulegen vermag, die Nicht-Einheit statt der Einheit, wie dies früher hinlänglich gezeigt worden ist; eben dies legt ihm die Notwendigkeit auf, seinen wahren Willen in den Sohn zu legen, indem er das, was er eigentlich will, nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar, also nur durch eine zweite Persönlichkeit erreichen kann, in die er seinen Willen legt.

Diese zweite Persönlichkeit (der Sohn) heißt darum eikôn tou theou tou aorôtou, das Bild des unsichtbaren Gottes (Col. 1, 15) d.h. eben des Vaters, der unsichtbar ist, schon darum, weil er selbst nie in den Prozeß eingeht, wie der Sohn allerdings mit in den Prozeß eingeht, während der Vater als absolute Ursache, als der nur die Spannung setzende, selbst außer der Spannung bleibt; der Vater ist aber auch noch in dem besondern Sinn der unsichtbare, daß er seinen wahren Willen verbirgt, dieser wahre Wille wird also nur sichtbar, d.h. offenbar, durch den Sohn, und insofern ist dieser Bild des unsichtbaren Gottes, oder, wie ihn derselbe Apostel anderwärts (Hebr. 1, 3.) nennt, der Abglanz, der Wiederschein (apaugasma) des Vaters, der Abdruck seines w a h r en Wesens. Könnte dieses wahre Wesen des Vaters unmittelbar erscheinen, so bedürfte es keines solchen Abdrucks noch Widerscheins.

Diese Ausdrücke wären ganz unangemessen, wenn der Sohn nicht wirklich eine zweite Persönlichkeit, eine Persönlichkeit außer dem Vater wäre. Denn das, worein ein anderes sich reflektieren, widerscheinen soll, muß doch etwas außerdem sich Reflektierenden sein. Darum ist das eigentlich Wirkende in dem Sohn doch nur der Wille, der wahre Wille des Vaters. Nichts wird häufiger wiederholt, als daß der Sohn von sich selbst (aph’ heautou) nichts tun könne, daß er nichts anderes tut, als was der in ihm lebende Vater ihm zeigt (deiknysin) (Joh., 19.20.)

Sie sehen, daß dies alles völlig übereinstimmt mit der Natur derjenigen Potenz, die wir als die zweite in der Schöpfung, als die eigentliche demiurgische, als die, d u r c h welche alles geschieht, erkannt haben. Sie sehen also daraus, daß unsere Lehre von der All-Einheit und von dem Verhältnis der Potenzen den Schlüssel nicht bloß der Mythologie, sondern auch jener Lehre, aus der das ganze Christentum sich entwickelt hat, und demnach des Christentums selbst enthält.

Nachdem ich nun alles, was in bezug auf den Begriff der Zeugung noch einer Erläuterung zu bedürfen scheinen konnte, erklärt habe, so will ich nun die Annahme einer e w i g e n Zeugung des Sohns noch etwas näher beleuchten. Die älteren Theologen nämlich verstehen diese ewige Zeugung nicht in dem Sinn, in welchem wir selbst soeben eine ewige Zeugung behauptet haben; sie verstehen darunter nicht bloß eine Zeugung im Anfang der Zeit, nicht bloß die durch alle Zeit hindurch wirkende, i m m e r w ä h r e n d e, sondern eine Zeugung v o r aller Zeit, pro pantôn aiônôn, also auch vor dem Anfang der Zeit, mit Einem Wort, eine absolut - ewige. Es leuchtet aber ein, daß eine ewige Zeugung in d i e s e m Sinne auch nur eine aus der Natur Gottes selbst folgende sein könnte. V o r allem Willen, durch die bloße Notwendigkeit seines Gottseins würde Gott, inwiefern er der bloß an sich seiende ist, sich in einer zweiten Gestalt als den f ü r sich selbst seienden setzen, und wenn man das Wort zeugen nicht im genaueren, sondern in einem weiteren Sinn nehmen wollte, könnte man etwa sagen: durch die bloße Notwendigkeit seiner Natur wird Gott, wenn er als der an sich seiende bestimmt ist, wie er denn u n m i t t e l b a r nur als dieser gedacht werden kann - der so gedachte also wird vor allem Wollen, vor aller Tat durch die bloße Notwendigkeit seiner Natur sich in einer zweiten Gestalt setzen oder zeugen als den für sich seienden. Wie gesagt aber wäre dabei das Wort zeugen in einem weiteren Sinn genommen, wie die Theologen insofern selbst anerkennen, als sie die Erklärung aufstellen: gignere est naturae, creare voluntatis.

