Wilhelm Maximilian Wundt (1832 – 1920)
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Deutscher
Psychologe und Philosoph, ursprünglich Mediziner,
war seit 1864 Professor in Heidelberg, seit 1874 in Zürich, seit 1875 in Leipzig; gründete dort 1879 das
erste Institut für experimentelle Psychologie; widmete sich zunächst
sinnesphysiologischen Untersuchungen; übertrug das experimentelle und
beobachtend-beschreibende Verfahren der Naturwissenschaft auf die Psychologie und grenzte sie systematisch als selbständige strenge Erfahrungswissenschaft ab; wurde damit zu einem der Wegbereiter der modernen Psychologie. Wundt gab den Substanzbegriff der Seele auf
und deutete sie im Sinne der Aktualitätstheorie. Als Vertreter einer
Bewusstseinspsychologie betonte er zugleich die Bedeutung des
Gefühls und vor allem des Willens,
den er als Grundform seelischen Geschehens ansah (Voluntarismus),
und den Elementarcharakter der durch Willensakte verknüpften Apperzeptionen
(Apperzeptionspsychologie) als seelische Erlebniseinheiten (Elementenpsychologie). Er fasste die Psychologie als Grundwissenschaft auf, von der aus er auch Logik, Ethik und Metaphysik zu erschließen suchte (Psychologismus). Als Ergänzung seiner individuellen Psychologie schuf er eine Völkerpsychologie,
die sich mit den geistig-kulturellen Leistungen beschäftigt und Aspekte der Sozialpsychologie und Ethnosoziologie vorwegnimmt. Siehe auch Wikipedia und Projekt Gutenberg |
Inhaltsverzeichnis
Das
Wesen der Gottheit Die Religion als psychologisches Problem |
Sinnliche
und übersinnliche Welt (1914) Das Unendliche - das Absolute - Gott Die Erlösung und der Heilbringer |
Das
Wesen der Gottheit
Nach der Vorstellung der
Gnostiker sind der Logos
und der Nus vor
der Schöpfung
der Welt von Gott
geschaffen: sie bilden in diesem Sinn untergeordnete, von Gott
selbst verschiedene Zwischenwesen zwischen Gott und Welt, daher diese
Denkweise auch als »Subordinationismus«
oder als Lehre von der »Homoiusie«,
der Wesenähnlichkeit nicht -gleichheit, bezeichnet wurde. Auf der andern
Seite reicht, dem aristotelischen und jüdischen Monotheismus verwandt,
der »Monarchianismus«, die Lehre von der Alleinherrschaft Gottes
in mehreren Sekten in die christliche Welt herein. Danach soll Christus
entweder als wirklicher Mensch, oder der Logos
und der Nus sollen als verschiedene Erscheinungsformen
des einen Gottes gedacht werden. Auch diese
nach verschiedenen Richtungen gehenden Deutungsversuche werden endgültig
zurückgedrängt durch die auf dem Konzil von Nizäa erfolgte Annahme des Athanasianischen
Dogmas, welches die Wesensgleichheit, die
»Homoiusie« der Personen
der Gottheit, zugleich aber ihre Verschiedenheit ausspricht, — eine Einheit im Unterschied, die wiederum auf jede anschauliche
wie begriffliche Deutung verzichtet, aber dem Glaubensbedürfnis entgegenkommt,
das jene Personen in gleicher Erhabenheit erblicken möchte, einer Vermischung
derselben jedoch, als einer Beeinträchtigung des religiösen Wertes
der einzelnen, widerstrebt. Darum ist es nicht zufällig, dass der
Mann, der diese Fassung des Dogmas hauptsächlich durchsetzte, der Diakon Athanasius, nicht zu den gelehrten Kirchenhäuptern
gehörte, sondern bei seinem Kampfe für den Trinitätsbegriff ohne
jede Rücksicht auf philosophische Begreiflichkeit lediglich seinem religiösen
Triebe folgte. Nach dem Vorbild des Trinitätsdogmas erledigt sich dann
die mit der Frage nach den Wesen der Gottheit zusammenhängende Streitfrage
über das Verhältnis der beiden Naturen in Christo,
der göttlichen und der menschlichen, von selbst. Auch diese Naturen bilden
eine »Homoiusie«. Sie
sind beide vereinigt: Christus ist Gott und Mensch zugleich, keines von beiden
und doch jedes von beiden.
Aus: Wundt: Einleitung in die Philosophie, (S.146-147)
Kröner; Stuttgart [1922]
Die
Religion als psychologisches Problem
(Wilhelm Wundt, Völkerpsychologie.
Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache, Mythus und Sitte. Zweiter
Band: Mythus und Religion. Dritter Teil. 1909. Seite 726—746)
Die Anfänge einer Philosophie der Religion gehen bekanntlich bis in die
Anfänge der Philosophie selbst zurück. Doch die Überzeugung,
daß hier der philosophischen eine psychologische Untersuchung vorangehen
müsse, die zunächst über die die seelischen Erlebnisse Rechenschaft
gebe, die man dem Gesamtbegriff der Religion zusammenfaßt, - diese Überzeugung
ist verhältnismäßig sehr neuen Datums. Freilich, latent [versteckt] sind irgend welche psychologische Voraussetzungen auch in den spekulativen Theorien über die Natur der Religion enthalten. So, wenn sie Schleiermacher
als »Gefühl schlechthiniger Abhängigkeit« definiert, oder Hegel sie als ein »Wissen
des Absoluten in der Form der Vorstellung« der Philosophie als
dem begrifflichen Wissen gegenüberstellt, - Bestimmungen, die zugleich
auf zwei Richtungen hinweisen, nach denen die vielen
Versuche, der Religion durch eine allgemeine Definition nahe zu kommen, auseinandergehen.
Auf der einen Seite verlegt man sie in das Gefühl und den Willen, auf der andern Seite
in das Erkennen.
Im ersteren Sinne wird sie bald aus dem Glücksbedürfnis,
bald aus dem Streben nach sittlicher Vollendung, im zweiten aus der Annahme
geistiger Wesen, aus dem Kausalbedürfnis oder auch aus einer unmittelbaren
Offenbarung des Göttlichen im menschlichen Bewusstsein abgeleitet.
Dabei ist es übrigens bezeichnend, daß die einer psychologischen
Interpretation näherstehenden Auffassungen meist nicht von Philosophen,
sondern von Vertretern der positiven Wissenschaften herrühren, und daß
unter ihnen die Theologen, soweit sie nicht auf dem in der zuletzt erwähnten
Definition vertretenen Offenbarungsstandpunkt stehen, mehr dem Voluntarismus,
die Anthropologen mit Einschluss der Psychologen dem Intellektualismus
sich zuneigen. Daraus kann natürlich nicht gefolgert werden, dass
die eine oder die andere Auffassung die wissenschaftlich besser begründete
sei, sondern lediglich dies, dass es verschiedene Gebiete des wissenschaftlichen
Denkens sind, in denen sich beide bewegen.
Der Theologe, der von den ethischen Anschauungen der höheren Religionen
herkommt und nach der praktischen Richtung seines Berufs vorzugsweise der erhebenden
und tröstenden Wirkung religiöser Stimmungen zugewandt ist, bevorzugt
naturgemäß, falls ihm nicht etwa Religion und Dogma zusammenfallen,
die Gefühlsseite der religiösen Erscheinungen.
Der Anthropologe und Ethnologe, dessen Interesse zunächst durch das ihm
selbst Fremdartigste, durch die Vorstellungen der primitiven Völker, gefesselt
wird, bringt diesen die ihm geläufigen Voraussetzungen der Vulgärpsychologie
entgegen; und er tut das um so harmloser, als jene Vorstellungen keineswegs
eine Antwort auf das enthalten, was man späterhin religiöse Fragen
zu nennen pflegt, sondern als sie sich auf die nächsten wie auf die fernsten
Dinge, auf die Ursachen der Krankheit und die Bewegung der Gestirne ebenso wie
auf das Schicksal der Seele nach dem Tode und auf
die unsichtbare, himmlische und unterirdische Welt beziehen.
So entsteht dann leicht die Anschauung, die Religion sei primitive Wissenschaft;
sie werde jedoch als solche allmählich von der wirklichen Wissenschaft
verdrängt, um schließlich nur noch als ein nicht beweisbarer, aber
auch nicht widerlegbarer Glaube an Dinge, die der Wissenschaft definitiv unzugänglich
sind, zurückzubleiben. So entsteht die Theorie des »Agnoitizismus«,
wie sie Herbert Spencer, der bedeutendste und konsequenteste
Vertreter des Intellektualismus in der neueren Psychologie, entwickelt hat.
Dass Spencer und andere Soziologen, trotz
der Beschäftigung mit den in das Gebiet der Religion herüberreichenden
Erscheinungen des sozialen Lebens, an dieser Anschauung festhielten, erklärt
sich übrigens daraus, dass sie bis zu jenem Punkte des definitiv Unerkennbaren
der verbreiteten Form der intellektualistischen Theorie zugetan waren, wonach
Mythus und Religion Vorstufen oder niedere Formen der Erkenntnis seien.
