Johannes Tennhardt (1661 - 1720)

In Sachsen geborener protestantischer Bibelinterpret, Mystiker und Visionär, der aufgrund visionärer Jugenderlebnisse schon frühzeitig einen ausgesprochenen Hang zur Mystik entwickelte, wobei er sich u. a. mit den Schriften von Jan van Ruysbroeck (1293 – 1381), Johann Tauler (um 1300 - 1361), Johann Arndt (1555 – 1621) und der übrigen mittelalterlichen Mystiker beschäftigte. Im Jahr 1704 widerfuhr ihm sein »Berufungserlebnis«, das ihn veranlasste, seine visionären »Neu-Offenbarungen«, die er im meditativen Gebet als »innere Worte Gottes« empfing, in Traktaten und Briefen schriftlich niederzulegen.

Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon

Kurze Unterweisung vom inneren Wort
Zwiegespräch zwischen Jünger und Meister

1
Man redet heute viel von einem inneren Worte Gottes. Ist denn außer der heiligen Schrift oder Bibel noch ein anderes und näheres Wort Gottes?

Ja, es ist außer der hl. Schrift oder Bibel noch ein anderes und näheres Wort Gottes, nämlich »das innere Wort«.

2
Paulus schreibt aber an die Galater: »So auch wir, oder auch ein Engel vom Himmel euch würden ein anderes Evangelium predigen als das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht« (Gal. 1, 8). — Wie ist das zu verstehen?

Paulus meint damit andere widrige Lehren, die falsche Apostel damals schon einzuführen suchten. Das innere Wort aber ist kein anderes Wort Gottes dem Sinn und Verstand nach, sondern nur der Art und Offenbarung nach.

3
Hat denn das innere Wort Gottes auch Grund?

Ja, Grund genug in der hl. Schrift selbst und in der Erfahrung.

4
Wie in der heiligen Schrift?

Weil alle Blätter und Zeilen in ihr davon zeugen.

5
Wie soll ich das verstehen?

Dass die ganze hl. Schrift aus dem inneren Wort geflossen und eigentlich nichts anderes ist als ein Ausdruck des inneren Wortes Gottes. Denn was das lebendige Wort in den Propheten und Aposteln innerlich gesprochen hat, das haben sie äußerlich verkündigt und aufgezeichnet. Daraus erwuchs die hl. Schrift oder Bibel. Das lehre dich auch der bekannte Spruch Petri:

»Wir haben ein festes prophetisches Wort, und ihr tut wohl, dass ihr darauf achtet, als auf ein Licht, das da scheint an ei­nem dunkeln Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in eurem Herzen. Und das sollet ihr für das erste wis­sen, dass keine Weissagung in der Schrift geschieht aus eigener Auslegung: denn es ist noch nie eine Weissagung aus mensch­lichem Willen hervorgebracht; sondern die heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben von dem hl. Geist.« (2. Petr. 1, 19—21. 2. Tim. 3, 16. Tit. 1, 3)

6
Haben denn die Propheten und andere fromme Menschen im Alten Testament auch schon dieses innere Wort gehabt?

Ja, alle Menschen Gottes, von Adam an bis auf Christus, haben es in sich gehabt, wie das angeführte Petruswort ja genügend erkennen lässt. Auch das, was Petrus im 1. Brief 1, 10 und 11 schreibt: »Nach welcher Seligkeit gesucht und geforscht haben die Propheten, die von der euch zugedachten Gnade ge­weissagt und ergründet haben, auf welche Zeit deute der Geist Christi, der in ihnen war.«

7
Kann man dies auch aus dem Alten Testament beweisen?

»Ja, denn so sprach David lieblich in den Psalmen Israels: Der Geist des Herrn hat durch mich geredet, und seine Rede ist durch meine Zunge geschehen. Es hat der Gott Israels zu mir gesprochen, der Hort Israels hat geredet. der gerechte Herrscher unter den Menschen, der Herrscher in der Furcht Gottes.« 2. Sam. 23, 1—3. S. a. 4. Mos. 12. 6—8. 1. Sam. 3, 7. 21. Nehem. 9, 30. Hiob 42, 3. Jes. 50, 4. 5. Amos 3, 7 . 8.