Der Sohn wird g e z e u g t vermöge der bloßen Natur des Vaters (ohne Willen, willenlos), die Kreatur dagegen wird erschaffen, d.h. nur mit Willen gesetzt. Aus dieser Entgegensetzung von gignere und creare ist klar, warum die älteren Theologen diesen Wert auf den Begriff einer ewigen Zeugung legten. Bekanntlich wollte Arius den Sohn als ein Geschöpf, zwar als das erste, Gott nächste und unmittelbarste, aber doch als Geschöpf angesehen wissen. Darum mußten alsdann die Rechtgläubigen sagen, der Sohn sei von dem Vater nicht wo l l e n d, wie die Kreatur, hervorgebracht, sondern necessitate naturae gezeugt. Damit ist aber der Begriff der Zeugung selbst wesentlich verändert, denn es ist nicht wahr, was sie sagen: gignere est naturae, wenigstens nicht merae naturae, die Spontaneität läßt sich nicht absolut von dem Begriff ausschließen; der Wille ist zwar nur -, aber er ist doch das notwendige Antezedens, der Effekt ist nicht die bloße Folge des Willens, sondern einer an den Willen sich anknüpfenden natürlichen Notwendigkeit. Aber eben daraus ergibt sich, daß in dem wahren und eigentlichen Begriff der Zeugung beides, Wille und Notwendigkeit, verknüpft sind.

Die e w i g e Zeugung wird daher auf jeden Fall nur in einem uneigentlichen Sinn behauptet, und doch sagen dieselben Theologen, die Zeugung des Sohnes sei n i c h t eine bloß uneigentliche und metaphorische, sondern eine eigentliche. Da nun aber dieser ganze Begriff aufgestellt worden im Gedräng des Streites gegen eine Meinung, welche wir durch ganz andere Mittel beseitigen können (die Geschöpflichkeit des Sohns), so verliert dieser Begriff (der Begriff einer ewigen Zeugung im strengen Sinn) seine Wichtigkeit, wie er denn auch seit geraumer Zeit schon selbst von den übrigens strengsten und rechtgläubigsten Theologen aufgegeben ist.

Man muß eine besondere Liebhaberei für die extremsten Bestimmungen oder für Antiquitäten haben, um auf einem solchen Begriff zu bestehen, der weder ein an sich notwendiger ist, noch einen wahren Grund in dem N. T. hat. Was wirkliche Behauptung des N. T. ist, kann aus unsern Prinzipien vollkommen erklärt werden. Notwendig zu behaupten ist

1. ein ewiges Sein des Sohns dem Wesen nach. In diesem Sinn sagt Johannes von dem Logos: ho logos theos ên, er war Gott, theos, nicht ho theos; (denn er war Gott nicht für sich, sondern mit den andern Gestalten, ho theos; bezeichnet immer den ganzen, der seinesgleichen nicht hat), wohl aber war er Gott, theos.
Hierbei aber ist der Begriff der Zeugung nicht anwendbar. Denn das Gezeugte muß a u ß e r dem Zeugenden sein. In jener e w i g e n, aller Zeit zuvorkommenden Einheit ist aber das Wesen des Sohns nur begriffen in dem göttlichen Leben, es ist noch nicht einmal als Potenz gesetzt, sondern selbst noch
reiner Aktus und verschlungen in den actus purissimus des göttlichen Lebens, begriffen in diesem, den wir selbst eine ewige Theogonie genannt haben, aber eben, weil dieser actus purissimus die ewige Theogonie selbst ist, so kann er nicht insbesondere als Zeugung des Sohns bestimmt werden. Was ferner und

2. notwendig zu behaupten ist, aber auch aus unserer Voraussetzung sich vollkommen erklären läßt, ist, daß der Sohn von Ewigkeit von dem Vater auch als Sohn erkannt, und insofern v o n Ewigkeit f ü r den Vater und i n dem Vater auch a l s Sohn da ist. Gerade nur dieses und nicht mehr ist im Neuen Testament ausgedrückt, wie ich nun durch einige Stellen beweisen will.