Eine Kritik dieser Theorien, sowohl der emotionalen [das
Gefühl in den Vordergrund stellenden] wie der intellektualen [auf
den Verstand aufbauenden], soll hier nicht unternommen werden. Eine solche
liegt um so mehr abseits unserer Aufgabe, als der psychologische Standpunkt,
von dem man beiderseits ausging, abgesehen von der Verschiedenheit der psychologischen
Richtungen, ein übereinstimmender blieb. Dieser Standpunkt ist durchweg
derjenige der Individualpsychologie, und zwar nicht bloß in dem Sinne,
dass man zur Interpretation der Erscheinungen die Tatsachen des individuellen
Bewusstseins herbeizog, was natürlich unvermeidlich ist, sondern auch
in dem andern, dass man ausschließlich aus den religiösen Stimmungen und Erlebnissen des individuellen Bewußtseins oder aus der Beobachtung religiös hochgestimmter
Individuen einen Begriff der Religion zu gewinnen suchte.
Hat doch selbst ein in so besonderem Grade psychologisch gerichteter Religionsphilosoph
wie Höffding es nachdrücklich
abgelehnt, für die Erkenntnis des Ursprungs der Religion
die Religionsgeschichte zu Rate zu ziehen, und statt dessen vielmehr
auf gute Biographien, zumal Selbstbiographien religiöser Persönlichkeiten
hingewiesen . Ich möchte dem nicht einmal für die Geschichte der großen
Völkerreligionen beipflichten, auf die es Höffding bezieht. Stehen doch die religiösen Persönlichkeiten, die er
im Auge hat, ein Augustin, Suso
oder eine heilige Therese, selbst inmitten
einer jener großen Religionen, ohne die die eigenartige Form ihrer Religiosität
nicht zu verstehen ist. Noch mehr gilt das, wenn man jenen Satz auf die gesamte
Religionsgeschichte von ihren Anfängen an beziehen wollte. Freilich lehren
uns so manche verfehlte Theorien, die auf dem Boden der Religionsgeschichte
oder einzelner ihrer Teile
erwachsen sind, dass auch die Geschichte allein vor Irrungen hier nicht zu bewahren
vermag.
Sicherlich kann man ein trefflicher Religionshistoriker und doch ein schlechter
Religionspsycholog sein. Wenn wir aber näher zusehen, wie solche Irrungen
entstanden sind, so zeigt es sich regelmäßig, dass sie entweder
in dem willkürlichen Herausgreifen eines einzelnen, und vielleicht nicht
einmal des religiös bedeutsamsten Zuges der Geschichte, oder noch häufiger,
daß sie wiederum in der Individualpsychologie in ihrer vulgären rationalisierten
Form ihre Quelle haben. Besten Falls sucht man wohl auch in der Kinderpsychologie
zunächst für die Anfänge der Religion, bisweilen aber sogar für
die großen Kulturreligionen der Alten Welt den Schlüssel zu finden. In Wahrheit ist aber die Religion weder ein Problem der
Individualpsychologie noch ausschließlich ein solches der Geschichte,
sondern jene hat der Geschichte und der sie in ihren Anfängen ergänzenden
Völkerkunde den Stoff und der Psychologie die Gesichtspunkte der Untersuchung
zu entnehmen.
Das bedeutet nach dieser psychologischen Seite nicht, daß hier die Denk-
und Gefühlsweise des psychologischen Beobachters selbst oder des heutigen
Kulturmenschen überhaupt, sei dieser auch eine besonders hochgestimmte
religiöse Persönlichkeit, in die Erscheinungen der religiösen
Entwicklung hinübergetragen werden soll, sondern es bedeutet, dass
man auf Grund der beobachteten und überlieferten Tatsachen und der allgemeinen,
vor allem im Gebiet der elementareren Funktionen des Seelenlebens gewonnenen
Ergebnisse sich in die Psychologie eines unter fremden Natur- und Kulturbedingungen
stehenden Menschen versetzen und daraus ein psychologisches Verständnis
der religiösen Motive und ihrer Fortentwicklung gewinnen muß. Eben
das aber ist hier, wie überall, die Aufgabe der Völkerpsychologie. Die Religion ist demnach von Hause aus ein völkerpsychologisches,
kein individualpsychologisches Problem.
Dass sie das letztere nicht ist, das bezeugen nun auch die Ergebnisse,
zu denen die Versuche, eine Religionspsychologie auf der Grundlage jener individuellen
Beobachtungen zu gewinnen, gelangt sind. Auch wo sie wirklich auf dem Boden
der Psychologie verblieben und nicht etwa von Anfang an einer aus ganz andern Überzeugungen entsprungenen metaphysischen oder ethischen Theorie zusteuerten,
da verfehlten solche Versuche durchweg schon die nächste Aufgabe, deren
Lösung überhaupt erst den Zugang zu einer Psychologie der Religion
eröffnen kann: die der Unterscheidng von M ythus
und Religion.
Diese Aufgabe liegt in der Tat so sehr im Argen, dass es eine
große religionswissenschaftliche Partei gibt, für die ein Unterschied
überhaupt nicht existiert. Zu ihr gehört die Mehrzahl der Ethnologen,
aber auch eine nicht geringe Anzahl von Philologen und Historikern, die sich
mit der Mythologie und Religionsgeschichte der alten Kulturvölker beschäftigen.
Dies hat freilich seinen begreiflichen Grund darin, dass von Anfang an
Mythus und Religion auf das innigste verwebt sind, ja dass es auf weite
Strecken hinaus überhaupt keine Religion außer in mythologischer
Form gibt. Aber Verbindungen, selbst wenn sie sich zu Verschmelzungen steigern,
bedeuten doch keineswegs eine Identität der Bestandteile, sondern gerade
hier erhebt sich um so mehr die Aufgabe, jene aus ihrer Verbindung zu lösen
und jeden nach den ihm eigenen Merkmalen zu fixieren. Unter diesem Gesichtspunkte
kann es nun keinen Augenblick zweifelhaft sein, daß jede Mythologie zahlreiche Vorstellungen enthält, die mit Religion nicht das
Allergeringste zu tun haben. Wenn die Seele mit dem letzten Atemzug des
Sterbenden aus dem Körper entweicht, wenn sie nach dem Tode im Traumbild
wiedererscheint, so sind das an und für sich keine religiösen Vorstellungen.
Sie sind allerdings ebenso wenig sogenannte »Erklärungen«,
sondern unmittelbare, unter der assimilativen Wirkung*
verwandter Erlebnisse entstandene Anschauungen.
* Unter Assimilation versteht man
in der Psychologie die angleichende Aufnahme eines neuen Erlebnisses in den
Bestand des Bewusstseins.
Nicht anders verhält es sich mit der Auffassung der Gestirne, Wolken, Winde
und anderer Naturerscheinungen als lebender Wesen und mit der Mehrzahl der Mythenmärchen
und Sagen, die, auch wenn ihr Inhalt geglaubt wird, im allgemeinen mit dem Märchen
und der Sage späterer Zeiten die religiöse Bedeutungslosigkeit teilen.
Denn der einzige allenfalls entscheidende, aber keineswegs konstante Unterschied,
daß die mythologischen Überlieferungen geglaubt werden, bildet kein
Zeugnis für ihren religiösen Inhalt: sonst könnte man mit dem
gleichen Rechte jede erfundene Geschichte, die bei irgend einem Menschen Glauben
findet, zu dem Bestand seiner religiösen Überzeugungen zählen. Der Mythus umfaßt eben, solange das mythologische
Denken allein das Bewußtsein beherrscht, die gesamte Weltanschauung eines
Volkes: er ist ebensogut Vorstufe künftiger Wissenschaft, wie er das Handeln
an Stelle der ihn später ablösenden praktischen Maximen leitet.
Die Sonderung der einzelnen Lebensgebiete aus dem ursprünglich sie alle
umfassenden mythologischen Ganzen erfolgt aber für die einzelnen zu sehr
verschiedener Zeit, und sie erfolgt, wie wir das vor allem aus der Geschichte
der Naturanschauung wissen, sogar für die einzelnen Teile eines und desselben
Gebietes sehr ungleichmäßig. Am dauerndsten bleibt der
Mythus begreiflicherweise bei den Vorstellungen bestehen, die sich auf eine
Welt jenseits der wirklichen und auf ein Leben nach dem Tode, kurz auf
einen Inhalt beziehen, der jeder erfahrbaren Wirklichkeit entzogen ist. Insofern
nun dieser Inhalt zugleich dem Gebiet der Religion angehört oder an es
angrenzt, ist es verständlich, dass unter allen Lebensgebieten die
Religion am dauerndsten mit mythologischen Elementen verwebt ist. Je schwieriger
es aber darum sein mag, im einzelnen Fall Religiöses und Mythisches zu
sondern, um so notwendiger ist dies, soll der Begriff der Religion überhaupt
gegenüber solchen mythologischen Trübungen klargestellt werden.
Da nun Mythus und Religion beide psychologische Bildungen sind, so ist diese
Sonderung ebenso eine mit Hilfe der ethnologischen und historischen Tatsachen
zu lösende psychologische Aufgabe, wie es auf der andern Seite eine historische
Aufgabe ist, auf Grund psychologischer Merkmale und geschichtlicher Zeugnisse
die mythologischen von den tatsächlichen Bestandteilen
historischer Sagen und Legenden zu scheiden.
Der Schwierigkeit jenes völkerpsychologischen Problems entgehen nun freilich
diejenigen, die die Religion von vornherein ausschließlich unter dem Gesichtspunkt
der Individualpsychologie betrachten. Indem sie von den geschichtlichen Erscheinungsweisen
derselben ganz abstrahieren und ihre Untersuchung auf die Frage konzentrieren,
was ein Mensch unter den Bedingungen unserer heutigen oder einer von ihr nicht
allzu verschiedenen Kultur erlebe, wenn in ihm religiöse Gefühle und
Vorstellungen entstehen und sich in entsprechenden Handlungen äußern,
kommen sie mit der Frage nach dem Verhältnis von Mythus und Religion überhaupt
nicht in Berührung.