8

Aus diesen Stellen scheint aber zu sprechen, dass nur die Propheten und prophetischen Männer als außerordentliche Boten und Zeugen Gottes das innere Wort gehabt haben.

Obschon die Propheten als außerordentliche Zeugen Gottes einen näheren Zugang zu Gott und deshalb dieses Wort in einem höheren Grade und stärkeren Ein- und Ausfließen gehabt haben, so hat es aber doch auch andern frommen und gottgetreuen Seelen daran nicht gefehlt, die es gewissermaßen alle auch zu Propheten und Gottesfreunden gemacht hat. Weish. 7, 27.

9
Lässt sich auch dies beweisen?

Ja, sowohl im Allgemeinen aus den Worten Mosis, 5. B. 8, 3 (mit Matth.. 4, 4 zusammengehalten) und Kap. 30, 11—14 (mit Röm. 10, 6—8), als auch im Besonderen aus 5. Mos. 29, 29. Nehem. 9, 20. Hiob 4, 12, Kap. 32, 8. Mos. 24, 3. 4 usw.

10
Hat das innere Wort nun aber auch im Neuen Testament fortgewährt?

Da hat es sich erst recht völlig in den heiligen Menschen hervorgetan, nachdem das Wort Selbst Mensch geworden ist. Joh. 1, 14. Luk. 17, 20. 21. Kol. 1, 25. 1. Kor. 2, 7. 8.

11
Vielleicht hat es sich aber nach Apostelgesch. 2 usw. nur im Anfang des Neuen Testaments bei den Aposteln und apostolischen Zeugen Jesu Christi so besonders hervorgetan?

Nein, sondern auch bei allen wahren und rechtschaffenen Christen der folgenden Zeiten bis auf den heutigen Tag; freilich bei jedem nach seiner Fähigkeit und je nachdem er sich dazu angeschickt hat.

12
Woher kann man solches beweisen?

Wieder sowohl im allgemeinen aus den Stellen Joh. 6, 45 (mit Jes. 54, 13 zusammengehalten), 1. Joh. 2, 20. 27. Hebr. 8, 10. 11. Joel 2, 28. 29 usw., als auch im besonderen aus den Berichten der Kirchengeschichte der Zeiten Neuen Testaments, wonach sich jederzeit Menschen gefunden haben, die des bezeugten inneren Wortes halber von den wahren Christen hoch gehalten, dagegen von falschen verworfen und verketzert worden sind.

13
Finden sich auch noch heute Menschen, die das innere Wort in Wahrheit haben und Gott in sich reden hören?

O ja, solche werden meist durch die wider sie ergehende Verfolgung gekennzeichnet* es mögen aber noch manche im Verborgenen sein, die dieser gnädigen An- und Einsprache gewürdigt werden... Ps. 31, 20. 21.
*Tennhardt spricht hier aus eigener Erfahrung. Wegen seiner »Worte Gottes oder Traktätlein an den so genannten geistlichen Stand« und seiner »Worte Gottes oder letzte Warnungs- und Erbarmungsstimme Jesu Christi« wurde er 1708 für vierzehn Wochen in den Nürnberger Wasserturm gesperrt und anschließend noch lange Zeit mit Hausarrest belegt.

14
Ist denn so viel an dem inneren Worte gelegen?

Gewiss, und zwar mehr als an Himmel und Erde. Ps. 73, 25. 26. Luk. 21, 33. Ja so viel, als an Jesus Christus und Seinem heiligen Geiste selbst in uns, ohne den wir ja nicht selig werden können. 2. Kor. 13, 5. Röm. 8, 9.