Der Apostel Petrus (1, 1, 20) sagt von Christus, er sei proegnôsmenos men pro katabolês kosmou, phanerôtheis de ep’ eschatôn tôn chronôn er sei voraus erkannt vor Grundlegung der Welt (nicht aber, er sei vor Grundlegung der Welt gezeugt), geoffenbart aber erst in den letzten Zeiten. In andern Stellen, besonders des Apostels Paulus, wird ebensowenig von einer ewigen Zeugung, wohl aber von einem ewigen V o r s a t z gesprochen, den der Vater in dem Sohn gefaßt habe, indem er die Welt oder das außergöttliche Sein nur in dem Sohn, nur insofern wollen konnte, als er den Sohn hatte, dem er es unterwerfen, dem er es zur Beherrschung übergeben konnte. So spricht derselbe Apostel im Brief an die Epheser (3,9) von dem Geheimnis, das seit Weltzeiten in Gott verborgen gewesen, nun aber offenbar geworden sei, nämlich von der Absicht der Wiederbringung alles Seins durch Christum, welche Absicht er einen in Christo gefassten ewigen Vorsatz (eine prothesis), nicht aber eine ewige Zeugung nennt. Ebenso spricht er im zweiten Brief an Timotheum (1, 9) von einem vor den Weltzeiten gefaßten Vorsatz, in Christo uns zu begnadigen, nirgends aber von einer Zeugung von Ewigkeit.

Nach diesen Erklärungen kann sich also der Begriff der Zeugung des Sohns nicht auf das ewige Sein des Sohns im Vater, sondern nur auf sein Sein a u ß e r dem Vater beziehen. Dieses Sein außer dem Vater kann nun aber nicht eher gedacht werden, als bis überhaupt etwas außer (praeter) dem Vater ist, d.h. es kann erst gedacht werden mit der Schöpfung. Der Anfang der Schöpfung ist also auch der Moment der Zeugung, d.h. des a u s sich Hinaussetzens des Sohns. Diese Ansicht wird nun aber noch außerdem durch einen ganz positiven und meines Erachtens keinen Zweifel zulassenden Ausspruch desselben Apostels völlig bestätigt, der eben da, wo er den Sohn das Bild des unsichtbaren Gottes nennt (Col. 1, 15), ihn auch prôtotokos pasês ktiseôs, den Erstgebornen aller Kreatur, nennt. Es kann freilich daraus nicht etwa mit Arius geschlossen werden, daß der Sohn selbst bloß G e s c h ö p f sei. Denn nach den Begriffen des Morgenländers ist der Erstgeborene keineswegs den nachgeborenen Brüdern gleich, sondern über sie erhoben, ihr H e r r. In dem prôtotokos liegt also zugleich, daß Christus der Herr alles Geschöpfs ist; er ist der wahre Erbe, d.h. er ist der, den der Vater als Herrn über alles Sein und damit über alle Kreatur eingesetzt hat. Aber so viel liegt doch in jenem Ausdruck, dass der Sohn nicht eher gezeugt ist, als indem auch das gesetzt ist, worüber er zum Herrn gesetzt, worüber ihm die Herrschaft gegeben wird. Wäre der Sinn: Er ist vor allem erschaffen, so müßte es heißen: prôtoktistos. So aber heißt es: er ist vor allem Erschaffenen erzeugt, denn sollte etwas erschaffen werden, so mußte zuerst der sein, d u r c h den alles erschaffen wird, er selbst aber konnte nicht geschaffen, nur gezeugt werden. Aber dieser Ausdruck zeigt doch, daß er nur eben vor der Kreatur gezeugt ist, als archê tês ktiseôs tou theou (Apoc. 3, 14). Denn für eine (absolut-) ewige Zeugung wäre (menschlich zu reden), da in der Ewigkeit noch von gar keiner Kreatur die Rede ist, das prôtotokos pasês ktiseôs; zu wenig.