Das Religiöse ist dann von vornherein ein Erlebnis, das nach seiner Intensität
und nach zufälligen äußeren Bedingungen variieren mag, im übrigen
aber ebenso über allen Wandel der Zeiten erhaben ist, wie die allgemeinen
Eigenschaften des Bewußtseins nach der Voraussetzung der Individualpsychologie
überall als die nämlichen wiederkehren. Wollte man freilich die durch
diesen Standpunkt zunächst gebotene Bewusstseinsanalyse strenge durchführen
und bei beliebigen Individuen zur Anwendung bringen, so würde sie angesichts
der ungeheuer verwickelten Bedingungen, unter denen innerhalb der gegenwärtigen
Kultur ein einzelnes Bewusstsein stehen kann, schwerlich zu einem Ergebnisse
kommen. Wahrscheinlich würde sich, wenn man innerhalb eines größeren
und möglichst gemischten Kreises Umfrage hielte, dieser Kreis ungefähr
in drei Gruppen teilen:
in eine erste, die die Religion für eine heilige, auf einer ursprünglichen Offenbarung beruhende Überlieferung erklärte;
in eine zweite, die behauptete, von spezifisch
religiösen Erlebnissen überhaupt nichts zu wissen; und endlich
in eine dritte, die dieses
Erlebnis als eine feierliche, die Seele über die Bedürfnisse und Sorgen
des Alltags erhebende und in guten Vorsätzen bestärkende Gesinnung
schilderte.
Natürlich können auch Übergänge
zwischen diesen Gruppen, namentlich der ersten und der
dritten vorkommen. Im ganzen aber ist klar, dass, wo sie reinlich
geschieden einander gegenüberstehen, die Aussagen der ersten und der zweiten
Gruppe im Grunde gleich inhaltsleer sind. Denn
auch da, wo sich das religiöse Erlebnis als eine bloße Sache der
Überlieferung gibt, ist es ja nur eine äußere gedächtnismäßige
Aneignung. Dieser Misserfolg macht es denn auch verständlich, dass
die Psychologen, die dieser Richtung folgen, hier auf die sonst von ihnen geübte
vergleichende Methode verzichten, und statt dessen einen Weg einschlagen, den
man in der empirischen Logik das Verfahren der ausgezeichneten Fälle zu nennen pflegt.
Biographien, Selbstbekenntnisse, Erlebnisse religiöser Persönlichkeiten
sind die Quellen, aus denen man zu schöpfen sucht. Da bieten sich denn
auf der einen Seite die selbstquälerischen Grübler,
die, von tiefer Seelennot erfüllt, nach religiösem Trost verlangen;
auf der andern die ekstatischen Visionäre, die mit ihren Gedanken und Gefühlen
in einer künftigen Seligkeit schwelgen. So ist die Gesellschaft, in die
wir durch diese Sammlungen religiöser Selbstzeugnisse versetzt werden, eine äußerst gemischte. Neben den großen
Gestalten eines Augustin und Franz
von Assisi fehlt es nicht an subalternen Persönlichkeiten von zweifelhaftem
Wert, von den dem Psychiater geläufigen Typen des
religiösen Wahnsinns an bis herab zu den Hysterischen und Neurasthenikern
gewöhnlichen Schlags, denen bekanntermaßen ein
Zug religiöser Schwärmerei nicht selten eigen ist.
Demnach ist diese Sammlung ausgezeichneter Fälle allenfalls eine Kasuistik
zur religiösen Pathologie; aber eine Religionspsychologie ist sie nicht.
Sie weiß weder zu sagen, wie Religion entstanden ist, nach wie sie sich
entwickelt hat, noch auch, was sie in unserer heutigen Kultur, der sie vorzugsweise
ihre Beispiele entlehnt, bedeutet. Über alles das gibt sie ebensowenig
Aufschluß, wie sich etwa aus der Ideenflucht des Geisteskranken die allgemeinen
Normen der Erkenntnis entnehmen lassen. Gewiss haben Vision
und Ekstase für die Geschichte der Religion ihre große Bedeutung. Doch bilden sie überall nur einen Teil der religiösen Erscheinungen,
und viele unter ihnen gehören nicht der Religion als solcher, sondern,
wie die Geschichte der Jenseitsvorstellungen lehrt,
ihrem mythologischen Beiwerk an. Mag in diesem speziellen Fall die Beobachtung heutiger Visionäre immerhin ein gewisses Licht werfen auf die Entstehung
solcher Vorstellungen in Zeiten gesteigerter religiöser Erregung,
den Motiven, die diese Zeiten bewegen, steht diese »pragmatische
Methode« ebenso hilflos gegenüber, wie allen andern Fragen,
bei denen sie mit der Religionsgeschichte in Berührung kommt.
Zu den Glaubensanschauungen der positiven Religionen, aus denen wir doch zunächst
den Begriff dessen zu nehmen haben, was Religion ist, verhält sich daher
der Pragmatiker ungefähr ebenso, wie ein wohlwollender Aufklärungsphilosoph des 18. Jahrhunderts. Er sucht sie nicht nach den psychologischen Bedingungen
der gesamten religiösen Entwicklung, innerhalb deren sie stehen, zu begreifen,
sondern er betrachtet sie losgelöst von allen diesen Beziehungen, lediglich
nach dem Nutzen, den sie etwa für die religiösen Zwecke des heutigen
Menschen besitzen mögen. Diese Übereinstimmung trotz der sonstigen
Verschiedenheit der Standpunkte ist begreiflich.
Das einigende Band zwischen dem Aufklärungsphilosophen von ehedem und dem
Pragmatiker von heute ist das Nützlichkeitsprinzip,
das ebenso jenen in seiner rationalistischen Beleuchtung der christlichen Dogmen,
wie diesen in seiner Deutung der religiösen Gefühle leitet.
Bei der Unbestimmtheit der hier den religiösen Melancholikern und Ekstatikern
gemeinsamen Gefühle bietet dann die Sammlung solcher Einzelerlebnisse einen
Spielraum für die Auffassung der Religion selbst, der weit genug ist, um
sie der Hauptsache nach schließlich hier so gut wie dort der Willkür
des Philosophen anheimzugeben. So kann man sich denn auch dem Eindruck nicht
verschließen, dass die Definitionen der Religion, welche die pragmatischen
Psychologen auf Grund ihrer Auslese ausgezeichneter Fälle geben, möglicher
Weise auch ohne eine solche Induktion gewonnen werden könnten.
So wenn die Religion eine »Option [Wünschbarkeit,
zu der man sich entschließt], die bedeutungsvoll und unumgänglich
ist« oder die »Hypothese von Gott« nach pragmatischen Grundsätzen wahr genannt wird, »wenn sie im weitesten Sinne des Worts befriedigend wirkt«,
oder endlich, wenn als die »wahrste Religion diejenige
bezeichnet wird, die das beste Leben erzeugt und befördert«. Man
könnte diese Definitionen ruhig in den Utilitarismus und Opportunismus
des 18. Jahrhunderts verpflanzen, und vielleicht würde niemand gewahr werden,
daß sie einem andern Boden entstammen. Daß sie im einen Fall intellektualistisch,
im andern voluntaristisch gefärbt sind, macht um so weniger einen wesentlichen
Unterschied, als doch auch das Gefühl zuerst in ein reflexionsmäßiges
Wollen übertragen wird, ehe man sich über seinen Inhalt Rechenschaft
zu geben sucht.
Nun liegt ein nicht zu verkennender Fortschritt über die bisherige Stellung
utilitaristischer Ethik und Religionsphilosophie immerhin schon darin, daß die pragmatische Theorie wenigstens dies ihren Beispielen entnommen hat, die
Wurzeln der Religion nicht oder doch zum allergeringsten Teil im Gebiet des
Erkennens, sondern in dem des Fühlens und Wollens zu suchen. Doch
dieses Resultat bleibt unfruchtbar, weil die Anwendung der Methode ebenso unzulänglich
wie das Erfahrungsgebiet falsch gewählt ist, auf das sie angewandt wird.
Ausgezeichnete Fälle sind brauchbar, wenn man sicher sein kann, daß
sie alle wesentlichen Merkmale an sich tragen, die dem untersuchten Gegenstand
eigen sind. Davon trifft aber hier das Gegenteil zu: Beispiele psychischer Depression
und Exaltation sind ebenso wenig in ihren religiösen wie in andern Äußerungen
für das Ganze der psychischen Motive maßgebend; und religiöse
Motive, die man innerhalb eines beschränkten Kulturgebiets, vollends auf
Grund willkürlich bevorzugter Merkmade, zu ermitteln sucht, lassen sich
nimmermehr auf das Ganze der religiösen Entwicklung übertragen. Denn
das psychologische Problem der Religion liegt überhaupt nicht oder doch
höchstens indirekt, insofern wir nämlich in der Psychologie nirgends
der Analyse des Einzelbewusstseins entraten können, im Gebiet der
Individualpsychologie. Wir können Religion nicht
begreifen, wenn wir nicht zu verstehen suchen, wie sie geworden ist.
Sie aus den Bekenntnissen eines aus christlichen Lehrüberlieferungen und
griechischer Philosophie schöpfenden Mannes wie Augustin oder gar aus den Selbstbekenntnissen moderner Mystiker erkunden zu wollen,
ist ein Unternehmen, das von vornherein zur Ergebnislosigkeit verurteilt ist.