15
Was ist denn eigentlich das innere Wort?

Es ist nichts anderes, als eine unmittelbare freundliche Rede Gottes in Jesus Christus durch den heiligen Geist mit Seinen Kindern und allen wahrhaft Gläubigen im inwendigsten Grunde ihrer Seele, zu ihrer täglichen Unterweisung und zu ihrem ewigen Heil. Weish. 7, 21—28. Davon haben Tauler und viele andere sehr viel erfahren und geschrieben.

16
Du hast aber auch solche Sprüche zum Beweis des inneren Wortes angeführt, die es allen Menschen zugelegt haben?

Das innere Wort ist freilich in allen Menschen, aber nicht auf einerlei Art und Weise; sondern auf eine andere Art und Weise ist es in den noch unbekehrten oder auf dem Wege der Bekehrung befindlichen, auf eine andere Art aber in den be­reits zu Gott bekehrten und Ihm gehorsamen Herzen.

17
Wie ist es denn in den noch Unbekehrten?

Als ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens, welchen jeder auch wider Willen hören muss, und der seinen Richterstuhl insonderheit im Gewissen des Menschen aufgeschlagen hat. Es ist in der Tat nichts anderes als Gottes richterliche Stimme in der Seele, wovon namentlich die Stellen sprechen: Röm. 2, 13—16. Hebr. 4, 12. 13. Weish. 4, 20. 1. Mos. 6, 3. Weish. 12, 1. 2.

18
Muss man denn der Stimme Gottes im Gewissen in allem gehorsam werden?

Ja. in allem, soviel man durch die leitende Gnade Gottes vermag, wenn man der freundlichen Stimme Gottes in sich auch anders gewahr werden und sie genießen will.

19
Wie lässt sich dann das innere Wort in den bereits bekehrten und Gott gehorsamen Seelen hören?

Als eine freundliche Vater- oder vertraute Bräutigamsstimme: Joh. 3, 29, als ein echt evangelisches Friede- und Freundschaftswort voller Geist, Leben, Liebe, Huld, Gnade, Süßigkeit und Seligkeit. Joh. 6, 63. Man erwäge auch Matth. 9, 2. 22; Joh. 4, 5—26, Kap. 14, 15. 16, Kap. 20, 11—29, Kap. 21, 4—19; Offenb. 2 und 3. Denn solche Reden, An- und Einsprachen sind es, die in der Seele geschehen und gehört werden.

20
Wie offenbart sich nun aber das innere Wort im Herzen der wahren Kinder Gottes?

Das lässt sich durch die Gnade Gottes besser erfahren als aussprechen. Es geht damit zu, um es mit einem Wort anzudeuten, wie 2. Kor. 4, 6; 1. Kön. 19, 9—13; Apostelgesch. 2, 1. 12.

21
Ist die Art der Offenbarung des inneren Wortes in allen Kindern Gottes gleich?

Nein, sondern in dem einen offenbart es sich mit einem stillen und sanften Säuseln oder lieblicher, Leib und Seele durchdringender Bewegung, in dem andern mit einem vernehmlichen und durchdringend kräftigen, aber seiner Art und Herkunft nach unaussprechlichem Wort. 2. Kor. 12, 1—4. Offenb. 1, 1—12. Ja, in einer Person offenbart es sich jetzt so, dann anders, je nachdem sie Gottes Einwirkung oder Einsprache fähig und bedürftig ist. Gal. 1, 12. 16.

22
Lässt sich das Wort zu allen Zeiten und sooft man es begehrt hören?

Seine vernehmliche Stimme hört man nicht immerzu, am allerwenigsten, wenn man es etwa aus geistlicher Eigenliebigkeit wegen allerlei Kleinigkeiten gerne hätte. — sondern mehr nur in wichtigen Angelegenheiten und großen Leibes- und be­sonders Seelennöten, wo es sich bei gutwilligen Herzen meist das erste Mal eröffnet und sie dadurch der wahrhaftigen, wesenhaften Gegenwart und innersten Beiwohnung ihres großen und gnädigen Gottes und Vaters, zu ihrem ewigen Heil und Trost versichert. Je treuer die Seele jedoch dem inneren Worte in allen seinen An- und Einsprüchen wird und je näher sie Gott in Jesus Christus und Seiner heiligen Nachfolge kommt, desto mehr und öfter wird sie es in sich zu hören gewürdigt. Joh. 14, 15—23.