Eine ewige Zeugung im strengen Sinn ist überhaupt eine contradictio in adjecto. Denn keine Zeugung, die nicht ein relatives non esse voraussetzt. Ewig aber ist nur ein esse ohne vorangegangenes non esse. Das folgt also nicht, daß er ein Geschöpf, aber das liegt unwidersprechlich in jener Stelle, daß dieses sein abgesondertes Dasein, in welchem er Bild (eikôn), Reflex des unsichtbaren Gottes und also von diesem wirklich unterschieden ist, daß dieses Dasein sich erst von der Schöpfung herschreibt. Wie entscheidend diese Stelle sei, erhellt am besten daraus, daß es Theologen gegeben hat, welche, um dieser Folgerung zu entgehen, vorgeschlagen haben, statt prôtotokos; mit Veränderung des Akzents auszusprechen: prôtotokos pasês ktiseôs, wo dann der Sinn wäre: erster Erzeuger aller Kreatur. Allein das Wort prôtotokos, wie es im Griechischen überhaupt ein abenteuerliches Wort ist, das höchstens etwa bei Orphikern vorkommt, ist vollends ein dem Sprachgebrauch des N. T. völlig fremdes, in welchem dagegen prôtotokos ein insbesondere von Paulus öfters angewendetes ist, wie es denn unmittelbar nach der angeführten Stelle wieder vorkommt, wo Christus in bezug auf die Auferstehung prôtotokos ek tôn nekrôn heißt. Das Wort an dieser Stelle schützt also dasselbe Wort auch an der ersten, besonders wenn man bemerkt hat, wie der Apostel auch sonst ein ausgezeichnetes Wort, das er soeben gebraucht hat, gern bald nachher wieder anwendet.

Ich bitte Sie nun, folgendes als bewiesen festzuhalten:

1. Das Wesen dessen, was das N. T. den Sohn nennt, ist ewig in Gott und als verschlungen in den actus purissimus des göttlichen Lebens selbst mit Gott, theos.

2. Von da an, daß der Vater an den eignen Gestalten seines Seins die Möglichkeit eines anderen Seins erblickt, oder von da an, daß ihm diese Gestalten als Potenzen erscheinen, d.h. also von Ewigkeit, von da an, daß er V a t e r ist, stellt sich ihm auch die zweite Potenz als der künftige Sohn dar, er hat also in ihr schon den künftigen Sohn, den er in ihr voraus erkennt, und in dem er eigentlich allein den Vorsatz zur Welt faßt. Deswegen sagt Paulus auch: In ihm ist alles erschaffen (Col. 1, 16). Aber hier ist der Sohn nur erst in dem Vater, noch nicht ausgegangen vom Vater; aber

3. auch a u ß e r (praeter) dem Vater - zunächst als Potenz - ist er erst gesetzt mit dem Anfang der Schöpfung, w i r k l i c h e r Sohn aber ist er erst, nachdem er sich durch Überwindung des Entgegenstehenden verwirklicht hat, also am Ende der Schöpfung; als Sohn äußerlich (vor der Welt) e r k l ä r t sogar erst in einem noch späteren Moment.

Diejenigen, die meine früheren Vorlesungen über Mythologie gehört haben, werden es ganz natürlich finden, daß ich wenigstens denselben Fleiß, den ich in jenen der Dionysologie gewidmet habe, hier in den Vorträgen über Philosophie der Offenbarung auch auf die Christologie wende. Nachdem nun aber dieses alles, wie ich hoffe, ins Klare gesetzt ist, gehe ich zu einer neuen Erläuterung fort, die übrigens nur die notwendige Folge unserer ganzen Erklärung ist.

Keine Zeugung läßt sich denken ohne ein Ausschließen des Gezeugten, es wird ausgeschlossen von einem andern Leben, an dem es bis jetzt teil hatte, in das es verschlungen war, aber eben dadurch wird ihm ein eignes Leben, und eben dadurch wird es in die Notwendigkeit gesetzt, dieses eigne Leben und damit sich selbst zu verwirklichen. Die zweite Gestalt des göttlichen Seins bekommt also damit, daß sie aus diesem Sein gesetzt wird, die M ö g l i c h k e i t in sich eine besondere Persönlichkeit zu sein; die conditio sine qua non ihres eine besondere und zwar göttliche Persönlichkeit Seins ist die Ausschließung vom göttlichen Sein. Deutlicher: sie kann jene besondere Gottheit nur erlangen, indem sie zuerst außer Gott (praeter Deum) oder außer ihrer Gottheit, die für sie früher keine besondere war, indem sie a u ß e r dieser gesetzt, und demnach s o w e i t als nicht Gott gesetzt wird. -