Wie alle historischen Schöpfungen, so und mehr noch als die meisten andern,
kann man weder das religiöse Leben der Gegenwart noch die Religion überhaupt
verstehen, ohne sich darüber Rechenschaft zu geben, wie sie geworden sind.
Die Entwicklungsgeschichte von Mythus und Religion, die dieses Werden in sich
schließt, ist aber wiederum keine rein historische, sondern eine psychologisch-historische,
also eine völkerpsychologische Aufgabe. Denn nur als psychologische Entwicklungsgeschichte
der mythologischen und religiösen Motive kann sie dieser Aufgabe nachkommen.
In den vorangegangenen Kapiteln ist der Versuch gemacht worden, die Hauptphasen
jener Entwicklung zu schildern. Dabei musste auf Grund allgemeingültiger
psychologischer Erwägungen der Kultus als das äußere Merkmal vorangestellt werden, das zwar an sich selbst
noch nicht für einen religiösen Inhalt der Handlungen entscheidend,
das aber für die Kennzeichnung vor allem der früheren Stufen der Religion
unerläßlich ist. Denn mag immerhin schließlich eine Tiefe der
religiösen Gesinnung möglich sein, die auf äußere Symbole
verzichtet, in der Gesamtentwicklung der hierher gehörigen Erscheinungen
kann es zwar möglicherweise einen Kultus geben, den wir noch nicht Religion
nennen, aber es gibt keine Religion, die nicht in Kultushandlungen nach außen
tritt, weil jeder irgendwie lebendig das Bewusstsein
ergreifende Trieb naturnotwendig in Handlungen sich äußert.
Eine Religion, die von Anfang an bloß in theoretischen Überzeugungen
oder subjektiven Stimmungen ohne äußeren Effekt bestünde, ist
daher ein psychologisch unmöglicher Begriff. Schon darum ist also der Versuch,
aus den Schilderungen rein subjektiver Stimmungen und Gefühle einen Aufschlussüber das Wesen der Religion zu gewinnen, ebenso verkehrt, wie die immer
wieder auftauchende Behauptung eines primitiven Monotheismus, der in der bloß theoretischen Überzeugung von der Existenz eines höchsten
Wesens bestehen solle.
Sie ist samt allen aus dieser Annahme gezogenen Folgerungen von einer allmählichen
Erhebung eines solchen ursprünglich jeder Verehrung entbehrenden Gottes
eine psychologische Unmöglichkeit. Doch eben deshalb, weil der Kultus infolge
jener natürlichen Verbindung von Fühlen und Handeln möglicherweise
aus den verschiedensten Affekten der Furcht und der Hoffnung
hervorgehen kann, ist er auch an sich noch kein Kriterium für die
spezifisch religiösen Motive. Hier tritt nun als ein nächstes Merkmal
das der Gemeinschaft hinzu. Indem es innerhalb
eines bestimmten Bevölkerungskreises die Allgemeingültigkeit der dem
Kultus zugrundeliegenden Motive bekundet, gibt es den hierher gehörigen
Kultformen einen höheren Wert und einen zwingenderen Charakter, der ihnen
eine dauernde Nachwirkung sichert, so daß sie jetzt in eine in aufsteigender
Richtung sich bewegende Entwicklung eintreten können.
Aber auch damit ist die religiöse Natur eines solchen Kultus noch nicht
verbürgt, wie denn zahlreiche Zauberkulte als Gemeinschaftskulte vorkommen,
von denen direkt keine Brücke zu kultischen Handlungen hinüberführt,,
die wir noch auf den späteren Stufen dieser Entwicklung als religiöse
anerkennen. Eine solche Kontinuität muß jedoch notwendig vorhanden
sein, wenn wir nicht die Religion überhaupt zu einem völlig unbestimmten
Begriff machen wollen, der alle möglichen disparaten Elemente in sich vereinigen
kann. Da ist es nun eine zweite Erscheinung, die mit einem Male dem Kultus wie
den Motiven, aus denen er entspringt, eine neue Richtung gibt: das ist der Übergang
des Dämonen- in den Götterkultus.
Um die Bedeutung zu ermessen, die dieser Übergang für die religiöse
Entwicklung besitzt, müssen wir uns der drei Eigenschaften
erinnern, die der Begriff des Gottes in sich schließt.
Es sind die des über- oder unterirdischen oder irgendwie
sonst der gewöhnlichen sinnlichen Wahrnehmung entrückten Wohnorts,
der Unsterblichkeit, und endlich einer von menschlichen
Sorgen befreiten Seligkeit, wie sie in sinnenfälliger Form vor allem
in einer besonderen Götterspeise und einem
besonderen Göttertrank, durch die sich die Götter- von der Menschenwelt scheidet, zum Ausdruck kommt. Indem
sich nun mit diesen Eigenschaften auch noch die andern, die schon den Dämonen
zukamen, in gesteigertem Grade verbinden, werden die Götter zu Natur- und
Schicksalsmächten, die der Mensch durch den ihnen geweihten Kultus zu gewinnen
strebt, und in deren eigenstes Wesen er mehr und mehr die gütige Gesinnung
verlegt, von der er in der Not des Lebens und in der Furcht
vor dem Tode Rettung und Hilfe hofft.
So treten uns in den Göttern zum erstenmal die Bilder
von Wesen entgegen, die sinnlich und menschlich
und doch soweit möglich übersinnlich und übermenschlich, der
sinnlichen Umgebung entrückt und dennoch menschlichem Streben erreichbar gedacht werden. Auf diese Weise entfalten sich in dem Götterkultus
zuerst in der Beziehung menschlichen Tuns und Leidens auf höchste ideale
Wesen religiöse Motive. Es schließt sich nun aber auch, je mehr diese
Götterwelt durch die mythenbildende Phantasie ausgestaltet wird, immer
fester das Band zwischen Kultus und Mythus. Ohne Mythus kein religiöser
Kultus. Die Gegenstände, in denen sich die Gefühle der Abhängigkeit
von über ihm stehenden Welt- und Schicksalsmächten verdichten, muß
sich der Mensch in sinnlich anschaulichen Bildern gegenüberstellen, wenn
sie eine dauernde Wirkung auf sein Denken und Handeln gewinnen sollen.
Damit treten bildende Kunst und mythologische Dichtung in den Dienst der Religion,
die sie zugleich mit einem reichen Kranz von Phantasieschöpfungen fremdartigen
und teilweise widersprechenden Ursprungs umgeben. Gerade diese Dissonanz der
den Göttermythus zusammensetzenden Motive, die ihren schärfsten Ausdruck
in dem Kampf der Philosophie gegen den Mythus findet, führt nun aber auch
die religiöse Entwicklung von dieser Stufe sinnlicher Gebundenheit, die
der mythologische Götterkult nicht zu überwinden vermag, zu einer weiteren: zu dem Glauben an eine
ideale, übersinnliche Welt, in der das menschliche Streben und Handeln
mit eingeschlossen liegt, und in der sich der Mensch die Ideale seines eigenen
Strebens verwirklicht denkt.
Damit verschwinden nicht die Göttervorstellungen, und eine feste Grenze
zwischen dem Stadium, wo die Götter noch als überragende Menschen,
und dem, wo sie ganz als übersinnliche Wesen gedacht werden, läßt
sich darum nicht ziehen. Hier greift nun aber als ein vermittelndes Moment die
Vorstellung des Symbols ein, das selbst
wieder einen wichtigen Bedeutungswandel durchläuft.
In den Anfängen des Götterkultus werden die
Götter genau so als wirklich existierend gedacht, wie sie vorgestellt
werden, oder - was hier für die flüchtige subjektive Vorstellung frühe
schon eintritt - wie sie als die von der Kunst ausgebildeten Idealgestalten
zu allgemeiner Anerkennung gelangen. Dann wandelt sich diese Vorstellung der
unmittelbaren Wirklichkeit im selben Sinne in den eines
realen Symbols um, in welchem auch die Kulthandlungen zu realen
oder magischen Symbolen geworden sind.
Das Götterbild ist jetzt nicht mehr selbst der Gott,
aber es ist sein reales Symbol, da die Gottheit beim Kultus in ihm ihren Sitz
hat und durch dasselbe magische Wirkungen ausübt. Dann, auf einer
weiteren Stufe, wandelt sich das reale in ein ideales Symbol um: die magische
Wirkung des Götterbildes schwindet. Aber des Bildes selber bedarf man fortan
als eines subjektiven Verstärkungsmittels der religiösen Gefühle.
Zugleich bietet sich in der hier einsetzenden Aufnahme der
Idee des Gottmenschen, des im Kultus verehrten
Gottes, der als Mensch auf Erden gewandelt, ein wirksames Mittel der Rückkehr
von dieser idealen zur realen Bedeutung des symbolischen Bildes.
So hat im christlichen Kultus das konventionelle Christusbild in den Vorstellungen
der Christenheit mindestens eine zwischen Ideal und Wirklichkeit schwankende
Bedeutung gewonnen, und bei einem großen Teil des katholischen Volkes
bewahren neben Jesus die Gottesmutter, die Apostel und Heiligen eine ähnliche
reale Bedeutung. Doch in dem Maße, als diese schließlich dennoch
schwindet, beginnt auch in diesem Fall selbst das ideale
Symbol zu einer Zeit, wo in den Kulthandlungen zumeist sogar das reale
noch lebendig ist, allmählich zu verblassen. Aus dem subjektiven Schwanken
der Vorstellungen erhebt sich so als letzte Idee die der Unvorstellbarkei
der Gottheit, die nunmehr als ein notwendiges
Attribut ihres übersinnlichen und demzufolge rein geistigen Wesens aufgefaßt
wird. Damit bereitet dieser Übergang zuerst vom realen zum idealen Symbol
und dann des letzteren zur Idee dem analogen, aber freilich hier erst in einem
späteren Stadium einsetzenden Wandel in der Bedeutung der Kulthandlungen
den Weg.