23
Lässt sich das innere Wort auch in der Nacht hören und vernehmen?

Ja, und wohl allermeist; Weish. 18, 14—16. Denn obschon es an sich allezeit bereit ist, sich zu unserer heilsamen Unterweisung in und von uns hören zu lassen, so eröffnet es sich aber doch meist und am allerliebsten, wenn alle Sinne schweigen und in stiller Aufmerksamkeit in den Grund der Seele einwärts gekehrt sind. Wie die Erfahrung lehrt, geschieht dies in der ohnehin stillen und geschlossenen Nacht viel leichter als am offenen, gleichsam alles eröffnenden und vor die Sinne legenden Tag. So trägt denn auch ein einsamer und abgeschiedener Ort, besonders am Anfang, viel dazu bei.

24
So sollte es noch besser im Schlaf selbst geschehen können?

Da geschieht es auch bei denen, die dem Herrn ihren Schlaf in der Wahrheit heiligen und ihr Herz auch im Schlafe zu Ihm wachen lassen; wobei Wachsamkeit und innerste Aufmerksamkeit allerdings nötig sind. Hiob 33, 15—30.

25
Wie kann man aber gewiss und versichert sein, dass es wahrhaft das Wort des lebendigen Gottes ist, das man hört?

So wie die Propheten und Apostel des göttlichen Wortes in sich gewiss waren, so gewiss man der An- und Einsprache seines eigenen Gewissens ist und sein kann, ja so gewiss ein Kind Gottes der Erhörung seines Gebetes, der Innewohnung Christi und des Zeugnisses des heiligen Geistes von seiner Kindschaft in sich ist: so gewiss kann man auch dessen in sich sein und bleiben. Denn es bezeugt und rechtfertigt sich selbst im Herzen derer, die es hören, gegen alle Ein- und Widersprüche der Vernunft und falschen, bösen Geister, so dass man getrost und freudig mit Paulus sagen kann: »Ich weiß, an wen ich glaube«. 2. Tim. 1, 12.

26
Wie kommt man denn zum Hören dieses inneren Wortes, oder wie hat man sich vorzubereiten und anzuschicken, dass man es wahrhaft in sich hören und vernehmen mag?

Die beste und bewährteste Vorbereitung ist, dass man zuvörderst seinem eigenen gottgeregten Gewissen in allem, was es uns rät oder verbietet, treu und fleißig nachkommt. Luk. 16, 10-12. Weiter gehört namentlich dazu:

1. Verleugnung und Ablegung der Liebe des Irdischen. Luk. 14, 33.

2. Keuschheit und Mäßigkeit in allen Dingen. Weish. 1, 4-7. Luk. 21, 34. Röm. 13, 11-14.

3. Rechtschaffene Munterkeit und Wachsamkeit. Psalm 57, 8. 9. Luk. 12, 35. 36.

4. Unverdrossene Abwartung der Gott gelegenen Zeit und Offenbarungsstunde. Ps. 25, 5, 27, 14; Jes. 40, 31; Jak. 5, 7. 8.

5. Allermeist aber ein ernstliches und unablässiges inneres Gebet, das jedoch mehr mit einem steten, stillen und gelassenen Sehnen, Hungern und Dürsten nach dieser Gnade, als mit vielen Worten geschehen muss. Ps. 42, 2. 3. Weish. 9. Sir. 51, 18. Luk. 11, 9-13.

27
Wie hat man sich nun in der äußeren Stellung und Beherrschung seines Leibes zu verhalten?

Anfangs ist es sehr gut, wenn man sich dabei im Verborgenen niedersetzt (5. Mos. 33, 3 ; Luk. 10, 39) oder kniet (4. Mos. 24, 4; Ps. 95, 6) oder legt (Ps. 63, 7; 139, 3), je nachdem man es zur Sammlung und Beruhigung seiner Sinne am besten findet. Dabei hat man sich aber vor Schläfrigkeit, fremden Bildern und Gedanken wohl zu verwahren und ernstlich dagegen zu kämpfen. Sir. 23, 2. 4; Esr. 14, 14.