Die zweite Potenz, wenn sie als s o l c h e herausgesetzt wird, ist nun b l o ß diese, sie ist nicht z u g l e i c h auch die erste, denn diese ist vielmehr, die sie ausschließt, und sie ist nicht zugleich auch die dritte: nun ist aber in keiner Potenz für sich, sondern nur in der Alleinheit ist die Gottheit. Also ist die für sich herausgesetzte zweite Potenz nicht Gott zu nennen; wohl aber stellt sie sich in die Gottheit wieder her, wenn sie die erste und die dritte Potenz wieder zu s i c h, d.h. also, wenn sie die Einheit wiederhergestellt hat - am Ende der Schöpfung, und da sie hier durch Überwindung des entgegenstehenden Seins sich ebenso zum Herrn dieses Seins gemacht hat, wie es ursprünglich nur der Vater war, so ist sie nun ebenso Persönlichkeit wie der Vater zuvor schon Persönlichkeit war, sie ist der Sohn, der von gleicher Herrlichkeit mit dem Vater ist. Aber eben dies gilt notwendig von der dritten Potenz, welche dann, wenn durch die Wirkung der zweiten das außer sich Seiende ganz überwunden und zur Exspiration gebracht ist, auch wieder in das Sein eingesetzt wird. Sie ist nun als die das überwundene schließlich besitzende und beherrschende Macht nicht weniger H e r r des Seins, also Persönlichkeit, und sie ist Herr eben desselben Seins, dessen Herr auch der Sohn und der Vater ist, also sie ist der des Vaters und der des Sohns ganz gleich herrliche Persönlichkeit.

Es ist nur eine Folge unserer früheren Explikation, daß in der durch den Willen des Vaters gesetzten Spannung auch die dritte Gestalt des göttlichen Seins in potentialisierten Zustand gesetzt ist; doch ist sie nicht unmittelbar wie der Sohn, sondern nur m i t t e l b a r negiert, auch kann sie sich nicht unmittelbar durch eignes Wirken wie dieser in das Sein wiederherstellen, sondern nur durch den Sohn ist ihr das Sein vermittelt, aber eben darum ist die dritte Potenz der Trieb, das Antreibende der ganzen Bewegung (als solcher erscheint sie auch infolge der späteren, noch. höheren Vermittlung. Die Propheten, sagt der Apostel Petrus, werden getrieben von dem heiligen Geist; er ist es, der zu der göttlichen Geburt, d.h. zu der Wiederherstellung des göttlichen Seins, auch den einzelnen Menschen antreibt). Der Geist ist nicht das unmittelbar W i r k e n d e, sondern er ist nur das Durchwirkende, wie wir ihn denn als dieses auch in der Natur erkennen, und wie in allem, was als Zweckmäßigkeit in der Natur erscheint, was auf ein bestimmtes Ziel, einen bestimmten Zweck in der Natur hindrängt, die Wirkung, gleichsam der Hauch dieser dritten Potenz ersehen wird. Denn auch der Geist ist von zweien Seiten zu betrachten. In der Spannung oder während des Prozesses ist er demiurgische Potenz, wie der Sohn; in der Wiederherstellung aber göttliche Persönlichkeit. Von dem Geist als kosmischer Potenz kommt alles her, was in der Natur selbst, mitten in dem Reich der Notwendigkeit, F r e i h e i t oder ein f r e i e s Wollen, also ein Prinzip ankündigt - das Tier kann, was es will - nicht nur die Freiheit, die in den Bewegungen wie in den Handlungen des Tiers, z.B. dem Gesang der Vögel, der offenbar Variationen zuläßt, gleichsam als spielend erscheint, sondern auch die Freiheit, welche in der unergründlichen Mannigfaltigkeit der Farben, Formen und Gestalten der Geschöpfe spielt, d.h. nach Lust, Neigung, ja mit Willkür und Laune verfährt; denn noch ist es keinem Naturforscher gelungen, und wird auch keinem je gelingen, jene Kette zwischen den Naturwesen zu entdecken, die keine Lücke, keinen Sprung zuließe. -