Eine allgemeine Begriffsbestimmung der Religion kann nun angesichts dieses fortwährenden
Flusses ihrer Entwicklung, in der es an rückläufigen Strömungen
nicht fehlt, nicht einem einzelnen dieser Stadien entnommen werden. Nur daran
ist festzuhalten, daß im Sinne des hier zu fordernden allgemeinen
Charakters der entscheidenden Motive und der Kontinuität ihrer Entwicklung
eine Begriffsbestimmung alle Stadien umfassen muß von den noch in lebendiger
Wirklichkeit geschauten Göttern eines naiven Glaubens an bis zu der unter
der Mitwirkung der Philosophie entstandenen Idee einer unvorstellbaren
Gottheit. In diesem Sinne werden wir sagen können: Religion
ist das Gefühl der Zugehörigkeit des Menschen und der ihn umgebenden
Welt zu einer übersinnlichen Welt, in der er sich die Ideale verwirklicht
denkt, die ihm als höchste Ziele menschlichen Strebens erscheinen. Ideale
im Sinne höchster, vermöge der sinnlichen Schranken des Daseins an
sich unerreichbarer und doch erstrebenswerter Lebensgüter gibt es nun von
dem Augenblick an, wo im Götterkultus eine solche ideale Welt zur Ausbildung
gelangt.
Der von da an zuerst teilweise und dann allmählich vollständig werdende
Übergang dieser Güter vom sinnlichen auf das geistige Gebiet dagegen
ist ein Prozess, der den wesentlichen Inhalt der religiösen Entwicklung
selbst ausmacht. Damit wandeln sich die ursprünglich
sinnlichen in sittliche Ideale um,
die, der wirklichen Lebensführung entnommen, mit innerer Notwendigkeit
wieder auf diese zurückwirken und sich so zu sittlichen Lebensnormen gestalten.
Dadurch werden die religiösen Motive zu den frühesten
Triebfedern der Sittlichkeit, und die sittlichen Motive, wie sie sich
im Kontakt mit der sinnlichen Wirklichkeit gestaltet haben, werden zum wesentlichen
Inhalt des religiösen Ideals. Indem dieser Begriff des Ideals an
sich nur eine formale Bedeutung hat, da er lediglich die höchste Norm bezeichnet,
die menschlichem Vorstellen in einer bestimmten Richtung erreichbar schließt
die hieraus entstehende Unbestimmtheit zugleich die ganze Fülle der religiösen
Entwicklungen ein.
Von andern Anwendungen, in denen der Idealbegriff vorkommen kann, scheidet sich
aber das religiöse Ideal durch seine Beziehung zu einer übersinnlichen
Welt. Mag sich die Idee des übersinnlichen selbst nur allmählich von
dem Boden der Sinnlichkeit lösen, auf dem sie geboren ist, so liegt doch
schon in der Richtung, auf die bereits der primitive Götterkultus abzielt,
der Unterschied von andern, insonderheit auch von den stets an die sinnliche
Wirklichkeit gebundenen spezifisch sittlichen Idealen. Was die religiösen
mit diesen wie mit allen Idealvorstellungen gemein haben, und was ihnen zugleich
jene enge Beziehung rum Wollen und Handeln gibt, die sich im religiösen
Kultus ausspricht, das ist die Intensität der Gefühle, die sie begleiten, und denen sie ihre eigenartige Qualität verdanken. So
hat denn auch keiner der Versuche, die gemacht worden sind, die Religion als ein Gefühl zu definieren, ganz sein Ziel verfehlt.
Aber schwerlich gibt es unter ihnen einen, der mehr als eine einzelne, oft zufällig
herausgegriffene und nicht einmal konstante Eigenschaft wiedergibt. So können Abhängigkeitsgefühl, Glücksbedürfnis
usw. Teilmotive des religiösen Verhaltens sein. Doch sie gehören
nicht und am allerwenigsten ausschließlich zum Wesen der Religion.
Gerade bei der höchsten Steigerung des religiösen
Enthusiasmus verwandelt sich das Gefühl der Abhängigkeit in das der
Einheit mit der Gottheit, und das Glücksbedürfnis
schwindet in dem Gefühl der inneren Beseligung. Was allen diesen
Formen und Färbungen religiösen Verhaltens eigen ist, das bleibt eben
nur die Zugehörigkeit zu einer übersinnlichen Welt. Auch sie äußert
sich zunächst gefühlsmäßig. Doch in den so entstehenden
religiösen Stimmungen können sehr verschiedene Gefühlstöne
anklingen, die natürlich sämtlich den allgemeinen psychologischen
Formen der Gefühle sich einordnen, im einzelnen aber ebenso wenig sich
fest abgrenzen lassen wie die zugehörigen religiösen Vorstellungen.
Denn auch hier gehören, wie überall, Gefühl und Vorstellung zusammen,
und das Gefühl als das subjektive Komplement der Vorstellung empfängt
ebenso von dieser seine besondere Färbung, wie es selbst wieder vor allem
da, wo die Vorstellung ein Erzeugnis der mythenbildenden Phantasie ist, auf
diese zurückwirkt.
Darum bildet das religiöse Gefühl den wesentlichen Bestandteil des
im Kultus hervortretenden religiösen Strebens und Wollens, gemäß
der allgemeinen psychologischen Tatsache, daß es kein Wollen gibt, in das nicht Gefühle eingehen. Hierin liegt es
denn auch begründet, daß selbst da, wo die religiösen Vorstellungen
dunkel und flüchtig sind, oder wo sie nur als unzulängliche Symbole
empfunden werden und sich schließlich in Ideen umwandeln, die auf jedes
äußere Symbol verzichten, die religiösen Gefühle von großer
Stärke sein können; ja es tritt hier das einzigartige Phänomen
ein, daß das Gefühl selbst zum Symbol wird, d. h. daß es das
einzige übrigbleibende Zeichen ist, das eine hinter ihm stehende religiöse
Gedankenwelt im Bewusstsein vertritt. Aus dieser im Hinblick auf seine
Entstehungsbedingungen begreiflichen Eigenart des religiösen Bewusstseins
erklärt sich nebenbei die Dürftigkeit aller intellektualistischen
Religionstheorien, die, wenn sie nicht zum Wunder der
Offenbarung ihre Zuflucht nehmen, einem oberflächlichen Utilitarismus
verfallen, der sich in allerlei Reflexionen über eine mögliche Entstehung
der Religion bewegt, ohne sich im geringsten um deren wirkliche Entstehung und
um die tatsächlichen Erscheinungen des religiösen Lebens zu kümmern.
Mit den in der obigen Begriffsbestimmung festgehaltenen Merkmalen
des Gefühls der Zugehörigkeit zu einer übersinnlichen Welt und
eines in diese projizierten Ideals sind nun aber keineswegs alle Momente erschöpft,
die zu den wesentlichen Triebkräften der religiösen Entwicklung gehören,
und die uns in ihren einzelnen Äußerungen oben begegnet sind. Vor
allem gehören hierher zwei Erscheinungen, die, wenn sie auch nicht, direkt
das allgemeine Wesen der Religion berühren, doch bedeutsam in ihre Entwicklung
eingreifen. Die eine besteht in der zunehmenden Unterordnung der nicht bloß
die Anfänge des religiösen Kultus bildenden, sondern diesen fortan
begleitenden Vielheit der Götter unter eine herrschende Gottheit, oder,
wie man es gewöhnlich zu nennen pflegt, eines fortschreitenden
Strebens von einer polytheistischen zu einer
monotheistischen Religionsform.
Die andere ist die niemals ganz fehlende, aber doch unter verschiedenen Bedingungen
sehr wechselnde Ausbildung eines negativen religiösen
Ideals in dem Sinne, daß sich die Gefühle eigener Unzulänglichkeit
und äußerer wie innerer Hemmungen gegenüber den positiven religiösen
idealen ebenfalls in religiösen Vorstellungen verkörpern, die durchweg
nach dem Gesetz der psychischen Kontraste im Verhältnis zu jenen positiven
Idealen gebildet sind. Es ist die Scheidung guter
und böser Götter
oder, wie sich dieser Gegensatz der Götter zu den
vorangegangenen Dämonenvorstellungen gewöhnlich gestaltet, die Scheidung
guter Götter und böser Dämonen, die vor allem in den Prozeß
der Versittlichung der religiösen Ideen eingreift.
Unter diesen beiden Erscheinungen pflegt man auf die erste, den Übergang
des Polytheismus in den Monotheismus, einen entscheidenden Wert zu legen, so
daß man wohl auch geradezu die Entstehung des Monotheismus
als den Geburtsakt aller vollkommeneren Religionen ansieht. Aber so geläufig
diese Anschauung ist, so wenig kann sie einer näheren Prüfung Stand
halten. Betrachtet man die Dinge unbefangen, so ist zwar kein Zweifel, daß
sich die Vorstellung eines herrschenden Gottes frühe schon Bahn bricht,
und daß sie von da an nie ganz verschwindet. Ist sie doch ein unmittelbarer
himmlischer Reflex der die Entstehung des Götterkultus begleitenden irdischen
Gesellschaftsordnung.