28
Wie hat man dabei seine inneren Sinne und Gedanken zu regieren? Hat man sie etwa in allerhand aufsteigende Betrachtungen über Gott und göttliche Dinge zu führen und also mehr im Haupte als im Herzen zu wirken?

Zu einiger Vorbereitung können solche Betrachtungen wohl nützlich sein. Sir. 6, 37. Je näher man aber dem Gehör des inneren Wortes kommen will, desto mehr muss man auch seine inneren Sinne gefangen nehmen und zusammenhalten (2. Kor. 10, 7. Phil. 4, 7) und sich damit mit tiefster, auch innerlicher Beugung und Demütigung in den Grund des Herzens versenken, in welches sich das Wort sonderlich einsät, einschreibt und ausspricht. Jer. 31, 33. Matth. 13, 19. Mit seiner geistmagnetischen Glaubenskraft und Begierde zieht das Herz das Wort an und in sich, so wie ein hungriges Kind die Milch aus seiner Mutter Brust (5. Mos. 11, 18. Ps. 131, 2), aus dem auch unser Wort aufsteigt und geboren wird. Hiob 8, 19. Matth. 12, 34. 35.

29
Wenn man aber trotz all dieser Bezeugungen dennoch nichts vernimmt, — wie hat man solches anzusehen?

Ist dein Herz und deine Bezeugung rechtschaffen, auch deine Angelegenheit von besonderer Wichtigkeit, so wird sich das Wort des Herrn gewiss in dir eröffnen, es sei in einer deutlich vernehmbaren Stimme, in heilsamen Gedanken oder in heiligen Bewegungen, je nachdem es Ihm gefällt und dir zuträglich ist. Dabei hast du dich aber zu hüten, dass du dir nicht selbst nach eigenem Willen und Gefallen eine göttliche Antwort bildest, oder von einem fremden und falschen Geist einbilden lassest. Solltest du aber durchaus nicht vernehmen, so prüfe dich, ob nicht eine verborgene Schuld das Hindernis sei und du noch eine heimlich herrschende Sünde in dir trägst, die dich von Gott scheidet, und die du auch sogleich durch gründliche Demütigung des Herzens, Bekenntnis und Buße abzutun hast. Jes. 1, 12-18. Offb. 3, 14-19. Und wenn dies schon nicht zuträfe, oder wenn auch darauf nichts erfolgen sollte, so denke getrost, dass dich Gott nur prüfe, ob du auch in der Einkehr und Zugekehrtheit zu Ihm und im wahren Geistesgebet an- und aushalten, ja ob du auch ohne geistliches Gefühl Ihm vertrauen und Ihn für deinen Gott halten wollest. Ps. 22, 2-6. Werde sonach nur nicht müde, dich stets zu Ihm einzuwenden. Er wird sich dir schon zu rechter Zeit mit Seinem Wort der Gnade und Liebe in deinem Innern offenbaren. Ps. 25, 3. 34, 11. 42, 12. Habak. 2, 3. 4. Sir. 6, 18-37. Lass dir inzwischen an dieser Gnade genügen: dass du dich gleichwohl zu Ihm als ein Kind zu seinem Vater wenden und Ihn mit deinem Sehnen getrost angehen darfst. Und sei versichert, dass Er, ob Er sich schon diesmal vor dir verbirgt, dennoch dein Sehnen und Ver­langen hört, ja selbst in dir wirkt, erweckt und schärft und sich also solches wohlgefallen lässt. Spr. 2, 3-6. Hohel. 3,1-4. Röm. 8, 26. 27.