In der wiederhergestellten Einheit also tritt auch die Potenz des Geistes in die Gottheit zurück, und zwar in einer eignen, infolge der Überwindung des außer sich Seienden, also d u r c h den Sohn ihr vermittelten Persönlichkeit. Und so sind wir denn zu dem Punkt unserer Entwicklung gelangt, wo wir sagen können, daß nun wirklich drei göttliche Persönlichkeiten und doch nur Ein Gott gesetzt ist, oder genauer zu dem Punkt, wo die ganze Gottheit in drei voneinander unterschiedenen Persönlichkeiten verwirklicht ist. Es sind drei Persönlichkeiten, die ebensowenig drei verschiedene Götter als bloß drei verschiedene N a m e n einer und derselben absoluten Persönlichkeit sind. Nicht drei verschiedene Götter; denn das Wesentliche oder Substantielle ist in ihnen allen dasselbe; der Vater z. B., der mit in dem Sohn begriffen ist, ist kein anderer und zweiter, sondern d e r s e l b e Vater, der auch hinwiederum den Sohn begreift, und umgekehrt. Und doch sind es auch nicht bloß drei verschiedene Namen. Dies ist nämlich dadurch verhindert, daß während des Prozesses jede der drei Potenzen eine für sich seiende war, die drei Potenzen eine wirkliche Mehrheit waren, daher nun auch jedes als ein Besonderes in die Einheit zurücktritt, die erste Potenz als die überwundene, negierte, in ihrer Überwindung Gott setzende, die zweite und die dritte als die durch Überwindung der ersten verwirklichten, zu Persönlichkeiten erhobenen (in der Spannung waren sie nur potentiâ Persönlichkeiten), dem Vater gleichen.

Ich füge noch Eine Bemerkung bei, die sich ebenfalls aus der bisherigen Entwicklung ergibt. Ich habe nämlich schon gesagt, jene potentia existendi, die der Vater in sich, in dem an sich Seienden seines Wesens findet, sei nur die zeugende Kraft des Vaters. Sie ist auch indem Sinn nicht der Vater, sondern nur die P o t e n z des Vaters, daß er ja im Anfang, sowie im Fortgang des Prozesses noch nicht w i r k l i c h e r Vater ist; wirklicher Vater ist er erst in und mit dem verwirklichten Sohn, dieser aber ist als solcher erst verwirklicht in dem völlig überwundenen, in sein An-sich zurückgebrachten außer-sich-Seienden, also am Ende des Prozesses. Der Vater und der Sohn kommen daher miteinander zur Verwirklichung; ehe der Sohn da ist, ist der Vater nur der unsichtbare, d.h. der wirkende zwar, aber nicht verwirklichte, auch er ist erst in dem völlig unterworfenen außer-sich-Seienden verwirklicht. Der Sohn verwirklicht den Vater als solchen, wie der Vater ihm gegeben, sich selbst zu verwirklichen. Es erklärt sich schon hier, was Christus einmal sagt (Joh. 14, 23): Wer mich liebt, den wird mein Vater auch lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen, monên par’ autô poiêsomen - bei ihm bleiben, ihm einwohnen, in ihm ruhen, so daß er selbst ruht, nicht wieder dem Prozeß anheimfällt (Sie wissen schon aus früheren Vorträgen, welchem Prozeß der Mensch anheimfällt, wenn er die in ihm gesetzte göttliche Einheit wieder aufhebt).

Mit den Persönlichkeiten erhebt sich unsere Betrachtung auf eine höhere Stufe, ja, wir können sagen, in eine andere Welt. In den Potenzen, solange diese in Spannung sind, sehen wir nur die natürliche Seite des Prozesses (wir sehen ihn nur als Entstehungsprozeß des Konkreten). Mit den Persönlichkeiten eröffnet sich eine andere Welt, die des Göttlichen als solchen, und eben damit erscheint auch erst die höhere, nämlich die göttliche Bedeutung des Prozesses. In Ansehung der Gottheit nämlich hat er diesen Sinn, daß das Sein, welches ursprünglich nur bei dem Vater ist, der es als bloße Möglichkeit besitzt, daß dieses Sein dem Sohn gegeben und ebenso dem Geist gemein gemacht werde, denn dem Sohn ist das Sein vom Vater, dem Geist aber vom Vater und Sohn gegeben, der Geist besitzt nur das dem Vater und Sohn gemeinschaftliche Sein, d.h. das schon wieder überwundene und durch den Sohn zum Vater zurückgebrachte Sein.

Auf diese Weise wird durch den Prozeß die vollständige Verwirklichung, also Manifestation der Gottheit - der in ihr ewig schon gesetzten Verhältnisse - erzielt. Nur so ist das Wort theogonisch in bezug auf Gott selbst zu nehmen. S.171-190
Aus: Friedrich Wilhelm Schelling, Philosophie der Offenbarung .Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie von Platon bis Nietzsche
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