Ludwig Uhland (1787 – 1862)

  Deutscher Dichter und Germanist, der von 1802 bis 1808 Jura und Sprachen in Tübingen studierte und nach Beendigung einer Tätigkeit als Sekretär im Justizministerium (1812) sich als Rechtsanwalt in Stuttgart niederließ. 1829 erhielt er eine Professur für deutsche Sprache und Literatur in Tübingen, die er aber 1832 niederlegte. Mit Justinus Kerner und Gustav Schwab zusammen stand er im Mittelpunkt des Schwäbischen Dichterbundes. Einige seiner Gedichte, die zumeist einfache romantische Motive zum Inhalt hatten, wurden zu Volksliedern (»Ich hatt`einen Kameraden«, »Der Wirtin Töchterlein« u. a.). Als Historiker bemühte sich Uhland um die altdeutsche Sprache, Sage und Dichtung.

Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon

Die deutsche Sprachgesellschaft
1817
Gelehrte deutsche Männer,
Der deutschen Rede Kenner,
Sie reichen sich die Hand,
Die Sprache zu ergründen,
Zu regeln und zu ründen
In emsigem Verband.

Indes nun diese walten,
Bestimmen und gestalten
Der Sprache Form und Zier:
So schaffe du inwendig,
Tatkräftig und lebendig,
Gesamtes Volk, an ihr!

Ja! gib ihr du die Reinheit,
Die Klarheit und die Feinheit,
Die aus dem Herzen stammt!
Gib ihr den Schwung, die Stärke,
Die Glut, an der man merke,
Daß sie vom Geiste flammt!

An deiner Sprache rüge
Du schärfer nichts denn Lüge,
Die Wahrheit sei ihr Hort!
Verpflanz auf deine Jugend
Die deutsche Treu und Tugend
Zugleich mit deutschem Wort!

Zu buhlerischem Girren
Laß du ihn niemals kirren,
Der ernsten Sprache Klang!
Sie sei dir Wort der Treue,
Sei Stimme zarter Scheue,
Sei echter Minne Sang!

Sie diene nie am Hofe
Als Gauklerin, als Zofe,
Das Lispeln taugt ihr nicht;
Sie töne stolz, sie weihe
Sich dahin, wo der Freie
Für Recht, für Freiheit spricht!

Wenn so der Sprache Mehrung,
Verbesserung und Klärung
Bei dir vonstatten geht:
So wird man sagen müssen,
Daß, wo sich Deutsche grüßen,
Der Atem Gottes weht.

[Uhland: Gedichte (Ausgabe letzter Hand), S. 118 ff.Digitale Bibliothek Band 75: Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke, S. 104269 (vgl. Uhland-W Bd. 1, S. 59 ff.)]

An den Unsichtbaren
Du, den wir suchen auf so finstern Wegen,
Mit forschenden Gedanken nicht erfassen,
Du hast dein heilig Dunkel einst verlassen
Und tratest sichtbar deinem Volk entgegen.

Welch süßes Heil, dein Bild sich einzuprägen,
Die Worte deines Mundes aufzufassen!
O selig, die an deinem Mahle saßen!
O selig, der an deiner Brust gelegen!

Drum war es auch kein seltsames Gelüste,
Wenn Pilger ohne Zahl vom Strande stießen,
Wenn Heere kämpften an der fernsten Küste:

Nur um an deinem Grabe noch zu beten
Und um in frommer Inbrunst noch zu küssen
Die heil'ge Erde, die dein Fuß betreten.

[Uhland: Gedichte (Ausgabe letzter Hand), S. 200. Digitale Bibliothek Band 75: Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke, S. 104351 (vgl. Uhland-W Bd. 1, S. 92-93)]

An K.M.
Wann die Natur will knüpfen und erbauen,
Dann liebt in stillen Tiefen sie zu walten;
Geweihten einzig ist vergönnt zu schauen,
Wie ihre Hand den Frühling mag gestalten,
Wie sie erzieht zu Eintracht und Vertrauen
Die Kinder früh in dunkeln Aufenthalten.
Nur wann sie will zerstören und erschüttern,
Erbraust sie in Orkanen und Gewittern.

So übet auch die Liebe tief und leise
Im Reich der Geister ihre Wundermacht;
Sie zieht unsichtbar ihre Zauberkreise
Am goldnen Abend, in der Sternennacht;
Sie weckt durch feierlicher Lieder Weise
Verwandte Chöre in der Geister Schacht;
Sie weiß durch stiller Augen Strahl die Seelen
Zu knüpfen und auf ewig zu vermählen.

Dort in des Stromes wildempörte Wogen
Warf sich ein Jüngling, voll von raschen Gluten,
Doch jene Wallung, die ihn fortgezogen,
Sie mußt ihn wieder an das Ufer fluten.
Ich aber sah es, wie des Himmels Bogen,
Der Erde Glanz im stillen Teiche ruhten:
Da sank ich hin, von sanfter Wonne trunken,
Ich sank und bin auf ewig nun versunken.

[Uhland: Gedichte (Ausgabe letzter Hand), S. 214 ff.Digitale Bibliothek Band 75: Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke, S. 104365 (vgl. Uhland-W Bd. 1, S. 99 ff.)]