Der Götterstaat fordert ebensogut wie der menschliche Staat sei¬nen
Herrscher. In diesem Sinne ist daher die Vorstellung eines
herrschenden Gottes zunächst ein Symptom der sozialen Kultur, die
auch auf die religiöse ihre Wirkungen ausübt; direkt hat sie aber
mit der letzteren nichts zu tun. Unmittelbarer fällt schon in das religiöse
Gebiet ein Unterschied, der bei der Vergleichung der einzelnen Gestaltungen
dieses allgemeinen Polytheismus in die Augen fällt. Entweder ist nämlich
das Verhältnis des obersten Gottes zu den andern das eines Primus inter
pares [Ersten unter Seinesgleichen]: diese sind Nebengötter, deren jeder
eine selbständige Ausbildung des religiösen Ideals darstellt. Oder
die andern sind Untergötter, Untergebene
des höchsten Gottes, die dessen Befehle ausführen oder für
gewisse Gebiete des Lebens dessen Vertretung übernehmen. Beispiele der
ersten, ursprünglicheren Form bieten die Religionen aller alten Kulturvölker.
Den zweiten Typus zeigt die Religion der Israeliten. Dort
liegt der Ursprung deutlich in einer Vielheit dereinst
selbständiger Kulte, die, zum Teil verschiedenen Ländergebieten
angehörig, allmählich in ein Ganzes zusammengeflossen sind. Hier liegt
er aller Wahrscheinlichkeit nach umgekehrt in einem Kampf der Kulte. Die zweite
dieser Formen nicht Polytheismus zu nennen, dazu liegt aber kein triftiger Grund
vor. Die Engel und ihre Gegner, der Satan mit seinen Dämonen, bilden ebenso integrierende Bestandteile der Religion Jahwes,
wie die griechische Götterwelt um Zeus als
ihren Mittelpunkt geordnet ist. Hier wie dort bedarf der oberste Gott einer
Umgebung, und die verschiedenen Sorgen und Wünsche der Menschen verlangen
nach einer Vielheit hilfreicher Geister, die alle jener übersinnlichen
Welt angehören, mag auch die Macht dieser Geister eine beschränktere
sein.
Die wesentliche Verwandtschaft dieser Formen des Polytheismus spricht sich denn
auch darin aus, daß sie sich verbinden können. Ein lebendiges Beispiel
hierfür ist das Christentum. Als Volksreligion ist es Tritheismus
[Dreigötterei]. Denn niemand, der nicht
der Volksseele weltfremd gegenübersteht, wird sich wohl einbilden, das
Trinitätsdogma sei jemals über die Kreise der spekulativen Theologie
und der von ihr beeinflußten gelehrten Laien hinausgedrungen.
Im christlichen Kultus ist Christus der herrschende Gott,
hinter welchem, über dem direkten Verkehr mit dem Gläubigen erhaben, Gott Vater steht, während der
heilige Geist ein dämonenartiges Wesen
geblieben ist, das sich nie recht zur Persönlichkeit
emporringen konnte. Dazu kommt dann noch im katholischen Kultus die Fülle
der Untergötter in den Mitgliedern der heiligen Familie, den Aposteln und
Heiligen, die völlig in die Stellung der alten Orts-, Berufs- und sonstigen
Schutzgötter eingetreten sind. In der Tat ist daher
die Volksreligion noch heute polytheistisch.
Ein wichtiger Bestandteil dieses Polytheismus pflegt nun weiterhin die Verkörperung
des Bösen in einem Fürsten der Sünde zu sein, der dann
ebenfalls nach dem Vorbild der himmlischen Götterwelt einen Hofstaat böser Geister um sich sammelt. Dieses Bild ist das Produkt der Einwirkung sittlicher Ideen auf den religiösen
Kultus, sei es daß hierbei der Kampf des guten mit dem bösen Prinzip als ein Kampf zwischen zwei Göttern vorgestellt
wird, wie in der iranischen Religion, oder als ein Widerstand
abgefallener Engel, wie in den Religionen des Judentums,
des Christentums und des Islam. In beiden Fällen ist die Verkörperung des Bösen
in einer Persönlichkeit das Symptom eines höher entwickelten
ethisch-religiösen Bedürfnisses. Denn nicht bloß dem vorreligiösen,
sondern auch dem beginnenden religiösen Kultus sind diese persönlichen
Verkörperungen des Bösen zumeist noch unbekannt. Er kennt nur böse
Dämonen.
Der persönliche Teufel in seinen verschiedenen Gestalten ist aus dem Bedürfnis geboren, die Hemmungen
des sittlichen Strebens, vor allem die, die aus eigener Verschuldung entspringen,
ebenso wie die Ideale des Guten als persönliche Wesen sich gegenüberzustellen; und dieser natürliche Trieb führt hier wiederum einer monotheistischen
Zuspitzung jener aus dem alten Dämonenglauben herübergenommenen Welt
des Bösen entgegen, wie sie uns in der Form des Nebengottes
der persische Ahriman,
in der des Untergottes der Satan der jüdisch-christlichen
Mythologie zeigen. Gerade diese Form des Untergottes, in der
der Mensch sein eigenes Sündenbewußtsein in eine außer ihm
lebende, der übersinnlichen Welt angehörende Persönlichkeit projiziert, erhebt aber hier um so dringender die Frage, die noch tief in die christliche
Philosophie der neueren Zeit hereinreicht, wie die Existenz des Bösen überhaupt
mit der Oberherrschaft eines guten Gottes vereinbar sei.
Der iranische Mythus hat diese Frage frühe schon mit jenem Bild des Kampfes
beantwortet, unter dem er den Verlauf aller menschlichen Geschicke darstellt,
und aus dem er schließlich die unbeschränkte
Herrschaft des siegreichen guten Gottes hervorgehen läßt.
In anderer Form und doch im Grundgedanken übereinstimmend hat sie der christliche
Mythus beantwortet. Ihm steht, abgesehen von nebenhergehenden Motiven und Richtungen,
der Kampf des Einzelnen um die eigene Seele im Vordergrund. Nicht Gott und Satan streiten miteinander, sondern die um ihrer unsühnbaren
Bosheit willen verstoßene Seele wird Eigentum des Fürsten der Hölle,
der damit zugleich die Stelle eines Dieners der Gottheit zurückerobert. Was beiden Vorstellungen gemeinsam bleibt, das ist daher schließlich
der Gedanke des Kampfes zwischen Gut und Böse, in welchem sich das Gute
zum Siege hindurchringt. Es ist derselbe Gedanke in symbolisch-mythologischer
Form, den noch die Religionspsychologie als eine notwendige Konsequenz der Psychologie
der Affekte und die Ethik als eine Grundbedingung des Sittlichen zu begreifen
sucht: Ohne Schmerz kein Glück, ohne Kampf kein Sieg,
ohne Anfechtung und deren Überwindung kein Verdienst.
Die Welt ist nicht absolut gut noch böse, sondern
sie ist beides zugleich, und wenn sie dies nicht wäre, so würden
weder die sittlichen noch die religiösen Ideale möglich sein, die
dem Leben seinen Wert geben. So bewahren in der Ordnung dieser Welt Schuld und
Sünde ihre Stelle, wie auch im Lauf der Zeiten die Anschauungen über
ihren Ursprung wechseln mögen, ob sie der alte Dämonenglaube auf böse
Geister, die sich des Menschen bemächtigen, oder die moderne Wissenschaft
auf Vererbung abnormer Eigenschaften, verkehrte Erziehung, ungünstige Lebenslage
neben irgend einem Anteil unmittelbarer persönlicher Verschuldung zurückführen
mag. Der Einzelne ist, wie sich
Hegel ausdrücken könnte, ein »Werkzeug
des Weltgeistes«, wie immer, ob fördernd
oder hemmend, er in das Werden dieses Weltgeistes eingreift. Auch hier
gilt das Wort Heraklits, dass der Kampf der Vater der Dinge ist.
Indem nun in diesem Kampf das Ideal des Guten immer mehr
zu einem unerreichbaren übersinnlichen Gut wird, beginnt die vertiefte
ethische Selbstbesinnung alle jene Hemmungen, die sich dem Streben nach ihm
entgegenstellen, mehr und mehr in die eigene sinnliche Natur zu verlegen. Damit
ist aber auch schon die Axt an die Wurzel aller jener negativen Idealvorstellungen
gelegt, die das Böse in einem dämonischen Widersacher
der Gottheit verkörpern. Tragen doch die bösen Triebe und Handlungen
allzusehr die Spuren von irdischem Staub und irdischem Schmutz an sich, als
daß das Reich des persönlichen Satans, den die Phantasie doch nicht
umhin kann ebenfalls mit einer gewissen düsteren
Herrlichkeit zu umgeben, dem Stand halten könnte.
Darum überlebt die himmlische Welt in den phantastischen
Formen, mit denen sie der fromme Glaube ausstattet, jene dämonische Welt
der Verbrecher und ihrer Strafen. So gilt in weiten Kreisen des christlichen
Volkes der persönliche Teufel, an den Luther noch so fest glaubte wie an seine eigene Person, für ein Wahngebilde des
Aberglaubens vergangener Zeiten. Die Überzeugung, daß auch Gott nicht
unter dem Bilde einer menschenähnlichen Persönlichkeit vorgestellt
werden könne, ist eine Überzeugung, die sich offenbar viel langsamer
durchkämpft. Um so wirksamer tritt nun hier schon in den antiken Mysterienkulten,
und tritt vor allem in der Christuslegende das Bild des
Gottes, der selbst in menschlicher Gestalt auf Erden gewandelt, vermittelnd
ein, während es zugleich die Vorstellung eines übersinnlichen
Gottes in den Hintergrund drängt. Doch indem die Gestalt des Gottmenschen schließlich dem gleichen Prozeß der Entmythisierung
unterliegt, der bei den Dämonen der Hölle
begonnen und Gott seiner persönlichen Attribute entkleidet hat,
wird Christus aus dem zur Erde gekommenen Gott zum idealen
Menschen.