Im Hausstand oder täglichen Leben wird es dich lehren, Frau, Kinder und Angestellte göttlich zu leiten, deine Haus- und anderen Geschäfte aufs beste zu ordnen, so dass sie dir an dem steten Umgang mit Gott, also an dem ewigen Heil deiner Seele kein Hindernis sind. Hiob 29. Weish. 7, 16-21. Sir. 14, 21-27.

In Summa: Es wird dich in guten und gesunden Tagen lehren, allenthalben und bei allem, vor, in und mit Gott zu wandeln (1. Mos. 17, 1), in Krankheits- und Leidenstagen aber alles mit Geduld und demütiger Gelassenheit zu ertragen. Hiob 1, 21. 2, 10. Weish. 10. Endlich auch in der letzten Todesnot die sterbliche Hülle freudig abzulegen und in deinen ewigen Ursprung frei und siegreich wieder einzugehen. Weish. 9, 13-19. Luk. 2, 25-32. — All dies und noch mehr, als sich mit Menschen- oder Engelzungen aussprechen lässt, hat man von diesem Wort: also wahrhaft einen Vorgeschmack des ewigen Lebens, wo eine selige Seele Gott lauter und aufs trauteste und vollkommenste in sich sehen und hören wird. 1. Joh. 3, 1. 2. 1. Kor. 15, 28.

34
Warum ist dieses Wort sowohl früher als auch heute so unbekannt geblieben?

Weil der gefallene Mensch, als er sich durch Betrug und Einflüsterung der höllischen Schlange vom lebendigen Gott und dessen wahrhaftigem Wort in sich abgewandt und der Kreatur zugewandt hatte, lieber alles mit Erweiterung seiner Sinne außer sich, als mit Verleugnung und Einziehung der Sinne sein Heil in sich hat wieder suchen wollen. Dazu haben blinde und verführerische Lehrer und Leiter viel beigetragen, die das arme Volk nur auf das Äußere wiesen. (Jer. 7, 3. 4. Kap. 8, 8. Matth. 15, 1-20. Diejenigen aber, die auf das innere Wort und Kraftwesen in der Tat und Wahrheit drangen, haben sie verketzert und verfolgt (Jer. 26, 7. Kap. 43, 2. Weish. 2, 12), bis endlich wegen der großen und fortlaufend steigenden Bosheit und Undankbarkeit das Gericht der Verstockung dazukam, d. h. dass den meisten Menschen das innere Wort verdeckt und entzogen wurde. Bis zu dieser letzten, aufgehenden Gnaden ­und Wiederbringungszeit sind sie in ihrer Blindheit gelassen worden bis auf einige wenige, die den Herrn noch gleichfort im Verborgenen suchten. Diesen hat Er sich dann auch von Zeit zu Zeit geoffenbart zum Zeugnis, was Er an allen tun könnte und auch tun wollte, so sie Ihn nur nicht selbst daran hinderten. Ps. 25, 14. Matth. 11, 25. 1. Kor. 1, 26.

35
Hebt das innere Wort das äußere der Schrift nicht auf?

Nein, sondern es richtet dasselbe sogar auf, indem beide harmonieren und übereinstimmen müssen (1. Joh. 1, 1-4), so wie eins aus dem andern, und zwar dieses aus jenem geflossen ist. 2. Tim. 2, 16.

36
Ist es aber dem Lehr- und Predigtamt nicht nachteilig?

Auch das nicht. Vielmehr kommt es dadurch erst recht zu seiner einstigen Kraft und Autorität, weil die Lehrer dann nichts reden, was Jesus Christus und Sein ewiger Geist nicht zuvor in ihnen selbst bezeugt und versiegelt hat. Röm. 15, 18. 2. Kor. 2, 17.

37
Welchen Vorzug hat denn das innere Wort vor dem äußeren?

Soviel die Quelle vor dem Bächlein, die Seele vor dem Leibe, ja soviel der Geist vor dem Fleisch oder Buchstaben Vorzug hat. Joh. 5, 37-40. Kap. 6, 63. 2. Kor. 5, 16.

38
Welchen Vorzug hat es dann vor dem Wort des Gewissens?

Soviel das evangelische Wort der Gnade vor dem Wort des Gesetzes Vorzug hat. Hebr. 12, 18-25.