Die Christusreligion wird zur Jesusreligion. Sie hört darum nicht
auf, Religion zu sein. Aber sie ist nicht mehr Volksreligion, sondern eine Umwandlung dieser in die in ihr lebenden religiösen Ideen. Denn keine Volksreligion kann der Symbole entbehren. Sie nimmt sie ursprünglich
aus dem Zauber- und Dämonenglauben herüber, um sie dann im Götterkultus
durch die fortschreitende Vergeistigung seiner Motive
in unmerklichen Übergängen aus realen in ideale Symbole überzuführen,
die der objektiven magischen Wirkung entsagen, um die subjektive Wirkung auf
die religiöse Stimmung allein zu bewahren.
Das ideale Symbol verschleiert aber nur wenig noch die
hinter ihm verborgene Idee, die schließlich in der Selbstbesinnung
über die Motive der religiösen Stimmung in das Bewußtsein tritt.
Hier sucht dann die philosophische Reflexion die Idee festzuhalten und aus ihren
symbolischen Hüllen ganz zu befreien.
Damit ist zugleich die religiöse zur abstrakten philosophischen Idee geworden.
Sie auf diesem Weg zu begleiten, nachzuweisen, wie sich aus den religiösen
Symbolen die philosophischen Ideen entwickeln, und wie sich diese wieder in
der Umbildung der Symbole selber betätigen, ist die letzte Aufgabe der
Religionspsychologie. S.244ff.
Kröner Stuttgart, Kröners Taschenausgabe Band 207, Philosophisches
Lesebuch. Zweiter Band, Das neunzehnte Jahrhundert
Ausgewählt und erläutert von Hermann Glockner ©1950 by Alfred
Kröner Verlag in Stuttgart Veröffentlichung auf Philos-Website mit
freundlicher Erlaubnis des Alfred Kröner Verlages, Stuttgart
Sinnliche und übersinnliche
Welt (1914)
Das Unendliche
– das Absolute – Gott
Disposition: I. Der theoretische Weg zum Postulat des „Absoluten“.
(1) Über das mathematisch und empirisch Unendliche
hinaus erfasst das Denken das schlechthin Unendliche,
(2) welches es selbst als Quelle aller Unendlichkeitsbegriffe
ist.
(3) Diese Unendlichkeitsidee wird meist mit der (religiösen)
Gottesidee gleichgesetzt.
(4) Freilich oft zu Unrecht, sofern – auch abgesehen von den Fehlversuchen,
das Unendliche = Gott zu beweisen - das
Unendliche rein formale Bedeutung hat. Aber auch mit Recht, sofern das
Unendliche reale Bedeutung gewinnen kann.
I. Schließlich
kann die Idee des Unendlichen als eine selbständig
für sich bestehende allen jenen Anwendungen auf mathematische oder empirische
Größen als das Unendliche schlechthin
oder als das Absolute in der
umfassendsten Bedeutung des Wortes gegenübertreten.
(1) Da aber die werdende
oder relative Unendlichkeit stets in endlichen Grenzen befangen bleibt, so daß
sie erst zu Unendlichkeit wird, indem die Idee der absoluten auf sie herüberwirkt,
so wird diese letzte Unendlichkeit als eine absolute Totalität gedacht,
neben der nicht nur alles Endliche, sondern auch alles, was dieses Endliche
nach einzelnen Richtungen zu unendlichen Reihen ordnet, im letzten Grunde als
ein bloß Relatives gilt.
(2) D amit wird das Denken
, das diese letzte absolute Unendlichkeitsidee bildet, da es die Quelle
aller Unendlichkeitsbegriffe ist, selbst zur vollendeten Uendlichkeit des
Seins erhoben : es wird als letzte Einheit
der sinnlichen und geistigen Welt, als letzte Ursache und letzter Zweck der
Dinge gedacht. Es besitzt Denknotwendigkeit, und es entzieht sich doch
gleichzeitig jeder Möglichkeit, durch das Denken begriffen zu werden. Wo
immer die philosophische Spekulation zu einem solchen Letzten, selbst Voraussetzungslosen,
das aber als die Voraussetzung alles Wahren und Wirklichen gelten soll, vorzudringen
versuchte, da ist sie zu dieser transzendenten Idee
gelangt.
(3) Sie hat vor allem in der
Gottesidee in den ihr beigelegten Attributen
unendlicher Macht, Größe, Vollkommenheit, Güte usw. ihren
Ausdruck gefunden.
(4) Dabei hat sich freilich in den sogenannten
Gottesbeweisen diese Grundlage der von ihnen vorausgesetzten Unendlichkeitsidee
hinter Argumenten verborgen, die der Kritik
nirgends standhalten können. Dies liegt aber lediglich darin begründet,
daß es überhaupt verkehrt ist, die Idee das
Unendlichen beweisen zu wollen, da sie doch ein
Postulat des Denkens ist, für das ein Beweis ungefähr ebensoviel
Sinn hat, als wenn man einen solchen für den logischen Satz des Widerspruchs
führen wollte. Außerdem hat aber die absolute
Unendlichkeitsidee in dieser letzten Steigerung, nicht minder wie in
ihren einzelnen Anwendungen, theoretisch nur eine formale
Bedeutung, und vollends die Hineintragung ethischer Begriffe in diese
Idee ist ein durchaus willkürliches Verfahren, das sich nicht im geringsten
auf irgendeine logische Notwendigkeit berufen kann. Denkt man sich jene unrechtmäßigen
Zugaben hinweg, so hat daher der Begriff des Unendlichen auch in dieser letzten
Steigerung direkt gar keinereligiöse Bedeutung
. Hiermit kommt diese Betrachtung auf einem anderen Weg zu dem gleichen
Resultat, zu dem auch die von Kant bekanntlich zum
erstenmal in systematischer Vollständigkeit geführte Kritik
der sogenannten Gottesbeweise gelangt ist. Gleichwohl besteht zwischen
beiden negativen Ergebnissen ein wesentlicher Unterschied. Betrachtet man nämlich
die Idee des Absoluten als ein reines Postulat unseres
Denkens ohne jeden spezifischen Inhalt, so hat es zwar weder ethische,
noch eine religiöse Bedeutung; es bleibt aber immerhin möglich, daß dieser formale Begriff eine reale Bedeutung
dadurch gewinnt, daß er auf die konkreten Lebensinhalte
herüberwirkt , die vermöge ihrer objektiv nie zu vollendenden
Entwicklung und des diese Entwicklung begleitenden, jede
Grenze überschreitenden subjektiven Strebens zu einer Übertragung
der Idee des Unendlichen herausfordern. Damit kommen wir auf den zweiten
der oben bezeichneten Wege; auf den der praktischen
Motive.
Disposition: II. Das führt zu dem praktischen Weg der Synthese
der Unendlichkeitsidee mit sittlichen Ideen;
(1) sie ist theoretisch unmöglich, denn Sittlichkeit
setzt Kampf Widerstand voraus, mit denen eine Überwelt nicht zusammen gedacht
werden darf.
(2) Die Synthese ist nur möglich mit den logischen
Begriffen des Grundes und des Zweckes. Die Idee des Weltgrundes
und Weltzweckes (3) ist
auch die letzte Wurzel des religiösen Denkens selbst (4),
sie läßt der Phantasie Raum, sie anzureichern mit Mythologie (Dogma),
und gibt dem Gefühl die Möglichkeit, sich an ihr aufzurichten in Erhebung
und Erlösung (die wesentlichen religiösen Grundgefühle).
II. Hier könnte man sagen,
gerade das, was soeben verlangt wurde, eine Synthese
der theoretischen Unendlichkeitsidee und der sittlichen Ideen, sei
es, was die Philosophie geleistet habe, als sie jene ethischen Unendlichkeitsattribute
zu einem höchsten Begriff des Absoluten vereinigte und diesen der religiösen
Gottesidee gleichsetzte. Möge der Weg des Beweises, der dabei beschritten
wurde, ein ontologischer Irrweg gewesen sein, als Forderung unseres ins Unendliche
strebenden Denkens halte nur um so mehr diese höchste aller Synthesen jedem
Angriff stand. Dennoch liegt der Fehler der Gottesbeweise
weniger in der syllogistischen Form, in die sie sich kleiden, als in der Voraussetzung,
der Begriff des Unendlichen sei auf alle möglichen
denkbaren Begriffe anwendbar, und er könne daher beliebig mit ihnen verbunden
werden.
(1) [Dem ist aber nicht so;
denn z. B.:] Da jene Begriffe der Macht, des Wahren,
des Guten für uns im allgemeinen nur insofern Werte sind, bildet
und gesteigert denken, so versuche man es doch, sich
eine übersinnliche Welt zu denken , in der alle jene Motive
und Gegenmotive, aus denen unser Tun und Leiden, unser Glück und Unglück
in dieser empirischen Welt stammt, nicht existierten, und man frage sich
dann: welchen Wert soll der Gedanke einer solchen Welt
für uns noch besitzen? Können wir ein sittliches Leben nicht anders
denken als in der Teilnahme und dem Umfang, in dem dies für den einzelnen
möglich ist, in der Förderung der allgemein geistigen Werte, wie sollen wir uns dann etwa eine Kunst denken, für die es nur Licht und
keinen Schatten gibt, ein Epos ohne sieghafte Helden, eine Tragödie ohne
die Tragik des Lebens? Natürlich sind alle diese Vorstellungen, die den
Begriff eines vollkommenen Daseins in ein niemals getrübtes menschliches
Glück übersetzt denken, derart kindlich naiv, daß sie sich selbst
aufheben, weil sie alle jene ewigen Werte menschlich und doch die Welt, die
in den Begriff solcher Werte gelangen soll, übermenschlich denken. Demnach
sind auch jene Begriffe unendlicher Macht, Güte, Vollkommenheit, und wie
immer die herkömmlichen Attribute der Gottheit lauten
mögen, durchaus der gleichen Art: sie verunendlichen das Endliche,
indem sie die auf anderem Boden entstandene Unendlichkeitsidee
ganz äußerlich mit beliebig herausgegriffenen sittlichen
Wertbegriffen verbinden, ohne Rücksicht darauf, ob diese Werte überhaupt
als unendliche gedacht werden können.
(2) Soll die Idee des Unendlichen auf den Inhalt
unseres geistigen Lebens herüberwirken, so kann dies daher nur in dem Sinn
geschehen, daß jene letzte unendliche Einheit des Seins von den relativen
Wertbegriffen der empirischen Wirklichkeit frei bleibt. Ist das
Absolute in dieser letzten Bedeutung zu dem rein formalen Postulat der Totalität des Seins geworden, so
kann es auch nur in diejenigen Momente des Seins verlegt werden, die selbst
rein formaler Natur und in gleicher Weise wie die unendliche
Totalität des Seins Postulate des Denkens sind. Solcher Formbegriffe,
die zu jeder Zusammenfassung einer unendlichen Reihe zur Einheit hinzugedacht
werden, gibt es aber nur zwei: den Begriff des Grundes
und den des Zwecks . Beide sind Formen des verknüpfenden
Denkens, die diesem immanent sind. . . .
Wieder dürfen wir aber unsere empirischen Anwendungen dieses dem Denken
immanenten Doppelbegriffs nicht auf die absolute Unendlichkeitsidee übertragen,
wie das der sogenannte kosmologische Gottesbeweis tut,
indem er das Unendliche selbst nach Analogie der menschlichen Willenstätigkeit
als die physische Ursache der Welt denkt oder es, wie in dem verwandten teleologischen
Beweis, in ein Analogon des zwecktätigen menschlichen Handelns umwandelt.
Die Idee des Absoluten selbst liegt solchen anthropomorphischen Gedanken einer
Begriffsmythologie, in der die phantasievollen Bilder des ursprünglichen
mythologischen Denkens in einen leeren Begriffshimmel
übertragen werden, an sich völlig fern.
(3) Wird die Idee der absoluten Totalität des Seins
oder, was dasselbe bedeutet, des letzten Grundes und Zwecks
der Dinge von allen solchen mythologischen Begriffsfälschungen frei
gehalten, so gewinnt sie nun um so mehr den Charakter eines nicht aufzuhebenden,
eben darum aber bald dunkler, bald klarer bewußt allem menschlichen Denken
immanenten Postulats, und dieses erweist sich so als die letzte Wurzel des religiösen Denkens selbst.
(4) Die Unbestimmtheit jener Idee läßt jedoch einerseits der mythologischen Phantasie
freien Spielraum , um die Idee des Absoluten jederzeit in der dem empirischen Denken adäquaten mythologischen Einkleidung
dem menschlichen Bewußtsein nahezubringen, und andererseits bewahrt doch
die Idee selbst bei allen diesen Transformationen innerhalb der positiven Religionen
im wesentlichen ihren allgemeinen Charakter. Dazu kommt nun aber auch die Übereinstimmung
der die einzelnen religiösen Entwicklungen beherrschenden Idee nur in äußerst
geringem Maße in den Vorstellungen zum Ausdruck, in die jeweils die mythologische
Phantasie sie kleidet; um so mehr geschieht dies von den Gefühlen,
von denen diese Vorstellungen getragen sind.
(5) In diesem Sinn hat Schleiermacher
das Gefühl der »schlechthinnigen Abhängigkeit«
die psychologische Wurzel der Religion genannt.
Der Ausdruck weist, indem er in dem beigefügten Prädikat dieses Gefühl
über jedes andere gleicher Art stellt, auf die Idee des Unendlichen als
ihr letztes Motiv hin. Doch enthält er, unter diesem Gesichtspunkt betrachtet,
nur die eine der beiden Seiten, die sich in diesem gefühlsmäßigen
Verhältnis des subjektiven Bewusstseins zum Unendlichen vereinigen.
Die andere, wohl die bedeutsamere ist die der Erhebung
zum Unendlichen. Denn wie in jeder Gemütsbewegung, so vereinigen
sich Tun und Leiden auch in dem religiösen Affekt, und von beiden Momenten
des Seins ist in ihren Widerspiegelungen im Bewußtsein das Tun das Höhere. Deshalb gilt uns die Tat, die das Leiden überwindet,
als die wertvollste. Neben der Abhängigkeit vom Unendlichen
und der Erhebung zu ihm ist daher der Gedanke der Erlösung , der Überwindung des Leidens durch die Tat, ein Motiv, das von früh an in die Entwicklung des religiösen Bewußtseins
eingreift.
Die
Erlösung und der Heilbringer
Der Erlöserglaube ist die ausreichende inhaltliche
Ergänzung der »Gottes«-Idee des unendlichen
Weltgrundes und Weltzwecks. Über den Glauben an sittliche Selbsterlösung
darf er aber nicht hinausgetrieben werden, ohne ins Phantastische zu fallen:
die Gottheit ist das innere Erlebnis.
[Das Bedürfnis nach Erlösung und seine Befriedigung
im religiösen Gefühl hat in vielen Religionen endlich die Gestalt
des heilbringenden Gottes geschaffen, aus dem sich dann der volle Erlöserglaube
entwickeln kann.]
Der Gedanke der Erlösung findet seinen ergreifendsten
Ausdruck in der Gestalt eines Gottes, der sich selbst aus Drangsalen und Leiden
erlöst hat und so dem Heilbedürftigen als Vorbild der eigenen Rettung
vor Augen steht.
Immerhin bleibt in der christlichen Legende das
menschliche Bild des Erlösers erhalten, und dieses vermittelt so
in der religiösen Gefühlsfärbung die Verbindung mit den anderen
Deutungen der Legende.
Unter ihnen ist es zunächst die symbolische, die, im Gegensatz zu der mythologischen,
in dem Doppelbegriff des Gottmenschen auf den Menschen den entscheidenden Wert legt. Der Erlöser ist ihr im zwiefachen Sinn ein
Symbol menschlicher Hingabe: auf der einen Seite verkörpert
sich in ihm die hingebende Liebe, die bereit ist das eigene Leben für die
Rettung des Nächsten zu opfern; auf der anderen Seite ist er ein Vorbild
der Hingabe an die übernommene Pflicht. Die philosophische Deutung
endlich verwandelt diese, durch den Charakter des Symbols als einer anschaulichen
Vorstellung an das individuelle Ideal gebundene Auffassung in eine allgemeine
menschliche Norm. Diese Norm lautet: Mensch, erlöse
dich selbst! Löse dich aus den Fesseln der Selbstsucht, diene der Pflicht,
die du auf dich genommen, nicht mit Widerstreben, sondern aus freier Neigung,
und gib, wo es not tut, dein eigenes Leben hin für die ideale Aufgabe,
die dir das Leben gestellt hat!
So erhebt sich aus dem trüben Zwielicht des Glaubens
an erlösende Götter, deren Wille durch
Zauber zu binden, und deren Gunst durch Opfer zu gewinnen ist, in dem
Bild des menschlichen Erlösers ein religiöses Ideal, das unmittelbar
zu einem sittlichen Ideal wird. Damit
gewinnt jene Idee des Unendlichen, die die letzte Wurzel aller Religion, aber
zu unbestimmt ist, um den religiösen Trieb in dem wirklichen Leben feste
Ziele zu zeigen, ihre inhaltliche Ergänzung in der Idee des menschlichen Erlösers und ihrer Weiterführung zur Idee der
Selbsterlösung des Menschen durch die eigene Tat. In der Wechselwirkung,
in die diese Ideen treten, kann aber keine von ihnen unverändert bleiben.
Auch die Gottesidee wandelt sich: aus einer äußeren Macht wird die
Gottheit zu einem inneren Erlebnis. »Wie
das Widerspielen des Spiegels in der Sonne«, sagt Meister
Eckehart, »selber Sonne ist, während doch
der Spiegel bleibt, was er ist, genau so verhält es sich mit Gott: er ist
in der Seele mit seiner Natur, seinem Wesen, seiner Gottheit, und darum ist
die Seele doch, was sie ist.« S.1ff.
Aus: Religionskundliche Quellenhefte. Herausgeben von Prof. D. H. Lietzmann
und Akademiedirektor Dr. K. Weidel, Heft 44, Aus der Gotteslehre der gegenwärtigen
Philosophie und Theologie von D. Dr. Heinrich Weinel . Verlag von B. G. Teubner,
Leipzig und Berlin