39
Welchen Vorzug hat ein Lehrer, der aus dem inneren Wort lehrt vor dem, der allein aus dem äußeren Wort lehrt?

Soviel der, welcher mit eigenen Augen sieht, Vorzug hat vor dem, der mit fremden Augen sieht. Joh. 3, 11, 32. Kap. 4, 39-42. Kap. 5, 37-44. Kap. 7, 37-39. 1. Kor. 2,1-5. Jer. 23, 22.

40
Kann man das innere Wort auch wieder verlieren?

Ja, wenn man seiner Unterweisung nicht von Herzen gehorsam ist; aber auch aus anderen Ursachen kann es sich eine Zeitlang verbergen und zurückziehen.

41
Und wenn man es verloren hat, kann man es wieder zurückgewinnen?

Ja, wenn man sich nur nicht selbst gefühllos macht und seinem noch immer ergehenden Anklopfen im Gewissen nicht eigenwillig widerstrebt, sondern sich in wahrer Herzensbuße und gezeigter Ordnung bald, weil es »noch heute« heißt (Ps. 95, 8), wieder zu Ihm kehrt und einwendet. Offb. 3, 19. 20.

Darum heute, o ihr Menschenkinder! — heute, wo ihr solches Wort noch auf eine oder die andere Weise in euch hört oder hören könnt, so verstockt doch eure Herzen nicht! Reißt alle Scheidewände der Sünde und Sinnlichkeit nieder, die euch daran hindern wollen, und ringt mit wahrem Ernst danach, dass ihr einen Zugang zu Ihm gewinnet. Habt ihr aber solchen durch die Gnade Gottes in euch gefunden und Sein liebliches Einsprechen gleich auf welche Weise in euch vernommen, so werdet Ihm ja nicht untreu oder ungehorsam, sondern wendet allen Fleiß daran, dass ihr dem, wozu es euch an- und unterweist, von ganzem Herzen nachlebt. So werdet ihr Ihm immer näher kommen und immer vertraulicher mit Ihm und endlich ganz auf ewig mit Ihm vereinigt werden als mit dem wesenhaften Wort des Vaters. Dieses Wort wird euch dann wieder in Gott einsprechen und einführen, so wie euch Gott durch dasselbe zum Wunder- und Lustspiel Seiner Liebe und Weisheit in diese Welt ausgesprochen hat. Ihm sei dafür Ehre in Ewigkeiten der Ewigkeiten. Amen.
Vom inneren Wort, Stimme der Stille. Auswahl aus den Werken Johannes Tennhardts, Jakob Lorbers u. a. 1961 Lorber Verlag. Bietigheim / Württ.

Aus der Nachrede zum Lebenslauf

... Im übrigen sage ich noch einmal: Welcher Mensch die Stimme Gottes in sich nicht hören kann, noch weiß, wie er in sich einkehren und in das Heiligtum, in Gott eingehen soll, der ist noch unter Satans Gewalt; er mag äußerlich auch noch so fromm und heilig scheinen, so ist es doch nicht anders. Denn es ist kein ander Wort Gottes, das den lebendigen Glauben wirkt, als das ewige Wort, und es ist dem Menschen kein ander Heil gegeben, darin selig zu werden, als das Wort des Lebens. Also, willst du zum Leben oder in Gott eingehen, so halte die Gebote und stelle dein Leben nach der heiligen Schrift an und suche in die Sabbatruhe einzugehen und das Wort zu hören, so kannst du ein Lehr-Jünger Jesu Christi werden. Wenn du Seine Hirtenstimme in dir hörst, so wirst du erfahren und bekennen müssen, dass dich auch das Hören des inneren Wortes allein nicht selig macht; sondern wenn du tun wirst, was du hörst, und deinem Gott gehorsam bist, so wird dich Gott oder das Wort selig machen.
Schriften aus Gott durch Johannes Tennhardt. Hrsg. v. L. Hofacker.